__Albertina__ \\ \\
! 27. Februar bis 31. Mai 2015
__ Von der Schönheit der Natur. Die Kammermaler Erzherzog Johanns __ \\
[{Image src='EJ.jpg' class='image_left' width='200'alt ='Leopold Kupelwieser: Erzherzog Johann im Rock mit grünem Aufschlag, 1828' height='200' popup='false'}]
Mit der Ausstellung „Die Kammermaler Erzherzog Johanns“ zeigt die Albertina 150
Meisterwerke der österreichischen Aquarellmalerei. Auftraggeber dafür war Erzherzog
Johann (1782-1859), der mehrere Künstler – unter ihnen Jakob Gauermann, Matthäus Loder
und Thomas Ender – als „Kammermaler“ in seine Dienste nahm. Ihre Aufgabe war es, Darstellungen der alpenländischen Regionen, vor allem des Herzogtums Steiermark, anzufertigen. So entstand ab 1802 eine höchst qualitätsvolle Sammlung von annähernd 1500 Blättern. Sie beinhaltet vor allem Veduten aber auch Trachtendarstellungen und Ansichten von frühen Industrieanlagen. Von besonderem Reiz sind zusätzlich die bildlichen Schilderungen von Begebenheiten aus dem Leben von Erzherzog Johann. \\ \\ \\ \\ \\
Die Kammermaler: \\
__Johann Kniep (1779-1809)__ \\
[{Image src='EJ Kneip.jpg' class='image_left' width='200' alt='Johann Kniep: Admont mit dem Hochtor, 1808' height='200' popup='false'}]
Zum kaum dreißig Jahre währenden Leben von Johann Kniep gibt es nur wenige biografische Daten: Er wird 1779 in Wien als Sohn eines Gürtlers geboren und studiert ab 1793 an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Landschaftsklasse bei Johann Christian Brand und Friedrich August Brand. Frühe Zeugnisse von Knieps Tätigkeit als Vedutenmaler und - stecher zeigen ihn als direkten Nachfolger der Ansichtenkunst der Generation von Carl Schütz, Johann Ziegler und Laurenz Janscha, welcher an der Akademie die Stelle eines Korrektors innehat.
Kniep wird ab 1802 der erste Kammermaler Erzherzog Johanns und auch der erste Künstler,
der den Prinzen auf Reisen durch die Steiermark begleitet. Von den steiermärkischen
Ansichten, die Kniep angefertigt hat, haben sich annähernd dreißig Aquarelle im Besitz der
Nachkommen des Erzherzogs erhalten. Vorwiegend sind es Landschaftsaufnahmen vor allem der Obersteiermark, die sich über Johanns Tagebuchaufzeichnungen den Reisen zuordnen und somit datieren lassen. Sie dienen der landeskundlichen Bestandsaufnahme und sollen das von Erzherzog Johann geplante statistisch-topografische Werk über Innerösterreich illustrieren.
Johann Kniep begleitet den Erzherzog aber auch auf zwei militärischen Dienstreisen: 1804
nach Krain, Venetien und in die Lombardei, 1806 in das kroatische Küstenland, nach Triest, in das Kanaltal und nach Kärnten. Die Zeugnisse dieser Unternehmungen, ursprünglich in zwei Klebebänden zusammengefasst, gelangten in den Kunsthandel.
Johann Kniep stirbt am 30. Juli 1809 in Wien. Das Totenprotokoll gibt als Todesursache
Nervenfieber an. Der Künstler hat für seinen Auftraggeber insgesamt etwa 200 Werke
geschaffen.
