!!!Ignaz Pleyel 

Von

__Guido P. Saner__


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!Kinderzeit

Ignaz Joseph Pleyl wird am Samstag 18. Juni 1757 in einem kleinen Weinbauort in Niederösterreich, in Ruppersthal, in der Schulmeisterstube geboren. Die Schulmeistersfrau, Anna Theresia, erwartet mit Ignaz ihr neuntes Kind, denn sie hat zuvor bereits deren vier verloren. Der Vater, Martin Pleyl, ist  Schulmeister, Regens-Chori und verrichtet die Mesnerdienste in Ruppersthal. Er unterrichtet zudem die bereits schulentlassene Jugend und bewirtschaftet einen Weingarten (im „Bründl“) als Lehen sowie einen eigenen kleinen Bauernhof. Die Familie mit den Kindern Franz (12), Maria (6) und Johann (3) haben einen umtriebigen Alltag und für das Neugeborene wird sogleich der Dorfrichter Andreas Schober als Taufpate beigezogen. Noch am Tage der Geburt erhält der neue Erdenbürger die Taufe mit dem Namen „Ignatius Josephus“ in der nahen Dorfkirche. Die direkten Vorfahren der Familie Pley(e)l sind bis anfangs des 17. Jahrhunderts nachweisbar und diese schreiben ihren Namen bereits weit vor 1695 mit einem zweiten „e“, demnach Pleyel. Viel zu früh verstirbt am 27. 10. 1759 die Mutter im Alter von 36 Jahren. Anna Theresias hinterlassenes Vermögen beläuft sich auf 488 fl. (Gulden) und 28 kr. (Kreuzer); d. h. 1 Gulden = 60 Kreuzer = ca. 15 Euro, 1 Kreuzer = ca. 25 Cents; somit ist das Vermögen der Mutter heute mit 7327 Euro zu bewerten. In jener Zeit eine stattliche Summe, denn Anna Theresia war, wie verschiedene Quellen nachweisen, eine verstoßene und enterbte Adelstochter des Grafen von Schallenberg, deren Adelsgeschlecht die „Herrschaft Rupperstahl“ von 1658-1786 besessen hat. Hinweise im Trauungsbuch vom 28. 4. 1744 bei der Heirat von Anna Theresia lassen auch darauf schließen, weshalb Graf Ladislaus Erdödy (1746-1786) aus Pressburg später Mäzen und Förderer von Ignaz Pleyl wird und ihm ein Studium bei Joseph Haydn ermöglicht. Denn es gibt durchaus Interessen, den musikalisch begabten Sohn der verstoßenen Adelsverwandten, wegen deren Eheschließung mit einem „gewöhnlichen“ Schulmeister, zu fördern. Nach Anna Theresias Tod muss sich notgedrungen der Witwer und Vater Martin Pleyl nach einer zweiten Ehefrau und Stiefmutter für die vier Kinder umsehen. In Göllersdorf lernt er die fleißige Lehrerstochter Maria Anna Placho (1729-1815) kennen, die er schon  am 29. 1. 1760 in Ruppersthal heiratet. Dieser Ehe entstammen neun weitere Kinder, die jedoch alle bereits im Kleinkindesalter, meist an „Rachenbräune“ (= Diphterie) versterben. Schon früh erkennen die Eltern von Ignaz das besondere musikalische Talent des Knaben; der Vater nimmt ihn zum Orgelspiel mit und ermöglicht den ersten Violinunterricht. Mit 14 Jahren wird Ignaz nach Wien, zum Lehrer des Adels, zu dem freischaffenden Musiker und Pädagogen Johann Baptist Vanhal (1739-1813) gebracht. Die Familie des vorerwähnten Grafen Erdödy ist längst auch Förderer des bereits etablierten Vanhal. 


!Lehrzeit

Ignaz Pleyl fällt es sicher nicht leicht, sein vertrautes Heimatdorf zu verlassen und nach über sechsstündiger Kutschenfahrt für die ca. 50 km in Wien einzutreffen, wo er  die nächsten Jahre verbringen wird. Vater Pleyl bezahlt für die Postkutschenfahrten rund 7 fl. (= ca.  105 Euro); derzeit ein beträchtlicher Teil eines Monatsverdienstes. Die abrupte Umstellung vom ärmlichen aber wohl behüteten Dorfleben zum Stadtleben mitten in Wien in den engen Gassen mit riesigen Häusern und dem ungewohnt Fremden ist überwältigend. Nach der verheerenden Pestepidemie (1713) leben in Wien 1771 bereits 175000 Einwohner; im Gegensatz zu Ruppersthal mit nicht einmal 1000 Personen. Zudem ist in Wien derzeit ein gewaltiger Umbruch im Gange, denn der Glanzpunkt der Barockzeit mündet  soeben ins Rokoko. Die Bautätigkeit ist enorm und die Adelspalais finden weltweit große  Bewunderung. Gleichzeitig werden Hausnummern (sog. Konskriptionsnummern) eingeführt, die Kanalisation erheblich ausgebaut und das staatliche Postsystem nimmt seinen Anfang. Bereits in den 1760er-Jahren gilt der aus Böhmen stammende Johann Baptist Vanhal in Wien als hervorragender Musiker, Musikpädagoge und Komponist. Er kann beim gleichaltrigen Komponisten Carl Dittersdorf (1739-1799) studieren und pflegt mit ihm zusammen, Wolfgang Amadé Mozart (1756-1791) und Joseph Haydn (1732-1809) das Spielen von Streichquartetten. Vanhal schafft rund 700 Werke, darunter über 100 Symphonien, Kammermusik und über 60 Messen. Er verstirbt, nach schweren Depressionen, in seiner Wohnung an der Domgasse Nr. 4 / Ecke Blutgasse (1. Wiener Bezirk); gegenüber dem „Mozarthaus Vienna“ (ehem. u. a. Wohnung Mozarts). Belegt ist, dass Vanhal von den rasanten Fortschritten seines Lehrbuben Ignaz sehr beeindruckt ist. Daneben unterweist er ihn in der Violintheorie und die Zuhörer, darunter natürlich Graf Erdödy, sind auch von den Leistungen des  Lehrers und Meisters höchst angetan. Dieser empfiehlt Ignaz Pleyl bald begeistert weiter an Joseph Haydn, denn Ignaz hat, unter Anleitung des Lehrmeisters, bereits erste eigene Kompositionen verfasst. Folglich übernimmt Joseph Haydn den 15-jährigen Ignaz als seinen Schüler nach Eisenstadt, wo Haydn als Kapellmeister der Fürsten Esterházy amtiert. Für Lehrtätigkeit, Unterkunft und Logis bezahlt Graf Erdödy jährlich 100 Louis d´or an Haydn (= ca. 24000 Euro). Üblicherweise leben die Lehrbuben gleich im Haushalt ihrer Meister und helfen tatkräftig als Notenkopisten u. a. mit. 


!Studienzeit

Vanhal ist nun erkrankt und bereits depressiv von einer Italienreise heimgekehrt, und er begibt sich nach dem ungarischen Varasdin, wo die Grafen Erdödy große Ländereien besitzen. So schickt der Graf nun Ignaz Pleyl mit einem Kutschengespann zu Joseph Haydn auf das Sommerschloss der Esterházys nach Schloss Esterháza (heute: H-Fertöd); nahe am Südufer des Neusiedlersees. Fürst Nikolaus I. Esterházy hat sein ehemaliges Jagdschloss zu einer prachtvollen Schlossanlage, nach dem Vorbild Versailles, um- und ausbauen lassen. Dazu gehören, nebst dem Prunkschloss, ein Opernhaus für 400 Gäste, ein Marionettentheater, ein chinesisches Teehaus, ein Musikerhaus und weitere Gebäude (Orangerien, Glashäuser) sowie für die legendären Prunkfestlichkeiten, die sogar Goethe beschreibt, modernste Anlagen wie Kanäle, Fontänen, Illuminationen und Lustgärten mit Pavillons. 1775 umfasst Haydns Orchester 19 Musiker und 8 SängerInnen. Der junge Ignaz Pleyl kommt nach zwölfstündiger Kutschenfahrt wohl behalten in Esterháza an und ist voller Bewunderung, mit dem Gefühl, direkt ins Paradies hineingefahren zu sein! Sogleich wird Ignaz mit der Hausordnung vertraut gemacht und man zeigt ihm das nahe Musikerhaus, wo Haydn mit seiner Gattin im ersten Stock wohnt. Noch am selben Abend des Jahres 1772 ist ein Hauskonzert mit Haydn angesagt und Ignaz Pleyl blangt darauf, den neuen Lehrmeister kennen zu lernen. Ignaz ist tiefbewegt; er hat noch nie eine derart vollkommene Musik gehört! Haydn leitet das perfekt aufspielende Orchester vom Cembalo aus und trifft am folgenden Morgen erstmals auf seinen neuen Schüler. Doch in den Jahren bis 1778 wird Ignaz nicht nur das Musikhandwerk fundiert erlernen, sondern er wird auch viele prominente Persönlichkeiten kennen lernen, die für seine Zukunft wegweisend sind. Darunter der Musikliebhaber und Diplomat Prinz Louis René Edouard de Rohan, der a. o. Botschafter Frankreichs in Österreich. Dieser wird 1778 Kardinal der Diözese Strasbourg und wird sich gerne an Haydns Schüler Ignaz Pleyl erinnern, als er einen Assistenten für seinen Kapellmeister Franz Xaver Richter für sein Münster sucht. Im Laufe der Ausbildung bei Haydn lernt Pleyl ausgezeichnet Klavier und Violine spielen; zudem erhält er perfekte Unterweisungen in symphonischer-, Kammer-, Kirchen- und Theatermusik. Fürst Nikolaus I. Esterházy (der Prachtliebende) ist zusehends an italienischer Oper interessiert, was letztlich auch Pleyl sehr entgegenkommt. Neben Opern bedient Haydn das Fürstenhaus auch mit Kompositionen aller Genres, darunter auch Trios für das Baryton, das Lieblingsinstrument des Fürsten. Dabei darf guten Gewissens angenommen werden, dass auch einige Kompositionen Ignaz Pleyl zuzuschreiben sind, die Haydn, durchaus legitim, unter seinem Namen veröffentlicht. Leider fallen einige Frühwerke Pleyls den verheerenden Brandkatastrophen des Opernhauses in Esterháza und von Haydns Privathaus in Eisenstadt zum Opfer; samt einigen wertvollen Instrumenten. So ist Pleyl auch Haydn stets beim Wiederherstellen und -aufbau von Manuskripten u. A. behilflich, woraus sich in dieser engen Zusammenarbeit eine persönliche Freundschaft entwickelt. So bezeichnet Haydn selbst Pleyl als seinen Lieblingsschüler; im krassen Gegensatz zu Beethoven, den er letztlich als „Großmogul“ weiter ziehen lässt. Allerdings beruhen diese Begebenheiten sehr wohl auf Gegenseitigkeit; das ist jedoch eine andere Geschichte! Als Christoph Willibald Gluck (1714-1787) von seiner äußerst erfolgreichen Opernaufführung „Alceste“ von Paris nach Wien zurückkehrt, besucht er Joseph Haydn in Esterháza und zeigt sich über die kompositorischen Fähigkeiten seines Schülers Pleyl sehr angetan. Bald vervollkommnet sich Pleyl als durchaus eigenständiger Komponist, insbesondere durch die während den Studienreisen in Italien gewonnenen neuen Erkenntnisse. Bereits im Alter von 19 Jahren bringt er ein wahres Meisterwerk hervor: „Die Fee Urgele“ oder „Was den Damen so gefällt“. Auch bei seinem Familiennamen tritt nun eine künstlerische Wendung zu Tage; er fügt erstmals 1776 einem Manuskript seinem Ruppersthaler Namen Pleyl einen weiteren Buchstaben „e“ hinzu und nennt sich fortan „Pleyel“. Das aus dem Französischen übersetzte Libretto zur seiner zuvor genannten Marionettenoper ist eigentlich ein Singspiel, das sogar 1777 in Wien im Nationaltheater (ehem. Burgtheater) mit großem Erfolg gegeben wird. So wird Ignaz Pleyel rasch in den Musikzentren Europas, insbesondere aber durch seine Kammermusik, bekannt und gilt um 1800 als in Europa meist gespielter Komponist! Zum  Ausdruck seiner Zufriedenheit über die musikpädagogischen Arbeiten  beschenkt Graf Erdödy den Lehrmeister Haydn mit zwei Pferden, einem Kutscher und einer noblen Salonkutsche dazu.


