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Als den Wienern ein Licht aufging#

Stephan Rómer gründete die erste Zündholzfabrik im Habsburgerreich.#


Von der Wiener Zeitung, (Freitag, 2. September 2011) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Josef Andersch und Manfred Bermann


Stephan Rómer
Der Mann mit den Zündhölzern: Stephan Rómer (1788- 1842).Porträt (St. R. zugeschrieben).
© Techn. Museum Wien. Repros (3): A. Dissanayake

Wer heute ein Zündholz zum Entflammen bringt, wird kaum daran denken, dass dieses jetzt so unscheinbare Produkt einst als segensreiche Verbesserung von Wien aus seinen Werdegang begann.

Stephan Ladislav Rómer, Edler von Kis-Enyitzke wurde am 26. Dezember 1788 als Sohn eines nicht wohlhabenden Advokaten in Nagy Sáros, Komitat Sáros, in Ungarn geboren.

Sein Vater ermöglichte dem aufgeweckten Jungen den Besuch des Gymnasiums in Ujhely (Sátoraljaújhely, Neustadt am Zeltberg; heute an der slowakisch-ungarischen Grenze). Nach Abschluss der Schule kam Rómer mit 14 Jahren zu einem Apotheker in die Lehre, welche er 1805 beendete, um dann in Kassa (Košice) in einer Apotheke ein Praktikum zu absolvieren und nebenbei ein philosophisches Studium zu beginnen. 1808 übersiedelte er nach Wien.

Ob Rómer seinen Adelstitel ererbte oder später erwarb, lässt sich heute nicht mehr eruieren. Auf jeden Fall war es für ihn ein Titel ohne Mittel. Ohne Startkapital in Wien eingetroffen, ohne Kenntnis der deutschen Sprache, musste er sein Leben meistern.

Nachdem er das Deutsche hinlänglich beherrschte, trat er beim Apotheker Dr. Joseph Scharinger in Dienste. Gleichzeitig studierte er Pharmazie an der Universität Wien und schloss 1814 sein Studium ab ("Magister Pharmaciae").

Im selben Jahr heiratete Rómer Baronesse Josepha von Langen. Sie erbte nach dem baldigen Tode ihrer Mutter, einer Gräfin von Vellasco, einen ansehnlichen Geldbetrag, und mit diesem wollte Rómer in Ungarn eine Apotheke kaufen. Seine Gattin begleitete ihn dorthin, die ererbten Geldmittel vertraute er inzwischen Geschäftspartnern an. Nach der Rückkehr musste das junge Ehepaar feststellen, dass die "Treuhänder" mit dem Geld verschwunden waren.

Daher trat Rómer 1815 eine Stelle in der k.k. Feldapotheke an und machte gemeinsam mit seiner Frau den Feldzug gegen Frankreich mit (Napoleons Herrschaft der 100 Tage). Nach dessen Beendigung wurde er wieder beim Apotheker Dr. Scharinger aufgenommen.

Die "Tunkhölzchen"#

Erneut mittellos, begann Rómer neben seiner beruflichen Tätigkeit mit Experimenten zur Verbilligung und Verbesserung der damals üblichen Geräte zur Feuererzeugung. Damit hatte er so große Erfolge, dass er sich 1822 selbstständig machen konnte ("Laboratorium" am Landstraßer Glacis Nr. 428). Zu dieser Zeit waren die Apparate zur Feuererzeugung noch sehr teuer, kompliziert und auch gefährlich. Rómer entwickelte Verbesserungen beim sogenannten Döbereiner Feuerzeug und vertrieb in seiner späteren "Haupt-Verschleiß-Niederlage in der Stadt auf dem Kärntnerthor-Theaterplatze Nr. 1035" Zündgeräte in großer Auswahl.

Daneben aber experimentierte Rómer mit den chemischen Grundstoffen und verbesserte laufend die Möglichkeiten, Feuer leichter, billiger und schneller zu erzeugen. Bald hatte er wieder eine gute finanzielle Basis erwirtschaftet. Sein Interesse konzentrierte sich nun auf die Herstellung von "Tunkhölzchen", welche aber immer noch nur sehr schwer zum Entzünden gebracht werden konnten. Diese Tunkhölzchen, ursprünglich als Erfindung dem Franzosen Chancel (1805 oder 1812) zugeschrieben, bestanden aus Kaliumchlorat, später Salpeter als Oxidationsmittel unter Beimengung von Schwefel (oder Antimonsulfid) und Zucker sowie einem Bindemittel auf einem Holzstäbchen. Die Zündung erfolgte durch Eintauchen in konzentrierte Schwefelsäure, später durch Reibung an mit Schwefelsäure getränktem Asbest.