Johann Knieps früheste Werke für Erzherzog Johann stammen von einer 1802
unternommenen Reise. Sie zeigen vor allem Orte aus dem Mur- und Mürztal und bilden das
visuelle Äquivalent zu einer geplanten "Beschreibung des sittlichen und politischen
Zustandes der Bewohner des Thales Neuberg im Mürzthale Steyermarks", die Erzherzog
Johann ab 1810 intensiv verfolgt, welche jedoch nie veröffentlicht wird. Obwohl Knieps
Arbeiten für den Erzherzog in der nur kurzen Zeitspanne von sechs Jahren entstehen, zeigen sie künstlerische Fortschritte und ein zunehmendes Verständnis für die Ideenwelt des
Auftraggebers. Während die ersten Aufnahmen noch ziemlich schematisch und im Kolorit
eintönig erscheinen, sind die späteren Blätter von einer natürlicheren Farbigkeit und
großzügigeren Landschaftsausschnitten geprägt. Bei aller dokumentarischen Genauigkeit in
der Wiedergabe der Örtlichkeit erzielt Kniep durch seine Licht- und Farbgestaltung eine
Verklärtheit, ja ein Entrückt-Sein der Natur, die unberührt und unverdorben erscheint. Damit
kommt der Kammermaler dem Empfinden und dem Idealbild seines Auftraggebers entgegen. \\ \\
__Karl Ruß(1779-1843)__\\
[{Image src='EJ Russ.jpg' class='image_left' width='200' alt='Karl Ruß: Leobnerinnen, 1810/11' height='200' popup='false'}]
Karl Ruß wird am 11. August 1779 als Sohn böhmischer Eltern in der Wiener Vorstadt
Laimgrube geboren. Schon früh zeigt sich sein außergewöhnliches künstlerisches Talent, und
er erhält Mal- und Zeichenunterricht bei unterschiedlichen Lehrern. 1794 wird er an der
Akademie der bildenden Künste in Wien in die Klasse des Historienmalers Hubert Maurer
aufgenommen und bekommt während seines bis 1810 dauernden Studiums immer wieder
Förderstipendien. Von patriotischem Eifer erfüllt, verschreibt er sich zunehmend der
Historienmalerei, strebt Erneuerungen in der Porträtmalerei an und befasst sich auch mit
druckgrafischen Techniken.
Erzherzog Johann wird durch das Historienbild Hekuba auf den jungen Künstler aufmerksam
und verpflichtet ihn in der Nachfolge von Johann Kniep als zweiten Kammermaler. Von 1810
bis 1818 begleitet Ruß seinen Auftraggeber auf dessen Reisen durch die Alpenländer. Seine
Aufgabe besteht vor allem darin, die Trachten in den verschiedenen Regionen exakt
festzuhalten. Seine Serie von 35 Trachtenbildern ist bis heute eine aufschlussreiche
volkskundliche und kostümgeschichtliche Quelle und durch Reproduktionen auf Postkarten
bekannt. Tagebuchaufzeichnungen des Erzherzogs lassen auf ein nahes Verhältnis der beiden
beinahe gleichaltrigen Männer schließen. Bis tief in die Nacht unterhält man sich über
Geschichte, die Völker der Antike und der Gegenwart und "allgemeine Weltgesetze".
Im Jahr 1818 wird Ruß auf Empfehlung Erzherzog Johanns zweiter Kustos an der k. u. k.
Gemäldegalerie im Belvedere; 1821 avanciert er zum ersten Kustos und scheidet aufgrund
dieser beruflichen Karriere als Kammermaler aus. Die Funktion des Kustos übt er bis zu
seinem Tod am 19. September 1843 aus. \\
Besonderer Stellenwert im Rahmen der landeskundlichen Bestandsaufnahme der Steiermark
kommt den Trachtenbildern zu. Aus Karl Ruß' Schaffensperiode als Kammermaler Erzherzog
Johanns stammen über dreißig Trachtenblätter. In seinen monumental-statischen
Trachtendokumentationen liegt der Fokus auf den Personen und deren Kleidung. Die
Trachtenfiguren erscheinen groß und anschaulich im Vordergrund, in kennzeichnender
Haltung und Adjustierung. Sie scheinen untereinander nicht in Verbindung zu stehen und
blicken dem Betrachter meist frontal entgegen; einige sind im Profil, einige in Rückenansicht
zu sehen, wohl auch zwecks Abbildung besonderer Zierelemente und der genauen
Schnittführung der Trachten. Obschon die umgebende Landschaft von untergeordneter
Bedeutung ist, sind in manchen Aquarellen topografische Einzelheiten enthalten, die
regionale Zuordnungen ermöglichen.
