OSTERN 1954
 
 
 
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Das Heilbronner Holzkreuz und eine Kapelle auf dem Krippenstein erinnern an die Tragödie  die sich 1954  zu den Osterfeiertagen  zugetragen hat.  Einige Lehrer kamen mit einer Schülergruppe aus Heilbronn, Baden Württemberg,  nach Obertraun um sie von  der Trostlosigkeit ihrer Stadt  abzulenken und einige Tage  in dieser herrlichen Gebirgswelt sich zu erholen. Heilbronns historische Innenstadt wurde durch den britischen Luftangriff 1944 völlig zerstört.

Am Gründonnerstag trat Lehrer Hans Georg Sailer, der über   angeblich genügend  Bergerfahrung besessen haben soll, um 6 Uhr früh  mit 10 Schüler und noch zwei Lehrkräften die  Tour in das Dachsteingebirge an. Eine angekündigte Schlechtwetterfront wollte er nicht zur Kenntnis nehmen, zu sehr faszinierte ihn der Dachstein, der für ihn zum Erlebnis werden sollte. Er nahm auch  nur Schüler  zu diesen Ausflug mit, die körperlich  dazu fähig  waren. Bei den Bergtouren der vergangenen Tage auf dem Sarstein und dem Loser hatte er die  Auswahl getroffen. Der Krippenstein sollte der Höhepunkt der Osterferien  werden. Also machten sich 13 Personen auf den Weg ins Verderben. Nicht nur der Leiter der Bundessportschule warnte, auch die Wirtin auf der Schönbergalm, wo die Gruppe Tee trank, äußerte  ihre Bedenken.

Ungefähr um  10 Uhr setzte im Tal Regen ein, dazu  zog Nebel auf. Auf dem Berg aber tobte ein entsetzlicher Schneesturm. Die Gruppe traf  bei ihrem Aufstieg um 11 Uhr bei der Stütze Nr. 5 der Materialseilbahn auf  einen Bautrupp der wegen Schlechtwetter die  Arbeit beendeten und  zu Tal aufbrachen. Sie wunderten  sich über  die kleine Gruppe die bei diesem Wetter hier anzutreffen, außerdem weder dementsprechend gekleidet noch ausgerüstet waren.  Auch diese Männer rieten ihnen die sofortige  Rückkehr anzutreten. Doch auch deren Warnung wurde nicht zur Kenntnis  genommen.

Die nicht teilnehmenden Schüler an diesem Ausflug machten sich allmählich Sorgen um ihre Freunde und Mitschüler die am Abend noch immer nicht zurück waren. Umfassende  Rettungs- und Suchaktionen wurden sofort gestartet, in einem nie dagewesenen Umfang. Unter schwierigsten Verhältnissen setzten sie ihr Leben ein.

Tagelang herrschte   furchtbares Schneegestöber die die Bergrettung  daran  hinderte  nach den Vermissten  zu suchen. Der Obertrauner Bergrettungsdienst wurde 1950 gegründet  um mit der Erschließung des Dachsteinplateaus den  Touristen  zu ermöglichen. Endlich kam wieder ein  klarer Tag,  aber eisige Kälte erschwerte die Suchaktion, an der sich  außerdem Alpingendarmen und freiwillige Helfer anschlossen. Etwa 400 Teilnehmer begannen  unter  unmenschlichen  Bedingungen die Suche nach den Vermissten  fortzusetzen.  Einige Männer  der Hilfsmannschaft mussten wegen Schneeblindheit die Arbeit unterbrechen. Eine große Gefahr  waren die mit Schnee  gefüllten  unübersichtlichen Mulden und Dolinen des Gjaidsteinmassivs.  Zwei Hubschrauber der amerikanischen Besatzungsmacht unterstützten die Arbeit der Suchmannschaft indem sie die  gleißenden Schneefelder  ständig  überflogen, da man darunter die Vermissten vermutete.

Ein Gendarmeriefunker der  im Unglücksgebiet eingesetzt war, konnte keine Neuigkeiten melden. Im Gegenteil Nebel fiel ein der sie abermals zwang die Suche  nach den Heilbronnern zu unterbrechen. Doch plötzlich nach 15 Uhr  kam die Meldung man hätte die erste Spur von den leichtsinnigen  Bergwanderern gefunden. Zwischen dem Speikberg und  Däumelkogel entdeckte man  einen  Brotbeutel  und eine Heilbronner Zeitung.  Sie waren mit 8 Laib Brot und Käse in dieser Hinsicht gut versorgt.  Latschenzweige die hier verstreut  aufzufinden waren, ließen vermuten, dass sie hier auch die Nacht verbrachten und sich damit schützen wollten. Gut wäre es gewesen, hätten sie eine  der Höhlen erreicht um Schutz zu finden.

