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Anton Martin Slomšek – weit mehr als ein Bischof #

Reformpädagoge, Dichter, Kirchenmann, Brückenbauer und slowenischer Vordenker. Vor 150 Jahren verstarb Anton Maria Slomšek, Bischof von Lavant und Maribor. #


Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus: DIE FURCHE (Donnerstag, 23. August 2012)

Von

Josef Till


The only photography of bishop Anton Martin Slomšek, pictured in Vienna, 1862
Anton Martin Slomšek 13 Jahre residierte er als Bischof der Diözese Lavant in St. Andrä im Lavanttal.
Foto: Unknown author. Aus: Wikicommons, unter PD

In diesem Jahr ist Maribor Kulturhauptstadt Europas, das seine Entwicklung zur Hauptstadt der Slovenska Štajerska (früher Untersteiermark) einem aktiven und kreativen Mann verdankt. Die Erzdiözese Maribor, das ehemalige Bistum Lavant, gedenkt in diesem Jahr des Bischofs Anton Martin Slomšek, der aus St. Andrä im Lavanttal nach Maribor umzog und die Stadt an der Drau zum Bischofssitz machte.

Am 24. September 2012 wird sein 150. Todestag begangen. 2011 war das 160-Jahr-Jubiläum des Verlagshauses Hermagoras/Mohorjeva, an dessen Wiege Slomšek mit der Initiative stand, gute Bücher unters Volk zu bringen. Der Klagenfurter zweisprachige Verlag ist der zweitälteste Österreichs.

Anton Martin Slomšek, 1800 in der Untersteiermark bei Celje geboren, konnte – wegen des Widerstands des Vaters – erst mit elf die Schule besuchen. Er studierte in Klagenfurt am Priesterseminar und wurde dort mit 29 Jahren Spiritual, wo er gegen den nur der Ratio verpflichtenden Josephinismus vorging. Slomšek wollte in der Pädagogik und in der Pastoral nicht nur die Vernunft, sondern auch das Herz gebildet wissen. Er setzte seine Überzeugung auch um und galt als „slowenischer Pestalozzi“, von dem er das Wort „mit Hirn, Herz und Hand“ übernahm.

Slowenischer Pestalozzi und Cicero #

Wegen seiner zündenden Predigten und Reden wurde er auch „slowenischer Cicero“ genannt. Schon als Theologiestudent begann er mit Slowenischkursen für Studenten und Beamte, er studierte nebenbei noch Pädagogik und Landwirtschaft. Mit seinen Studenten übersetzte er den damals viel gelesenen Kinder- und Jugendbuchautor Christopher Schmid ins Slowenische.

Nach Jahren als Hauptpfarrer der zweisprachigen Pfarre von Vuzenica (Saldenhofen an der Drau), wo er seinen pädagogischen Bestseller „Blaže in Nežica v nedeljski šoli“ („Blasius und Agnes in der Sonntagsschule“, 1842) in Slowenisch und Deutsch verfasste, kehrte er nach St. Andrä als Domherr und Schulinspektor zurück, wo er sich für die Errichtung von weiteren Schulen auf dem Land stark machte. Er war Zeuge der tristen Bildungssituation in der Steiermark und in Kärnten, wo die staatlich verordnete Schulpflicht nicht funktionierte.

Maribor
1859 verlegte er seinen Bischofssitz an die Drau nach Marburg (Maribor). Hier waren ihm nur mehr drei Lebensjahre vergönnt.
Foto: K.K.

Das große und das kleine Lesebuch #

1846 wurde er Bischof von Lavant, in St. Andrä blieb er 13 Jahre. Von 1859 bis 1862 war er der erste in Maribor (Marburg) residierende Bischof. Den Umzug musste Slomšek aus eigener Tasche bezahlen und ohne die Opferbereitschaft der damals mehrheitlich deutschen Bevölkerung wäre Marburg nicht Bischofssitz geworden. Kaum umgezogen, gingen vom Bischof ab 1859 wichtige Impulse für die Hochschulbildung und die Stadtentwicklung Marburgs (die slowenische Bezeichnung Maribor besteht erst seit 1836) aus. Aus der beschaulichen Stadt an der Lavant kam Slomšek in das von einer militanten Schar von Deutschnationalen geschürte Feuer an die Drau, das den schon kranken Bischof ermatten ließ. Dennoch behielt er in der zweisprachigen Diözese einen klaren Kopf, geißelte den Nationalismus und sah als glühender Verteidiger des Kaisers und der Monarchie wie Franz Grillparzer den Untergang der Monarchie kommen.

