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Grobe Lücken im Rot-Weiß-Rot-System #

Österreich braucht qualifizierte Zuwanderer, doch das System schwächelt: Studieren dürfen sie zwar, doch das Arbeiten danach wird Migranten unnötig schwer gemacht. #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: DIE FURCHE Donnerstag, 11. April 2013

Von

Veronika Dolna


Symbolfoto
Foto: © Shutterstock

Für Laien klingt der Titel seiner Doktorarbeit wie ein Zungenbrecher: „Synthese und Charakterisierung neuartiger Oxaliplatin Analoga“. Doch die folgenden 99 Seiten könnten tausenden Krebspatienten die Qualen der Chemotherapie erleichtern. Sergey Abramkin verbrachte die letzten Jahre an der Universität in Wien, um tumorhemmende Medikamente mit deutlich weniger Nebenwirkungen zu entwickeln. „Wenn ich zuschauen kann, wie meine Substanz die Krebszelle vernichtet, macht mich das glücklich“, erzählt der gebürtige Russe. Doch anwenden kann er sein Wissen nicht. Denn Sergey Abramkin, seit August Doktor der Chemie, findet keinen Job.

Fünfzig Bewerbungen hat er in den letzten Monaten verschickt. Oft bekommt er nicht einmal eine Antwort. Und wenn doch, ist der Brief manchmal in Times New Roman geschrieben und nur sein Name in Arial eingesetzt. Dabei hat Sergey erfolgreich studiert, wurde nach einem eindrucksvollen Forschungsaustausch vom österreichischen Professor als Doktorand angeworben, hat publiziert und wurde in der Währung der Wissenschaft mit Zitationen belohnt. Nach zehn Jahren im Uni-Betrieb möchte der 29-Jährige in die Industrie wechseln. Doch die scheint ihn in Österreich nicht zu wollen.

Dabei fehlen genau dort rund 30.000 Fachkräfte. Um dem entgegenzuwirken, wurde 2011 die Rot-Weiß-Rot-Card eingeführt. Damit sollten jedes Jahr 8000 qualifizierte Zuwanderer angeworben werden. Aber der Plan scheint nicht aufzugehen: Im letzten Jahr kamen nur 1500. Und von den 1284 Nicht-EU-Bürgern, die im vergangenen Jahr ein Studium in Österreich abgeschlossen haben, blieben gerade einmal zwölf Prozent. Das wirkt sich auch volkswirtschaftlich aus: Laut Wifo müsste zumindest die Hälfte der ausländischen Studenten in Österreich bleiben, damit sich die Ausbildung für den Staat rentiert. „Im Wettbewerb um die klügsten Köpfe sind wir längst nicht dort, wo wir sein sollten“, urteilt Meri Disoski, die Geschäftsführerin vom Verein Wirtschaft für Integration. Denn Akademiker werden trotz Rot-Weiß-Rot-Card eher vertrieben, als angelockt.

Einkommenshürden und Wissenslücken #

Das liegt unter anderem an der Einkommensvorschrift, wie die Geschichte der Kolumbianerin Natalia Zambrano vor zwei Monaten deutlich zeigte. 1998 Euro muss ein Akademiker nämlich verdienen, der nach dem Studium bleiben will. Weil Zambrano nach elf Jahren und zwei Studien in Österreich zwar Jobangebote, aber kein ausreichend hohes Einstiegsgehalt vorweisen konnte, wurde ihr Visum nicht verlängert. Druck von Medien und Zivilgesellschaft sorgte dafür, dass sie schlussendlich bleiben und ihren Job antreten durfte. „Das war der Verdienst der Solidaritäts-Welle, die die Geschichte losgetreten hat“, ist Alexander Pollak von SOS Mitmensch überzeugt, der Zambrano unterstützte. Ihr Fall sorgte auch dafür, dass im Sozialministerium und im Integrationsstaatssekretariat über eine Lockerung der Einkommenshürde für die Rot-Weiß-Rot-Card zumindest nachgedacht wird.

