!!!STEPHANSDOMS GLOCKEN


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Der ehrwürdige Dom zu Wien, St. Stephan, ist ein Bauwerk voller
Geheimnisse und  zahlreicher Ereignisse, diesmal sind es die Glocken, die für Interesse sorgen.

1877:  Vor wenigen Tagen lief in den  Zeitungsblättern  die  erschütternde Nachricht, dass der alte  Stephansturm an einem  organischen  Herzfehler leidet, und sobald  sein ehernes Herz, die große  Glocke zu läuten beginnt, von einem nervösen Zittern befallen wird, das den alten Herrn um 15 bis  20 cm aus seiner normalen Lage reißt und  hin und her  schüttelt, ein höchst bedenkliches Symptom.

Gewiss interessiert es die Bewohner Wiens über die bekannte, gefährliche Glocke, sowie über  all  die  anderen im Dom befindlichen herab „Die Lebenden rufen,  die Toten beklagen, die Blitze verjagen“ einiges zu erfahren und es ist im Stadtarchiv und in den alten Chroniken bei Pez,  Tillmetz, Reifenstuel, besonders aber bei Andreas Heyinger 1722 und Joseph  Ogesser 1779 des Materials ein solcher Überfluss vorhanden, dass  wir nur mit sorgfältiger Auswahl das  Interessanteste zur Kenntnis bringen.

Die große Glocke, eben die  auf dem ausgebauten Turm wird die  Josephinische genannt, da Kaiser Joseph I., mit Kontrakt vom 18. Dezember 1710 dem k.k.  Stuckgießer Johann Ahammer den Auftrag gab, eine Glocke zu gießen, zu welcher  er 330 Zentner Metall, von eroberten türkischen Kanonen und 40 Zentner Schlackenwerder Zinn  bekam, doch  wurden ihm bei 100  Zentnern 7 Zentner Feuerabgang bewilligt. Außer dem Gießerlohn wurden ihm 100 Dukaten Rekompense versprochen. Die Glocke wurde in der Leopoldstadt in einem eigens konstruierten Gussofen, der  279 Gulden kostete, in Gegenwart vieler hoher Persönlichkeiten gegossen. Der Guss gelang vollkommen und drei Monate später waren alle  Nacharbeiten vollendet.

Der Maurermeister Alexander Oedel bekam vom Magistrat den Auftrag in allen Straßen, durch welche die Glocke geführt werden musste, die Kellergewölbe zu untersuchen, und wo nötig, zu stützen. Den 29. Oktober endlich wurde die Glocke auf einem eigens gebauten Wagen. Mittels einer Schleife, in die sich 200 Menschen einspannten, von der Leopoldstadt über die  Schlagbrücke, durch die Rotenturmstraße auf den Stephansplatz bis zum Singertor gezogen,  wo sie stehen blieb, bis nach Vollendung der Aufzugsmaschinen, worauf sie in Gegenwart des Stadtrates und der  Geistlichkeit am 15. Dezember 1711 vom Bischof Franz Freiherr von Rummel eingeweiht und dann  auf ihren gegenwärtigen Platz gehoben wurde. Das Erzählte ist in lateinischen  Worten an den unteren Rändern der Glocke wiedergegeben; dass sie im Volksmund der „Schustermichel“ genannt  worden  sei, ist  unrichtig, die Glocke dieses Namens befindet sich auf dem einen  Turm der Pfarrkirche zu Mariahilf.

Zum ersten Mal wurde sie geläutet am 26. Jänner 1712, beim Einzug  Karl VI., als dieser von der  Krönung  aus  Frankfurt zurückkehrte. Bei dem Dankfest, welches 1739  wegen des mit Frankreich geschlossenen Friedens  abgehalten wurde, zersprang der Schwengel. Der Hammerschmied Sebastian Wimmer in Piesting verfertigte einen neuen, welcher 15  Zentner 70 Pfund wog und für   den er 175 Gulden  bekam.

Die zweite Glocke ist die Feuer- auch Ratsglocke, weil hier nach den  Ratsferien die Sitzungen eingeläutet, und die  Feuerzeichen gegeben wurden. Auch jeden Abend, im Sommer um halb 7 , im Winter um 7 Uhr, wurde sie zur Erinnerung an die Türkennot geläutet, deshalb vom  Volk die Angstglocke oder die „Angsterm“ genannt. Die Jahreszahl darauf weist das Jahr  1453.

Die dritte auf dem ausgebauten Turm ist die sogenannte Speisglocke, welche  geläutet wird, wenn  ein Kranker mit der letzten  Wegzehrung versehen wird. Stifter derselben  ist der Bürger Thomas Ring und seine Hausfrau Magdalena. Am Rande steht:  „Georgius  Arnoldt von Wien goss mich“

Das  Zügenglöcklein, welches für  die in letzten Zügen liegenden in drei  Absätzen geläutet wird, stammt samt dieser Sitte aus dem Jahr  1707.

Endlich findet sich als Fünftes auf dem Turm das Primglöckel, durch welches schon zu  Rudolphs  IV. Zeiten die Chorherren zur ersten Andacht gerufen wurden. Man  verstümmelte das Wort in  „Preim“ endlich „Prein“ und noch 1574 wurde das  „Prein-Glöckel“ geläutet und von einigen Chronisten behauptet, der Name rühre vom Läuten bei einer Krankheit her, welche  die Prein (Bräun) geheißen habe!!

Auf dem unausgebauten  nördlichen Turm befindet sich eine einzige, aber große Glocke, welche vom Volk  die Pummerin genannt wird, irrtümlich wird auch die  Josepfinische manchmal so  bezeichnet. Sie wurde zuerst von  Felix Fabion im Jahr 1472 gegossen und wog  damals 160 Zentner. Nicht 100  Jahre dauerte es,  so war sie zertrümmert, dass man sie stückweise herabnahm und in ihre gegenwärtige Gestalt umgoss.1558.  Sie hing 21 Jahre lang  herunter auf den Stephansfreithof, bis man sie endlich 1579 auf den Turm zog. Zu lesen ist auf derselben; Urban Weiss hat mich gegossen. Man läutet sie bei großen Festen und Begräbnissen erster Klasse.

Endlich befanden sich auch auf den sogenannten Heidentürmen kleinere Glocken, welche bei dem großen Brand der Kirche im Jahr 1258  schmolzen und in die  Ruinen flossen. Im Jahr 1772 wurden wieder  sechs Glocken für diese Türme von dem Glockengießer  Franz  Joseph  Scheichel gegossen, welche melodisch zusammenstimmten. Auf dem einen dieser Türme hing einst auch die Fürstenglocke oder Zwölferin, auf dem anderen, dem  Bischofhofe gegenüber,  die Bierglocke, mit welcher das Zeichen zum Schließen der Bierschenken gegeben ward, deshalb auch das  Lumpenglöckel genannt,  mit der  Jahreszahl 1457, woraus zu entnehmen, dass schon in frühern Jahren in Wien viel Lumpen waren.                   Anton Langer

__QUELLEN:__   Illustrierte  Wiener Extrablatt, 23. Mai 1877, S 4, Bild Wiener Bilder, 15. November 1931, S 9. ANNO Österreichische Nationalbibliothek     

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