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Maria Theresias "Ersatzteillager"#

Ehemals das Lieblingsprojekt Kaiser Maximilians II., wurde das Schloss Neugebäude in Simmering von Maria Theresia für den Bau der Gloriette abgetragen. In jüngerer Zeit werden die Reste des Gemäuers saniert und für Veranstaltungen genutzt.#


Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 30. Mai 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Alexander Maurer


Schloss Neugebäude
Schloss Neugebäude, unter PD

Wien. Schloss Schönbrunn, Belvedere, die Hofburg. Sie sind Touristenmagneten und, wie der Stephansdom und das Riesenrad, längst kulturelle Sinnbilder der Hauptstadt Wien. Eine Vielzahl kleinerer Schlösser und Palais’ wie das Schloss Wilhelminenberg, Hetzendorf oder das Palais Augarten runden das historische Bild von Wien als Residenzstadt des Adels ab. Ein architektonisches Juwel scheint dabei aber regelmäßig vergessen zu werden. Einst als prunkvolles Lustschloss und Gesamtkunstwerk geplant, wurde es nie fertiggestellt, sogar teilweise abgerissen und seine Elemente wurden für andere Prachtbauten verwendet. Die Rede ist vom Schloss Neugebäude. Das manieristische Schloss fristet in der Otmar-Brix-Gasse in Simmering ein mitunter stiefkindliches Dasein.

Das Schloss war ein Lieblingsprojekt von Kaiser Maximilian II.: 1569 wurde mit dem Bau der riesigen Anlage begonnen, aber schon Jahre vorher packte den Kaiser der Wunsch, ein Lustschloss in Simmering, das damals noch eine eigenständige Gemeinde nahe Wien war, zu errichten. Am 1. November 1566 schrieb er in sein Tagebuch: "...man sich um Personen bewerb, die bauverständig seien..." Schon damals suchte er Architekten für das Bauvorhaben. Das Neugebäude wurde mit seinen ausgedehnten Gartenanlagen als Gesamtkunstwerk konzipiert. Pavillons, Wandelhallen, Springbrunnen, Gärten, große, lang gezogene Säle, eine gemauerte Grotte, ein Eiskeller, ein Ballspielhaus zum sportlichen Vergnügen, ein Fischkalter zur Meerestierzucht, Pferdestallungen, ein Meiereigebäude und ein dem Oberen Garten vorgelagerter Fischweiher waren Teile der riesigen Anlage.

Das Neugebäude sollte auch ein Denkmal an den Sieg in der ersten Türkenbelagerung 1529 sein. Der Legende nach steht es dort, wo sich während der Belagerung Wiens die Zeltburg von Sultan Süleyman II. befand. Viele Architekten, unter anderem der Bildhauer Alexander Colin und der kaiserliche Baumeister Jacopo della Strada, waren am Schloss beteiligt. Der ursprüngliche Entwurf stammte wahrscheinlich vom Kaiser selbst.

Von "Löwenbräuten" und Elefanten#

1568 übersiedelte die erste Menagerie Europas vom nahegelegenen Schloss Kaiserebersdorf ins Neugebäude. Sie beherbergte Löwen, Tiger, Bären, Giraffen und auch Soliman, den ersten Elefanten Wiens. Der Dickhäuter wurde vom Kaiser als ein Hochzeitsgeschenk aus Spanien mitgebracht.

Steinsäulen des Schlosses Neugebäude
Viele Steinsäulen des Schlosses Neugebäude wurden als Bauelemente für die Schönbrunner Gloriette verwendet., unter PD

In der Menagerie soll sich auch die Sage von der "Löwenbraut" zugetragen haben. Sie handelt von der Tochter eines Wärters, die sich mit einem Berberlöwen anfreundete, der ihr gegenüber handzahm war. Als das Mädchen aber erwachsen wurde und heiraten sollte, besuchte sie ihren ehemaligen Spielgefährten noch einmal. Das Tier wollte sie aber nicht mehr aus dem Käfig lassen. Die Raubkatze tötete die junge Frau, als deren Bräutigam sie befreien wollte, und wurde dann selbst erschlagen. An der Nordseite des Schlosses gibt es tatsächlich den sogenannten "Löwenhof".

Als der Kaiser 1576 verstarb, war das Neugebäude noch lange nicht vollendet. Sein Sohn Rudolf ließ die Arbeiten in Gedenken an seinen Vater fortführen, eine Herzensangelegenheit war es ihm jedoch nicht. Aus Geldmangel wurde der Bau 1588 eingestellt. Was bis dahin stand, schien sehr beeindruckend gewesen zu sein. Zumindest, wenn man den Erzählungen des damals elfjährigen mährischen Adligen Ladislaus Welen von Zierotin aus dem Jahr 1590 glaubt. Er berichtete unter anderem von schönen Gebäuden, einem großen Stall unter der Erde, Brunnenschalen aus kostbarem englischen Alabaster und mit Kupfer gedeckten Türmen, die mit Malereien und Statuen geschmückt waren.

