!!!Steinschlag aus dem Weltall  

!!Asterix, Obelix & Co. lagen mit ihrer einzigen Angst gar nicht so falsch: Am Himmel lauert tatsächlich Vieles,  das uns auf den Kopf fallen könnte. Würde sie ein heutiger Meteoriten-Experte zu beruhigen wissen?  

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''Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: [DIE FURCHE|http://www.furche.at], 1. Februar 2018''

Von

__Wolfgang Machreich__ 

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[{Image src='meteor-crater-arizona.jpg' caption='Meteorkrater in Arizona\\Foto: [pixabay.com|https://pixabay.com/de/meteor-krater-in-arizona-meteor-2928289]' align='center' alt='Meteorkrater in Arizona'}]



Christian Köberl, der Generaldirektor  des Naturhistorischen  Museums in Wien,  wäre ein willkommener Gast im  gallischen Dorf bei Asterix, Obelix  & Co. gewesen. Und sein gemeinsam  mit Profil-Wissenschaftsredakteur  Alwin Schönberger  verfasstes Buch „Achtung Steinschlag“  hätte dort das Potenzial  zum Bestseller gehabt. Denn obwohl  sonst absolut furchtlos, wurde  das „Dorf der Unbeugsamen“  von einer Angst gequält: Dass ihnen  der Himmel auf den Kopf fällt.  

[{Image src='Christian-Köberl.jpg' caption='Christian Köberl. Der Geochemiker ist Experte für Impaktkrater, Professor für planetare Geologie an der Univ. Wien sowie Generaldirektor des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien.\\Foto: NHM Wien, Kurt Kracher' alt='Christian Köberl' width='250' class='image_right' height='398'}]

Köberl, eingeladen zu Wildschweinbraten,  hätte die Gallier  wissenschaftlich fundiert von dieser  Angst befreit: Der Himmel  bleibt, wo er ist. Doch Asterix hätte  wohl nachgefragt, wie dann,  wenn kein Himmel runterfalle,  Köberl zu seiner Berufsbezeichnung  „Impaktforscher“ (Impakt =  Einschlag) gekommen sei. Woraufhin  der Professor für planetare [Geologie|Thema/Geologie]  an der Universität Wien vorgerechnet  hätte, dass derzeit rund  17.000 sogenannte „Near Earth Objects“  (NEOs) bekannt seien und  pro Woche circa 30 weitere erdnahe  Asteroide entdeckt würden. Wobei  das nur die großen Himmelsbrocken  mit mehr als einem Kilometer  Durchmesser, und nur ein Bruchteil  aller NEOs, wären. Von den  Himmelskörpern im erdnahen Bereich  unter 100 Meter Durchmesser  seien überhaupt erst geschätzte  zehn Prozent bekannt.    

!Dichtes Gedränge im Weltraum  

Sprich, da ist ziemlich viel Verkehr  im Weltraum-Vorhof der Erde  – oder wie Köberl den Galliern  aus seinem Buch zitiert hätte: „Da  draußen im All, in unmittelbarer  Nachbarschaft, flitzt eine unüberschaubare  Zahl von Gesteinsbrocken  umher, es herrscht ein  dichtes Gedränge an Asteroi den,  die unseren Planeten einhüllen  wie eine Wolke. Letze Woche sauste  Asteroid „2002 AJ129“ im Abstand  von 4,2 Millionen Kilometer  an der Erde vorbei. Und im Oktober  2017 fl og Asteroid „2012 TC4“  in einer Distanz von nur 40.000 Kilometern  an uns vorbei. Das entspricht  etwa einem Zehntel des  Abstandes zum Mond. Die genaue  Bahn des circa 50.000 Stundenkilometer  schnellen Besuchers aus  dem All war nicht vor dem Sommer  2017 bekannt – trotz der präzisen  [Technik|Thema/Technik] weiß man manchmal erst  sehr spät, ob die Sache eng wird.  Köberl hätte aber gern noch folgende  Ergänzung gemacht: „Panik  ist trotzdem nicht angebracht. Je  heftiger der Impakt, desto seltener  tritt ein solcher Ernstfall ein. Und  zuverlässige Berechnungen zeigen,  dass in absehbarer Zeit kein  Zusammenstoß droht.“ Doch dafür  wäre keine Zeit mehr, sondern das  Wildschwein sofort abserviert und  die Dorfgemeinschaft in wilder  Aufruhr ob der Gefahr am Himmel.  