!Kapellmeisterzeit

Es ist wohl anzunehmen, dass Pleyels Mäzen, Graf Lászlo (Ladislaus) Erdödy (1746-1786), bereits während der Lehrbubenzeit bei Vanhal beabsichtigt hat, Ignaz Pleyel als seinen Kapellmeister eines Tages nach Preßburg (heute: Bratislava) zu holen. So lädt er ihn 1777 ein, die musikalische Leitung seiner Hofkapelle zu übernehmen. Auch Ignaz Bruder Franz wird vom Grafen Erdödy besoldet, denn er ist bereits bei ihm als Kammerdiener in Diensten. Die Grafen Erdödy sind musikbegeistert und unterhalten 1770-1780 gleich drei Kapellen und eine Operntruppe. Preßburg ist derzeit die blühende Krönungsstadt Ungarns und viele ansässige Adlige betrachten die Musikpflege als ihr kulturelles Erbe und eine Facette ihres Standes. Neben der Förderung Pleyels bestehen auch beste persönliche Kontakte zu den Komponisten ihrer Zeit wie Haydn, Mozart und Beethoven. Zwei Jahre nach dem frühen Tod des Grafen Ladislaus Erdödy werden hunderte Notenmanuskripte zugunsten karitativer Zwecke versteigert; vermutlich auch einige von Pleyel. Der jüngere Bruder Ludwig Erdödy (1749-1794) übernimmt nun die Führung des Adelshauses und ist ebenso der Gründer der Freimaurerloge „Zum goldenen Rad“ (vorm. „Zum goldenen Hirschen“) in Fidisch (bei Eberau; Burgenland), in welche auch Ignaz Pleyel 1785 aufgenommen wird. Auch Pleyels Lehrmeister Haydn wird in Wien in die Loge „Zur wahren Eintracht“ (wie bereits Mozart) aufgenommen. Nur kurz in Preßburg, entschließt sich Pleyel Bildungsreisen nach Italien zu unternehmen. Vorerst zum Missfallen des Grafen, denn er befürchtet, seinen Kapellmeister zu verlieren. Er unterstützt ihn jedoch mit allen Mitteln und vertieft dadurch sogar sein fast freundschaftliches Verhältnis zu seinem Kapellmeister, was Ignaz Pleyel mit der Widmung seiner sechs Streichquartette Opus I (Ben 301-306; Ben = Werkverzeichnis von Rita Benton „Ignace Pleyel: A Thematic Catalogue of his Compositions“) zum Ausdruck bringt. In Preßburg schafft Pleyel zwei Symphonien und ein Cellokonzert; allerdings vermissen wir heute zahlreiche seiner Frühwerke, die er in Briefen an den Grafen selbst anführt. Noch bevor Pleyel nach Italien abreist, besucht er aber die Länder der Donaumonarchie und lernt dabei zahlreiche Angehörige des böhmischen Adels und Klosterstifte kennen. So komponiert er unterwegs zahlreiche kleinere Werke für Bläser, da manche Adelshöfe eigene sog. „Harmoniemusiken“ unterhalten. Im nahen deutschen Erzgebirge meint ein Klosterprior spöttisch zu Pleyel, dass er erst mit Musik ankommen soll, wenn er was von Mozart oder Haydn dabei habe!? So radiert er kurzerhand seinen Namen auf den eigenen Notenmanuskripten weg und ersetzt diesen mit „Mozart“ oder „Haydn“! Sofort reißen sich die Besuchten um eine beträchtliche Anzahl seiner neuen Bläserstücke, die man erst weit später in Donaueschingen, Zwettl, Brünn (Brno) und Salzburg wieder auffindet. Gerade in der Gattung der Kammermusik wird Pleyel derart erfolgreich, dass man ihn neben Haydn und Mozart als einen Komponisten ersten Ranges bezeichnen kann.


!Reisezeit

Nun will der junge Kapellmeister Ignaz Pleyel das gelobte Land der Musik, Italien, kennen lernen. Graf Erdödy stellt jedenfalls die (Geld-)Mittel für drei Studienreisen zur Verfügung, doch zuvor besucht er seinen Vater Martin in Ruppersthal. Für den 20-jährigen Pleyel ist Italien eine große Chance, um sich auch einen Namen als Komponist zu erschaffen. Heute ist nicht mehr feststellbar, wie oft er sich in Italien aufgehalten hat, jedenfalls reist er nicht später als 1777 nach Neapel und in den Jahren 1781 und 1783 kehrt er kurzzeitig nach Preßburg zurück. Immer wieder zieht es ihn in das Land der sangbaren Melodik, wie er selbst schildert, und 1786 berichtet ein Korrespondent hochlobend über  Pleyel nach Wien. In Italien lernt er auch König Ferdinand IV. kennen, der von ihm weitere Werke für seine Lyra erbittet, die er sogleich niederschreibt (Ben 202 + Ben 202.5). Leider sind diese noch die einzigen erhaltenen Lyra-Kompositionen, deren Autographe sich in der Nationalbibliothek in Paris befinden. Nach einem kurzen Besuch in Wien, reist er 1781 erneut nach Italien und verbleibt bis 1783 meist in Rom. In Neapel wird 1785 seine Oper „Ifigenia in Aulide“ im Teatro San Carlo mit großem Erfolg uraufgeführt. In Italien kann Ignaz Pleyel freundschaftliche Kontakte zu hochgeschätzten Komponisten wie Cimarosa, Gugliemi oder Paisiello knüpfen. Weiter reist er nach Florenz, Lucca, Mailand, Venedig, Padua und Genua. Die Italienreisen erweisen sich für Pleyel als äußerst förderlich, denn er wird die Dreisatzform übernehmen und legt nun eher Gewicht auf die thematischen Entwicklungen und Inhalte seiner Kompositionen. Dennoch bleibt der stilistische Hintergrund weitgehend von Haydn beeinflusst, aber dazu mischen sich seine inneren Emotionen für eine leichtfließende natürliche Art und Weise, dem sog. „lirismo cantabile“. Zeitlebens verehrt Pleyel weiter seinen „Papa Haydn“ und er vergisst niemals seine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, indem er in seinen Notendrucken jeweils den Titel „Elève de Haydn“ („Schüler von Haydn“) hinzufügen lässt. 1784 richtet Wolfgang Amadé Mozart einen Brief an seinen Vater Leopold nach Salzburg und berichtet über Pleyels Quartette (Haydn gewidmet) Opus I + II (Ben 301-306 + Ben 307-312). Dabei empfiehlt Mozart: „Dann sind dermalen Quartetten heraus von einem gewissen Pleyel; dieser ist ein Scolar von Joseph Haydn. Wenn sie selbige noch nicht kennen, dann suchen Sie sie zu bekommen; es ist der Mühe werth. Sie sind sehr gut geschrieben und sehr angenehm. Er wird seinen Meister gleich heraus kennen. Gut und glücklich für die Musik, wenn Pleyel seiner Zeit imstande ist, uns Haydn zu remplacieren.“ Immerhin ein großes Kompliment eines Komponisten-Kollegen von dem man weiß, dass er seine Mitstreiter häufig brüsk kritisiert oder sich gar über sie belustigt. Während seiner Bildungsreisen nach Italien entstehen zwischen 1777 und 1785, wie heute bekannt, folgende Werke: 2 Concerti (Ben 101-102) + 7 Symphonien (Ben 121-127) + 4 Kammermusikwerke (Ben 201-202.5) + 2 Quintette (Ben 271-272) + 18 Streichquartette (Ben 301-318) + 3 Klaviertrios (Ben 428-430; auch Hob. XV; 3-5) + 1 opera seria (Ben 703). 