Sergey Abramkin
Sergey Abramkin. Seit fast einem Dreivierteljahr ist der gebürtige Russe auf Jobsuche. Dass es so schwer wird, damit hat der Doktor der Chemie nicht gerechnet.
Foto: © Privat

Doch das ist nicht das einzige Problem. Im Fall von Sergey Abramkin, der in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, und daher gar keine Arbeitsbewilligung braucht, dürfte die Ablehnung auch an Unkenntnis der Gesetzeslage bei manchen Arbeitgebern liegen: „Wir hören immer wieder, dass Firmen der bürokratische Aufwand für Drittstaatenangehörige zu groß ist“, weiß man beim Integrationsfonds. Obwohl es bei Abramkin gar keinen Mehraufwand gäbe, scheint Firmen allein die russische Staatsbürgerschaft abzuschrecken.

Resignation im Behördendschungel #

„Es ist zu mühsam, für Sie eine Arbeitsbewilligung zu beantragen“ bekam auch Just Agbodjan Prince nach einem Vorstellungsgespräch zu hören: Der 38-Jährige stammt aus dem Togo und lebt seit 12 Jahren in Wien. Er studierte Elektrotechnik mit Schwerpunkt Telekommunikation und schrieb seine Diplomarbeit in Seibersdorf. Danach arbeitete er bei einer Firma, die mit dem AKH Wien kooperierte. Dort entwickelte er ein Gerät, das zur Tinitus-Therapie eingesetzt wird – bis er nach vier Monaten aufhören musste, weil er um eine Niederlassungsbewilligung angesucht hatte. Der Antrag wurde abgelehnt, und die Stelle, die er als kategorisierter „Forscher“ ausüben durfte, musste er als abgelehnte „Schlüsselarbeitskraft“ aufgeben. Obwohl er gerne in der Industrie arbeiten wollte, kehrte Agbodjan Prince als Assistent an die Uni zurück und forscht mittlerweile an der Akademie der Wissenschaften. „Die Gehaltshürde ist bei mir kein Problem,“, sagt der 38-Jährige mit Behördenerfahrung, „aber die Administration ist viel zu kompliziert.“ Mit dem Gedanken, nach Kanada zu gehen, spielt er deshalb immer wieder. Dort bekäme er – anders als in Österreich – nach drei Jahren die Staatsbürgerschaft und dürfte seine eigene behalten.

Für die Wirtschaft ein Problem: „Wir müssen uns überlegen, wie sich Österreich als Einwanderungsland generell präsentiert“, folgert Disoski. Bürokratische Hürden, das politische Klima und abwertende Medienberichte sorgen dafür, dass selbst die hartnäckigsten Zuwanderer irgendwann resignieren. Auch Sergey Abramkin hat sich innerlich schon von den Tumormedikamenten verabschiedet. „Ich suche mittlerweile einfach irgendeinen Job“, sagt der Doktor der Chemie. Die Tumorzellen wird’s freuen.

DIE FURCHE, Donnerstag, 11. April 2013


Viele österreichische Wissenschafter wären froh an der Uni oder an der Akademie der Wissenschaften arbeiten zu können...Diplomarbeit mit 38 ?

-- Glaubauf Karl, Montag, 29. April 2013, 15:20


Antwort auf den Kommentar von Glaubauf Karl: Wenn die Österreicher bei der Akademie der Wissenschaften arbeiten wollen, brauchen sie sich ja nur zu bewerben. Wenn Sie qualifiziert sind, werden sie sicher auch angenommen. Wenn man aber schon einen besseren Job hatte, ist es sehr ärgerlich, diesen aufgeben zu müssen, weil die Behörden einen Fehler machen. Der Gedanke der Behörden war: Wenn man nach dem Studium nicht in seinem Fachbereich arbeitet, darf man nicht bleiben. Just ist Telekommunikationstechniker. Er arbeitet im Krankenhaus. Da arbeiten nur Ärzte und Krankenschwestern. Also arbeitet er fachfremd. Also wird sein Antrag abgelehnt. Denen ist nicht einmal der Gedanke gekommen, dass es dort auch Techniker geben muss, sie sich um die technischen Maschinen kümmern.