Schade, die Gallier verpassten  damit viel Wissenswertes. Denn  Christian Köberl ist nicht nur einer  der international führenden  Experten in der Erforschung von  Impaktkratern, sondern auch ein  launiger Erzähler. Zum Beispiel  wenn er über die Geschichte der  Meteoriten-Kunde zu extemporieren  beginnt: Schon Plinius der Ältere  schrieb im Jahr 77 n. Chr. von  „Steinen, die vom Himmel fallen“  und Pharao Tutanchamun hatte einen  Eisenmeteoriten-Dolch in seiner  Grabkammer. Die Existenz von  Meteoriten war also allgemein akzeptiert;  Funde wurden regelmäßig  dokumentiert. Ungeklärt blieb  aber lange, wie diese Steine in den  Himmel kommen.  Als gängigste Erklärung galt,  dass alles, was herunterfiel, Ausdünstungen  der Erdatmosphäre  in der Art steinerner Hagelkörner  seien, oder auch das Eruptionsmaterial  von Vulkanen. 1610 entdeckte  Galileo Galilei die Mondkrater  und das Rätselraten über  deren Entstehung begann. Der  Brite Robert Hooke fand 1665 die  Lösung, indem er Steine in den  Schlamm warf und damit Risse  und Mulden identisch der Mondkrater  erzeugte. Hook glaubte aber  nicht an die Beweiskraft seines  Versuches. Die damalige Gelehrtenmeinung  war, der Raum zwischen  den Planeten sei leer.  

!Fenster in die Vergangenheit  

Erst 136 Jahre später wurden  die ersten Kleinplaneten entdeckt.  Seither begann sich das Weltall zu  füllen. Heute weiß man, dass dort  eine Unmenge an Bauschutt aus  der Konstruktionsphase des Sonnensystems  vor rund 4,5 Milliarden  Jahren herumfl iegt. Dessen  [Analyse|Thema/Analyse] öffnet Fenster in eine ferne  Vergangenheit und bringt Antworten  auf viele Rätsel des Universums.  Rund 19.000 solche Objekte  fallen jedes Jahr auf unseren Globus  – hinzu kommt eine schier unglaubliche  Menge an Mikro-Meteoriten:  100 Tonnen an kosmischem  Staub regnet es täglich auf die  Erde.

[{Image src='meteor.png' caption='Meteor\\Foto: [pixabay.com|https://pixabay.com/de/meteor-asteroiden-raum-katastrophe-3129573]' alt='Meteor' width='500' class='image_left' height='326'}]

Für Köberl ist dieser Paradigmenwechsel  bei der Himmelsforschung  auch „ein sehr gutes Beispiel  dafür, wie [Wissenschaft|Thema/Wissenschaft]  funktioniert“. Er plädiert für den  Wert der in Österreich „beschämend  unterfinanzierten“ Grundlagenforschung:  „Ich kann nicht  nach etwas suchen, wovon ich  nicht weiß, dass es das überhaupt  gibt. Deswegen ist es so wichtig,  dass man nicht immer im Vorhinein  bis aufs Letzte schon festzulegen  versucht, was herauskommen  muss. Die interessantesten  und wichtigsten Dinge, wie etwa  die Radioaktivität, wurden oft völlig  zufällig gefunden.“  

Wie die Entdeckung des Einschlags  jenes Asteroiden, der die  Dinosaurier auslöschte: Der USGeologe  Walter Alvarez forschte  zur Plattentektonik der Erde und  wollte wissen, wie lange es dauert,  bis sich Gesteinsschichten ablagern,  um den erdgeschichtlich  wichtigen Übergang von der Kreidezeit  ins Paläogen genauer zu  bestimmen. Seinem Vater, dem  Physik-Nobelpreisträger Louis  Alvarez kam die Idee, den kosmischen  Staub, der kontinuierlich  auf die Erde regnet und eine hohe  Konzentration an Iridium aufweist,  als Indikator für die Dauer  der Bodenschicht-Bildung zu verwenden.  Nach der Formel: viel Iridium  im Boden, also längere Dauer,  da mehr Sternenstaub.  

