!!!Ein österreichisches Erfinderschicksal: Josef Ressel 

Von

__Gregor Gatscher-Riedl__

''Entnommen aus: Gregor Gatscher-Riedl, kuk Sehnsuchtsort Triest. Alt-Österreichs Hafen zur Welt, Berndorf: Kral-Verlag 2016. ''


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Was eine Flasche [Wein|Thema/Wein] der Auslöser? Zum festen Legendenfundus der Technikgeschichte gehört die Erzählung, dass der Einsatz eines Korkenziehers bei einem Abendessen mit Freunden  [Josef Ressel|Biographien/Ressel,_Josef] die zündende Idee zur Erfindung der Schiffsschraube  geliefert hätte. „Se non è vero, è ben trovato“ hieß schon damals in Triest ein bekanntes Sprichwort: „Wenn es nicht wahr ist, so ist es zumindest gut erfunden.“ 

Der weinseligen Geschichte steht eine auf 1812 datierte Zeichnung in den Sammlungen des Wiener Technischen Museums gegenüber, in der Ressel als nur 19jähriger Student bereits sein revolutionäres Antriebskonzept festgehalten haben soll. Wie auch immer: die Lebensreise Ressels begann am 29. Juni 1793 im nordostböhmischen Chrudim. Der aus Heinersdorf bei Friedland (Jindřichovice pod Smrkem) stammende Vater Anton Hermann Ressel war k. k. Mauteinnehmer, hatte die Kontrolle über die beiden städtischen Brauhäuser inne und leitete das Stempelamt. Er war erst seit kurzer Zeit mit seiner tschechischen Frau Anna Maria Konvičková in der Stadt ansässig. Dennoch gehörten die beiden zu den führenden Zirkeln der Kleinstadt: Als Taufpate fungierte immerhin der k. k. Kreishauptmann Marquard Freiherr von Kotz (1770-1828). Der kleine Josef besuchte zunächst die Pfarrschule in seiner Vaterstadt, wo er auch ersten Lateinunterricht erhielt. Zwischen 1806 und 1808 war er Gymnasialschüler in Linz. Im Anschluss wechselte er 1809 als Zögling an die Landes-Artillerieschule in Budweis (České Budějovice), wo besonderer Wert auf Fächer wie [Mathematik|Thema/Naturwissenschaft], [Mechanik|Thema/Mechanik] und Geometrisches Zeichnen gelegt wurde. Für eine Karriere beim Militär erwies sich die körperliche Konstitution Ressels aber als zu schwach. 

Der Wissensdurst führte ihn 1812 an die Universität Wien, wo er [Landwirtschaft|Thema/Landwirtschaft], Mechanik, Physik, [Chemie|Thema/Chemie] und Rechnungswesen studierte (das „Polytechnische Institut“ als Vorläufer der Technischen Universität Wien wurde erst 1815 gegründet), musste aber aus finanziellen Gründen seine [Ausbildung|Thema/Ausbildung] abbrechen, da der Vater in materielle Schwierigkeiten geraten war. Eine List rettete den weitere Berufsweg: Der kaiserliche Leibdiener, ein Landsmann aus Chrudim, hatte Kaiser Franz Zeichnungen Ressels vorgelegt. An einer Darstellung der Völkerschlacht bei Leipzig fand der Monarch besonderen Gefallen und gewährte ein Stipendium in Höhe von 400 Gulden (rund 7.500 Euro). Mit diesem finanziellen Polster gelang es ihm, trotz der wirtschaftlich schwierigen Verhältnisse während der napoléonischen Kriege an der Forstakademie in Mariabrunn bei Wien 1816 eine Ausbildung abzuschließen. [{Image src='Ressel_IMG_0904.jpg' height='270' class='image_right' caption='Porträt Josef Ressel. Heliogravüre von J. Blechinger Wien. Mit frdl. Genehmigung Ing. Friedrich Prasky, Wien' alt='Josef Ressel' width='176'}]

Statt als Techniker zu arbeiten, trat er 1817 als Distriktsförster in Pletriach (Pleterje, Unterkrain) in den Staatsdienst und macht in seiner Freizeit auf dem Fluß Gurk (Krka) in der Gegend des Zisterzienserklosters Landstrass (Kostanjevica) erste Versuche mit einer handgetriebenen Schiffsschraube.

Der Forstdienst führt ihn in verschiedenen mittleren Beamtenpositionen nach Laibach (Ljubljana) und ins istrische Montagna (Motovun, Kroatien). Im Jahre 1821 wurde der junge Förster nach Triest versetzt. Als Domänen-Vizewaldmeister war Josef Ressel verantwortlich für die Materialbeschaffung und -auswahl für den Schiffbau der österreichischen Flotte. Für Kiel, Spanten und Formstücke wurden vor allem Krummhölzer aus Eiche benötigt, an deren Wuchs besondere Anforderungen gestellt wurden. Ressel hatte die Auswahl der Hölzer zu treffen und für termingerechte Lieferung ins Arsenal nach Venedig zu sorgen.

