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John Wayne, eine gestürzte Ikone des weißen Amerika#

Mit dem Westernheld wird ein weiteres Denkmal der US-Geschichte demontiert. Das ist Teil der Genesung einer kranken Nation.#


Von der Wiener Zeitung (4. Juli 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Matthias Greuling


John Wayne´s statue (Robert Summers, 1982) at John Wayne / Orange County Airport (SNA)
John Waynes Statue und sein Name am Orange-County-Flughafen sollen weg - Rassismus-Vorwürfe stehen im Raum.
Foto: Dave & Margie Hill / Kleerup. Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 2.0

Mocht’s es euch bequem, wäul jetz kummt da John Wayne", sangen die Madcaps 1971 in Wien nach Musik und Text von Georg Danzer. Sie spielten darauf an, dass dieser überlebensgroße Westernheld ein diametral gegenseitiger Männertypus von dem Couch Potato war, der ihm in bequemer Lümmelhaltung vom Sofa aus beim Reiten und Schießen zusah. Wayne war der Inbegriff des Amerikanischen, ein Held, der wie kein Zweiter den Wilden Westen verkörperte, und damit die Genese des modernen Amerika: Wo damals die Colts rauchten, rauchen sie oft bis heute, so unfertig und unstet wirkt das Land und seine als großartig beschriebene Demokratie gerade in diesen Tagen wieder.

Wayne war zum Zeitpunkt des Madcaps-Songs aber schon lange keine lupenreine Identifikationsfigur mehr, nicht bei den Amerikanern und auch nicht international. Nach einer fast 50-jährigen Karriere beim Film, wo man ihn meist als raubeinigen Sheriff, Marshall oder Soldaten sah, hatte er 1969 den Zenit seiner Karriere erreicht, als er den Oscar als bester Hauptdarsteller für "Der Marshal" ("True Grit") bekam. Zugleich wurde Wayne immer wieder auffällig, was seine Äußerungen zu politischen Themen anging. Er, der Über-Held, wurde auch zum Inbegriff des US-Imperialismus, sagte öffentlich, man solle den Vietnamkrieg doch am besten mittels Atombombe beenden, und gab in Interviews noch andere g’schmackige Sager von sich.

Helden fallen spektakulär mit medialem Rumms#

Mit Helden verhält es sich so: Sie haben eine ganz andere Fallhöhe als ein gewöhnlicher Mensch, weshalb ihre Abstürze dann auch entsprechend spektakulär ausfallen und der mediale Rumms dazu auch. Weshalb es genau jetzt in unsere Zeit passt, dass man das Denkmal von John Wayne zum Einsturz bringen will, denn mitten in die aufgeheizte Stimmung in den USA in Hinblick auf die "Black Lives Matter"-Bewegung platzt nun ein altes Interview, das Wayne 1971 dem "Playboy" gegeben hatte: Darin hatte er von der Überlegenheit der weißen Rasse gesprochen, von "white supremacy", und auch gemeint, Afroamerikaner hätten noch etliche Erziehung nötig. Auch sagte er über Schwarze: "Ich fühle mich nicht schuldig wegen der Tatsache, dass diese Leute vor fünf oder zehn Generationen Sklaven waren."

Die demokratische Partei im kalifornischen Orange County will den dortigen Flughafen, der gleich nach dem Tod des Westernstars 1979 "John Wayne Airport" getauft wurde, deshalb nun umtaufen lassen. Man will Zeichen setzen in den USA, die Massenproteste rund um George Floyds Tod zeigten das, und auch Akte wie diese. Umbenennungen, das Stürzen von Statuen einstiger Helden, problematische Filme mit Rassismus-Gedankengut (etwa Disneys "Dumbo") auf einen Index oder zumindest mit Warnhinweisen versehen: In den USA organisiert sich eine ganze Generation in Hinblick auf Rassismus neu - wenn er schon nicht ausgelöscht werden kann, so sollen wenigstens seine sichtbaren Spuren ausradiert werden, so scheint die Devise.

Völlig klar, dass das jemandem wie Donald Trump nicht egal sein kann. Im Wahljahr stellte er sich nach Bekanntwerden der John-Wayne-Flughafenumbenennung postwendend hinter die Filmikone. Wayne Rassismus zu unterstellen, das sei eine "unglaubliche Dummheit", twitterte der Twitter-Präsident. Wayne, dessen großer Fan er sei, werde nun von den "nichtstuenden Demokraten" verunglimpft.

