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Schützenswertes Erbe#

Warum Bürger- und Nichtregierungsorganisationen für Österreichs Reichtum an Natur- und Kulturstätten wichtig sind.#


Mit freundlicher Genehmigung der Wiener Zeitung, 26. Mai 2018

Von

Sabine Ertl


Nationalpark Donau-Auen
Der Nationalpark Donau-Auen ist eine der größten weitgehend intakten Aulandschaften Mitteleuropas entlang der Donau.
Foto: © AFN

Wien. Vor drei Jahrzehnten hat Christian Schuhböck als Student die Umweltorganisation "Alliance For Nature" (AFN) gegründet. Warum er den Beruf eines Naturschützers ergriffen hat und wie seine Arbeit für Schutzgebiete, Nationalparks und Unesco-Welterbestätten aussieht, hat der Landschaftsökologe im Interview mit der "Wiener Zeitung" erklärt.

"Wiener Zeitung": Ihre Initiative "Rettet das Dorfertal" hat zum Nationalpark Hohe Tauern wesentlich beigetragen und Ihnen vor 30 Jahren den "Österreichischen Staatspreis für Umweltschutz" eingebracht. Hat Sie dieser beflügelt, weiter für die Natur zu kämpfen?

Christian Schuhböck: Nach Plänen des Kraftwerks "Dorfertal- Matrei" sollten alle wesentlichen Gletscherbäche an der Südabdachung der Hohen Tauern abgeleitet werden. Dies hätte katastrophale Folgen für die Region gehabt, weshalb sich Bürgerinitiativen bildeten. Diese habe ich gemeinsam mit Umweltorganisationen zu einer Phalanx gebündelt. Natürlich ist ein Staatspreis eine politische Anerkennung, doch viel mehr freut es mich, dass durch die politische Absage des Kraftwerkprojekts 1989 der Weg für den Nationalpark auch in Tirol frei geworden ist. Aufgrund des Staatspreises bin ich zur "Nationalparkplanung Donau-Auen" gerufen worden und konnte durchsetzen, dass die Auenwälder am nördlichen Donauufer östlich von Wien nur noch nationalparkkonform bewirtschaftet werden.

Sie haben bei der Errichtung des Nationalparks Donau-Auen mitgewirkt.

Ja. Neben dem politischen Lobbying hat "Alliance For Nature" eine Reihe von Veranstaltungen organisiert, um auch die Bevölkerung für den Nationalpark zu gewinnen. Denn Betreiber eines Großprojektes argumentieren gerne mit den damit verbundenen Arbeitsplätzen. Größtenteils sind diese jedoch zeitlich begrenzt, während Schutzgebiete wie Nationalparks und Welterbestätten auch zukünftigen Generationen Beschäftigung bieten. Denken wir nur an all die Berufsgruppen, die von einer intakten Natur leben.

Stichwort "Welterbestätten". Sie haben sich dafür engagiert, dass Österreich 1993 der Unesco-Welterbe-Konvention beigetreten ist. Wie ist es dazu gekommen?

Das "Welterbe" war damals nahezu unbekannt. Somit mussten wir intensive Öffentlichkeitsarbeit und politisches Lobbying betreiben. Zudem waren unsere Initiativen "Weltkulturerbe Semmeringbahn" und "Welterbe Wachau" mitausschlaggebend für den Beitritt Österreichs.

Apropos Semmeringbahn und Wachau. Sie haben jahrelang dafür gearbeitet, um diese Welterbestätten zu schaffen. Weshalb solange?

Einerseits beanspruchen Nominierung und Evaluierung einen mehrjährigen Zeitraum, andererseits war die Unesco über unseren Vorschlag, eine Eisenbahn zu nominieren, doch einigermaßen überrascht. Aufgrund unserer Initiative kam es zu einer Expertenkonferenz, bei der Kriterien für Eisenbahn-Welterbestätten ausgearbeitet wurden. Da die Semmeringbahn diese erfüllte, wurde sie 1998 zum "Welterbe der Menschheit" erklärt. Bei der Wachau galt es, den innerstaatlichen Widerstand aufgrund von Interessenskonflikten zu überwinden.

Widerstand gab es auch beim heutigen Weltnaturerbe "Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch". Weshalb?

Bei fast allen Naturschutzinitiativen gibt es Widerstand gewisser Interessensgruppen. In der Hochgebirgslandschaft der Berner Alpen sollte eine Standseilbahn zwecks Gletscherskilauf gebaut werden. Die Hochschwab-Region war durch Wasserableitung gefährdet, weshalb wir über 12 Jahre für das steirische Naturschutzgebiet "Grüner See/Hochschwab" gekämpft haben. Um das niederösterreichische Landschaftsschutzgebiet "Rax-Schneeberg" vor dem umstrittenen Basistunnel zu bewahren, hat AFN die Welterbe-Konvention angewandt. Mit der Unterstützung des Landes Niederösterreich ist es gelungen, die "Semmeringbahn mit umgebender Landschaft" in den Kreis der Welterbestätten zu führen.