!Revolutionszeit

Ab dem Jahr 1783 finden wir Pleyels Spuren in Strasbourg: Dort drängt sich die Frage auf, wer den seit 1769 im Amt und längst im Pensionsalter befindlichen Domkapellmeister Franz Xaver Richter (1709-1789) vorderhand unterstützen und später sein Nachfolger wird. Vor der Berufung nach Strasbourg ist der aus Holleschau in Mähren (heute: Tschechien) stammende Richter über 22 Jahre Mitglied der Hofkapelle des pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor zu Mannheim. Die Wahl fällt ohne Vorbehalte auf Ignaz Pleyel; bereits vor dem Besuch des französischen Botschafters in Österreich, Louis René Edouard de Rohan-Guémené (1734-1803) auf Schloss Esterháza anno 1772. Oder hat er diese Wahl bei Haydn und seinem Schüler bereits zwischen den Zeilen angekündigt? Jedenfalls treffen nun in Strasbourg die von Richter geprägte Mannheimer Musiktradition mit der Wiener Klassik und den italienischen Studien Pleyels ideal zusammen. Nur kurz in Frankreich, lernt Pleyel den Kapellmeister am „Temple Neuf“, Johann Philipp Schönfeld (1742-1790), kennen und ab 1785 veranstalten sie gemeinsam und regelmäßig die „Concerts Pleyel-Schönfeld“ oder die „Concerts des amateurs“. Mit diesen bald weitbekannten und beliebten Konzertzyklen können beide Veranstalter ihre Finanzen erheblich aufbessern, denn bald wird Strasbourg zu einer Musikmetropole, wie dies schon um die Wende des 15. Jahrhunderts gewesen ist. Dennoch bleibt die Antwort schwierig, wann Pleyel genau nach Strasbourg kommt, denn die Quellen widersprechen sich. Die Internationale Ignaz Joseph Pleyel Gesellschaft (IPG) erforscht den Zeitpunkt seines Dienstantritts als Assistent bei Richter in das Jahr 1783, auch wenn er das Amt physisch erst nach anderweitigen Verpflichtungen in Italien antreten kann. Jedenfalls erweisen sich Pleyels Schaffensjahre in Strasbourg (1783-1793) als die musikalisch Fruchtbarsten seines Lebens. Alle seine Werke werden sogleich durch Musikverlage in Wien, Paris, Berlin, Leipzig, London und in Holland veröffentlicht. Leider werden bei einem Brand  viele seiner Sakralwerke, Motetten und Messen vernichtet. In Strasbourg schreibt Pleyel seine frischen, zierlichen und fantasievollen Quartette, Klaviersonaten und die melodischen Symphonien, die ihn zum populärsten Komponisten in Mittel- und Westeuropa werden lassen. So wird Pleyel auch die treibende Kraft für die Konzerte in der neuen Spiegelhalle und seine Werke finden höchste Anerkennung; ja sie treffen gar exakt die musikalische Seele Strasbourgs. Genau in dieser Zeit (1783) vermittelt nun Prinz Louis von Rohan den 26-jährigen Pleyel als Vizekapellmeister des Münsters von Strasbourg. Nun sitzt der ehemalige Schulmeisterbub nicht mehr an der kleinen Orgel, unter der Anleitung seines Vaters, im kleinen Ruppersthal, sondern an der 1716 von Andreas Silbermann erbauten majestätischen Orgel am Münster zu Strasbourg! Im Jahr 1787 lernt Pleyel das hübsche Fräulein Franziska-Gabrielle Ignatia Lefebvre, die große Liebe seines Lebens, kennen. Ihr Vater, Stephan Lorenz Levebvre, ist Tapezierermeister, Teppich- und Tuchweber, der mit seiner Gattin (Marie-Gabriel geb. Peyve) in der St. Louis Straße in Strasbourg, in einem Haus mit eleganter Louis XV.-Fassade wohnt. So führt am 22. Januar 1788 der Magister capellae Cathedralis argentinensis Ignatius Josephus Pleyel seine Braut Franziska-Gabrielle Ignatia Levebvre in die Strasbourger Kathedrale St. Ludwig zum Traualtar. Bereits  am 16. Dezember 1787 ist vor dem Notar Lacombe der Heiratskontrakt geschlossen worden und als Trauzeugen fungieren die Musiker aus Strasbourg, Franz Lorenz Chappuy und Friedrich Daniel Vogt. Vor der Heirat wohnt Pleyel im Stadtteil der Jung-St. Peterpfarrei; danach bezieht das junge Ehepaar eine Wohnung in der St. Louis Straße Nr. 4 (heute: St. Ludwigsgasse Nr. 8-10). Bereits am 18. Dezember desselben Jahres wird ein Sohn  geboren und gleichentags auf den Namen Joseph Stephan Etienne Camille getauft. Mit der Heirat ist der 31-jährige Österreicher Pleyel nun endgültig zum Elsässer geworden und weitere drei Kinder gehen aus der Ehe hervor; Virgine, Gabriel und Eugenie. Joseph Stephane Etienne Camille Pleyel (1788-1855), genannt Camille, wächst ebenso wie der Vater zu einem genialen Sohn heran und wird ein epochaler Klavierbauer und begnadeter Pianist. Seine Talente erkennen die Eltern früh, denn er besitzt die musikalischen und unternehmerischen Erbanlagen der Vorfahren. Er wird Schüler von Johann (Jan) Ludwig (Ladislav) Dussek (1760-1812) und Friedrich Wilhelm Kalkbrenner (1785-1849). Im April 1831 heiratet er die hervorragende Pianistin Marie Moké, die er ihrem Verlobten, Hector Berlioz, gleich „ausspannt“. Camille gibt in Südfrankreich zahlreiche Klavierkonzerte mit berauschendem Erfolg und vertreibt Musiknoten und Klaviere; oft als Tauschgeschäft für wertvollem Klavierbauholz (Mahagoni) und Wein. 1815 gibt er ebenso erfolgreiche Konzerte am englischen Königshaus und in London und berichtet seinem Vater minutiös von den Konstruktionen der Klavierbaufirmen Broadwood und Tomlison. Noch im selben Jahr wird er, nach dem Ausscheiden des Chefkonstrukteurs, sogleich Teilhaber der Firma mit dem neuen Namen „Ignace Pleyel et fils ainé“. Vermutlich hält er sich bewusst über 100 Tage in London auf, um der Wehrpflicht in Frankreich zu entgehen. 