Auch Waynes Sohn Ethan hatte sich auf CNN über das Vorhaben echauffiert. Die Textstelle sei aus dem Zusammenhang gerissen, sein Vater mit Sicherheit kein Rassist gewesen. Dem ultrakonservativen Nachrichtensender Fox News sagte der 58-Jährige außerdem: "Lassen Sie mich klarstellen: Es ist ungerecht, ihn wegen eines einzelnen Interviews zu verurteilen. John Wayne stand für das Beste in allen von uns, er stand für eine Gesellschaft, die keinen diskriminiert, der den Amerikanischen Traum leben will" (was Interpretationsspielraum in Hinblick auf all jene ermöglicht, die den Amerikanischen Traum nicht leben wollen). Und: "Wäre er dabei gewesen, wäre er zwischen die Polizisten und George Floyd gegangen, denn das wäre das einzig Richtige".

Amerika räumt nun Kellerleichen auf#

Die Causa zeigt, wie elektrisiert die Stimmung in den USA derzeit ist; da entzünden sich Debatten sogar an Toten, solange sie nur genug Symbolcharakter haben. Das ist vielleicht ein Lernprozess innerhalb der stetig schwelenden Rassismus-Seuche, die Nordamerika überzieht. Und es ist kein nordamerikanisches Phänomen: In Wien ist der Dr.-Karl-Lueger-Platz auch immer noch nach dem Wiener Bürgermeister benannt, der besonders üblen Rassismus-Fantasien gefrönt haben soll.

Amerika räumt mit seinen Kellerleichen derzeit hingegen im großen Stil auf. Überall im Land fallen die Denkmäler von zweifelhaft gesinnten Ikonen: Es stürzen Statuen von Konföderierten-Generälen, von Reiterstandbildern, von Präsidenten der abtrünnigen Südstaaten und Präsidenten wie Andrew Jackson, dereinst glühender Befürworter der Sklaverei. Warum es mit John Wayne nun eine Westernikone trifft, liegt auf der Hand: Niemand sonst stand in der Filmgeschichte so sehr für dieses konservative Amerika, das sich nach dem Sezessionskrieg und der Abschaffung der Sklaverei mit viel unterdrücktem Selbsthass, mit viel Wut und begrabenen Ideologien auseinandersetzen musste. So tief konnte man diese Ideologien nicht begraben, dass sie nicht bis heute allerorts und immer wieder zum Vorschein kamen. John Wayne war eben ein Repräsentant dieser "Gestrigen", jemand, dem man eben auch als Privatmann die konservative Position anmerkte, auch, weil er sie lautstark verkündete.

Aber er ist damit nicht allein: Viele der größten Hollywood-Stars sind oder waren erzkonservativ in ihren Überzeugungen. Clint Eastwood hat aus seiner Nähe zu den Republikanern nie einen Hehl gemacht (er lehnt Trump jedoch ab), "Ben Hur" Charlton Heston war jahrelang Präsident der US-Waffenlobby National Rifle Association, Gary Cooper, Bob Hope, Cary Grant, Dennis Hopper, Mickey Rooney oder Clark Gable - sie alle wählten konservativ. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie Rassisten waren, aber die meisten Rassisten waren in den USA eben eher in den Reihen der Republikaner heimisch.

Seinen Fans bleibt der "Duke" vermutlich nicht wegen des Flughafens, der nun umbenannt werden könnte, in Erinnerung, sondern wegen seiner Filmrollen, in "Rio Bravo", "Ringo", "Red River", "Der schwarze Falke", "Hatari!" oder "Alamo". Es ist kein Zufall, dass es Stars wie Wayne gegeben hat, zu einer Zeit, in der Amerika seit einem Jahrhundert ohne Sklaven und die Rassentrennung in den Köpfen aber aufrecht geblieben war. Das Westerngenre inszenierte man lange als die Allmachtsfantasie der überlegenen Weißen, sich ein im Grunde fremdes Land untertan zu machen; all das getarnt durch spannende Plots und wilde Schießereien, letztlich auch Kriegshandlungen der USA legitimierend - Propaganda, wie sie im Buche steht.

Dieses Genre hat spätestens mit Waynes Tod einen drastischen Wandel durchlaufen, dessen Höhepunkt sich vielleicht in Michael Ciminos "Heaven’s Gate" (1980) oder Clint Eastwoods "Erbarmungslos" (1992) am besten abbildet. Dass man nun mit Hass und Wut auf die Ära von Westernfilmen und Stars wie John Wayne reagiert und auch ihre Symbole ausradieren will, mag ein scharfer Einschnitt für die Rezeption der US-Filmgeschichte bedeuten, bei der immer auch der Propaganda-Aspekt mitgedacht werden muss. Vielleicht ist dieser Einschnitt aber zur Gesundung dieser Nation, die das Kino wie kein anderes Land als Nationalgut betrachtet, schon mehr als nötig gewesen.

Wiener Zeitung, 4. Juli 2020