Mit dieser Auftragsarbeit begibt sich Karl Ruß, ein zum Historienmaler ausgebildeter
Künstler, auf Neuland. Und doch bedient Ruß mit seinen Abbildungen des "einfachen Volkes"
eine Idealvorstellung, von der sein Auftraggeber beseelt war. Durch die exakte Modeliierung,
den strengen Kontur und die isolierte Stellung verleiht Karl Ruß den Figuren Haltung und
Würde. Sie repräsentieren das überschaubare Leben auf dem Land als wertvollen und
schützenswerten Gegenpol zur Beliebigkeit und menschlichen Kälte des Großstadtlebens. \\ \\
__Jakob Gauermann (1773-1843) __ \\
[{Image src='EJ Gauermann.jpg' class='image_left' width='200' alt='Jakob Gauermann: Brunn bei Wildalpen, 1812' height='200' popup='false'}]
Jakob Gauermann wird am 3. September 1773 in Öffingen bei Stuttgart als Sohn eines
mittellosen Landtischlers geboren. Schön früh reift in ihm der Wunsch, Maler zu werden. Als
kaum Dreizehnjährigen schickt ihn sein Vater nach Hohenheim zu einem Vetter, der für
Herzog Karl Eugen von Württemberg als Steinmetz tätig ist. Dort arbeitet Gauermann
zunächst als Hilfsarbeiter, dann als Lehrling. Trotz der schweren Arbeit zeichnet er in der
Freizeit und kann schließlich, protegiert durch einen Kammerherrn, als Stipendiat des
Herzogs die Karlsakademie in Stuttgart besuchen. Allerdings erhält er dort nicht die ersehnte
Ausbildung zum Maler, sondern jene zum Kupferstecher und Kupferdrucker, worauf er die
Akademie 1792 freiwillig verlässt.
Für seinen frühen Gönner Carl Lang, einen Verleger aus Heilbronn, entstehen 1794 die ersten
Arbeiten, und dieser ermöglicht es ihm auch, zur weiteren künstlerischen Ausbildung nach
Wien zu reisen. Nach dem baldigen Bankrott seines Förderers bestreitet Gauermann seinen
Lebensunterhalt mit druckgrafischen Arbeiten und als Zeichenlehrer. Den ersten Erfolg
erzielt er ,809 mit seinem Beitrag zum topografisch-kulturhistorischen Ansichtenwerk des
Grafen Alexandre de Laborde.
1811 begleitet Gauermann Erzherzog Johann erstmals auf einer Reise durch die Steiermark.
Damit beginnt seine umfangreiche Tätigkeit für den "Steirischen Prinzen", der ihn zunächst
mit der Anfertigung von .Steyrischen Prospecten" beauftragt und erhält den Status eines
Kammermalers mit regelmäßiger Entlohnung, den er bis zu seinem Tod 1843 innehat.
Gauermann hat für Joharin annähernd 200 Werke geschaffen, davon zwei Drittel
Landschaften und ein Drittel figurale Darstellungen. \\
[{Image src='EJ Gauermann2.jpg' class='image_left' width='200' alt='Jakob Gauermann: Ansicht von Bad Aussee, 1821' height='200' popup='false'}]
Als Erzherzog Johann 1811 das .Jnnerösterreichlsche Nationalmuseum Joanneum" in Graz
gründet, intensiviert er gleichzeitig die Bemühungen um eine umfassende statistische
Landesbeschreibung der Steiermark. Auch Jakob Gauermann soll mit seinen Bilddokumenten
dazu beitragen.