!Abschied vom Piano

Mit dem Eintritt in die Unternehmen seinen Vaters beendet er seine künstlerische Laufbahn als Pianist, was kein geringerer als Beethoven, der Vater und Sohn kennen gelernt hat, bedauert. Camille lernt Beethoven erstmals persönlich anno 1805 kennen, als er seinen Vater nach Wien begleitet. Danach korrespondiert Beethoven hin und wieder mit der Familie Pleyel und bedauert, infolge des Krieges, nicht mehr mit dem jungen Pleyel unternehmen zu können. Camille Pleyel komponiert mehrere beliebte Klaviersonaten, Trios, Fantasien, Potpourris von Opernarien, Nocturnes, Rondos, Capries und sog. Melangés. Zudem fördert er befreundete und talentierte Künstler, darunter Frédéric Chopin (1810-1849). Ein Benefizkonzert für die Familie eines behinderten Musikers wird am 1. Januar 1830 zum Anlass für die Eröffnung der bis heute bedeutenden Konzerthalle „La Salle Pleyel“ in Paris (Rue Cadet 9). Den vom Vater 1797 gegründeten Verlag „Chez Pleyel“ löst Camille 1834 auf, um sich nur noch auf den Klavierbau zu konzentrieren. Nach Camilles Tod (4. Mai 1855) wird die Klavierbaufirma von Auguste Wolff (1821-1887) übernommen, der das Unternehmen seinem  Schwiegersohn vererbt. Im Jahre 1835 wird die Ehe mit Marie Felicite Denise Moke aufgehoben und sie feiert nun weiter Triumphe als „göttliche Pianistin“. Später übernimmt sie sogar dazu eine Klavierklasse am Brüsseler Konservatorium und ist mit Mendelssohn und Liszt befreundet. Mit 64 Jahren verstirbt sie 1875 und auch ihre Tochter wird eine weit bekannte Pianistin, die leider im Alter von 20 Jahren verstirbt. Nach dem familiären Exkurs; zurück nach Strasbourg: Im Frühjahr 1769 wird Franz Xaver Richter (1709-1789) mittels Kapitelsdekret zum „Maître de musique de la Cathédrale“, als Nachfolger von Joseph Garnier, zum Kapellmeister des Münsters zu Strasbourg ernannt. Anno 1778 gibt Wolfgang Amadé Mozart drei Konzerte in Strasbourg und ist von den musikalischen Aktivitäten im Münster derart beeindruckt, dass er in einem Brief an seinen Vater nach Salzburg schreibt, dass er gerne Richters Assistent werden möchte. Die Münsterkapelle ist mit jener von Versailles durchaus zu vergleichen: Sie besteht aus 16 Kantoren, 8 Chorknaben und an die 30 Musiker. Doch die Arbeiten sind für den 74-jährigen Richter derart mühsam geworden, dass er den Kardinal um Hilfe bittet. Als Richter am 12. September 1789 verstirbt, wird Pleyel „bischöflich-hochstiftlicher Straßburgischer Münsterkapell-Meister“, womit er diesen Titel erbt. Die Besoldung am Münster ist in dieser Zeit beachtlich: Laut Rechnungsbericht 1788 ist belegt, dass „Au Sieur Richter 1000 fl. (= Florin = Gulden); au Sieur Pleyel 900 fl.“ (= ca. 15000 Euro bzw. 13500 Euro) zu entrichten sind. Erhebliche Summen für einen Kapell- und Vize-Kapellmeister. Die 1780-er-Jahre werden allerdings die fruchtbarsten und weitaus erfolgreichsten der Münsterkapelle zu Strasbourg. Pleyel erweitert in den Jahren zwischen 1786 bis 1789 die Kapelle auf 40 Musiker und 20 Sänger. Daneben wirkt er als Komponist, Geiger, Pianist und Dirigent und Aufzeichnungen belegen, dass das Domkapitel jährlich um 30000 livres (1 Livre = 20 Sols = ca. 10 Euro; somit jährlich ca. 300000 Euro) für seine Münsterkapelle ausgibt. Dabei ist das Orchester mit 10-11 Violinen, 4 Bratschen, 4 Celli, 4 Kontrabässen, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Hörner, Trompeten und Pauken besetzt. Im Chor singen 6 Soprane, 6 Altisten (Knaben), 6 Tenöre und 6 Bässe. Doch nun ändert sich in Frankreich aber Einiges: Die Französische Revolution (14. Juli 1789; Sturm auf die „Bastille“ in Paris) überzieht das Land! Schon im November 1789 erreicht sie Strasbourg und die Revolutionäre beschlagnahmen einen Teil des Kirchenbesitzes. In den 1790er-Jahren spitzt sich die Situation weiter zu und Kardinal de Rohan verlässt die Stadt fluchtartig, wonach Pleyel auch dessen Verantwortungsbereich übernimmt. Am 18. März 1790 leitet Pleyel das vom Fürsten Franz von Hohenlohe angestimmte „Te Deum“ bei der Einsetzungsfeier der neuen  Munizipalität im Münster. Nun wird die Musik bald zu einem politischen (Propaganda-) Werkzeug. Damit beginnt auch Pleyels rasanter Abstieg! Auf Befehl des Bürgermeisters Dietrich wird er am 15. Jänner 1791 „vorübergehend“ von Dupont und einem „drittklassigen“ Laienorchester ersetzt. So wird Pleyel über Nacht auf die Straße gestellt; seine Tantiemen und die Einkünfte als bisheriger Münsterkapellmeister werden sofort einbehalten! Noch im selben Monat arbeitet Pleyel im Salon der Madame de Dietrich mit dem Pionierhauptmann Rouget de Lisle zusammen, woraus sich eine wahre Freundschaft zwischen den beiden entwickelt. Daraus entstehen gemeinsame kleinere Werke; Pleyel ist dabei der Tonsetzer und Rouget de Lisle der Librettist. Die bedeutendste Komposition, die große Aufmerksamkeit erregt, ist die Hymne „Hymne à la Liberté“ (Ben 705), die von Pleyel selbst anlässlich der Feier zur Ausrufung der Verfassung am 25. September 1791 dirigiert wird. Dazu veröffentlicht Constant Pierre eine äußerst interessante Handnotiz von Rouget de Lisle: „Diese Hymne wurde ursprünglich komponiert und zu Musik gesetzt von Pleyel, zum Anlass der Annahme des ersten Verfassungsaktes in Straßburg. Der Bürgermeister dieser Stadt, F. Dietrich, der mich darum gebeten hatte, ließ es nach dem Rhythmus der französischen Wörter ins Deutsche übersetzen, und sie auf breiter Basis während der acht Tage vor der Feier verteilen. Gefeiert wurde sie im Freien auf  der Place d´Armes. Ein kolossales Orchester führte die Hymne unter der Leitung von Pleyel selbst auf. Die Musiker dieses Orchesters sangen zuerst den Hauptteil jeder Strophe, dessen zweiten Hälfte im Chor von der riesigen Menge, die den Platz bis ins letzte Winkel auffüllte, aufgenommen wurde, begleitet von den Musikkapellen aller Regimente der Garnison, die zu jener Zeit sehr zahlreich waren. Man kann sich keine Vorstellung dieses musikalischen Effektes machen, ohne es gehört zu haben. Schon am nächsten Tag hatte diese gallisch-germanische Hymne den Rhein überquert und wurde rasch unter der Bevölkerung von Baden sehr beliebt.“ Zu diesem Zeitpunkt ist Pleyel allerdings nicht nur völlig verarmt, sonder er gilt auch als politisch suspekt! So kann diese neue Komposition seine Verzweiflung nur vorübergehend etwas lindern. Die Französische Revolution schreitet vehement voran und noch heute ist strittig, wer eigentlich der Komponist der „Marseillaise“, der französischen Nationalhymne, ist … oder verweist die weltberühmte bombastische Melodie gar auf Ignaz Pleyel? Jedenfalls exakt an jenem Tag, an welchem die Guillotine in Paris erstmals ihren enthauptenden Zweck erfüllt, wird Hauptmann Louis Rouget de Lisle (1760-1836) beauftragt, ein Kriegslied für die Rheinarmee zu verfassen. Gleichentags lässt ein Verbrecher namens Pelletier in Paris unter dem von Joseph Ignaz Guillotin (1738-1814), Anatomieprofessor, Freimaurer und Abgeordneter des Dritten Standes, erfundenen „Fallbeilapparat“ sein Leben und das Volk bricht in Jubel aus. Später wird allerdings auch der Bürgermeister von Strasbourg (Philippe Frédéric de Dietrich 1748-1793) ein Opfer dieser Tötungsmaschine und Ignaz Pleyel entgeht dieser „kopflosen“ Einrichtung nur knapp, worauf ich noch eingehen werde. Auch in Wien überstürzen sich die Ereignisse: 1790 verstirbt Kaiser Joseph II. und Pleyel schreibt zum Gedenken die Symphonie c-Moll (Ben 142). Auf Schloss Esterháza stribt Fürst Nikolaus Esterházy und Haydn verlässt nun (vorübergehend) seine Dienstherrn. In Paris versucht König Ludwig XVI. mit seiner Familie vor der Revolution zu fliehen, was am 20. Juni 1790 scheitert und er unter Bewachung nur noch als Schattenfigur residiert. Nun wird bekannt, dass der König Österreich um Hilfe ersucht hat, worauf die Nationalversammlung beschließt, Österreich den Krieg zu erklären und die Nachricht erreicht auch Strasbourg. Das große Frankreich ist aber in mehrere Lager gespalten und die Soldaten der Armee wissen nicht, für wen sie nun eigentlich Kopf und Kragen riskieren sollen, denn es gibt noch immer genügend königs- und papsttreue Anhänger neben den Republikanern. So setzen sich langsam aber sicher österreichische und preußische Militäreinheiten gegen Frankreich in Richtung Rhein in Bewegung. Somit muss dringendst ein motivierender Schlachtengesang her! Der bisherige alte volkstümliche Revolutionsgesang „Ça ira“ ist ohne Biss und eine neue Kampfmelodie ist möglichst rasch zu kreieren. Am Abend des 25. April 1792 sind in Strasbourg folgende Leute im Salon des Bürgermeisters versammelt: Madame Dietrich, die beiden Nichten Louise und Amélie, die beiden Söhne Albert und Fritz (letzterer auch ein Komponist), Marschall Luckner, Général Victor de Broglie, die hohen Offiziere Armand d´Aiguillon, Achille du Chastelett, Kléber, Cafarelli du Falga, Malet, Desaix und Ingenieur-Hauptmann Rouget de Lisle, der ebenfalls für den Marschall zündende Hymnen schreibt. Was man aber bisher außer Acht lässt: Rouget de Lisle ist lediglich der Textdichter, der überaus bedeutenden Hymne, der „Marseillaise“, denn er arbeitet mit Ignaz Pleyel zusammen. Dieser dirigiert die Hymne à la liberté gleich selbst am 25. September 1791! Noch in derselben Nacht wird Rouget unter stürmischem Beifall der Prominenz beauftragt, einen Kriegsgesang zu Ehren des anwesenden Marschalls zu komponieren. Eine Leidenschaft des jungen Rouget ist es, Reime zu dichten und dazu die passende Melodie auf seiner Geige zu finden, aber er kann nicht Klavierspielen. Immerhin ist soeben in Paris sein Theaterstück „Bayard in Brescia“ aufgeführt worden, und er ist zu diesem illustren Abend im Salon des Bürgermeisters eingeladen worden. Rouget und Pleyel sind seit mind. Mai 1791 gut befreundet und spielen auch hin und wieder nette Duos für Violine und Klavier. Die erste Originalausgabe der „Marseillaise“ wird zwischen Mai und August 1792 bei Verleger Dannbach in Strasbourg gedruckt, trägt aber keinen Namen des Verfassers!? Für gewöhnlich hat Rouget jedes seiner Werke persönlich signiert; warum ausgerechnet dieses nicht!? - Und - Letztlich hat der Verfasser der „Marseillaise“ nie die Autorenschaft dieser Melodie, als man diese Pleyel zuschreibt, für sich beansprucht!? 

Leider existiert kein Autograph des Werks mehr und auch der Originalbrief von Madame Dietrich an ihren Bruder, den Kanzler Ochs in Basel, worin sie die Vorkommnisse dieses Abends in ihrem Salon beschreibt, ist leider verschollen. Im erhaltenen Fragment einer Briefkopie der Buchdruckerei Dannbach fehlt jedoch auch ein Nachweis der Autorenschaft von Rouget de Lisle. 

!Intermezzo ... Musikwettstreit in London ... Schüler gegen Meister

Der inszenierte Wettstreit wird zu einem der erinnerungswürdigsten Ereignisse in der Geschichte der Musik Londons. Soll ein gewinnorientierter und medial aufgeblähter Wettstreit tatsächlich zwei Freunde wie Haydn und Pleyel gegeneinander ausspielen, nur zur Befriedigung des skandalsüchtigen Londoner Publikums? Haydn befindet sich bereits zuvor in London, wo er am 8. Juli 1791 in Oxford zum Ehrendoktor ernannt wird und die sich konkurrenzierenden Musikgesellschaften Salomons (im „Haymarket-Theater“) und die „Professionals“ (im „Hannover Square“) seinen ehem. Schüler nach London einladen. So befinden sich 1792 der 35-jährige Pleyel und der 60-jährige Haydn, beide auf ihrem Höhepunkt des kompositorischen Schaffens, gleichzeitig in London. Wie kommen aber die Konzertkonkurrenten dazu, gerade Haydn und Pleyel gegeneinander antreten zu lassen? Einerseits wollen sie gewinnbringend das geradezu sensations- und skandalsüchtige Publikum begeistern und andererseits hat Haydn nach dem Tod seines Dienstherrn seinen Kapellmeisterposten verloren; und Pleyel ist durch die Französische Revolution brotlos geworden. Zudem ist Peyel seit den beginnenden 1790er-Jahren der meistgespielte Komponist in Mittel- und Westeuropa. So werden während den Festspielen in Oxford, anlässlich der Verleihungsfeier des Ehrendoktors an Haydn, auch Werke von Pleyel dargeboten. Als Salomon 1792 ankündigt, dass Haydn eine Konzertreihe seiner Gesellschaft dirigieren wird, entschließt sich die Konkurrenzgesellschaft („Professionals“) einen ebenso populären aber jungen Gegenspieler auftreten zu lassen. So ist Pleyel, als ehem. Schüler Haydns, die logische und gleichzeitig attraktivste Wahl, die beiden quasi gegeneinander antreten zu lassen! Nichts davon ahnend, ist es für Pleyel aber höchst willkommen, das derzeit politisch nicht ungefährliche Frankreich auf Einladung verlassen und am 15. Dezember 1791 mit seinem Schüler Philipp Jacob Pfeffinger (1766-1821) nach London abreisen zu können. Obwohl die Ankunft der beiden in London bereits auf den 21. November 1791 angekündigt ist, treffen sie erst am 23. Dezember ein. Erst durch die Presse und Musikfreunde erfährt Pleyel in London, dass er bald zu einem musikalischen Wettstreit gegen seinen Freund und ehem. Lehrmeister Haydn antreten soll. So nehmen die Konzertgesellschaften auch kein Blatt vor den Mund, um die Gegenspieler zu diskreditieren. Die einen äußern in ihrer Werbekampagne unschöne Anspielungen auf Haydns fortgeschrittenes Alter und die anderen prahlen damit, dass dem jungen Pleyel wohl sein Erfolg in den Kopf gestiegen sei. Aber die Rechnung geht für die Konzertveranstalter nicht auf, denn sie haben diese ohne Haydn und Pleyel gemacht; die beiden spielen nicht mit! Pleyel schätzt und verehrt seinen Lehrmeister und Freund zu sehr. Während der Vorbereitungen zu den Faschingskonzerten besuchen beide ein Benefizkonzert und sitzen in freundschaftlicher Einigkeit beisammen. Insgeheim wird nun für Haydn vor dem Wettstreit ein weit höheres Honorar als für Pleyel angeboten, was dieser aber vehement ablehnt. Pleyel bezieht nun Quartier schräg gegenüber Haydns Wohnung in der Great Pultney street Nr. 25 und die angestrebte Konkurrenzsituation wird bei den kollegialen Abendessen der beiden in Haydns Wohnung endgültig vom Tisch gefegt! Am Silvesterabend 1791 gehen Haydn und Pleyel zusammen zu einer Vorstellung ins „Pantheon-Theater“ und die Rezensenten staunen über die offensichtliche Einigkeit der beiden angeblichen Rivalen. So trägt Haydn schon am 24. Dezember in sein Tagebuch ein: „… allein, mir scheint, es wird bald Allianz werden, weil mein credit zu fest gebaut ist. Pleyel zeugte sich bey seiner ankunft gegen mich so bescheiden, dass Er neuerdings meine liebe gewann, wür zind sehr oft zu sam, und das mach Ihm Ehre, und Er weis seinen vatter zu schätzen. Wür werden unsern Ruhm gleich theillen und jeder vergnügt nach Hause gehen.“ Den fast selben Text schreibt Haydn auch am 17. Jänner 1792 in einem Brief seiner Freundin Marianne von Gentzinger nach Wien. Das erste Konzert wird nun angekündigt und die „Professionals“ versuchen erneut, Hayden von Salomon abzuwerben, was wiederum an Haydns Rechtschaffenheit kläglich scheitert. Die ersten Konzerte mit Pleyel der „Professionals“ sind sehr gut besucht und der junge Komponist wird wiederholt gefeiert. Doch seine Konzerte eröffnet er stets mit einer, wie denn sonst, Symphonie von Haydn! Zudem lässt Pleyel eine Dauerfreikarte aus Elfenbein für seine Konzerte überreichen und Haydn äußert sich begeistert von den Aufführungen seiner Symphonien. Somit beginnt auch Haydn seine Konzerte jeweils mit einer Symphonie von Pleyel, obwohl sein Name in den Programmheften nicht erwähnt ist. Beide, Haydn und Pleyel, geben sich weiterhin bei den gegenseitigen Besuchen ihrer Konzerte sehr respektvoll und lassen sich von den andauernden Intrigen der Konzertmanager nicht aus der Ruhe bringen. Am 16. Mai 1792 tritt Pleyel die Heimreise nach Strasbourg an, wo er von der Familie sehnsüchtig erwartet wird. Mit den Einnahmen aus London von ca. 1200 Pfund (= ca. 288000 Euro) kann Pleyel das alte Schloss Ittenwiller, in den östlichen Vogesen, in St. Pierre bei St. Peter-Stotzheim, nahe Strasbourg, erwerben. Daneben verdient er in der Zeit in London beträchtliche Summen an Verlagshonoraren und Gelegenheitskonzerten. 


