[{Image src='kunst01.jpg' align='right' width='500' height='375' caption='Die redliche Kooperation quer durch verschiedene Genres handelt von der Achtsamkeit gegenüber den Interessen der jeweils anderen Beteiligten. Das hat nicht zufällig eine klare Resonanz mit Ideen seriöser Geschäftsleute oder von Good Governance.'}]
!!!Kulturpolitik: Kunst und Pflicht
!!(Ein paar Markierungen)
!Von __[Martin Krusche|User/krusche martin]__

Ich sehe das so. Die Kunst ist nur sich selbst verpflichtet. Wer ihr andere Agenda auflädt, schmälert ihre Bedeutung. Was das heißen soll? Kunst hat nach innen etwas von Grundlagenforschung. Nach außen bietet sie Wahrnehmungserfahrungen an. (Das ist der Kern von Ästhetik.) Damit sind für Menschen selbstverständlich Denkanstöße verbunden. Als Appelle, die angenommen oder ausgeschlagen werden können.

Auch die Angebote, eine Reihe von Erfahrungen zu machen, welche uns das Alltagsleben nicht bietet. Man kann sie ausschlagen.  Wer aber deshalb die Kunst als eine Art soziokulturelle Reparaturanstalt versteht, hat ihre Wesen nicht begriffen. (Eine „Kunst um zu...“ ist keine!) Daher hat dieses Bonmot Gewicht: Die Kunst muß nichts müssen. Außer den eigenen Regeln zu entsprechen. Das ist ein Beispiel, was man unter Autonomie versteht.

Darum halte ich nichts bis wenig von „engagierter Kunst“. Letztlich wiegt die Qualität der Arbeit und nicht dieses „Was wollte uns der Künstler damit sagen?“. In den meisten Fällen interessiert mich überhaupt nicht, was mit Kunstschaffende sagen wollten. Ich lass mich gewöhnlich nur auf das Werk selbst ein.

!In der Wand
Ich breite Ihnen dazu eine gefällige Metapher aus. Stellen Sie sich vor, daß Sie vom Bergsteigen begeistert sind. Wenn Sie dann die nötigen Kompetenzen haben, um in eine hohe Wand steigen zu können, wird Ihnen das eine Vielfalt an Eindrücken und Erlebnissen bieten. Ihr Selbstverständnis könnte sich verändern. Aber im Kern kommt es erst einmal auf die Qualität an, mit der Sie Körper und Fels in eine Wechselbeziehung bringen, sonst werden Sie aus der Wand fallen.
[{Image src='kunst02.jpg' align='right' width='500' height='375' caption='Pressekonferenz: Wir sollten im laufenden Betrieb unterscheiden können, wer bei so einem Meeting für welchen der drei Sektoren - Staat, Markt und Zivilgesellschaft - tätig ist, also für a) Politik und Verwaltung, b) die Wirtschaft und c) den privaten Bereich, hier natürlich auch: für die Vierte Gewalt im Staat.'}]

Was nun im Kern der Kunstpraxis geschieht, ist nicht auf ein Publikums bezogen; außer das Publikum ist Teil des Konzeptes, auf dem ein Werk beruht. (Performative Kunstformen etc.) Das alles nimmt nichts von der Bedeutung, die wir in Kunstveranstaltungen finden. Es sind bloß verschiedene Agenda.

!Kooperationen
Ich kenne dann auch noch genug Situationen, in denen sich emsige Leute bemühen, Kunst und Kultur zum Mägden des Marketings zu machen. Solche Zuchtmeister des Trivialen richten an unseren immateriellen Gütern erheblichen Schaden an. Manche haben dabei auch noch die Stirn, das als einen Dienst am Gemeinwesen zu kostümieren. Es ist aber im Grunde bloß ein Plündern benachbarter Terrains. Ich vergleiche diese Situation gerne mit der industriellen Landwirtschaft, wie sie sich der Bilder und Motive aus der bäuerlichen Landwirtschaft bedient, um die eigenen Produkte zu vermarkten. Ein Betrug um die eigene Position zu stärken.