Aber dennoch wird der Semmering-Basistunnel gebaut. Was ist passiert?

Die Semmering-Region wurde 1995 von Österreich im Ausmaß von 8861 Hektar nominiert, vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (Icomos) evaluiert und von der Unesco 1998 in die Welterbe-Liste eintragen. Zugunsten des Basistunnels, dessen UVP-Verfahren 2010 begann, hat Österreich die Welterbestätte auf die 156 Hektar umfassende Trasse der Semmeringbahn reduziert. Daraufhin hat Icomos die Semmeringbahn als "Heritage at Risk" eingestuft. Österreich hätte eigentlich eine Neuanmeldung vornehmen müssen.

Wie ist es momentan um den Neusiedler See bestellt?

Jene Bebauungspläne, die jüngst publik wurden, stellen eine Gefahr für das Welterbe dar. Sollten diese Pläne realisiert werden, könnte der Neusiedler See auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes landen ...

...ähnlich wie dies dem "Historischen Zentrum von Wien" widerfahren ist?

Ja, nur dort handelt es sich um ein Hochhaus, das schlimmstenfalls wieder abgerissen werden kann. Am Neusiedler See werden ganze Villendörfer in den Schilfgürtel gebaut, wodurch die Avifauna (Anm.: Vogelarten in einer Region) gestört wird. Und am Semmering kommt es zu einem irreversiblen Schaden, da dem natürlichen Wasserhaushalt der Region zig Millionen Liter Wasser pro Tag und auf Dauer durch die Drainagewirkung des Tunnels entzogen und abgeleitet werden.

2012 haben Sie nachgewiesen, dass das Jugendstilensemble des Otto-Wagner-Spitals (OWS) den Unesco-Welterbe-Kriterien entspricht. Ähnliches für die Grinzinger Weingarten-Kulturlandschaft. Sind sie darauf stolz?

Stolz? "Stolz" würde ich nicht sagen. Vielmehr war ich aufgrund meiner Erfahrung überzeugt davon, dass das OWS und die Grinzinger Weingarten-Kulturlandschaft Welterbe-würdig sind. Ich musste nur in Form der beauftragten Studien nachweisen, dass diese Kulturgüter auch den Unesco-Kriterien entsprechen. Dies war arbeitsintensiv, doch freut es mich, dass Icomos die Welterbe-Würdigkeit des OWS 2015 bestätigt hat.

Als Sachverständiger vertreten Sie nicht nur "Alliance For Nature" in UVP-Verfahren, sondern erstellen auch Gutachten im Auftrag von Bürgerinitiativen. Weshalb?

Bürgerinitiativen haben in vereinfachten UVP-Verfahren, zum Beispiel zu Windpark-Vorhaben, keine Parteienstellung. Deshalb rufen uns Anrainer und Bürgerinitiativen zu Hilfe.

Ist die Resonanz ernüchternd?

Ernüchternd sind UVP-Verfahren, in denen wichtige Schutzgüter unzureichend oder gar nicht verhandelt, ja absichtlich ausgeklammert werden - wie beispielsweise das Landschaftsbild.

Sind Sie zufrieden mit Ihren bisherigen Errungenschaften?

Im Großen und Ganzen ja. Sorgen bereitet mir nur die gesellschaftliche Entwicklung, vor allem die der immensen Energieverschwendung, welche Druck für neue Kraftwerksbauten und damit Eingriffe in Österreichs Landschaft erzeugt. Das Argument, Wasser- und Windkraft seien umweltfreundliche Energieträger weil erneuerbar, halte ich für falsch. Nachdem fast alle kraftwerksrelevanten Flüsse verbaut wurden, errichtet man nun Windkraftanlagen, die unsere Landschaft verschandeln. Dies geht so weit, dass Windparks selbst in Landschaftsschutzgebieten errichtet werden sollen - wie derzeit auf der steirischen Stubalpe.

Christian Schuhböck, Jahrgang 1962, ist Generalsekretär der von ihm 1988 gegründeten Natur-, Kultur- und Landschaftsschutzorganisation "Alliance For Nature" (AFN) mit Sitz in Wien und engagiert sich für den Schutz herausragender Natur- und Kulturlandschaften in Europa und in Österreich.

Wiener Zeitung, 26. Mai 2018