Seit Tagen belagerten Presseleute, Radioberichterstatter aller Länder den kleinen Ort Obertraun.

Am Ostersonntag trafen die Eltern der 10 Mittelschüler und der Bürgermeister von Heilbronn in der Sportschule  Obertraun ein,. Ein Vater der soeben erfuhr, dass beide Söhne sich unter den  Vermissten  befinden, erlitt einen Nervenzusammenbruch. Bürgermeister  Dr. Meyle wandte sich an die österreichischen  Pressevertretern und äußerte, dass die Hilfsbereitschaft und die unermüdliche Ausdauer der Gendarmen und der Bergrettungsmänner  tiefsten Eindruck hinterlassen habe. Jeder konnte sich davon überzeugen, dass wirklich alles Menschenmögliche getan wurde. Die Wahrscheinlichkeit einen eventuell noch lebend zu bergen schwand von Tag zu Tag, daher reisten einige Eltern wegen der Aussichtslosigkeit wieder ab.

Der Ministerpräsident von Württemberg-Baden, Dr. Müller, hat dem Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Gleißner, telegrafisch für den aufopferungsvollen Einsatz der österreichischen Suchmannschaften im  Dachsteingebiet gedankt.

Die Bergungstruppe musste abermals wegen Nebeleinfall  vom  Suchgebiet abgezogen werden. Nun schwand die letzte Hoffnung  und wurde zur traurigen Gewissheit  keinen Lebenden  mehr zu finden. Die Jugendlichen die alles verfolgt  und sich um ihre Kameraden sorgten, kehrten ebenfalls heim.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft gegen den  Mittelschullehrer Hans Sailer die Voruntersuchung eingeleitet. Sailer war der verantwortliche Führer der Gruppe von  zehn  Heilbronner Schülern, die seit  Gründonnerstag  im Dachsteinmassiv vermisst werden. Sailer  hatte unverantwortlich gehandelt und  die Warnungen der Einheimischen nicht wahrgenommen.

Innenminister Helmer rühmte im Ministerrat den großartigen Einsatz der Gendarmeriebeamten und Bergrettungsmänner, die unermüdlich seit einer Woche an den Bergungsaktionen beteiligt sind. Dank und Anerkennung war ihnen sicher. Auch dem amerikanischen General Arnold, der Hubschrauber zur  Verfügung stellte, wurde der Dank ausgesprochen.

Der Regierungspräsident von Nordwürttemberg sandte eine Telegramm nach Obertraun, in dem er seinen Dank für die Aufopferungsbereitschaft der Rettungsmannschaft ausdrückt  und ihnen den Betrag von 3000 DM zukommen ließ.

Treuschitz, Leiter des oberösterreichischen Bergrettungsdienstes organisiert für das kommende Wochenende einen Großeinsatz zur Bergung der Vermissten. Auch Ortsgruppen aus entfernteren Gebieten wurden aufgefordert alle verfügbaren Rettungsmannschaften bereit zu halten. Darunter wolle man noch weitere Almhütten aufsuchen.

Ein neuer Schlechtwettereinbruch zwang die Suchmannschaften zur  Rückkehr. Die aus dem Lehrer und drei Schülern bestehende Vierergruppe der Verunglückten, die irgendwo unter Eis und Schnee begraben lagen konnten noch nicht gefunden werden. Jene die  nach intensiver Suche entdeckt, wurden auf Bretter ins Tal gebracht.


In Obertraun nahmen die Trauerfeierlichkeiten für die toten Schüler  ihren Anfang. Die Fahnen  wehten auf halbmast. Der große Turnsaal war feierlich ausgestattet mit  Latschen, Schneerosen, Primeln, Tulpen und Märzenbecher, auf weißen Bartücher liegen die neun geborgenen Opfer, deren Antlitze deutlich den furchtbaren Kampf und das Leiden mit den Naturgewalten widerspiegeln.  Erschöpfung    warf sie  nieder, rafften sich wieder auf um bald darauf für immer liegen zu bleiben  und erfroren. Jeder einzelne der Burschen blieb der Rettungsmannschaft so lange unbekannt bis sie von den Müttern oder Vätern unter Weinkrämpfen  identifiziert werden konnten. Besonderen Ärger bereiteten  den Leidtragenden und den Einheimischen das  rücksichtslose Benehmen  der  zahllosen Bildberichterstatter  mit  ihrem Blitzlicht von dem sich alle  belästigt fühlten.

Bei einem der Jugendlichen fand man zufällig  einen Fotoapparat, man ließ den Film sofort entwickeln, der dann die  Szenen  des unmöglichen  Vordringens durch den Tiefschnee zeigte.