Das Neugebäude überlebte die zweite Türkenbelagerung unbeschadet. Die Menagerie wurde von den Wächtern aber im Stich gelassen. Einer der Löwen wurde von den Belagerern befreit und trieb bis Anfang 1684 sein Unwesen in der Gegend, bis er wieder eingefangen wurde. 1704 zündeten die Kuruzen, aufständische ungarische Bauern, das Neugebäude an. Viele Zootiere starben, teilweise wurden sie wegen ihrer Felle getötet. 1752 übersiedelte die Menagerie auf Befehl Kaiser Franz I. in die fertiggestellte Anlage in Schönbrunn. Die glorreichen Zeiten des Neugebäudes waren damit vorbei.

1755 ließ Maria Theresia viele wertvolle Werksteine des Schlosses abtransportieren. Darunter befanden sich 16 toskanische Doppelsäulen, Friese mit Dreischlitzplatten und aus Stein gehauene Tierköpfe. Die Kaiserin ließ sie in die Gloriette im Schlossgarten von Schönbrunn verbauen. Prächtige Brunnen des Neugebäudes wurden in die Orangerie verlegt. Auch wurde Kupfer aus den Türmen des Schlosses für den Bau der Hofburg verwendet.

Schießpulverlager im Verfall#

Danach diente die Anlage militärischen Zwecken wie etwa der Lagerung und Erzeugung von Schießpulver. 1902 wurde das Neugebäude an die Stadt Wien verkauft. Während des Zweiten Weltkriegs war im Schloss ein Rüstungsbetrieb untergebracht.

Nach Kriegsende verfiel das Neugebäude zusehends und entzog sich einer Vielzahl an Belebungsversuchen. Diese wurden unter anderem vom damaligen Ombudsmann der Kronen Zeitung und späteren Kulturstadtrat Helmut Zilk angestoßen. 1993 geriet das Ballspielhaus in Brand. Vom Militär eingezogene Stockwerke wurden dabei stark beschädigt und wieder entfernt. Auch das Dach der Halle wurde erneuert. Seit Beginn der 2000er Jahre ist das Schloss Schauplatz einer Vielzahl an Veranstaltungen. Dazu zählen Mittelaltermärkte, Kinovorführungen oder der als "düstere Ballnacht" konzipierte "Schwarze Reigen". Die Gothic- und Mittelalterveranstaltung findet alle drei Monate statt. Die "Schönen Säle", die sich zu beiden Seiten im Zentrum des Areals befinden, sind mit Licht- und Tonanlagen ausgestattet. Das Neugebäude ist übrigens auch ein Sonderstandesamt und beherbergt pro Jahr rund 40 Trauungen mit anschließenden Feiern.

Zuletzt nutzten auch die Wiener Festwochen das Neugebäude. Vier Tage und Nächte lang wurde im Rahmen des Projekts "Hyperreality" Clubkultur in das alte Gemäuer getragen. "Es wurden erstmals das Ballspielhaus und die Pferdeställe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht", erzählt der Historiker und SPÖ-Nationalratsabgeordnete Harald Troch der "Wiener Zeitung".

Ansicht um 1649
Ansicht um 1649, unter PD

Troch steht seit 2015 dem "Verein zur Erhaltung und Revitalisierung von Schloss Neugebäude" vor. Dieser wurde 2001 gegründet, um sich um das im Besitz der Stadt Wien befindliche Gemäuer zu kümmern. Der Historiker erklärt, dass laufend Sanierungen am Schloss durchgeführt werden und auch dringend nötig seien. "Neben Ballspielhaus und Pferdeställen wurde die Stützmauer zum unteren Garten von der MA 34 (Bau- und Gebäudeamt, Anm.) restauriert." Die Fassade wurde mit jenem Putzgemisch hergerichtet, das ursprünglich beim Bau verwendet wurde, erklärt er.

Auch der freiheitliche Simmeringer Bezirksvorsteher Paul Stadler sieht das Potenzial des Neugebäudes noch nicht ausgeschöpft. Gegenüber der "Wiener Zeitung" bezeichnet er das Schloss als "Juwel im Dornröschenschlaf", das für die Bevölkerung erhalten und hergerichtet werden müsse. Stadler denkt auch an eine spätere touristische Öffnung. "Im Idealfall sollten wir so weit kommen, dass sich das Neugebäude irgendwann von selbst erhalten kann", meint er.