!Schreckenszeit ... zwischen den Fronten

Während Pleyel in London weilt, ändert sich Einiges in Strasbourg. Die Konzertsäle sind nun zu den Arenen politischer Aufmärsche und Zusammenkünfte oder Massenattraktionen umfunktioniert. Einzig am französischen Theater gehen die Vorstellungen weiter, aber die sozialpolitische Lage hat sich völlig verändert. Nach der Kriegserklärung der Pariser Nationalversammlung hat Frankreich den Österreichern und Preußen den Krieg erklärt und Bürgermeister Baron Frédéric Dietrich liest diese öffentlich in zwei Sprachen auf den Plätzen Strasbourgs vor. Die Generäle und Offiziere der Rheinarmee sind im Haus des Bürgermeisters eingeladen; darunter auch der Verfasser des Liedes der Revolution, Rouget de Lisle. Am 24. Mai 1792 kehrt Pleyel zu seiner Familie zurück und ist, trotz der großen Wiedersehensfreude, von den radikal veränderten Lebensumständen irritiert. Die meisten alten Freunde sind nicht mehr und seine musikalische Tätigkeit findet keine Unterstützung. Doch dies wäre das Wenigste; Pleyel wird verdächtigt, ein gefährlicher Aristokrat und Diener der Kirche zu sein. Dazu ist er ausländischer, d. h. explizit österreichischer Herkunft, und stehe dem Klerus sehr nahe. Sein von den Londoner Einnahmen erworbenes „Gut Ittenwiller“, das alte Schloss, lässt die Familie etwas zur Ruhe kommen und bietet auch politischen Flüchtlingen Unterschlupf; wie etwa dem Miniaturmaler Guérin, der bis zum Ende der Schreckenszeit hier versteckt bleibt. In Paris werden die „Tuilerien“ erstürmt, König Ludwig XVI. samt Familie festgenommen und dieser am 20. September 1792 vom Nationalkonvent abgesetzt. In diesen Tagen wird Pleyel in die gefährlichste Episode seines Lebens verwickelt und muss um sein Leben bangen! Insgesamt sieben Mal wird er beim „Comité du Salut“ (= „Komitee für öffentliche Sicherheit“) denunziert und muss fliehen. Sehr besorgt um die Sicherheit seiner Familie, kehrt er nachts auf Schleichwegen nach Ittenwiller zurück, wird jedoch verraten, sogleich verhaftet und in Strasbourg eingekerkert; und es droht die Guillotine!! Schließlich ist er ein feindlicher Österreicher und pflege beste Kontakte mit dem in die „Affaire du Collier“ verwickelten Kardinal Louis René Edouard de Rohan-Guémené. Pleyel versucht sich zu retten, indem er in sieben Tagen eine eingängige und 146 Seiten umfassende Kantate zum Jahrestag der Revolution komponiert. Seiner überzeugenden Bitte, zuhause arbeiten zu dürfen, damit die Kantate auch der Revolution würdig ausfalle, wird zu seinem eigenen Erstaunen stattgegeben. So erschafft er die Hymne „La Révolution du 10 oût, ou le toscin allegorique“ (Ben 706) unter ständiger Bewachung zweier Gendarmen. Dazu verfasst ein fanatischer Revoluzzer einen blutrünstigen Text und einige Musiker werden nach Strasbourg zitiert, um die Hymne sogleich aufzuführen. Nach nur drei Proben wird das Monsterwerk, in dem Pleyel jedes nur erdenkliche lärmerzeugenden Instrument und alle Donnereffekte mit einbezieht, aufgeführt. Da am selben Tag am Straßenrand in Strasbourg ca. 900 Kirchenglocken zum Abtransport für die Einschmelzung zu Kanonen aufgestellt sind, wählt Pleyel davon deren sieben als Grundtöne zu seiner „Revolutionsmusik“ aus. Die ausgewählten Glocken werden in der Münsterkuppel aufgehängt und Pleyel muss am Ort seines friedlichen Schaffens nun dieses Werk der Revolution aufführen; dazu werden Kanonenschüsse und Gewehrsalven als Effekte wirkungsvoll abgefeuert. Die skurrile und „kopflose“ Komposition wird vom Publikum begeistert umjubelt, rettet aber den völlig erschöpften Komponisten vor der Guillotine! Das Volk trägt sogar Pleyel triumphierend davon und die Stadtverwaltung ist nun überzeugt, dass der Schöpfer dieser Hymne ein echter Patriot im Sinne der Revolution sein muss. So erlangt Pleyel wieder seine Freiheit; ja - er gilt sogar als neuer Held der Revolution! Insgesamt wird das Revolutionswerk drei Mal um 10 Uhr nachts aufgeführt; letztmals 1798 zur Einweihung der Konzerthalle der „Réunion des art“-Gesellschaft in Strasbourg. Inzwischen ist Pleyel in einer schrecklichen Gemütsverfassung; er ist von Ängsten geplagt, denn er weiß nie, welche „Doppelzüngler“ ihn umgeben. Man bedenke nur die Schicksale des Bürgermeisters von Strasbourg (Dietrich) oder gar von de Robespierre in Paris, deren Köpfe auf dem Blutgerüst der Guillotine in den Korb gefallen sind. Immerhin hat Pleyel inmitten des Revolutionsgeschehens eine Familie am Leben erhalten, und er sieht keine Möglichkeiten mehr, sich im Elsass als Komponist oder Kapellmeister erfolgreich zu betätigen und den frei gewordenen Posten des Theaterdirektors in Strasbourg will man ihm nicht zukommen lassen. Schon anfangs der 1780er-Jahre hat sich Pleyel gewünscht, seine Werke selbst herauszugeben und beginnt nun mit seiner Familie in Paris ein neues Leben. Doch er steht nun zwischen zwei politischen Fronten: Für die Österreicher gilt er als Revolutionär und für die Franzosen als fürstenfreundlicher Österreicher, der dem Klerus nahe steht. So geht er in seiner alten Heimat Österreich fast vergessen; immerhin rettet ihm die Musik sein Leben!