Angesichts eines solchen Auftrags würde man nüchterne, realistische Aufnahmen von Land
und Leuten erwarten. Doch dies lässt der damalige Stand der Kunstentwicklung noch nicht
zu: Auch Jakob Gauermann ist einerseits an die Bildmuster der idealen Landschaft,
andererseits an jene der Vedute gebunden. Zudem gehen die Erwartungen des Erzherzogs
über eine reine Dokumentation hinaus. Die Bilder sollen - neben der Wiedergabe
topografischer Gegebenheiten - auch seine schwärmerische Sicht auf "die Alpen" und "das
Gebirgsvolk" zum Ausdruck bringen. Idealisierte und überhöhte Schilderungen hat
Gauermann bereits in seinen frühen Werken umgesetzt. Als er 1811 mit der Ausführung von
.Steyrischen Prospecten" beauftragt wird, ist er prädestiniert für diese Aufgabe, die er ganz
im Sinn Erzherzog Johanns erfüllt. Bei den Aufnahmen von Industrie- und Gewerbebetrieben
richtet sich das Interesse des Erzherzogs eher auf die genaue Darstellung der Einrichtungen.
Entsprechend nüchterner ist das Erscheinungsbild der Arbeiten Gauermanns, die sich diesem
Thema widmen.
Neben den ausgearbeiteten Aquarellen von Jakob Gauermann befinden sich in der Sammlung
Erzherzog Johanns auch zahlreiche Zeichnungen. Es handelt sich dabei vor allem um
Kompositionsentwürfe, an denen sich der Vorgang der Bildfindung sehr gut nachvollziehen
lässt. Zudem hat er auf jenen Zeichnungen, die als Vorlage für Aquarelle dienten, oft sehr
genau vermerkt, wann und für wen diese ausgeführt wurden. So ermöglichen die Blätter
zusammen mit dem von ihm selbst verfassten CEuvreverzeichnis genaue Datierungen seiner
Werke und geben auch Auskunft über seinen Kundenkreis.
Gauermann hat diese Motive zunächst oft mit einem Rötelstift zart skizziert, dann zur
Festlegung der Konturen mit schneller Feder in Bistertusche gearbeitet und schließlich sehr
differenzierte Lavierungen angebracht, die die Helligkeit des Papiergrunds als Licht einsetzen
und den Werken Lebendigkeit verleihen. Die darunterliegende mit Bleistift gezogene
Rasterung erleichterte die Übertragung ins Aquarell. Durch die meisterhafte Beherrschung
dieser spätbarocken Laviertechnik gehören die Kompositionsentwürfe sicherlich zu den
besten Leistungen des Künstlers. \\ \\
__Matthäus Loder (1781-1828) __ \\
[{Image src='EJ Loder.jpg' class='image_left' width='200' alt='Matthäus Loder: Der Ankogel bei Bad Gastein, 1827' height='200' popup='false'}]
Matthäus Loder wird am 3. Mai 1778, als Sohn eines Tapezierers in Wien geboren. 1795 tritt er
in die Manufakturschule für Blumenmalerei ein, kann aber, gefördert durch die Professoren
Heinrich Friedrich Füger und Hubert Maurer, bald in die Maler- und Bildhauerklasse der
Akademie übertreten, wo er bis ,8'0 studiert. Schon früh entwirft er Theater- und
Geschäftsdekorationen und liefert Buchschmuck, Karikaturen und Billetts für Verleger.
Zusätzlich nimmt er Unterricht in .Conversationsmalerey",
Im Jahr 1813 dokumentiert Loder, der sich zum ersten Mal im Gefolge Erzherzog Johanns auf
einer Revisionsreise durch die Brucker Gegend befindet, die industrielle und bäuerliche
Arbeitswelt. Wenig später überträgt man ihm die ehrenvolle Position des Zeichenmeisters
von Marie-Louise, der Gattin Napoleons. Im Frühjahr 1816 folgt er ihr an den Hof von Parma,
kann Florenz und Livorno besuchen, muss aber schon Ende des Jahres aus gesundheitlichen
Gründen seinen Abschied nehmen.
Das Angebot, anstelle seines Freundes Karl Ruß in den Dienst Erzherzog Johanns zu treten,
erweist sich als Glücksfall. Die Vorgabe seines Auftraggebers, die Alpenregionen mit ihrer
Schlichtheit des Alltäglichen festzuhalten, lässt nun "wahre" Inhalte in Loders ursprünglich
rein dekorative Kunst einfließen: Er schafft Kunstwerke, die Johanns Ideenwelt entsprechen.
