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Vom Ungarn zum Weltbürger #

Popstar, Frauenheld, Heiliger: Ungarn zelebriert das Jubiläum von Franz Liszt. Der reisende Virtuose hatte mit dem Heimatland nicht viel am Hut.#


Von der Wiener Zeitung freundlicherweise zur Verfügung gestellt. (Mittwoch, 29. Dezember 2010 )

Von

Stephan Burianek


Liszt vor noblem Publikum
Entrückende Momente: Liszt vor noblem Publikum bei einem Auftritt in Budapest
© Wiener Zeitung/Foto: The Art Archive/Corbis


Budapest. Das "Pariser Warenhaus" in der Budapester Andrássy-Straße erscheint ahnungslosen Touristen auf den ersten Blick wenig interessant, und dennoch beinhaltet es einen der sehenswertesten Orte der Stadt. Erst auf der Rolltreppe, die in den ersten Stock führt, rücken die prachtvollen Fresken von Károly Lotz langsam ins Blickfeld. Wo heute Kaffee und heiße Schokolade serviert werden, befand sich vor rund 150 Jahren der Ballsaal eines Kasinos, in dem auch Franz Liszt verkehrt haben soll. Grund genug, den Lotz-Saal als Veranstaltungsort in das offizielle Programm des ungarischen Liszt-Jahres 2011 aufzunehmen.

Die Kaffeehaus-Konzerte werden von März bis Juli einmal pro Monat unter dem Motto "Liszt, der Klaviervirtuose" stattfinden. Freilich: Als Franz Liszt in seinen jungen Jahren als gefeierter Pianist durch Europa zog, hatte er mit Ungarn noch recht wenig am Hut. Bereits als Jugendlicher lebte und spielte Liszt in Paris, wo sich das Wunderkind die französische Sprache und Lebensart aneignete, die ihn fortan prägten. Deutsch musste er in seiner Zeit als Kapellmeister in Weimar erst wieder lernen, Ungarisch hingegen lernte er nie so richtig.

"Ändert nichts an Verehrung" #

"Das ändert nichts daran, dass wir ihn hier sehr verehren", sagt Maria Eckhardt, die Gründungsdirektorin des Budapester Franz-Liszt-Museums, und zeigt dabei auf eine handschriftliche Signatur des Künstlers. In späten Jahren unterschrieb der Meister häufig mit "Liszt Ferenc", außerdem war Liszt sein ganzes Leben lang ungarischer Staatsbürger. Das Museum wurde 1986, im 100. Todesjahr des Künstlers, gegründet und ist seither ein Pilgerort für Musikfreunde. Es befindet sich in jener Wohnung, in der Liszt in seinen letzten Lebensjahren häufig Schüler empfing, wenn er nicht gerade in Weimar oder Rom weilte. Das Museum beinhaltet bemerkenswerte Originalinstrumente, darunter ein kurioses Pianino mit integriertem Harmonium und, als Sonderanfertigung des Hauses Bösendorfer, seinen Komponiertisch. Neben dieser Dauerausstellung erarbeitet das Museum derzeit die Schau "Liszt und Budapest", die ab März im Museum für Musikgeschichte zu sehen sein wird.

Liszt und Budapest: Das ist vor allem eine pädagogische Erfolgsgeschichte, denn die von Liszt in Budapest gegründete Musikakademie schuf eine Basis für die ungarische Musikkultur. Komponisten wie Béla Bartók und Ernst von Dohnányi brachte die Hochschule ebenso hervor wie die Dirigenten Georg Solti und Ádám Fischer.

Auch Gergely Bogányi studierte dort. Liszt ist offensichtlich das große Vorbild des jungen Pianisten: Charmant, eitel und selbstbewusst tritt er auf, expressiv ist sein Spiel, selbst die Frisur ist dieselbe. Bogányi, der kürzlich alle Chopin-Klavierwerke medienwirksam an zwei aufeinander folgenden Tagen absolvierte, wird im kommenden Jahr von Mexiko bis Dubai viel Liszt spielen. Und als Musikdirektor auftreten: Im Sisi-Schloss Göllödö nahe Budapest zeichnet Bogányi für das Programm eines kleinen Festivals verantwortlich, das im Oktober, rund um den 200. Geburtstag von Franz Liszt, stattfinden wird.

Liszt-Oper zum Geburtstag#

Offiziell wird das Liszt-Jahr freilich deutlich früher eröffnet: Am 22. Jänner startet das Nationale Philharmonische Orchester unter der Leitung von Zoltán Kocsis im großen Bartók-Konzertsaal des Palasts der Künste mit einem Galakonzert in das Jubeljahr, das Liszt als Weltbürger, Weltstar, Klaviervirtuosen, christlichen Denker und Musikpädagogen thematisieren wird.

Neben dem offiziellen Programm des Liszt-Jahres wird auch das Budapester Frühlingsfestival (18. März bis 3. April) seinen Schwerpunkt auf Liszt legen, beispielsweise mit der Oper "Excelsior!" des ungarischen Komponisten Gyula Fekete. Historische Fakten werden sich darin mit Fiktionen über Liszts Privatleben vermischen. Das Auftragswerk der Ungarischen Staatsoper steht im März als Uraufführung im Thália-Theater auf dem Programm. Aber auch Institutionen, die mit Musik wenig zu schaffen haben, springen auf den Jubelzug auf. "Liszt war viel unterwegs und hatte stets seinen eigenen Koch dabei", weiß Eszter Várady, Besitzerin der Kochschule Essenzia und zugleich Inhaberin der größten privaten Kochbuchsammlung in Ungarn. In Kochkursen kann man internationale Gerichte aus Liszts Zeit nachkochen. Das ergibt vielleicht mehr Sinn, als es auf den ersten Blick erscheint. Denn Liszt, der 2011 natürlich auch in Paris, Wien, Bayreuth, Weimar und Raiding gefeiert wird, war trotz zahlreicher Versuche nationaler Vereinnahmungen vor allem eines: Kosmopolit.


Wiener Zeitung, Mittwoch, 29. Dezember 2010