Seine Tätigkeit war zwar mit häufigen Dienstreisen in die Forstreviere verbunden, ließ ihm aber genug Zeit, seinen technischen Neigungen nachzugehen. Er entwarf einen Fernmesser, schrieb eine Geschichte der Küstenwälder, widmete sich dem Holzexport, entwickelte ein Gerät, das die Holzqualität ermittelte und arbeitete einen Entwurf für die [Produktion|Thema/Produktion] von Bugholz aus. Seine Verbesserungsvorschläge stießen allerdings auf wenig Verständnis bei seinen Vorgesetzten und verhedderten sich im bürokratischen Dickicht der Forstverwaltung. 
Sein Dienstort Triest machte auch häufige Fahrten nach Venedig notwendig, wo Ressel im alten Arsenal der Markusrepublik, das nunmehr als österreichische Marinewerft diente, an Besprechungen teilzunehmen hatte. Er war dabei auf den Raddampfer „Carolina“ des Reeders William Morgan angewiesen. Die 19stündige Fahrt gestaltete sich alles andere als bequem und brachte Ressel ins Grübeln: Der Wirkungsgrad der Schaufelräder hing vom Tiefgang und dem Wellenschlag ab. Diese Umstände führten dazu, dass bestenfalls ein Sechstelkreis der Schaufelraddrehung für den Vortrieb zur Verfügung stand. Ressel war sich auf Grund seiner mechanischen Ausbildung sicher, dass mit einer archimedischen Schraube, die am Bug des Schiffes angebracht sein müsste, der Wirkungsgrad der Dampfmaschine um ein Mehrfaches gesteigert werden könnte. „Allein das wissenschaftliche Interesse veranlasste mich, über einen geeigneteren Dampferantrieb als den Schaufelradantrieb nachzudenken. Am besten gefiel die Schraube, weil ich mir [Wasser|Thema/Wasser] als eine Art Schraubenmutter vorstellte...“, brachte der Erfinder später zu Papier, und weiter: „der schicklichste Ort, wo das Rad anzubringen ist, ist vorne. Am Hinterteil ist es nicht ratsam, weil der [Strom|Thema/Strom], den das fahrende Schiff hinter sich bildet, dessen Wirksamkeit behindern könnte“. 

Der Gedanke nahm im Laufe des Jahres 1825 immer deutlichere Konturen an. „Von da an schlief Ressel drei Stunden täglich, nächtelang überlegte, rechnete und zeichnete er“, schrieb der Journalist František Houdek. Mit einem Jahresgehalt von 800 Gulden (17.400 Euro) und einer vielköpfigen Familie fehlten Ressel die Mittel, sein Konzept zu realisieren. Das Triestiner Establishment im Schiffs- und Reedereibereich zeigte sich aber wenig interessiert an Ressels Idee, zumal damals mit einer Vielzahl unterschiedlicher Schiffsantriebe experimentiert wurde. 

Schließlich gelang es ihm, die beiden Triestiner Geschäftsleute Enrico Julian und Oswald Tositti für seine Idee zu begeistern, die eine abgetakelte Bark zur Verfügung stellten und mit 60 Gulden (etwa 1.350 Euro) die Herstellung einer Schraube aus Bronze durch den Schmied Franz Hermann finanzierten. Bei der Probefahrt fehlte eine Dampfmaschine, so dass die Schraube mit rund einem halben Meter Durchmesser von zwei Männern in Bewegung versetzt werden musste. Sobald sie an der Kurbel drehten, setzte sich das Boot selbsttätig in Bewegung. 

Am 28. November 1826 beantragte er die Erteilung eines österreichischen Patents und beschrieb im Ansuchen seine Erfindung als „Rad in Form der von äußerer Kraft angetriebenen endlosen Schraube, mittels welcher ein Schiff in See sowie in fließenden Gewässern zu bewegen sei“, dem am 11. Februar 1827 entsprochen wurde. 

Nach dem erfolgreichen Probelauf kam Ressel in Kontakt mit dem Geschäftsmann Carlo d'Ottavio Fontana (1774-1832). Der technisch aufgeschlossene Triestiner Patrizier hatte sein Vermögen im Drogerie- und Tabakhandel erworben und machte Ressel, der wie er Mitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft „Gabinetto della Minerva“ war, ein verlockendes Angebot.  Er stellte den Bau eines Passagierschiffes mit Dampf- und Schraubenantrieb in Aussicht und versprach eine Gewinnbeteiligung an den zu erwartenden Einkünften. Zur Bedingung machte er die Übertragung des bis 1830 gültigen Patents. Ressel willigte ein, da Schulden wegen der medizinischen Versorgung seiner ersten Frau Jakobine de Orebich (1802-1826) hatte, die der Tuberkulose zu Opfer gefallen war und ihn mit drei kleinen Kindern zurückließ, von denen die jüngste Tochter bald darauf auch noch starb.
[{Image src='Civetta.jpg' height='270' class='image_left' caption='Modell des Versuchsschiffs CIVETTA im Technischen Museum Wien, gebaut von Richard Vybiral nach einer Rekonstruktionszeichnung von Dipl.-Ing. August Wess, die auch die Vorlage für die Abbildung auf der 500 S-Banknote darstellte. Foto Gregor Gatscher-Riedl' alt='Civetta' width='405'}]
Mit den Mitteln Fontanas konnte Ressel mit dem Schiffbaumeister Vincenzo Zanon an den Bau des Versuchsschiffs „Civetta“ (Käuzchen) auf der Pamphili-Werft gehen. Seinen Namen führte es nach der Galionsfigur in Form einer Eule. Die Angaben über die tatsächliche Größe des Schiffes schwanken zwischen 16 und 20 Metern Länge und einer Verdrängung von 33 bis 48 Tonnen. Das Schraubenrad wurde mit anderthalb Metern Durchmesser gegossen und neu positioniert, wobei der [Antrieb|Thema/Antrieb] wurde nunmehr zwischen Ruderblatt und Achtersteven angebracht, um die Wirkung des Ruders und damit die Manövrierfähigkeit zu steigern. 