Schließlich wird Loder zum Chronisten der Liebesgeschichte des Erzherzogs. Sein Fleiß und
Einfühlungsvermögen tragen ihm in den nächsten Jahren eine spürbare Bevorzugung von
Seiten des Erzherzogs gegenüber Jakob Gauermann ein.
Im Herbst 1827 erkrankt Loder schwer und verstirbt am 4. September 1828. Er wird in
Vordernberg, wo er mit seiner Frau im Amtshaus des Erzherzogs zahlreiche Sommermonate
verlebt hat, begraben. Seinen künstlerischen Nachlass hat er Erzherzog Johann vermacht.
Als Erzherzog Johann 1813 zu einer Revisionsreise nach Eisenerz aufbricht, befindet sich
erstmals Matthäus Loder in seinem Gefolge, um fehlendes Bildmaterial zur statistischen
Erfassung der Steiermark zu liefern. Es entsteht eine Fülle von Skizzen aus der Arbeitswelt,
die über die Jahre dazu dient, die frühesten Dokumente der steirischen Eisenindustrie in
Aquarellen auszuarbeiten. Für den jungen Historienmaler, der bis dahin nur grazile, leicht
manierierte Buchillustrationen und Ritteridyllen geschaffen hat, sind diese Sujets zunächst
ungewohnt. Doch schon bald eignet er sich eine neue Bildsprache an, mit der er die Kühnheit
der Technik ebenso wie die Arbeitsabläufe detailgenau schildert. Arbeiter spielen dabei nur
eine untergeordnete Rolle. Sie werden zwar in Studien zunächst detailgetreu skizziert, in den
ausgeführten Werken jedoch als winzige Staffage an den Rand gerückt oder als
Rückenfiguren eingesetzt.
Obwohl Erzherzog Johann die soziale Not der ländlichen Bevölkerung beklagt und viel zur
Verbesserung von deren Arbeitsbedingungen unternimmt, werden die körperliche
Anstrengung und die Mühsal des Broterwerbs als nicht darstellungswürdig befunden. Die
Arbeit der Knappen, Hochofenarbeiter oder Holzknechte wird mit der Tätigkeit von Jägern,
Fischern, Bauern und Hirten gleichgesetzt und damit als natürlich und gottgegeben
angesehen. \\
Neben Darstellungen der Eisenindustrie und der Holzwirtschaft, die für die Erzschmelze von
immenser Bedeutung ist, soll Loder für seinen Auftraggeber auch Viehhaltung,
Milchwirtschaft, Jagd, Fischerei, Transport, ländliches Wohnen, Gerät und Kleidung, ja selbst
Spiele und Freizeitvergnügen der Region des .Brucker Kreises" dokumentieren. Ab 1817 folgt
er einer Marschroute, die Erzherzog johann für ihn zusammengestellt hat. Er zeichnet die
Ausrüstung und Kleidung der Holzknechte, jäger, Fischer und Bauern, beobachtet
Sennerinnen beim Buttern und stellt die Ergebnisse schließlich in Wien in zart und detail reich ausgeführten Aquarellen zu wertvollen Dokumenten zusammen. Die Ansicht selten
vorkommender gemauerter Hütten auf der Aflenzer Hochalpe oder die riesige gemauerte
Feuerstelle im Inneren der Engelmannshütte auf der Sonnschienalm sind noch heute von
großem volkskundlichem Wert.
Loder liefert auch Trachtendarsteilungen. Im Gegensatz zu den Ruß'schen Werken dieses
Themas sind die Dargestellten hier nicht anonym, sondern porträthaft wiedergegeben. Auf
diese Weise verleiht er den "Dokumenten" einen anekdotischen Reiz.
