!!!Nachts trifft Eisberg Erzberg

!!Kunst Haus Wien: Das Museum Hundertwasser präsentiert die Fotoschau "Visions of Nature".

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''Von der [Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at] (Mittwoch, 13. September 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.''

Von

__Brigitte Borchhardt-Birbaumer__

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[{Image src='Naturbild.jpg' caption='Natur im Bild: Darren Almond: "Fullmoon@Cerro Chalten", 2013.\\Foto: © Darren Almound, White Cube Gallery' alt='Natur im Bild: Darren Almond: "Fullmoon@Cerro Chalten", 2013' width='500' class='image_right' height='472'}]



Die Natur hält uns derzeit auch neben kritischen Fragen der Kunst nach ihrem Verbleib im Bann: Hurrikans, Regenfluten, schmelzende Eisberge und die Folgen ständiger Rodung des Regenwalds gehören fast zum Alltag. Im Anthropozän gräbt sich der Mensch langsam nicht nur das Wasser ab. Der Epochenbegriff wurde 2001 vom Chemiker und Geologen Paul Crutzen geprägt.

Der Rundgang durch die Fotoschau "Visions of Nature" im Kunst Haus Wien umfasst 25 internationale und österreichische Positionen. Mit dem Film des Brasilianers Rodrigo Braga, der im Regenwald in einem riesigen, selbst ausgehobenen Loch einen gefällten Baum begräbt, bezieht sich die Ausstellung künstlerischer Fotografien schwerpunktmäßig auf das drohende Ende aller Ressourcen.

!Keine Plastikberge

Doch nicht alle nutzen die Kamera für kritische Blicke auf die schon lange überschrittene Ausbeutung der Erde durch den Menschen. Besonders drastisch ist ohnehin nur Bragas Schrei im Regenwald. Es sind keine Plastikberge und Sintfluten hier zu finden, nur der erschreckende Blick auf neue Mineralien von Andreas Duscha oder Ralo Mayers exterrestrische Rettungsversuche des Menschen verweisen auf den Stand der Dinge.

An einem seidenen Spinnenfaden dreht sich ein getrocknetes Blatt, filmisch beobachtet von Tomas Eller 2013, mit dem Hauch einer weiblichen Stimme poetisch untermalt. Ilkka Halso überkuppelt Natur gleich schützend mit Glasdächern zur dystopischen Szenerie: nach der totalen Verschmutzung gibt es Natur dann nur noch als riesiges Museum. Horrorszenario oder tatsächliche Zukunftsvision? Fast hoffnungsvoll muten daneben die kaputten Böden an, die Jennifer Colten am Mississippi in direkter Draufsicht fotografiert: Selbst das durch die Industrie zerstörte Ödland ohne Horizont wird von einigen Unkrautarten wieder grün überwachsen, es zeigen sich tröstlich kleine Blüten.

Der nächtliche Eisberg aus Grönland, aufgenommen von Mathias Kessler 2007, lässt mehr an Caspar David Friedrich denken als an die große Schmelze der Pole. Auch das Thema Wald und Alpen katapultiert uns schnell in die Romantik. Diese Erinnerung bringt Kessler auch mit Beleuchtung des Erzbergs zustande, angestrahlt mit 200.000 Watt schimmert er in verführerischem Grünblau. Es ist ein vergeudendes Festhalten von Schönheit, wie Myoung Ho Lees Hinterfangen einzelner Bäume mit großen weißen Leinwänden, die sie selbst in entlaubtem Zustand hervorheben. Der Südkoreaner isoliert sie wie die frühe Porträtfotografie im Fotoatelier die Menschen inszeniert hat, verwirrt so den Blick auf Innen und Außen.

Anna Reivilä macht Bondage mit Seilen um Baumstamm und Stein, doch ihre perverse Liebe mutet an wie frühere Land-Art. Das durchschnittene Fotopapier mit einem giftigen Schierling umarmt Vanja Bucan.

Naturinteresse ist bei der ehemaligen Düsseldorfer Becher-Schule besonders ausgeprägt - so widmet sich Simone Nieweg seit 30 Jahren detailreichen Aufnahmen des Walddickichts, wie ihr bekannter Kollege Andreas Gursky früh Landschaft einfing: Mit ihm beginnt die Schau zeitlich 1989. Großformatkamera verwenden beide, bei Gursky kommt gedämpfte Farbigkeit und Bearbeitung am Computer hinzu, was sich gegenüber später beliebter Buntfarbigkeit absetzt; nebelig pastelligen Töne prägen seine Fotoarbeit "Maloja". Das Picknick am Malojapass weist auf den Wandel unseres Umgangs mit Natur seit der industriellen Revolution hin - Freizeitgestaltung im Freien ist eine moderne Errungenschaft.

!Das Unheimliche der Nacht

Die älteren Bezüge zur Natur in der frühen Neuzeit beschwört ein Raum, der sich dem Unheimlichen der Nacht widmet, die wir in der Moderne genauso zerstören, nämlich durch Lichtsmog.

Daher fängt der Ire Michael John Whelan Lichtschutzreservate ein, und wenn sie auf die alte Angst vor der Dunkelheit neben einem perfekten Biorhythmus anspielen, zeigt sich damit etwas, was wir fast vergessen haben. Das Unheimliche der Finsternis lässt sich aber durch sehr lange Belichtungszeit, wie sie Darren Almond mit seiner Vollmondserie in Patagonien tätigt, überwinden - es sind scheinbare Tageslicht-Aufnahmen.

!Visions of Nature

Kunst Haus, bis 18. Februar

So weit, so künstlich transformiert - die Eiswüste im Süden Chiles lässt der Argentinier Charly Nijensohn von Wanderern mit Stirnlampe zur pathetischen Kulisse werden. Das schier uferlose Naturthema umfasst auch noch die durch menschenleere Randgebiete oder Tropen Wandernden Michael Höpfner, Adam Jeppesen und Donna Ong. Konzeptuelle und minimalistische Fotografien von Bruno V. Roels und Roni Horn auf Berge oder Islands Küstenwasser ergänzen die Gräser-Stücke Claudia Märzendorfers auf einem Quadratmeter. Ihr großes Rasenstück darf als Mitnehmplakat die künstliche Natur unserer Wohnungen grün bereichern.

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[Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at], Mittwoch, 13. September 2017
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