!!!Alban Berg 1885-1935

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''Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem Buch: Große Österreicher. Thomas Chorherr (Hg). Verlag Carl Ueberreuter, Wien. 1985.
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Sein Vater hatte ein gutgehendes Devotionalengeschäft in der Inneren Stadt, seine Familie war insgesamt das, was man wohlhabend nennen könnte - doch als es darum ging, den Klavierauszug seiner ersten Oper vervielfältigen zu lassen, um ihn an deutschen Opernhäusern einzureichen, mußte man Teile des ererbten Vermögens verkaufen.

[Alban Berg|Biographien/Berg,_Alban], zu diesem Zeitpunkt längst durch eine harte Schule des Lebens gegangen, war nicht ein angesehener, nicht ein wohlhabender Komponist, als er seinen »Wozzeck« zur Aufführung anbot. Freilich, bald nach der Uraufführung um Weihnachten 1925 war er mit einem Schlag ein international bedeutender Musiker und bis zu seinem frühen Tod 1935 der wahrscheinlich anerkannteste der drei Komponisten, die man heute in aller Welt als die Meister der »Zweiten Wiener Schule« kennt und deren revolutionäre Bedeutung für die Musik des 20. Jahrhunderts außer Frage steht.

Berg, 1885 in Wien geboren, im Schöße einer musikalischen Familie aufgewachsen, kein guter Schüler, aber ein phantasievoller junger Mann, der Erfolg bei Frauen hatte - noch als Mittelschüler hatte er eine Affäre mit einem Hausmädchen, die eine Tochter von ihm bekam. Berg kam als junger Mann zu Arnold Schönberg, der ihn als Schüler und bald auch als Adlatus und Freund an¬nahm. Nach dem Tode seines Vaters eher mittellos, erst nach einer Erbschaft wieder in einem ihm von Kindheit an bekannten »Rahmen«, war er für kurze Zeit ernsthaft dabei, einen bürgerlichen Beruf auszuüben und dann für sein Leben lang das, was man einen freischaffenden Komponisten nennt: Mit musikalischen Brotarbeiten ebenso beschäftigt wie mit mühsamer Arbeit an Publikationen der Universal Edition, des größten und bedeutendsten Verlages für neue Musik, zudem einer der ernsthaftesten Mitstreiter in Schönbergs berühmtem »Verein für musikalische Privataufführungen« und Helfer bei der Herstellung von notwendigen Klavierauszügen großer Kompositionen Schönbergs - all das beschäftigte Berg ebenso wie seine eigene kompositorische Arbeit.


Seine Umgebung, seine Wiener musikalischen Zeitgenossen müssen gespürt haben, was später vergessen wurde und was erst wieder Theodor Adorno formulierte: Nach ihm war und ist Alban Berg von den großen Komponisten der Wiener Schule in Wahrheit der Revolutionär, der Erregendste, derjenige, der am intensivsten die bis dahin geltenden musikalischen Regeln sprengte. Seine musikalischen Zeitgenossen müssen es gespürt haben. Denn wo Aufführungen von Schönberg oder Webern Gelächter oder Mißachtung, manchmal aber auch heftigen Beifall ernteten, da machte Alban Berg tatsächlich »Skandal«. Vor allem bei einem in die Geschichte eingegangenen Konzert im März 1913 im Großen Musikvereinssaal, bei dem Werke von Webern und Schönberg noch unter Gelächter und Störung aufgeführt werden konnten, jedoch bei Bergs Liedern nach Texten von Altenberg ein derartiger Tumult im Publikum entstand, daß das Konzert schließlich abgebrochen werden mußte. Eine noch vorgesehene Komposition von Gustav Mahler konnte nicht mehr gespielt werden ...


Mit »Wozzeck« allerdings, dessen Text sich Berg aus dem Büchner-Drama selbst kompiliert hatte, gewann Erich Kleiber 1925 in Berlin die erste entscheidende »Schlacht« für den Komponisten. Das musikalische Drama, das einerseits eine strenge Konstruktion, andererseits eine spontan erfaßbare Botschaft hat, überzeugte bald das Publikum an vielen deutschen Bühnen. »Wozzeck« wurde so bekannt, daß man sogar eine »leichtere« Fassung für kleinere Bühnen anbot und Berg immer wieder zu Aufführungen reisen konnte. Freilich nur einige Jahre - dann begann in Deutschland der aufkommende Nationalsozialismus Berg als »entartet« zu bezeichnen, und es schadete Berg, daß man seinen »Wozzeck« sogar in Moskau mit Enthusiasmus aufgenommen hatte.


Seine zweite Oper sollte »Und Pippa tanzt« werden, nach einem Drama von Gerhart Hauptmann, die übermäßigen Tantiemenforderungen des Dichters aber zwangen Berg, sich nach einem anderen Stoff umzusehen. So kam er zum Stoff der »Lulu« - nach den zwei Wedekind-Dramen »Der Erdgeist« und »Die Büchse der Pandora« -, doch er konnte die Arbeit nicht zu Ende führen. Er unterbrach sie, als er den letzten Akt genauestens vorbereitet hatte, um eine Auftragskomposition zu schreiben: Sein Violinkonzert wurde die letzte vollendete Arbeit, sie ist wie alle anderen Werke Bergs nebstbei oder vor allem - darüber kann man diskutieren - ein Werk, das mehrere »Programme« hat. Unter einem »Programm« versteht man vor allem im Zusammenhang mit Berg, daß Eingeweihte sowohl aus gewissen verwendeten Tonfolgen wie auch aus Zitaten eigener oder fremder Musik und schließlich auch aus der Verwendung von bestimmten Zahlenreihen, denen Berg besondere Bedeutung zumaß, mehr als Musik zu lesen imstande sind: sogar die leidenschaftliche Zuwendung Bergs zu einer Schwester Franz Werfels, die als eine gar nicht so heimliche Geliebte durch das Leben Bergs geistert.

Geistert? Nun, Alban Berg war seit 1911 mit Helene von Nahovsky verheiratet und schrieb seiner Frau von Reisen und Auslandsaufenthalten unzählige Briefe, von denen wenigstens ein Teil später auch publiziert wurde. Helene Berg, die ihren Mann um viele Jahrzehnte überlebte und sich als Nachlaßverwalterin einen eigenen Platz in der Musikgeschichte sicherte, verweigerte zeit ihres Lebens jeden Hinweis darauf, ein Werk von Berg könne ein anderes als das sofort erkennbare »Programm« haben. Alle die später aufgedeckten heimlichen Widmungen und auch die mögliche Vollendung des dritten Aktes der Oper »Lulu« unterband sie bis in die Gegenwart erfolgreich.


Berg starb 1935 an einer bösartigen Furunkulose. Er konnte weder die Früchte seines Ruhms genießen, noch mußte er die Verfolgungen erleiden, die ihn spätestens von 1938 an zweifellos in die Emigration getrieben hätten. Er hinterließ ein nicht zu reiches, doch a tempo erfolgreiches, vom Publikum mit Begeisterung angenommenes (Euvre und die Oper, die man unmittelbar nach dem Tod seiner Witwe 1979 in einer von Friedrich Cerha erarbeiteten »integralen« Fassung in Paris zur Uraufführung brachte.







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