[{Image src='EJ Loder2.jpg' class='image_left' width='200' alt='Matthäus Loder: Erzherzog Johann und Anna Plochl im Boot (I.), um 1824/25' height='200' popup='false'}]
Erzherzog Johann besucht alljährlich das Ausseerland, wo er unter den Bürgern und Beamten einen Kreis Gleichgesinnter findet. Als er im August 1819 wieder in die Gegend kommt, entsenden seine Ausseer Freunde vier junge Mädchen in festlicher Tracht an das Ufer des Toplitzsees, um ihn willkommen zu heißen und an den Grundlsee zu begleiten. Dort
besteigen sie ein Boot, das zum Gasthof Ladner übersetzt. Anna Plochl, die kaum
fünfzehnjährige Tochter des Ausseer Postmeisters, gehört zum Empfangskomitee. johann
weicht nicht mehr von ihrer Seite. Er macht ihr diskret den Hof und nimmt unglücklich
Abschied: Nicht nur der unüberwindbare Standesunterschied, sondern auch seine
finanziellen Verhältnisse lassen eine Verbindung völlig unmöglich erscheinen.
1822 ändert sich die Situation, als Herzog Albert von Sachsen-Teschen johann ein Legat von
200.000 Gulden hinterlässt, das ihn in die Lage versetzt, ein Radwerk (einen Hochofen) in
Vordernberg zu erwerben. Als Radmeister mit Wohnhaus, Waldbesitz und Höfen kann er
Anna eine angesehene bürgerliche Existenz bieten, und so hält er im August bei Irdning um
ihre Hand an. Mit der Erlaubnis des Kaisers wird im Frühjahr 1823 eine Hochzeit auf Burg
Strechau geplant. Doch der Wien er Hof leistet massiven Widerstand, und johann wird
gezwungen, von einer Vermählung Abstand zu nehmen. Ab Herbst 1823 kann er Anna nur als "Hausfrau" auf seinen Besitzungen ein Zuhause geben. Es dauert sechs jahre, bis der Kaiser schließlich nachgibt und die Trauung ,829 auf dem Brandhof in aller Heimlichkeit vollzogen werden kann.
Die Schilderung der Liebesgeschichte der Postmeisterstochter Anna Plochl und Erzherzog
Johanns greift Matthäus Loder in kleinerem Format für Annas Stammbuch noch einmal auf.
Die Folge der kostbar montierten Aquarelle zeigt eine annähernd vollständige Darstellung
der Ereignisse: die Fahrt des Prinzen über den Toplitzsee, die Ankunft beim Gasthof Ladner und den wehmütigen Abschied bei der Traunmühle. Die Zusammenkunft in der Rosenlaube
auf Burg Strechau erinnert an die aufkommenden Schwierigkeiten der Beziehung des sozial
so ungleichen Paares. Die Zukunft wird in der gemeinsamen Betrachtung des Erzberggipfels
angedeutet. Hier haben die beiden ihr Verlöbnis erneuert. Schließlich sieht man als Abschluss
der Reihe das Paar zusammen im Alpengärtchen des Brandhofs sitzen.
Weitere Blätter aus dem Stammbuch zeigen Glückwunschbillets, Vignetten oder allegorische
Darstellungen: Anna als Hüterin des einfachen Lebens, der Treue und Beständigkeit beim
Gießen einer Zirbe, des zähen Baumes des Hochgebirges, den der Prinz als Inbegriff steten
Durchhaltens zum Wappen des Brandhofs erwählt hat.
Neben den Schilderungen der Liebesgeschichte von Erzherzog Johann und Anna Plochl
widmet sich Loder in vielen Blättern Begebenheiten aus dem Leben des Erzherzogs, die er als
steter Begleiter des Prinzen miterlebt hat. So schildert er etwa ein Eisstockschießen auf dem
Leopoldsteiner See oder einen plötzlichen Schneeeinfall im Mai 1826 in Vordernberg, wo
Loder und seine Frau auf Einladung des Erzherzogs seit 1824 jeden Sommer verbringen und
im Amtshaus einquartiert werden, in dem Anna Plochl als "Hausfrau" lebt. Immer wieder
speist der Erzherzog mit den "braven Loderischen" zu Abend und preist die beiden als ein
"Muster der Lieb und Treu". Auch jagdausflüge, die zu johanns größtem Vergnügen gehören,
sowie Bergbesteigungen hält Loder in sogenannten .Erinnerungsblättern" für seinen
Auftraggeber fest. Auch anekdotische Schilderungen befinden sich darunter, zum Beispiel die
Abfahrt vom Ankoge/, die sich auf die Besteigung im August 1826 bezieht. Beim Abstieg
hatten der Prinz und seine jäger auf ihren Mänteln eine Schneefahrt gemacht. Wir sehen
Loder - wie üblich mit Frack und Zylinder - zusammen mit seinem Herrn ins Tal rutschen.