Für Troch hingegen ist der Tourismus sekundär. "Das Schloss Neugebäude und seine Infrastruktur sollen vor allem ein Kulturpunkt für die Simmeringer und Wiener werden." Die sei umso wichtiger, da es nur wenige Renaissancebauten in Wien gebe, meint der Historiker.

"Wenn man das Schloss Neugebäude modern nutzen möchte, sind weitere Zubauten notwendig. Diese müssen aber natürlich mit dem Denkmalschutz akkordiert werden", wirft Troch ein. Außerdem sollten die Zubauten nach Möglichkeit auch wieder leicht abbaubar sein. Weitere Elemente des Schlosses, wie beispielsweise ein Durchgang zum zweiten Hof, könnten darüber hinaus zu Veranstaltungsräumen werden, sagt er.

Fördermöglichkeiten sind schwierig#

Notwendige Infrastruktur wie beispielsweise Toilettanlagen sollten in die historische Bausubstanz integriert werden. "Aktuell stehen draußen vor dem Schloss Toilettencontainer. Das sieht furchtbar aus. Wenn man dem Schloss seinen ursprünglichen Charakter auch nur im Geringsten zurückgeben will, muss so etwas weg", plädiert Troch.

Aber auch notwendige Sanierungsmaßnahmen kosten Geld. Also woher nehmen, wenn nicht stehlen? Könnten beispielsweise Fördergelder der Europäischen Union angezapft werden? Dieser Finanzierungsweg könnte sich als schwierig erweisen, da es keine direkte Förderung für Burgen und Schlösser gibt. Auf Anfrage erklärt man bei der österreichischen Vertretung der Europäischen Kommission, dass man auch weder eine konkrete mögliche Fördersumme noch ein anteiliger Prozentsatz für ein Projekt wie das Schloss Neugebäude nennen könne. Prinzipiell müssten die Verantwortlichen mit einem ausgearbeiteten Förderantrag an die entsprechende Stelle innerhalb der Europäischen Kommission herantreten, Bedingungen und Unterstützungen würden für jedes Projekt einzeln ausgearbeitet. Auch sei jede Förderung an Bedingungen geknüpft, heißt es weiter. So könne beispielsweise eine einmalige Unterstützung aus dem Strukturfonds nur dann erfolgen, wenn es zur Belebung des Umfelds beiträgt.

Möglich wäre auch eine Beteiligung der Stadt Wien, die Eigentümerin des Neugebäudes ist. Laut Troch sei es jedenfalls schwierig, Förderungen zu bekommen, egal von welcher Seite. Aktuell werde daher ein Konzept erstellt, um mögliche Förderstellen wie beispielsweise den Wiener Altstadterhaltungsfonds auszuloten. Auch ein Vier-Stufen-Plan zur weiteren Sanierung des Schlosses wird ausgearbeitet.

Schloss Neugebäude
Heute strahlt das Schloss Neugebäude nur einen Bruchteil seines alten Glanzes aus.
Foto: © Stanislav Jenis

"Gärten für die Wiener erschließen"#

Ein großer Punkt, den Bezirkschef Paul Stadler im Zuge der weiteren Sanierung des Schlosses anspricht, sind die Gartenanlagen. "Auf dem Gebiet hätten prächtige Gärten und ein Fischweiher entstehen sollen", betont er. 2010 wurde der Untere Garten neu gestaltet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Stadler ist das aber zu wenig. Der Bezirkschef plädiert für einen weiteren Ausbau der Gärten auf den historischen Stand. "So wäre das Schloss auch noch attraktiver für Touristen. Die Menschen kommen auch für unsere Kunst und Kultur nach Österreich. Aber ein normaler Park lockt niemanden", meint er.

"Die jetzige Form der unteren Gärten ist ein Kompromiss. Wir haben die Parkquadrate nach historischen Plänen und Mauerfunden angelegt", erklärt Harald Troch. Die Anlage würde die Grundstruktur der ursprünglichen Gärten berücksichtigen und sei überdies als Freizeitanlage mit Spielplätzen und Hängematten gestaltet. Eine Nachstellung des ursprünglichen Stands sieht Troch kritisch. "Wichtiger ist es, die Gärten bevölkerungsfreundlich zu gestalten und für die Simmeringer und Wiener zugänglich zu machen", betont er.

Überdies ist der Standort des ehemaligen Oberen Gartens bereits verbaut: Dort steht die Feuerhalle der Stadt Wien mit dem Urnenhain. Eine Verlegung hält Troch weder für möglich noch sinnvoll. Die Wiener seien sehr protektiv, was die Ruhestätten der Toten angehe. "Da ist schon Josef II. mit seiner Friedhofsreform gescheitert", sagt er.

Wiener Zeitung, Dienstag, 30. Mai 2017