Da stellte sich heraus, dass in  der dünnen Tonschicht zwischen  Erdmittelalter und Erdneuzeit  ein exorbitant hoher Iridiumwert  festzustellen ist. Es hätte unrealistisch  langer Zeiträume bedurft,  um derartig viel kosmischen Staub  im Erdboden zu binden. Oder war  vielleicht ein einzelnes, alle Normen  sprengendes Ereignis der  Auslöser dieser weltweit messbaren  Iridiumspitzen im Boden?  Zum Beispiel der Einschlag eines  gigantischen Asteroiden? So fand  Walter Alvarez „zufällig“ den Beweis  für den Asteroideneinschlag  vor 65,5 Millionen Jahren, der auf  der mexikanischen Halbinsel Yucatán  einen der größten Krater aller  Zeiten schlug und dessen Aufprall  einen Weltenbrand auslöste.  

!Die große Katastrophe  

Um die Dimension dieser Katastrophe  annähernd erfassen zu  können: Ein Berg, größer als der  Mount Everest, ist damals mit  rund 140.000 Stundenkilometern  auf die Erde geknallt, hat die [Energie|Thema/Energie]  von einigen Milliarden Atombomben  freigesetzt und ein 40 Kilometer  tiefes Loch geschlagen, so  Köberl. Erdbeben, Tsunamis, globale  Waldbrände und ein abrupter  Impaktwinter folgten, da sich die  Atmosphäre mit Staub, Ruß und  Wasser füllte und das Sonnenlicht  blockierte. Der klimatische Kollaps  vernichtete mindestens die  Hälfte aller Spezies des Planeten.  

Das bestätigt doch wieder die  gallische Angst vor dem einstürzenden  Himmel. Lange vor Asterix  ist eine Unterredung zwischen  Alexander dem Großen und keltischen  Kriegsfürsten belegt, in  dem diese ihm ihre einzige Angst  gestanden: Dass ihnen der Himmel  auf den Kopf fallen könnte.  Wäre Köberl dabei gewesen, hätte  er zu rechnen begonnen: Ein riesiger  Asteroid wie jener, der die Dinosaurier  vernichtete, kollidiert  nur alle 100 Millionen Jahre mit  der Erde. Felsbrocken unter einem  Kilometer Durchmesser kreuzen  die Erdbahn im Schnitt ein Mal  pro einer Million Jahre. Und noch  kleinere sausen etwa alle 10.000  Jahre herab.  

Sollte es dennoch demnächst eng  werden, hätte Köberl die Gallier beruhigt,  gäbe es bei genügend Vorlaufzeit  noch Möglichkeiten, das  Geschoß umzulenken. Woraufhin  noch einmal Wildschwein serviert  worden wäre und Majestix, Häuptling  des gallischen Dorfes, das Festmahl  mit seinem „Ceterum censeo“  eröffnet hätte: „Es ist noch nicht  aller Tage Abend.“    

[{Image src='Buchcover.jpg' caption='' alt='Buchcover' width='100' class='image_left' height='149'}]

''Achtung  Steinschlag.  Asteroiden und  Meteoriten:  Tödliche Gefahr  und Wiege des  Lebens. 

Von  Christian Köberl,  Alwin Schönberger.  

Brandstätter  2018. 

208 S.,  

geb., €22,90''


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[DIE FURCHE|http://www.furche.at], 1. Februar 2018
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[{Metadata Suchbegriff='Meteor, Asteroid, Krater, Christian Köberl' Kontrolle='Nein'}]

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