!Unternehmerzeit

Pleyel veräußert sein Landgut in Ittenwiller an den Drucker Levrault und übersiedelt mit der Familie im April 1795 nach Paris. Beim Eintreffen in der Weltstadt wird gerade der Volksaufstand der „Sansculottes“ niedergeschlagen. So werden die Arbeiter und Kleinbürger während der Revolution bezeichnet. Die Bezeichnung leitet sich vom Begriff „ohne Kniebundhosen“ = sans culottes ab bzw. „cul“ = ohne Boden, Hintern. Im Gegensatz zu den Adligen oder den Klerikern, welche diese wadenfreien „Culottes“ mit edlen Seidenstrümpfen tragen, denn sie verrichten keine schwere körperliche Arbeit. Wegen der Hungersnot organisieren sich die „Sansculottes“ in Sektion und gehen mit Vehemenz für ihre Rechte auf die Straße. In Paris entwickelt Pleyel seine weiteren Begabungen, denn diese reichen weit über seine kompositorischen Fähigkeiten. Bereits am 12. April 1795 erscheint im Anzeigenblatt „Annonces“, dass die „Herren Bürger“ Pleyel, Hermann, Seibelt, Kreutzer, Punto und Mengozzi alle zwei Wochen auf den „Fonds de Vauxhall d´été“ bei der Oper Konzerte geben. Damit legt Pleyel den Grundstein zu den später berühmten und erfolgreichen „Concerts olympiques“. Völlig unerwartet erscheint anfangs 1796 Pleyels Name auf einer Ehrenliste von Personen, die zum Ruhm der Revolution beigetragen haben. Damit ist er als anerkanntes Mitglied der Pariser Gesellschaft endgültig angekommen. Für seine Kompositionen ist Paris aber nicht (mehr) der ideale Ort, was Pleyel jedoch selbst einzuschätzen weiß, denn die Romantik steht bereits vor der Tür. Schon lange versucht er ein eigenes Standbein als Verleger zu schaffen, und er versucht dies durch Edition seiner eigenen Werke in die Tat umzusetzen. Nachdem nun in Frankreich diese erdrückende  Schreckensherrschaft langsam abklingt, kehrt der strategisch geniale Offizier Napoléon Bonaparte (1769-1821) siegreich aus Italien zurück und wird zum Hoffnungsträger einer geschundenen Nation. Pleyel ist kompositorisch nur noch bis etwa 1805 tätig und arrangiert seine früheren Werke oder schreibt kürzere Stücke für Violine und Klavier. Daneben unternimmt er zwei Reisen über die Grenzen Frankreichs hinaus; zunächst im Jahre 1800. Die Pariser Tonkünstler beabsichtigen am hl. Abend Haydns „Schöpfung“ aufzuführen und Pleyel setzt sich ein, dass Haydn persönlich das Werk dirigieren soll. So wird Pleyel beauftragt den 78-jährigen Haydn von Wien abzuholen und nach Paris zu begleiten. Doch das Vorhaben scheitert: Die österreichischen Behörden erlauben Pleyel nicht, in seine Heimat einzureisen; er wird sogar als Landesverräter denunziert! Somit ist in Dresden gleich Endstation, denn auch Interventionen angesehener Persönlichkeiten (u. a. der Wiener Musikverleger Artaria) helfen nichts. Seit 1801 weilt Fürst Nepomuk Lothar Metternich-Winneburg zu Beilstein (1773-1859) als österreichischer Gesandter in Dresden. Später; nach der Niederlegung der Reichskrone durch Kaiser Franz II. und damit des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation (12. Juli 1806), bemüht sich Metternich um bessere Beziehungen zwischen Österreich und Frankreich. So wird das Einreiseverbot gegen Pleyel zur Absurdität: Eben hat er sein Leben in Frankreich riskiert, weil er österreichischer Herkunft ist und nun weist ihn ausgerechnet sein Heimatland an der Grenze zurück!
Sogar Haydn selbst hat versucht auf die zuständigen Beamten in Wien Einfluss zu nehmen, aber auch er als weltberühmtester Komponist seiner Zeit scheitert am überlauten Wiehern des Amtsschimmels. Dennoch wird die „Schöpfung“ in Paris wie geplant, unter der Leitung von Daniel Gottlieb Steibelt (1765-1823) aufgeführt. Am selben Tag entgeht Napoléon auf dem Weg zur Oper nur knapp einem Attentat! Zurück in Paris, setzt nun Pleyel zielstrebig seinen nächsten Schritt; der Komponist und Klaviervirtuose wird Unternehmer. Nachdem Pleyel in den Jahren 1800 und 1803 die Einreise nach Österreich verweigert worden ist, gelingt ihm dies erstmals im Sommer 1805. Dabei will er schon längst seinem Sohn Camille seine Heimat zeigen und ihn seinen Vorbildern wie Haydn oder Vanhal persönlich vorstellen. Zudem hat er gesundheitliche Probleme (Rheuma und Atembeschwerden) und möchte einen Wiener Arzt aufsuchen sowie einen Verlag gründen, was jedoch scheitert. Während seine Abwesenheit und den erfolgreichen Wasserbehandlungen in Graz leitet Pleyels Frau Franziska-Gabrielle in der Rue des Petits-Champs in Paris bestens die Verlagsgeschäfte. Ein weiterer Grund, dass Pleyel ins Verlagsgeschäft einsteigt, ist die Bewahrung der eigenen Authentizität seiner Kompositionen, denn es ist ihm zuwider, sich immer wieder von unredlichen Verlegern über den Tisch ziehen zu lassen! So eröffnet er mit Hilfe seines Schwager, J. G. Schäffer, der schon länger in Paris wohnhaft ist, gleich neben dessen Musikalienhandlung eine Gravurwerkstatt. Damit editiert er nicht nur seine eigenen Werke, sondern auch jene seiner bekannten Zeitgenossen wie Haydn, Gluck und Boccherini. Seinen Verlag gründet er bereits 1795 als er nach Paris zieht, wobei die offizielle Anschrift „Chez Pleyel“ erst im September 1797 erscheint und die Adresse lautet: 24 rue Neuve des Petits-Champs (zwischen rue St. Anne und rue de Chabannais). In Paris ist Pleyel wohl nicht der einzige Verleger, denn es gibt über 30 Verlagshäuser. Pleyel ist aber als Musiker, Kenner und Komponist akribisch darum bemüht, die Noten in schönster Druckqualität und genauestens herauszugeben. Abgesehen davon, gibt es in mehr als 50 Städten Europas und Nordamerikas 250 Verleger, die nur Pleyels Werke editieren und vertreiben! Doch dank seiner Qualität und seinem musikalischen Wissen entwickelt sich Pleyels Verlag zu einem der anerkanntesten und ab 1813 sogar zum größten Europas! Seine Notenstecherei, unter der Leitung seines Schwagers, gilt bald als technischer Musterbetrieb der ganzen Branche. Pleyel interessiert sich stark für neue Drucktechniken wie etwa für die 1798 von Alois Senefelder erfundene Lithographie. Er engagiert zudem die besten und teuersten Graveure und Kupferstecher Frankreichs (u. a. Richault, Lobry, Petit, Marquerie). Pleyels Kompositionen erfreuen sich, gerade in der Kammermusik, größter Beliebtheit und erzielen einen beachtlichen Gewinn für seinen Verlag. Nun will er ein Verzeichnis seiner Werke herausgeben, denn er beklagt sich über skrupellose Verleger, die unter seinem Namen Werke herausgeben, die er überhaupt nicht kennt. So will er inskünftig seine Werke, die er herausgibt, eigenhändig signieren und in seinem Magazin publizieren. Desweiteren veröffentlicht Pleyel in einer Musik-Anzeige folgende Aussendung: „Ignaz Pleyel zeigt dem Publikum hierdurch an, dass er unter der Direktion seines Schwagers J. G. Schäffers eine Musikhandlung in Paris errichtet hat. Man findet darin alle, sowohl ältere als neuere musikalische Werke Pleyels und viele berühmte Meistern, also Haydn, Mozart, Viotti, Dussek, Clementi, Cramer, Jarnovik, Boccherini, Gyrowetz. Es wird kein Exemplar ohne die Unterschrift Pleyel ausgegeben; die Massregel ist nothwendig, nicht sowohl wegen des Interesse des Herausgebers, also wegen der Musikhandlüngen und Liebhaber, welche seit mehreren Jahren, und vorzüglich seit einigen Monaten auf das schändlichste durch die Nachdrucker betrogen worden sind, welche unter dem Nahmen Pleyels eine Menge Musikalien verkaufen, die von diesem Autor seyn sollen und wovon ihm mehreres in Paris ist vorgelegt worden, welches er nicht anerkannt, und für falsch und nicht seine Composition erklärt hat. Man benachrichtigt das Publikum, dass sich ein vollständiges Lager von Herrn Pleyels Verlag bey Herrn Günther und Böhme in Hamburg befindet.“ Gleichzeit, anno 1797, verfasst Pleyel zusammen mit dem berühmten Pianisten Jan Ladislaus Dussek (1760-1799) eine Klavierschule „Nouvelle Méthode de Pianoforte, contenant les principes du doigté“, die teils bis heute herangezogen wird. Pleyel schreibt seit einiger Zeit auch kompositorisch dennoch anspruchsvolle und zahlreiche Werke für Hausmusik, worum sich das Publikum der derzeitigen Unterhaltungs- bzw. Salonmusik förmlich reißt. Die Kompositionen sind äußerst gefällig und für die Ausführenden technisch nicht zu anspruchsvoll. Pleyel gelingt nun mit seinem Verlag eine überaus wichtige Erfindung, die sich bis heute großer Beliebtheit erfreut; die Taschenpartitur. In seiner Druckreihe „Bibliothèque musicale“ beginnt er 1802 mit der Edition von vier Haydn-Symphonien, denen sogleich zehn Ausgaben mit Streichquartetten folgen. Die gesamte Sammlung enthält Werke deutscher, französischer und italienischer Meister, die reißenden Absatz finden. Ein Jahr zuvor gibt Pleyel die „Collection complète des quatuors d´Haydn, dédiée au Premier Consul Bonaparte“ heraus, für welche präzise Arbeit er von Haydn selbst ein hochlobendes Dankesschreiben erhält. Bald hat das Verlagshaus Pleyels in vielen Städten Frankreichs seine Niederlassungen und er knüpft geschäftliche Verbindungen mit den renommiertesten Musikverlagen Europas (u. a. Artaria, Wien; Böhme, Hamburg; Breitkopf & Härtel, Leipzig; Hummel, Amsterdam; Simrock, Bonn). Neben dem Verlagshaus gründet Pleyel auch 1807 eine Klaviermanufaktur und die Doppelbelastung ist für ihn schwierig zu verkraften. So bemüht er sich 1813 sein florierendes Verlagshaus zu verkaufen und bietet einem Interessenten seine 48000 Zinn- und Kupferplatten sowie zahlreiche Verlagsrechte, Manuskripte, Papier und Instrumente für 214000 Francs (= ca. 2140000 Euro) an; jedoch kommt der Verkauf nicht zustande. Mit der Zeit ändert sich auch der Musikgeschmack des Publikums und Pleyels Verlag legt die Hauptproduktion nun auf Potpourris bekannter Opernmelodien, Fantasien, Variationen und Rondos. Insgesamt verlegt Pleyel in der Zeit seines Verlages (lt. Katalog) rund 850 Werke und die gesamte Produktpalette einer Musikalienhandlung. Erst nach Ignaz Pleyels Tod verkauft sein Sohn Camille das Verlagshaus „Maison Pleyel“ an verschiedene Pariser Verleger. 


