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Verliert Österreich bei der Digitalisierung den Anschluss?#

Experten fordern die Umwidmung der sogenannten Breitbandmilliarde in eine Digitalisierungsmilliarde.#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 2. September 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Andrea Möchel


Digitalisierung, Symbolbild
Digitalisierung, Symbolbild
© fotolia/Weissblick

Wien. An der Digitalisierung der Wirtschaft führt kein Weg vorbei - das ist den meisten Unternehmen in Österreich mittlerweile bewusst. Trotzdem zögern viele, wenn es darum geht, endlich auf den digitalen Zug aufzuspringen. So gehen 77 Prozent der Unternehmen in Österreich davon aus, dass sich der Wettbewerb durch die Digitalisierung schon jetzt verändert hat. Dennoch hat erst jede zweite Firma in Österreich mit der Planung oder Umsetzung einer digitalen Agenda begonnen. Zu diesem Ergebnis kommt die Drei-Länder-Studie "Digitale Agenda 2020" des Next-Generation-IT-Dienstleistungsunternehmen CSC, für die 500 Manager in Deutschland, Österreich und in der Schweiz befragt wurden. Zum Vergleich: Auch in Deutschland hat erst knapp jede zweite Firma eine digitale Agenda aufgestellt. In der Schweiz sind es immerhin 60 Prozent.

"Insgesamt verlangsamt sich der Digitalisierungsprozess in Österreich und das verwundert, denn international ist eine deutliche Beschleunigung zu verzeichnen", erklärt Dietmar Kotras, General Manager von CSC Österreich, Osteuropa und Türkei. Seine Warnung: "Heimische Unternehmen drohen hier den Anschluss zu verlieren." Dabei sehen 55 Prozent der befragten österreichischen Unternehmen in der Digitalisierung durchaus große Chancen: bei der Kostensenkung, der Qualitätssteigerung und der Optimierung der Kundenkenntnis.

Sorgenkind Handel#

Während die Telekommunikations- und IT-Branche naturgemäß eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der digitalen Agenda einnehmen, hinkt vor allem der Handel weit hinterher. "60 Prozent der Handelsunternehmen nehmen sich die Erstellung einer digitalen Agenda erst in den nächsten zwölf Monaten vor", weiß Kotras. "Nur 30 Prozent sehen in der Nutzung von digitalen Vertriebskanälen für die Kundenbetreuung eine Chance. Damit hat der österreichische Handel im Vergleich zu anderen Branchen noch massiven Aufholbedarf."

Die Ursachen für das verzögerte Handeln sind vielfältig, denn die Unternehmen sehen sich mit einer Reihe von Hindernissen konfrontiert, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Viele stolpern bereits darüber, dass das Digitalisierungspotenzial im eigenen Hause nicht erkannt wird. "Besonders die technische Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter erachten 42 Prozent der befragten österreichischen Unternehmer als echten Stolperstein", sagt Kotras. "Für 36 Prozent ist die Finanzierung der Umsetzung der digitalen Agenda eine schwer überwindbare Hürde." Jedes dritte Unternehmen in der DACH-Region (Deutschland, Österreich und die Schweiz) hadert in diesem Zusammenhang mit der Finanzierungsfrage.

Digitalisierung als Chefsache#

Im Wettlauf um eine schnellere Marktreife setzen 60 Prozent der österreichischen Unternehmen darauf, die Digitalisierung zur Chefsache zu machen. Zudem sprechen sich 45 Prozent der befragten Führungskräfte in Österreich dafür aus, "eine spezifische Position einzuführen, um die Fäden der digitalen Strategie zu bündeln". Als erfolgversprechendes Rezept bewertet die Mehrheit der Befragten die Option, spezialisierte Partner einzubinden. "58 Prozent halten es für wichtig, externe Kompetenz zu aktivieren, um mit der Transformation schneller zu werden", heißt es in der Studie.

"Immer mehr Firmen entwerfen eine Strategie, um in der digitalen Welt anzukommen", ergänzt Claus Schünemann, Vorsitzender der Geschäftsführung von CSC in Deutschland. Sein Rat: "Damit der eingeschlagene Weg nicht in die Sackgasse führt, sollten die Unternehmen einen wichtigen Leitfaden nicht aus den Augen verlieren: groß denken, klein anfangen, frühzeitig testen und schnell anpassen." Die grundsätzliche Offenheit der Mitarbeiter gegenüber digitalen Neuerungen wird von den Managern übrigens recht unterschiedlich bewertet: 27 Prozent in der Schweiz, 21 Prozent in Österreich und nur 15 Prozent in Deutschland beurteilen die Bereitschaft ihrer Belegschaft in dieser Hinsicht positiv, wie die Drei-Länder-Studie belegt.

Appell an die Politik#

Doch Bereitschaft allein ist ohnehin nicht genug. Die Zeit drängt, denn die Digitalisierungs-Welle rollt unaufhaltsam auch auf Österreich zu. "Es gilt nun, die Chancen zu nutzen und die Risiken zu managen", appelliert Kotras an die Wirtschaft, das Digitalisierungstempo deutlich zu erhöhen um nicht den internationalen Anschluss zu verlieren. Aber auch von öffentlicher Seite bestehe Handlungsbedarf.

"Es müssen positive Rahmenbedingungen für die Unternehmen geschaffen werden, damit Österreich fit für die Zukunft wird", stellt der Experte klar. "Zum Beispiel unterliegt die Arbeitswelt einem großen Wandel, auf den wir jetzt reagieren müssen. Auch bei den Themen Datenschutz und Haftungen kommen völlig neue Herausforderungen auf uns zu." Die Digitalisierung berge aber zugleich auch große Chancen für den Arbeitsmarkt, denn es ergeben sich völlig neue Berufsbilder mit großem Zukunftspotenzial.

Kotras fordert daher von der Politik: "Wir sollten in Österreich die Breitbandmilliarde in eine Digitalisierungsmilliarde umwidmen und dieses Budget zum Beispiel in dringend notwendige Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen investieren."

Wiener Zeitung, Freitag, 2. September 2016