Unsichere Produkte#

Mit einigem Geschick brachte die Verpuffung (manchmal) eine Entzündung der Hölzchen zustande; meist reagierten sie eher wie Knallkörper - und sehr oft funktionierten sie überhaupt nicht wegen Oxidation bzw. Feuchte bei längerer Lagerung. Des Weiteren war der Gestank (wegen Schwefeldioxids) beträchtlich. Es war aber auch bekannt, dass die Anreibung am (giftigen) weißen Phosphor die Hölzchen sicher zur Entzündung brachte; die rote (ungiftige) Phosphorvariation wurde erst 1847/1848 entdeckt. Die chronische Phosphornekrose bei den Arbeitern war zu dieser Zeit auch noch nicht erkannt. Etwa zeitgleich (1833) werden ähnliche Produkte dem deutschen späteren Revolutionär J. F. Kammerer aus Ludwigsburg bei Stuttgart, im italienischen Schrifttum Domenico Ghigliano aus Dogliani, Piemont, zugeordnet. In Frankreich wird C. Sauria als Erfinder des Streichholzes, noch vor Rómer, angesehen.

Chlor-Zündhölzchen
Chlor-Zündhölzchen.
© Deutsches Museum München. Repro: Moritz Ziegler

Doch erst die Beimengung von Phosphor in der Zündmasse brachte den entscheidenden Durchbruch, und diese erstmalige Entdeckung darf sich Rómer zugute schreiben. Bereits am 30. Juni 1832 suchte er um ein Privileg (Patent) zur Erzeugung für Reibzündhölzer (zünden an jeder rauen Fläche) mit einer Phosphormasse an. Dieses Privileg (Nr. 2008) wurde ihm jedoch erst 1 ½ Jahre später, am 4. Jänner 1834, zuerkannt.

In der Zwischenzeit hatten bereits einige Nachahmer versucht, Rómers Erfindung zu vermarkten. Zahlreiche Eingaben Rómers, sogenannte Hofrekurse, gegen die Konkurrenz geben davon Zeugnis.

Endlich, mit Erlangen des Patentes, konnte Rómer seine Streichhölzchen "privilegiert" fertigen und auf den Markt bringen. Seine Erzeugnisse fanden bald reißenden Absatz.

Es wurde derart expandiert, dass aus dem anfänglichen Familienbetrieb von Rómer und seiner zweiten Frau Katharine (geb. Rieger, verh. 1822) ein ansehnliches Unternehmen wurde, in dem später bis zu 200 "tägliche Arbeiter" Beschäftigung fanden. Seine "Allumettes Viennoises" (Wiener Zündhölzchen) erfreuten sich bald großer Beliebtheit in vielen Ländern. Rómers Wirkungsbereich lag in der damaligen Vorstadt Am Schaumburger Grund, Favoritenlinienwall Nr. 37. Schon 1829 hatte er den oberen Gartenteil des früheren Starhemberg’schen Gartens aufgekauft. Das ehemalige, nahe dem Linienwall gelegene "Belvedere" des Starhemberg’schen Schlosses ließ Rómer zu einem Landhaus umbauen, welches dann als "Drasche-Villa" in der heutigen Schelleingasse bezeichnet wurde. In der späteren Schönburggasse 31 errichtete Rómer die erste Zündholzfabrik auf dem Gebiet des Kaiserreiches Österreich.

Gegen seine unmittelbaren Wiener Konkurrenten wie dem Kaufmann A. M. Pollak sowie Johann Preshel, ein ursprünglicher Mitarbeiter in seinem Betrieb (welcher sich später sogar mit Pollak verbündete), und auch Joseph Si(e)gl aus Ottakring musste Rómer seit der Hauptpatenterteilung (1834) bis zu seinem Tode permanent kämpfen.

Spätere Verbesserungen, z.B. Ersatz des Kaliumchlorats durch Bleidioxid, welche ihm teilweise von außen zugetragen wurden, wie vom ungarischen Studenten János Irinyi, verwendete Rómer gegen angeblich mickrige Bezahlung sofort. (Das Bleidioxid wurde kurz danach wieder durch ein Gemisch von Bleinitrat und Mennige ersetzt.)