!Klaviermanufaktur Pleyel

Unter seinem Namen gründet Pleyel 1807 an der Rue Cadet No. 9 in Paris die Klaviermanufaktur „Pleyel & Co.“, wozu er während seines Englandaufenthalts inspiriert worden ist. Rasant nimmt das jungen Unternehmen, mit der Hilfe von E. H. Mehul und J. H. Pape, seinen Aufschwung. Besonders bei den Komponisten der früheren Romantik, wie Chopin, sind die Klaviere mit der englischen Mechanik außerordentlich geschätzt. Bereits ein Jahr nach der Gründung werden 50 Instrumente verkauft und im Todesjahr des Sohnes Camille Pleyel 1855 werden über 1400 Klaviere jährlich gebaut. 1889 hält der Leiter der Jury der Abteilung der Internationalen Ausstellung fest, dass die Jahresproduktion der Klaviermanufaktur zwischen 2600 und 3000 Instrumenten liege, woraus diese in den Folgejahren sogar bis auf 5000 Klaviere pro Jahr ansteigt! Bis 1893 werden 108000 Klaviere, bis 1927 rund 186000 und bis heute über 250000 Exemplare gebaut und verkauft. Heute kostet ein Pleyel-Flügel je nach Ausführung ca. 30000-65000 Euro und es werden pro Jahr ungefähr 1000 Instrumente hergestellt; davon 900 Pianos und mind. 60 Konzertflügel. Anfangs beläuft sich der Personalbestand auf 10 Angestellte und steigt unter der Leitung des Sohnes bis 1855 auf 350 Personen, unter dem Nachfolger Wolff 1893 auf 600 und später gar auf über 1500 Beschäftigte. Heute sind dies lediglich noch 70 hochspezialisierte Klavierbautechniker. Seit Beginn ist sich die Manufaktur Pleyel ihrer sozialen Verantwortung bewusst, denn sie errichtet eigene Schulen und Kinderheime. Im Fabrikgebäude bietet eine Schule jedem Arbeiterkind zwischen dem fünften und achten Lebensjahr eine fundierte Ausbildung, sodass es die öffentlichen Schulen von Saint-Ouen und Saint-Denis abschließen kann. Meist kehren diese Kinder zur Absolvierung einer Klavierbauerlehre wieder in die Manufaktur zurück. Auch die Apotheker- und Arztrechnungen der Angestellten zahlt übrigens die Firma Pleyel. Zudem erhalten Junggesellen oder jene mit weiterem Arbeitsweg täglich eine gute und günstige warme Mahlzeit in der betriebseigenen Küche. Hat ein Arbeiter das 60. Altersjahr und 30 Dienstjahre erreicht, steht ihm eine Pension zu, wobei er auf Wunsch auch weiter mitarbeiten darf. Dies bedeutet, dass jeder Arbeiter über seinen Lohn hinaus eine Mindestpension von 365 Francs monatlich erhält, obwohl er nie in eine Firmenpensionskasse einbezahlen muss. Für seine Arbeiter, die sich etwas Geld angespart haben, führt Pleyel ein zinsbringendes Konto und für Kredite verrechnet er ihnen keinerlei Zinsen; von derartigen Anstellungsbedingungen können sogar Staatsbedienstete und anderweitig Beschäftigte nur träumen! Nebenbei unterhält die Firma Pleyel auch eine 44-köpfige Blasmusikkapelle, deren Instrumente diese kostenlos zur Verfügung stellt. Bereits unter der Leitung von Camille Pleyel wächst das Fabrikgelände zu einer eigenen kleinen Ortschaft an, die sich über rund 55000 m2 ausdehnt. Diese besteht aus Gruppen von ein- und mehrstöckigen Häusern, Werkstätten, durch Eisenbahnen verbundene Lagerhallen und in der Mitte des Geländes einem Gebäude mit drei Dampfmaschinen. Ihre Turbinen erzeugen eine Kraft von über 200 PS, die durch Treibriemen in die Fertigungshallen übertragen wird. An der einen Seite des Geländes steht die große Werkstätte und gegenüber befinden sich die Lagerhallen, wo das Holz in Blockhäusern oder Hütten zum Trocknen lagert. Leider fallen dem 1. Weltkrieg über 80 Mitarbeiter zum Opfer und 1924 wird eine neue Fabrik errichtet, wobei sich das Betriebsgelände bis 1927 auf über 70000 m2 erweitert. Zu dieser Zeit ist die Fa. Pleyel eines der größten Klaviere erzeugendes Unternehmen der Welt, wobei 500 Maschinen laufen und meist über 7000 m3 Holz lagern! Ein einziges Klavier vereinigt Hölzer aus drei Weltteilen: Für den Rahmen, auf den die Saiten gespannt werden, wird neben Metallteilen Eichen-, Buchen-, Linden und Fichtenholz verwendet, das aus den Wäldern Frankreichs und Skandinaviens stammt sowie Magnolien- und Nussbaumholz aus Amerika. Für den Mechanismus, d. h. für die Anschlagapparatur, werden Birnen-, Speierling-, Weißbuchen-, Ahorn- und Ebereschenholz benutzt, das von den Mittelmeerländern bis Nordafrika sowie aus Amerika (Hickoryholz) angeliefert wird. Für das edle Gehäuse des Instruments ist die Kunsttischlerei der Manufaktur verantwortlich, wobei meist exotische Hölzer wie brasilianisches Rosen- oder Mahagoniholz verwendet wird. Die Tastatur wird aus Lindenholz gefertigt, das mindestens zehn Jahre austrocknen muss. Diese wird vorne und oben mit mattweißem gebleichtem Elfenbein belegt. Eine eigene Abteilung besorgt die Herstellung und Lieferung der hochwertigen Saiten. Aber die Geschäfte der Fa. Pleyel blühen nicht immer, denn Feldherr Napoléon lässt seine Soldaten bald überall auf den Schlachtfeldern verbluten. Auch das Brot ist kaum mehr erschwinglich; woher soll denn Geld für ein kostbares Klavier vorhanden sein? 1813 schreibt Ignaz Pleyel seinem Sohn: „Geschäfte gehen besonders schlecht. Keine ist geneigt zu kaufen. Ich habe weder Klaviere, noch Harfen verkauft, nicht einmal eine einzige Gitarre … Das hält mich nicht davon ab, daran zu arbeiten, unsere Klaviere zu verbessern, und ich hoffe, erfolgreich im innerfranzösischen Markt konkurrieren zu können. Du siehst also, dass meine Klaviere erst nach meinem Tode bekannt und  beliebt werden.“ Bald schildert er erneut brieflich: „Unser ehrgeiziges Geschäftsunternehmen ruiniert uns; ich schulde drei Zahlungen für die Miete, und die Kapitalzinsen sind unbezahlt. Ich bin 57 Jahre alt; diese Sorgen bringen mich um; keiner hilft mir. Nur Mut mein Sohn. Du musst hoffen, dass Du nicht auf so viele Dornen gehen wirst müssen, wie Dein Vater; das wünsche ich Dir von ganzem Herzen; arbeite mit Mut; vernachlässige Dein Spielen nicht.“ Während sich Pleyel mit Unternehmersorgen plagt, überquert aber sein Ruf als Komponist den Atlantik und im kleinen amerikanischen Walfangort Nantucket (Massachusetts) wird 1822 die erste „Pleyel-Gesellschaft“ gegründet und den Händel- und Haydn-Gesellschaften in Boston gleichgestellt. Zuvor, 1813 und 1814, bereist Camille Pleyel für seinen Vater intensiv Südfrankreich, gibt Klavierkonzerte, verkauft Noten; manchmal sogar bestens als Tauschgeschäft für Holz und Wein. 1814 bringt sich Camille nun in die Firma des Vaters ein und der Firmenname wird auf „Pleyel, père et fils ainé“ geändert. Zudem wird er, nach dem Ausscheiden des Chefkonstrukteurs Jean Henri Pape ab dem 1. 1. 1815 rechtmäßiger Teilhaber der Firma. Mit der Abdankung Napoléons erholt sich die französische Wirtschaft langsam und somit auch Pleyels Geschäftsgang. Anno 1815 bezieht die Firma Pleyel größere Räumlichkeiten an der 11, Rue Grange- Batelière und ab 1822 stellen sich die Betriebsergebnisse wieder äußerst positiv dar. Nach und nach überträgt Vater Pleyel die Geschäfte zur Gänze seinem Sohn Camille (1824), denn er ist nicht nur ein begabter Pianist, sondern auch unternehmerisch erfolgreich. So lernt er bereits 1815 den Klavierbau, zuerst in London, dann in der väterlichen Manufaktur und nach 1824 steigen, unter seiner Führung, die Klavierexporte erheblich an. Im selben Jahr wird F. Kalkbrenner, ein äußerst geschätzter Pianist, Partner der Firma Pleyel. Er trägt als Camilles Lehrer wesentlich zur Vermarktung und Verbreitung der Pleyelschen Instrumente bei. Ab 1830 werden in Zusammenarbeit mit dem Harfenisten Dizzi auch gefragte Harfen gebaut. In den Pleyel-Klavieren werden erstmalig 1826 der Gusseisenrahmen und eine neue Mechanik verwendet, bei der die Tasten ohne Abschrauben des Spieltisches heraus genommen werden können. Ausserdem werden eine metallische Anhängeplatte (1828) und ein Sperrholzresonanzboden (1830) eingeführt. Heute gilt als erwiesen („The St. James Chronicle“ 1826), dass die Erfindung des Gusseisenrahmens der Firma Pleyel zugerechnet wird. Zusätzlich begünstigen die wertvollen Anregungen der Gattin von Camille Pleyel, Marie-Félicité Denise Moké (1811-1875), die ehem. Verlobte von Hector Berlioz und ebenfalls eine namhafte Pianistin die Konstruktionen der Pleyel-Klaviere. 1835  wird die Ehe jedoch wieder geschieden. Bekannte Musikerpersönlichkeiten und Pianisten wie Cramer, Steibelt und Moscheles (1794-1870) und insbesondere Frédéric Chopin (1810-1849), der am 20. März 1832 im 1830 eröffneten Salons Pleyel sein Konzertdebut in Paris gibt, „beflügeln“ im wahrsten Sinn des Wortes den Absatz und die Wertschätzung der Pleyel-Klaviere und -Flügel. In der Folge werden weitere Werkstätten an den Portes Blanches (Saint Ouen) und eine Fabrik in Saint Denit („Carrefour Pleyel“) eröffnet. Nach dem Ableben von Pleyel Junior, Camille, am 4. Mai 1855 übernimmt der Klaviervirtuose und Professor am Pariser Konservatorium Auguste Wolff (1821-1887) die Unternehmensleitung, denn er ist seit 1852 bereits Teilhaber. Nun heißt die Firma „Pleyel, Wolff & Co.“ und Wolffs Interesse liegt in der Klangverstärkung der Klaviere, wozu er Experimente mit dem Physiker Lissajous vornimmt. Daraus entstehen die neuen Salonflügel, Transponierinstrumente, Pedalklaviere und Tonhaltungspedale. So erfindet Wolff das Eintonpedal, die Fußklaviatur und den sog. Stutzflügel „Crapaud“, womit er die Länge des kleinsten Flügels auf 164 cm festsetzt. Noch kleinere Flügel bringen, trotz Produktionsversuchen, keinen erstrebenswerten Klang mehr. Nachfolger von Auguste Wolff wird 1857 sein Schwiegersohn Gustave Lyon (1857-1936). Lyon ist Ingenieur, der den technischen Bereich der nun „Pleyel Lyon & Co.“ genannten Firma weiter ausbaut und verfeinert. Er kreiert das Doppelklavier; zwei Klaviere mit entgegen gerichteter Klaviatur in einem Instrument vereint, wovon allerdings nur 50 Stück verkauft werden. Weiter erfindet er chromatische Harfen ohne Pedale, chromatische Kesselpauken, Glockenspiele mit Bronzeröhren, Klaviaturen mit veränderbarer Anschlagschwere, doppelmanualige Flügel mit Kopplungsvorrichtung, Klaviere mit einklappbarer Klaviatur und neue Pianomechaniken. 1930 erwirbt er die altbekannte Orgelbaufirma „Cavaille-Coll“ und integriert sie in die Klaviermanufaktur sowie die seit 1840 aktive Pariser Klavierfabrik Bord, womit ab 1933 den firmeneigenen Klavierbau erweitert. Bedeutend werden die Entwicklung der Pleyel-Lyon-Cembalos, die mit einem modernen Eisenrahmen versehen sind. Ab 1920 wird die Firma neu als Aktiengesellschaft „Pleyel S. A., Paris“ umstrukturiert und nach 1947 fertigt das Unternehmen Klaviermechaniken aus plastischen Materialien; zusätzlich werden neu sogar Radio- und Fernsehgeräte hergestellt. Gustave Lyon verdanken wir auch die Festlegung von exakten Regeln beim Bau und der Konstruktion von Konzertsälen, die den Architekten nun die klaren Gegebenheiten der Akustik und deren Grenzen aufzeigt. Lyon entwickelt ebenfalls die automatischen Klaviere weiter, besonders die Ganzmetallkonstruktionen („Aluminium Pleyels“) mit Musikrollen mit unterteilter Lochung. 1924 lässt Lyon ein neues Fabrikgebäude erbauen, worin die Fabrikation der Stutzflügel mit fast 2000 Stück jährlich abläuft. Zudem besitzt das Unternehmen Pleyel einige Zweiggeschäfte: In Bruxelles als Lieferant des Belgischen Hofes an der Rue Royale No. 101 und bis heute in London ein fünfstöckiges Haus an der Ecke Bakerstreet/Georgestreet. Die höchste Blütezeit erfährt die Klaviermanufaktur Pleyel um das Jahr 1927 bis zwei Jahre darauf erneut eine umfassende Wirtschaftskrise eintritt und das Unternehmen Konkurs anmelden muss. Nach verschiedensten Besitzerwechseln ist die Firma 1996 von Deutschland her (Fa. „Schimmel“) wieder nach Frankreich heimgekehrt, zuerst nach Alès und seit September 2007 wieder nach Saint-Denis (nördlich von Paris); dank des Industriellen Hubert Martigny, der auch die (Klavierbau-)Firmen „Erard“, „Gaveau“ und „Rameau“ erworben hat. Damit vereint er die Klavierbauunternehmen unter dem Namen „Manufacture Française de Pianos“.  