Und da steht doch auch ganz deutlich, dass der junge Mann aus Togo, Just Agbodjan Prince jetzt 38 ist und mit 26 (vor 12 Jahren) nach Österreich gekommen ist.

"Er studierte Elektrotechnik mit Schwerpunkt Telekommunikation und schrieb seine Diplomarbeit in Seibersdorf. Danach arbeitete er bei einer Firma, die mit dem AKH Wien kooperierte. Dort entwickelte er ein Gerät, das zur Tinitus-Therapie eingesetzt wird – bis er nach vier Monaten aufhören musste, weil er um eine Niederlassungsbewilligung angesucht hatte. Der Antrag wurde abgelehnt, und die Stelle, die er als kategorisierter „Forscher“ ausüben durfte, musste er als abgelehnte „Schlüsselarbeitskraft“ aufgeben. Obwohl er gerne in der Industrie arbeiten wollte, kehrte Agbodjan Prince als Assistent an die Uni zurück und forscht mittlerweile an der Akademie der Wissenschaften". Das hat er alles gemacht, nachdem er nach Österreich gekommen und bis jetzt, wo er 38 ist.

-- Hillebrand Monika, Mittwoch, 26. Juni 2013, 00:46


Danke für die Antwort, Medizintechnik ist sicher ein ganz wichtiger Bereich...

-- Glaubauf Karl, Mittwoch, 26. Juni 2013, 08:29


Ex-Minister Bartenstein betreibt große Pharma-Werke, würde es einmal dort ihm versuchen....

-- Glaubauf Karl, Mittwoch, 26. Juni 2013, 08:41


ist es nicht schon ein privileg als gut bezahlter uni-assistent seine doktorarbeit machen zu können ?qualifizierte zuwanderung scheint mir etwas anderes z sein...

-- Glaubauf Karl, Mittwoch, 26. Juni 2013, 08:56


Hallo Herr Glabauf,

Medizintechnik ist wirklich ein wichtiger Bereich, in diesem Punkt stimme ich Ihnen zu. In Ihrer Aussage, dass der junge Mann aus Togo, Agbodjan Prince, es bei einem der Pharma-Werke von Ex-Minister Bartenstein versuchen sollte, sehe ich jedoch wenig Sinn. Im Artikeltext ist ausgeführt, dass das Problem im Fall von Herrn Agbodjan Prince war, dass der zuständige Bearbeiter für seine Niederlassungsbewilligung den Antrag mit der Begründung abgelehnt hat, dass Herr Agbodjan Prince als Techniker nicht im Medizin- oder Pharmabereich arbeiten dürfe. Herr Agbodjan Prince hat ja bereits am AKH als „Forscher“ gearbeitet. Dabei hat er ein Gerät entwickelt, das zur Tinitus-Therapie eingesetzt wird. Die Forschungsstelle wurde in eine Arbeitsstelle in der Wirtschaft umgewandelt und Herr Agbodjan Prince suchte um eine Niederlassungsbewilligung an. Vielleicht wollte eine Firma das Gerät vertreiben in Zusammenarbeit mit dem AKH vertreiben und ist auf Herrn Agbodjan Prince aufmerksam geworden? Der Sinn solcher Forschungsvorhaben zur Entwicklung wirtschaftlich relevanter Geräte ist ja eben, dass das erforschte Ergebnis von der Wirtschaft weiterverwendet wird. Weiterzuforschen macht ja wenig Sinn, denn die Forschung ist abgeschlossen. Und wenn alles richtig gelaufen ist, sind die Forschungsgelder dann aufgebraucht, wenn das Ergebnis vorliegt. Um das Ergebnis der Forschung einzusetzen und zu vertreiben, wurde Herrn Agbodjan Prince eine „richtige“ Stelle angeboten – eben nicht mehr als Forscher, sondern als Schlüsselkraft in der Wirtschaft. Somit musste er um eine Niederlassungbewilligung ansuchen. Für Forscher gibt es ja andere Visums- und Aufenthaltsvorschriften als für sogenannte Schlüsselkräfte. Wo sehen Sie, Herr Glaubauf, denn den Zusammenhang zu den Pharma-Werken von Herrn Bartenstein? Wird in den Pharma-Werken von Herrn Bartenstein das gleiche Gerät zur Tinitus-Therapie hergestellt und vertrieben? Und Sie glauben, wenn Herr Agbodjan Prince sich dort bewerben würde, würde er angenommen, obwohl er doch gar nicht auf Pharma-Produkte spezialisiert ist, sondern eben auf dieses Gerät zur Tinitus-Therapie? Glauben Sie, dass er, obwohl eben diese Niederlassungsbewilligung inkl. über den Forscherstatus hinausgehende Arbeitserlaubnis zuvor abgelehnt wurde, sie bekommen würde, wenn er bei den Pharmawerken arbeiten würde? Könnten Sie die Zusammenhänge etwas genauer erläutern? Das wäre wahnsinnig nett!