Slomšek war innovativer Pädagoge, er erhielt den Auftrag, slowenische Schulbücher zu verfassen. Das Resultat waren das „Malo Berilo“ und „Veliko Berilo“ (Das „kleine“ und „große Lesebuch“), in denen er die bewährte Methode des „Blaže“ Buches übernahm und Teile zweisprachig formulierte. Der Pädagoge Slomšek wollte eine Verbindung zwischen kognitivem und affektivem Lernen, ethischer und religiöser Bildung, die ein geglücktes Leben im Heute anstrebte und Schüler auf die ewige Heimat vorbereiten sollte. Diesem Zweck dienten die Lesebücher, die die ersten offiziell approbierten Bücher der Monarchie in slowenischer Sprache waren.

Slomšek war kenntnisreicher Erzähler und fruchtbarer Schriftsteller, indem er die theologische Lehre in Erzählungen und Gedichte umsetzte, um diese dem einfachen Volk schmackhaft zu machen. Seine Bücher fanden sofort reißenden Absatz und erlebten mehrere Auflagen ebenso wie das Jahrbuch „Drobtinice“ („Die Brosamen“). In einer kurzen Erzählung geißelte er den Kommunismus – kein Wunder, dass er in Slowenien nach 1945 eine persona non grata war. Kirchlicherseits wurde er dagegen idealisiert und seine Schwächen, auf die schon sein erster seriöser Biograf und Beichtvater Franz Kosar in Deutsch und Slowenisch hingewiesen hatte, verschwiegen.

Slomšek war ein menschenfreundlicher Bischof und vorausschauender ökumenischer Theologe. 1851 gründete er die „Cyrill- Method Bruderschaft“, die eine ökumenische Ausrichtung hatte und eine Einheit mit der orthodoxen Kirche anstrebte. Er bewertete als erster die literarische Arbeit der slowenischen Reformatoren positiv, ihren evangelischen Glauben jedoch als irrig und negativ. Der Bischof war ein sozial engagierter und volksverbundener Priester, in seinen Gedichten nahm er die schlimme soziale Lage aufs Korn und kritisierte scharf die sich dem Alkohol ergebenden Väter, die ihre Kinder zur Arbeit schickten und diese ausbeuteten. Er schrieb zahlreiche Hirtenbriefe – darunter einen Hirtenbrief gegen den Alkoholkonsum, einen an die Gastwirte und einen an die Bettler. Außerdem initiierte er auch die Österreichische Bischofskonferenz.

Seit 1999 ein katholischer Seliger #

Slomšek war Schöpfer der grammatikalischen, mathematischen, naturgeschichtlichen und theologischen Terminologie in slowenischer Sprache. Kein Bischof hinterließ aufgrund seiner intellektuellen Brillanz und sprachlichen Eloquenz einen so tiefen Eindruck bei seiner Nachwelt wie Anton Martin Slomšek. Wegen seines Einsatzes für die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der slowenischen Sprache wurde er zum Aggressionsobjekt für Liberale und Nationale. Dem Vorwurf, ein Nationalist zu sein, widersetzte er sich mit seiner universal ausgerichteten Katholizität, seinen bilingualen Hirtenbriefen und seiner trilingualen Kommunikation als Pfarrer mit seinen Kaplänen. In Vuzenica sprach er zwei Tage Deutsch, zwei Tage Slowenisch, zwei Tage Latein und am Sonntag jene Sprache, die der Gast beherrschte. Dennoch wurde am Tage des Begräbnisses sein Grab vom deutschnationalen Pöbel geschändet.

Slomšek ist mit seinem Engagement für die Alphabetisierung und gegen die Ignoranz heute genauso aktuell wie zu seiner Zeit. Die katholische Kirche würdigte ihn, als sie ihn 1999 zum Seligen erklärte. Österreich behandelt ihn bis zum heutigen Tag stiefmütterlich, im staatlichen Slowenien entkrampfte sich die Haltung seit der Wende 1990.

Anton Martin Slomšek

Bildung und Emanzipation Leben und Wirken Anton Martin Slomšeks. Von Josef Till. Hermagoras Verlag/Mohorjeva založba 2012. 533 Seiten, gebunden, 29,90 eur

DIE FURCHE, 23. August 2012