!"Salle Pleyel"

Im Zusammenhang mit Ignaz Pleyel und der Entwicklung der Klaviermanufaktur ist zudem auf die Etablierung des bis heute bestehenden Musiksaalgebäudes, „Salle Pleyel“ in Paris, einzugehen: Um das Jahr 1829 gibt es in Paris mehrere Musiksäle bzw. Salons für Amateure und Virtuosen. So haben die meisten Instrumentenhersteller selbst einen einfach ausgestatteten Musiksaal wie die Salons der Herren Pleyel ab dem 1. Januar 1830, des Herrn Erard, des Herrn Dietz, des Herrn Pape oder des Herrn Petzold oder die „Salle Chantereine“. Gerade in der Winterzeit vergeht kein Abend ohne musikalische Darbietungen, meist aus Variationen für Klavier von derzeit bekannten Opernthemen oder Fantasien oder Walzerzyklen. Den fulminanten Klaviersoli folgen immer wieder konzertante  Variationen für Klavier  und Violine, und Oboe, und Flöte oder Klavier und Horn. Bald steht der Name Ignace Josephe Pleyel für den bekanntesten Pariser Konzertsaal, wo die pianistische Weltelite aufspielt. Auf diese Weise kann das Publikum sogleich die Klangqualität der von Pleyel hergestellten Klaviere beurteilen und somit wird der Konzertgenuss auch gleich zur werbewirksamsten Einrichtung. Jeder Direktor der Manufaktur Pleyel bis hin zu Gustave Lyon bleibt dieser Konzertsaal-Tradition treu. Lyon erweitert die Institution sogar, indem er 1927 mit dem Bau des heutigen „Salle Pleyel“ ein veritables künstlerisches Zentrum in Paris schafft, wo nicht nur Musik, sondern auch Volksgesang, Tanz, Jazz und letztlich auch Filme präsentiert werden. Die „Salle Pleyel“ ist im Laufe der Zeit an drei verschiedenen Orten zu finden: 1830-1839 in der Rue Cadet no. 9, von 1839-1927 in der Rue Rochechouart 22-24 und ab dem 18. Oktober 1927 bis heute an der Rue du Faubourg Saint Honoré no. 252. In diesem neuen Gebäudekomplex finden ebenfalls die Räumlichkeiten für die einschlägigen Dienstleistungen Platz sowie Studios zum Musikstudium, Ausstellungsräume, Verlagslokalitäten für Kunstbuchhändler und Bildergalerien. Das von den Architekten Auburtin, Granet und Mathon mit der Ausstattung von Gustave Lyon selbst beherbergt einen 1500 m2 großen Konzertsaal mit 3000 Plätzen und die außergewöhnliche Akustik wird weltweit hochgelobt. Bereits am 19. Juli 1928 wird das Gebäude durch einen Brand derart verwüstet, sodass die hochqualitative Akustik verloren geht. Auch im Februar 2009 lässt ein Feuer im Lager der Klaviermanufaktur Pleyel die Produktion für einige Wochen unterbrechen, aber die Pläne, Prototypen und Modelle können gerettet werden. So bleibt Pleyel eigentlich der älteste noch produzierende Klavierhersteller der Welt!  Nach den Krisenjahren wird die „Salle Pleyel“ von einer französischen Bank (Crédit Lyonnais) übernommen (1935), bevor diese erst 1998 vom Industriellen Hubert Martigny (samt Klaviermanufaktur) erworben wird. Nach den umfassenden Restaurierungsarbeiten wird das musikgeschichtsträchtige Gebäude am 13. September 2006 mit einem Konzert, einem Werk von Gustav Mahler, wieder feierlich eröffnet. Nach Vertrag wird die Republik Frankreich im Jahr 2054 den Konzertsaal für den symbolischen Betrag von einem Euro übernehmen. 


!Lebensabendzeit ... Ausklang

Zurück zu Ignaz Pleyel selbst: Sein florierendes Unternehmen liegt nun schon längere Zeit in den äußerst fähigen Händen des Sohnes Camille und Ignaz Pleyel lässt sich nach vielen anstrengenden Jahren auf seinem Landgut in Saint-Prix, à côté de Montmorency 15 km nördlich von Paris nieder. Hier, in der ländlichen Idylle, beschäftigt er sich mit seinem Garten und Landwirtschaft und musiziert täglich auf seinem Konzertflügel. Öffentlich tritt er nicht mehr auf und schreibt die neuen kleineren Werke nur für seine Ohren oder formuliert seine philosophischen Gedankengänge. Der englische Journalist Sir Arthur Faulkner (1779-1847), der den 74-jährigen Pleyel 1826 auf dem Landgut besucht, schildert ihn als „Greis“ mit schneeweißem Haar. Seine Bewegungen sind langsamer geworden, aber geistig ist Pleyel noch sehr rege und seine schwarzen durchdringen Augen blitzen noch voller Elan und Feuer. Stets wird bei den Erinnerungen seines ereignisreichen Lebens der Name Haydn mit einbezogen und Pleyel meint: „Haydn war der Vater von uns allen. Er und Mozart beherrschten den ganzen Genius ihres Zeitalters. Sie waren die letzten Meister, welche fühlten und andere fühlen ließen, dass der Zweck der Musik kein anderer ist, als das Herz zu rühren.“ So soll die Bescheidenheit Pleyel bis ans Lebensende begleiten, denn Selbstdarstellung ist ihm absolut fremd. In England schätzt man Pleyels Musik noch am längsten. Als sein Sohn Camille 1815 wieder nach London reist, hört er in einem Privatapartment das Aufspielen von Quartetten seines Vaters und stellt dabei fest, dass seine Werke dort mehr Wertschätzung erfahren als in Paris. So erlebt Vater Pleyel das Dahinschwinden der Popularität seiner etwa 1000 Werke in Frankreich. Doch mit etwas philosophischer Resignation akzeptiert er diesen Umstand, denn nach 1810 sind seine Werke kaum mehr auf den Programmen der Konzertveranstalter zu finden und ein Jahrzehnt später ist der Komponist Pleyel beinahe schon vergessen! Dennoch unterstützt er seinen Sohn tatkräftig bei der Bewältigung der Geschäfte bis wenige Wochen vor seinem Tod. Dabei kann er sich seiner längst angeeigneten Begabung für Fremdsprachen bedienen, denn er beherrscht neben seiner Muttersprache auch Französisch, Englisch und Italienisch in Wort und Schrift. Im Jänner 1830 reist Vater Pleyel zu seinem Sohn nach Paris, um ein Benefizkonzert für die große Familie eines  hilfsbedürftigen Musikers zu geben. Das Konzert wird als das Schönste in der Pariser Gesellschaft geschildert, aber er muss in Paris auch schwer erschüttert die Turbulenzen der Juli-Revolution miterleben. Am 5. April 1830 nimmt er zudem an der Hochzeit seines Sohnes Camille mit Marie-Félicité Denise Moké (auch Mooke) teil aber sein Gesundheitszustand verschlechtert sich nun sehr rasch. Bekannt ist seine fortschreitende aggressive Rheumaerkrankung, die er bereits seit 1805 behandeln lässt. Nach dreimonatigem Leiden verstirbt er am 14. November 1831 im 74. Altersjahr in Paris. Seine letzte Ruhestätte findet er am berühmten Pariser Friedhof „Père Lachaise“, umgeben von anderen Musikerpersönlichkeiten wie Chopin, Bizet, Cherubini oder Maria Callas in einem Ehrengrab. So endet Ignaz Pleyels Reise durch turbulente Zeiten; die Reise eines ärmlichen Schulmeisterbuben aus Ruppersthal, der in die Welt hinaus zog.




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