Süddeutsche Zeitungen die den Österreichern noch  nie gut gesonnen waren, gaben  nicht dem Lehrer Sailer die Schuld, sondern der österreichischen meteorologischen Station, die um den Osterfremdenverkehr nicht  zu vermiesen einen sehr freundlichen Wetterbericht ausgesendet hätten. Die Österreicher wiesen diese Behauptung scharf zurück.

Warum hatte Sailer eine andere Route angegeben, als er dann durchführte? Außerdem achtete er nicht auf die notwendige Ausrüstung seiner jugendlichen Begleiter. Sie waren ohne warme Unterwäsche und sogar mit Halbschuhen unterwegs gewesen. Seltsam erscheint auch, dass er sich mit  drei seiner Schüler von der Gruppe separierte. Das wird wohl  ein Geheimnis bleiben.

Der württembergische Kulturminister Simpfendörfer ist nach Obertraun gekommen um an der Feierlichkeit  für die Verunglückten teilzunehmen. Die eigentliche Trauerfeier erfolgte erst  in Heilbronn. Die  Regierung  war der Meinung, dass das Land für die Suchaktion  mindestens 150.000 DM zur Verfügung stellen muss.

Bundespräsident Körner hat in einer Depesche dem Bundespräsidenten der Bundesrepublik, Prof. Dr. Heuß, sein und des ganzen österreichischen Volkes tiefempfundenes Mitgefühl ausgesprochen.

Die Antwort des deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss; „Für die so warme Teilnahme, die Sie mir zum Bergtod der jungen Menschen aus meiner Heimatstadt Heilbronn zum Ausdruck  gebracht  haben, darf ich Euer Exzellenz meinen herzlichen Dank aussprechen.....

Für uns  alle war es bewegend, mit welcher Hingabe, unter dauernder Gefährdung des eigenen Lebens, die österreichische  Berggendarmerie, unterstützt von dem Wagemut freiwilliger Kräfte, die Such- und Bergungsaktion durchführte. Ich weiß, dass ich der Sprecher des ganzen deutschen Volkes bin, wenn ich für diese uns im  Leid tröstliche Bekundung eines tiefen Helferwillens allen von Herzen danke.“
 
Erst sechs Wochen später, am 28. Mai wurden die letzten Dachsteinopfer gefunden. Ein Suchtrupp der  Gendarmerie stieß in der Speikberggrube auf die Leichen des Führers der Schülergruppe, des 42 jährigen Lehrers Hans Sailer, und des 16jährigen Schülers Rolf Mößner.

Die Fundstelle liegt zwischen dem Niederen und dem Hohen Speikberg, etwa 500 Meter nördlich jener Stelle, an der die Suchmannschaften in den ersten Tagen der Aktion auf den verlassenen Biwakplatz gestoßen waren. Unter einer dünnen Eisschicht, sah ein Gendarmeriebeamter einen dunklen Schatten. Der Beamte vermeinte zuerst an einen Latschenbusch, stieß aber dann mit seiner Sonde durch den Firn. Als das Eis splitterte erkannte man erst  den  Toten. Man erweiterte die Schneemulde und bemerkte einen  weiteren  Körper.

Ihnen war sofort bewusst, dass es sich um die Leichen der beiden Vermissten  handle. Der Lehrer und der Schüler  hielten einander im Tode umschlungen, beide lagen mit dem Rücken nach oben. Ob sie nun vor Erschöpfung zusammengebrochen sind, oder  wegen ihrer Aussichtslosigkeit, der Schüler vom Lehrer  getröstet werden  musste....

Gendarmeriemajor  Jauner, vermutete, dass die Gruppe  den Karfreitag nicht mehr erlebten.

Der badisch-württembergische Ministerpräsident Dr. Gebhard Müller gab bekannt, dass 100 Männer der Rettungsmannschaften, die an der Bergungsaktionen  der Katastrophe beteiligt waren, vom Land Baden-Württemberg zu einem achttägigen Erholungsurlaub nach Heilbronn eingeladen wurden.

Der Ministerpräsident gab weiter bekannt, dass eine Summe von 73.000 DM an Österreich überwiesen werde, den Bergungsmannschaften zugedacht seien. Es bedeute  eine Anerkennung der großen persönlichen Opfer und der überragenden Leistung der  Bergungsmannschaften und wies darauf hin, dass ein Teil der  beteiligten Männer die Schi- und Bergausrüstung verloren habe und dass andere, selbst in Bergnot geraten, ihre Pullover verbrennen mussten, um  Signale geben zu können.

Der oberösterreichische Landeshauptmann Dr. Gleißner, ließ verkünden, Österreich sehe es  als eine Ehrenpflicht an, die Kosten der Rettungsaktion zu übernehmen

QUELLEN: Burgenländische Freiheit, 2. Mai 1954, Erlafthal Bote, 24. April 1954, 1. Mai 1854, 5. Juni 1954 Österreichische  Nationalbibliothek ANNO

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