Zu Ihrem Kommentar - es wäre „schon ein privileg als gut bezahlter uni-assistent seine doktorarbeit machen zu können“ – könnten sie diese Ausage auch noch etwas verdeutlichen? Für wen meinen Sie, wäre das ein Privileg? Ganz allgemein? Für jeden? Für Herrn Just Agbodjan Prince? Und wo lesen Sie, dass Herr Agbodjan Prince seine Doktorarbeit macht? Und woraus geht hervor, dass das gut bezahlt ist? Ein Privileg sollte eine Forschungsstelle, eine Stelle an der Uni als Lehrbeauftragter, als Assistenz oder eine Promotionsstelle doch niemals sein, finden Sie nicht auch? Derjenige, der am besten qualifiziert ist, sollte sie jeweils bekommen. Im Falle von Herrn Agbodjan Prince war es so, dass er über die Forschungstätigkeit ja schon hinaus war. In dem Fall war die erneute Forschungsstelle, die er angenommen hatte, nachdem die erste Forschung schon abgeschlossen war und die Arbeitsstelle in der Wirtschaft nicht bewilligt wurde, kein Privileg, sondern ein Rückschritt. Im Artikeltext steht ja, dass Herr Agbodjan Prince bereits geforscht hat und der nächste Schritt die Arbeitsstelle in der Wirtschaft gewesen wäre. Er wollte ja gar nicht promovieren oder weiter forschen – seine Forschung war abgeschlossen, das erforschte Produkt fertig gestellt. Dieses sollte nun angewandt und vertrieben werden. Da ihm dies verweigert wurde, bleibt ihm nun nichts anderes übrig, als weiter zu forschen. Das Tinitus-Gerät wird vielleicht in der Zwischenzeit in einem anderen Land neu erforscht und hergestellt und vertrieben, einschließlich nach Österreich, wo es dann das AKH vom Geld der Steuerzahler kauft, anstatt es selbst verkaufen zu können und Geld für Österreich einzunehmen.

-- Hillebrand Monika, Samstag, 29. Juni 2013, 21:27


o.k. o.k. er könnte das gerät ja alspatent anmelden und dann via net international anbieten oder nicht ? mehr kann ich leider auch nicht dazu sagen und will es auch nicht...bin da kein fachmann, jedenfalls musste ich mir meine doktorarbeit bei deutschen professoren selbst v bezahlen aber wahrscheinlich habe ich da alles falsch verstanden, lassen wirs dabei muss gerade selbst eine forschung zu ende bringen...

-- Glaubauf Karl, Samstag, 29. Juni 2013, 23:32