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Rätsel des Lebens gelöst#

Heimische Forscher haben die Anfänge des Stoffwechsels vor vier Milliarden Jahren geklärt.#


Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 2. Mai 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.


Schildkröte
Am Anfang des Lebens hatten sich in den Ozeanen gewisse Stoffwechselprozesse autark entwickelt.
Foto: © Fotolia/shanemyersphoto

Innsbruck. (gral) Das vielleicht größte Rätsel der Wissenschaft ist die Entstehung des Lebens. Was war zuerst? Die Henne oder das Ei? Bei Stoffwechselprozessen sind die Protagonisten zwar völlig andere, aber die Fragestellung bleibt die gleiche. Bis jetzt, denn ein Team um den Biochemiker Markus Keller von der Medizinischen Universität Innsbruck hat die Welt von Glykolyse und Co. entzaubert und damit Licht in die Entstehung unseres Lebens gebracht.

Die komplexen Prozesse des Zellstoffwechsels sind fast vier Milliarden Jahre alt und laufen in jedem Organismus - ob Pflanze, Bakterium oder eben Mensch - ab. Dabei sind sie auf eine Reihe von Enzymen angewiesen. Das sind spezielle Proteine (Eiweiße), die als Katalysatoren fungieren und viele dieser Vorgänge erst ermöglichen. Fehlt ein Enzym, funktioniert in Folge der gesamte Kreislauf nicht.

Optimale Umgebung#

Ein Beispiel ist die Verarbeitung von Zucker, die sogenannte Glykolyse. "Pflanzen, Bakterien und andere Lebewesen verwenden Glucose auf die gleiche Art und Weise wie wir", erklärt Keller in einer Mitteilung der Universität. "Wir können annehmen, dass Lebewesen das bereits zu sehr frühen Stadien der Evolution so gemacht haben. Die Frage ist: Wie waren diese Lebensformen in der Lage, die Zwischenprodukte der Glykolyse ineinander umzuwandeln?"

Die Vorstellung, mehrere solcher Stoffwechselprozesse könnten ohne Enzyme - und damit rein aufgrund der Umgebungsbedingungen - gleichzeitig funktioniert haben, wurde noch vor wenigen Jahren als Zauberei abgetan. Aber genau diese Vorgänge konnte das Forscherteam nun nachweisen.

Der Ur-Ozean zu der Zeit, in der erstes Leben entstanden sein muss, war zum einen relativ warm, zum anderen lag sehr viel Eisen in gelöstem Zustand vor, was die optimalen Grundvoraussetzungen dargestellt haben könnte. Eigentlich ist Eisen in seiner oxidierten Form, also als Rost, nicht wasserlöslich. Aber vor knapp vier Milliarden Jahren gab es anders als heute in der Atmosphäre und im Meer noch kaum reinen Sauerstoff, um diese Oxidation des Eisens voranzutreiben. Daher existierten große Mengen an Eisen, nämlich in Form eines bestimmten Eisensalzes, das leicht wasserlöslich ist.

In seinen Arbeiten hat Keller genau diese Bedingungen des Ur-Ozeans nachgestellt und sich angesehen, wie sich zum Beispiel Fructose-6-Phosphat, ein Zwischenprodukt des Zellstoffwechsels, in diesem Umfeld verhält. "Dabei konnten wir feststellen, dass es sich unter anderem in Glucose-6-Phosphat umwandelt. Das sind genau die gleichen Reaktionsfolgen und Reaktionswege wie in der lebenden Zelle."

Wichtige Nebenbeobachtung#

Der damalige Ur-Ozean war also ein geradezu idealer Ort für diese sehr alten Stoffwechselreaktionen, wodurch sich auch die Lösung des Henne-Ei-Problems durch die Forscher ergibt. Demnach waren chemische Stoffwechselprozesse zuerst da, die Enzyme bildeten sich erst später.

Erst kürzlich konnte der Biochemiker Ähnliches auch für den sogenannten Citratzyklus zeigen - einen weiteren wichtigen Stoffwechselprozess in der Zelle. Auch deren Einzelreaktionen können ohne die Anwesenheit von Enzymen ablaufen. Möglich waren diese Beobachtungen mithilfe von Massenspektrometrie-Methoden. Bei dieser Messmethode werden Stoffe in ihre einzelnen Moleküle oder Atome zerlegt und schließlich deren Masse gemessen. Die Entdeckungen waren übrigens nur ein Nebenprodukt von Forschungen zum Hefestoffwechsel, schildert Keller. Das Projekt wird vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert.

Wiener Zeitung, Dienstag, 2. Mai 2017