Ressel wollte ursprünglich eine ausgereifte englische Dampfmaschine verwenden, doch aus finanziellen Gründen und auf Weisung Wiens musste er auf ein einheimisches Produkt zurückgreifen. Die rund 6 PS leistende Anlage wurde im Eisenschmelzwerk des Barons Baltazzi im steirischen St. Stefan ob Leoben konstruiert und gebaut. Im März 1829 erlebte die „Civetta“ ihren Stapellauf, doch die Lieferung der Dampfmaschine ließ noch vier Monate auf sich warten. 

Am 1. Juli 1829 fand dann die langersehnte Probefahrt statt, an der etwa 40 Personen an Bord teilnahmen. Hunderte Zuschauer sahen dem Treiben vom Ufer aus zu.  Das Schiff legte um 11 Uhr von der Werft im Norden des Borgo Teresiano mit Kurs auf den Molo Teresiano ab und erreichte eine Geschwindigkeit von rund einem Knoten. Drei Teilnehmer an der Probefahrt bezeugten, dass man schon einige hundert Meter über die Landspitze von Sant‘ Andrea hinaus war, als ein fehlerhaftes gelötetes Dampfrohr aufbrach und durch den Druckverlust die [Maschine|Thema/Maschinen] zum Stillstand brachte. Letztlich musste die „Civetta“ in den Hafen zurückgeschleppt werden und ein langjähriger, zermürbender Rechtsstreit mit Financier Fontana nahm seinen Anfang. 

Zwar gewann der Erfinder den Prozess, doch das Geschäft mit seiner wegweisenden Erfindung machten andere, die dafür auch den Ruhm und die Anerkennung einheimsten. Als besonders demütigenden Wink des Schicksals mag es Ressel empfunden haben, als 1840 das erste Schraubendampfschiff unter englischer Flagge im Triestiner Hafen einlief. Es sollte allerdings weitere neun Jahre dauern, bis erstmals ein Schraubenschiff unter österreichischer Flagge fuhr – eine Dampfjacht der Kriegsmarine. Der Durchbruch setzte erst ein, als der „Österreichische Lloyd“ in Großbritannien ab 1852 die drei Schraubendampfer „Ionio“, „Smirne“ und „Fiume“ auf Kiel legen ließ.

Als der Erfinder am 10. Oktober 1857 auf einer Dienstreise in Laibach an einem Malaria- oder Typhusfieber starb, war er bereits weitgehend vergessen. Auch die Stadt Triest tat sich schwer mit ihrem Erfinder: Fünf Jahre nach seinem Tod hatte der Triestiner Stadtrat auf Grund eines Gutachtens der Wiener Akademie der Wissenschaften, wonach Ressel nicht mit Sicherheit als Erfinder der Schiffsschraube bezeichnet werden könnte, ein Monument und somit ein Gedenken im öffentliche  Raum abgelehnt.

Schließlich fand ein von Anton Dominik Fernkorn gestaltetes Standbild vor der Wiener Technischen Universität  im heutigen Resselpark Aufstellung und wurde im Jänner 1863 enthüllt. 

!Literatur 
* Denkschrift Josef Ressel .Hg. vom Comité für die Centenarfeier Josef Ressel’s, (Wien 1893); 
* František Houdek, Schrulle, Schraube, Schiffe oder: Aus Böhmen am Meer nach Triest. 
* Josef Ressel aus der ostböhmischen Stadt Chrudim erfand den Schiffspropeller. In: Pavel Šmíd (Red.): Im Herzen Europas, Zeitschrift der Tschechischen Republik, Nr. 4, (Pardubice 2006). 
* Friedrich Prasky, Josef Ressel. Legenden und Tatsachen, (Wien %%sup 6/%2015); 
* August Wess, Josef Ressel. Ein Pionier für die Einführung der Schiffsschraube. In: Blätter für Technikgeschichte, hg. v. Forschungsinstitut für Technikgeschichte des Technischen Museums für Industrie und Gewerbe, Bd. 19, (Wien 1957).




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