Dagegen gibt es redlich angelegte Kooperationen zwischen den verschiedenen Sektoren, etwa der Kultur und der Wirtschaft. Die Begriffe, auf die es ankommt, lauten Redlichkeit und Kooperation. Es handelt davon, daß jede beteiligte Kraft auch die Anliegen und die berechtigten Ansprüche der übrigen Leute im Set beachten und zu ihrer Sache machen. Sonst wäre es keine Kooperation und redlich schon gar nmicht. So sehen gute Rahmenbedingungen für die Kunst aus und es ist für die Beteiligten legitim, daraus Nutzen zu ziehen.

!Das Politische
Sie sehen, ich vertrete da eine eher kompromißlose Position. Wie soll sich Kulturpolitik diesen Zusammenhängen widmen? Ich meine, sie soll der Kunst ihre Autonomie nicht nur belassen, sondern auch beitragen,diese zu sichern, sie notfalls verteidigen. Das wäre eine noble Aufgabe der Kulturpolitik. Die Einbindung der Kunst in gemeinwesenorientierte Vorhaben gelingt sehr gut, wenn man eine klare Auffassung von Wissens- und Kulturarbeit entwickelt. Auch da sind die nach innen und die nach außen gerichteten Bemühungen zu einander komplementär, sind gut unterscheidbar.
[{Image src='kunst03.jpg' align='right' width='500' height='375' caption='Zwei von drei Sektoren auf dem Set: Techniker Erich Rybar (Geshäftsführer der Feistritzwerke) und Malerin Monika Lafer besprechen sich bezüglich der kommenden Vernissage.'}]

Das verlangt freilich, daß man sich einen diskussionswürdigen Kunstbegriff erarbeitetet, damit man etwa unterscheiden kann, was einerseits die Gegenwartskunst ist, was andrerseits die Voluntary Arts sind; oder wie man bei uns sagt: die Hobbykunst. Es gibt gegen die Hobby-Liga keine Einwände, solange man in jenem Lager nicht versucht, die Etiketten zu fälschen. Gegenwartskunst und Hobbykunst teilen sich zwar die Verwendung künstlerischer Mittel, um Themen zu bearbeiten, schöpfen teilweise auch aus den selben Quellen, sind aber völlig verschiedene Genres.

Wie eingangs angedeutet, ich stehe im Lager einer Autonomie der Kunst, wie wir das in Europa seit der Renaissance bevorzugen. Ich bin gegen schlampig vorgetragene Beuys-Zitate und stimme Lüpertz zu: Dieses Ringen um Qualität und Vollendung ist ein zentrales Ereignis der Kunstpraxis. Platon hat es im „Symposion“ erläutert, wo er den Eros erklärt. Wir stoßen ja meist nur auf diesen völlig verstümmelten Begriff in seiner sexuell konnotierten Deutung, die ihre lächerlichste Variante im „Eros-Center“ vorträgt.

Eros ist – ganz im Gegenteil - weit umfassender das Begehren des Entbehrten, das Verlangen nach dem, was ich noch nicht kenne, nicht habe, nicht bin, nicht verstehe. In diesem Sinn ist die Kunstpraxis eine erotische Praxis. Genau deshalb ist sie auch Teil der Conditio humana, weil nur wir Menschen (als einzige Spezies) über symbolisches Denken verfügen und weil wir mit genau dieser Fähigkeit an unserer Zukunft arbeiten können.

Das tun wir, indem wir Erfahrungen auswerten, Annahmen formulieren, und planend handeln. Damit all das aber nicht stagniert, damit wir nicht heute noch im Neandertal hocken würden, braucht es neben der Alltagsbewältigung die Grundlagenarbeit. Das ist eine menschliche Beschäftigung, die nicht der Erledigung von Alltagsaufgaben gewidmet ist, sondern radikalere Zugänge aufmacht. Und genau das ist auch mit der Autonomie der Kunst gemeint, mit der Verpflichtung auf nur eigene Zwecke.
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>>Fotos: Martin Krusche

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