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Europäer stammen von Ur-Bauern ab#

Landwirtschaft hat sich durch Migration verbreitet, nicht durch Weitergabe von Wissen.#


Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 7. Juni 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.


Karte Griecheland, Türkei
Grafik: Wiener Zeitung/Quelle: PNS

Wien/Innsbruck. Die heutigen Europäer stammen einer neuen Studie zufolge von Bauern aus der Ägäis ab, die vor einigen tausend Jahren über die Balkan- und Mittelmeerroute kamen und die hiesigen Jäger und Sammler verdrängten. Demnach hat sich die Landwirtschaft in Europa durch Migration und nicht durch die Weitergabe von Wissen ausgebreitet, berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachmagazin "Pnas".

Unter der Leitung des Paläogenetikers Joachim Burger von der Universität Mainz haben die Wissenschafter Teile des Erbguts, und zwar die mütterlich vererbte mitochondriale DNA, von insgesamt fünf Jungsteinzeit-Menschen sequenziert, die vor 6500 bis 4000 Jahren im heutigen Griechenland und der Türkei rund um die Ägäis gelebt hatten - und zwar von der Landwirtschaft. Diese DNA-Sequenzen haben die Forscher mit jenen von frühen Bauern in Europa verglichen, sowie von "modernen" Europäern.

Zwei Routen genutzt#

Dabei fanden sie eine kontinuierliche genetische Linie von den Ur-Bauern in der Ägäis bis zu jenen in Mittel- und Südeuropa, erklärte Barbara Horejs vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegenüber der Austria Presse Agentur. Auch Ötzi, die berühmte Eismumie aus den Alpen, stamme demnach von ägäischen Ur-Ackerbauern ab.

Außerdem konnten die Wissenschafter zwei Routen identifizieren, über die sich die frühen Siedler ausgebreitet haben: Einerseits strömten sie über die Balkanroute ins Zentrum Europas, und fast gleichzeitig drangen sie auch über das Mittelmeer bis zur Iberischen Halbinsel vor. Diese Bauern hätten die Jäger und Sammler, die damals in Europa lebten, offensichtlich verdrängt und sich kaum mit ihnen vermischt. "Es scheint zwar zu spärlichen Kontakten gekommen zu sein, aber alle modernen Populationen in Europa tragen eindeutig den ägäischen Schriftzug auf ihrem Erbgut", sagte Horejs. Von der ursprünglichen Bevölkerung ist - weder in Europa noch am Genom - nicht mehr viel übrig geblieben.

Bisher sei es umstritten gewesen, ob sich Ackerbau und Viehzucht in Form von großen Migrationsbewegung oder durch "kulturelle Diffusion", also die Verbreitung von Techniken und Wissen ausgebreitet hat, so die Forscher. "Unsere Studie liefert der Vorstellung den Gnadenstoß, dass sich die Landwirtschaft nach und in Europa durch die Verbreitung von Ideen ohne nennenswerte Migration von Menschen ausgebreitet hat", schrieben sie.

Zum ersten Mal waren Landwirtschaft und Sesshaftigkeit übrigens im Südwesten Asiens zu Zeiten des Frühholozän zu Tage getreten. Später verbreiteten sich die Gewohnheiten in benachbarte Regionen und trafen schließlich auch über die verschiedensten Routen auf Europa, skizzierten die Wissenschafter in ihrer Publikation.

Verunreinigtes Erbgut#

In einer weiteren Studie, die ebenfalls in der aktuellen Ausgabe von "Pnas" erschienen ist, hat ein Team mit dem österreichischen Gerichtsmediziner Walther Parson von der Medizinischen Universität Innsbruck die mitochondriale DNA von Ur-Aborigines-Überresten in Australien mit modernen Methoden neu sequenziert. Bei der mitochondrialen Vererbung sitzen die betroffenen Gene übrigens nicht auf den Chromosomen im Zellkern, sondern in den Mitochondrien, den Zellkraftwerken.

Im Jahr 2001 hatten Forscher anhand dieser Funde behauptet, dass jene Individuen eine eigene Abstammungslinie haben, was den gemeinsamen Ursprung aller modernen Menschen in Afrika widerlege. Ihre Daten kommen aber von Erbgut-Verunreinigungen und sind somit nichtig, erklärten die jetzt Wissenschafter um David Lambert von der Griffith University in Nathan in Australien. Außerdem veröffentlichten die Forscher das erste vollständige Mitochondrien-Genom eines Ur-Aborigine.

Wiener Zeitung, Dienstag, 7. Juni 2016