Freund Grillparzers#

Durch zunehmenden wirtschaftlichen Erfolg als "Fabriks-Besitzer" wurde Rómer bald zu einem angesehenen Mitglied der Wiener Gesellschaft. Zu seinem Freundeskreis gehörten der Dramatiker Franz Grillparzer, der Journalist (und gefürchtete Theaterkritiker) Moritz Gottfried Saphir, der Theaterdichter Ignaz Franz Castelli u.v.m. Dank seiner wirtschaftlich guten Position konnte sich Rómer nun auch als Wohltäter engagieren. Auf Initiative seines Schwiegersohnes, des Armenarztes Dr. Vincenz Alexovits, gründete er das (unentgeltliche) St. Joseph Kinderspital im vorherigen Rosenbaum’schen Garten in der heutigen Kolschitzkygasse (1813-1862 Liniengasse). Das Startkapital von 2.400 Gulden verdoppelte die Kaiserin-Mutter. Am 19. März 1842 wurde das Spital eröffnet.

Massenproduktion#

Rómers Erfolge gründeten sich von Beginn an auf seine Weitsicht als Unternehmer. Er war der Erste, welcher sofort den 1821 konstruierten Zündholzhobel einführte, eine Erfindung des Modelltischlers an der Universität Wien, Heinrich Weilhöfer. Damit war es möglich, die Hölzchen auf mechanischem Weg zu fertigen. Vorher mussten sie, hauptsächlich von Insassen der Invaliden- und Versorgungshäuser, noch von Hand geschnitzt werden.

Cigarren-Zünder
Cigarren-Zünder.
© Bild v. M. Bermann zur Verfügung gestellt (Standort unbekannt).

Ebenso führte Rómer den vom St. Pöltener Bergwerksinspektor Joseph Zwierzina 1829 patentierten Tunkrahmen ein, mit dem 10.000 Hölzchen gleichzeitig in die Zündmasse eingetaucht werden konnten. Diese mechanischen Verbesserungen erlaubten es, neben den chemischen Entwicklungen, die Zündhölzer immer rationeller und billiger herzustellen.

Bei einer Inspektion seiner Baustelle am Gelände der Fabrik verunglückte Rómer am 30. Juli 1842 und verstarb an den Folgen seines Sturzes (Eintrag im Totenbeschaubuch: "an zufällig erlittenen Verletzungen"). Rómer wurde am katholischen Matzleinsdorfer "Leichenhof", seit 1923 der "Waldmüllerpark", begraben (Grabstein Nr. 43 im Grabmalhain). Der Nekrolog findet sich übrigens am 8. November 1842 in der "Wiener Zeitung".

Nach seinem Tod übernahm Gattin Katharine das Unternehmen für vier Jahre, bis auch sie verstarb. Eine Tochter Rómers, Adelheid Simonet, versuchte anschließend mit ihrem Mann die Fabrik zu führen. Sie übergab aber bald an ehemalige Mitarbeiter, welche nicht versäumten, sich später als die "Erfinder" des Streichholzes zu rühmen.

Die geistigen Wurzeln Stephan Rómers reichen bis in die Gegenwart: Die letzte Zündholzfabrik der Monarchie im böhmischen Sušice (Schüttenhofen) war von seinen ehemaligen Mitarbeitern Adalbert Scheinost und Maria Urbanova begründet worden und produzierte bis Ende 2008.


Josef Andersch war im Berufsleben Reprotechniker in Wien. Seine Liebe zu den künstlerisch oft hervorragend gestalteten Kleinstplakaten (Zündholzetiketten) beschäftigt ihn seit über 50 Jahren. Seine Sammlung umfasst ca. 250.000 Etiketten aus aller Welt.

DI DDr. Manfred Bermann ist Chemiker und Arzt für Allgemeinmedizin in Wien. Seit fast 30 Jahren gehört er der Gruppe Phillumenie (Sammler von Zündholzschachteln und verwandten Gebieten) in Wien an. Seine Sammlung aus allen Ländern und Epochen umfasst derzeit ca. 25.000 Schachteln.

Wiener Zeitung, Freitag, 2. September 2011
--> Wie ein Lauffeuer um die Welt (Essay)


Schon eine wirklich faszinierende Geschichte und noch dazu wahr...der Übergang zur industriellen Fertigung erinnert an Carl Grundmann, der als erster in der größten Schließwarenfabrik der Monarchie in Herzogenburg Schlösser maschinell herstellte, wodurch sich dann fast jeder ein Schloss leisten konnte....

-- Glaubauf Karl, Donnerstag, 6. November 2014, 16:38