Dies gibt insofern Rätsel auf, als der Maler in Wirklichkeit bei einer Hütte zurückgeblieben
ist, um zu zeichnen. Auch seine Lungenkrankheit hat ihn daran gehindert, den Prinzen auf
seiner waghalsigen Abfahrt zu begleiten.
Der Aufgabenbereich des Kammermalers erweitert sich, als der Prinz die Abbildung der
eigenen Besitzungen für Erinnerungsalben beauftragt. Die Darstellung des Brandhofs mit den
neuen Stallungen steht am Beginn dieser Reihe. Matthäus Loder versteht es, seine
künstlerischen Fähigkeiten gänzlich der Ideenwelt Erzherzog Johanns anzupassen. Im
Gegensatz zu den Arbeiten jakob Gauermanns, an denen der Erzherzog vieles als "gewaltig
gehudelt" beanstandet, bestechen Loders Blätter durch höchste Sorgfalt. In akribischer
Detailtreue zeichnet er nicht nur Gebäude, Wege, Zäune oder Saatbeete, sondern auch die
Kleidung und Ausrüstung der oft nur wenige Millimeter großen Szenerien. Unter Anwendung
der "Micropsie", die auch entfernter Liegendes in einer Schärfe darstellt, die eigentlich große
Nähe voraussetzt, umgeht er die Gesetze der Perspektive. Auf diese Weise erscheinen die
Darstellungsgegenstände bis tief in den Hintergrund in kristalliner Klarheit. Gleichzeitig
entwickelt Loder ein breites Repertoire formelhafter Versatzstücke, die er für Bäume, Wald,
Felsen oder Wasser zur Anwendung bringt. Die Staffage erinnert an die zarten, eleganten Figuren seiner Buchillustrationen. Dabei ersetzt Loder die für die Idylle typischen
Hirtenszenen oft durch Darstellungen des Paares: Erzherzog loharm als Jäger, Anna Plochl als
Sennerin oder Gärtnerin.
"Sein Ernst ist mein bester Gesellschafter" notiert Erzherzog Johann in sein Tagebuch, als er
sich mit Matthäus Loder im August 1826 in Gastein aufhält. Oft reisen sie im einspännigen
offenen Wagen unter dem Jubel der Bevölkerung durch das Land. Es muss Ehre und Ansporn
für Loder gewesen sein, zum engsten Gefolge des beliebten Prinzen zu gehören. In den vier Wochen, die dieser Aufenthalt dauert, begleitet der Kammermaler seinen Herrn
auf Ausflügen zu Gipfeln, Bergwerken oder Aussichtspunkten der spektakulären
Alpenregion. Hier entstehen die Vorarbeiten für die kostbaren Landschaftsansichten, die im
Winter und in den folgenden Jahren ausgeführt werden.
Um der ungewohnten Thematik von Schluchten und Wasserfällen gerecht zu werden, verlässt
Loder die reine Aquarellmalerei, experimentiert mit Deckfarben auf getöntem Papier und
entwickelt Formeln für sprudelndes Wasser und feine Gischtwolken. Die eindrucksvolle Lage
des Badeortes fordert allerdings auch im Bildaufbau neue Lösungen. Hat Loder bereits bisher
dem Vordergrund nur geringe Bedeutung beigemessen, so lässt er ihn auf den Gasteiner
Blättern oft völlig unbeachtet und. erhebt das ferne Panorama allein zum
Darstellungsgegenstand. Wenn der Auftraggeber im Zusammenhang mit diesen Arbeiten
notiert, nun könne man endlich "Wahrheit" in den Landschaften sehen, so bezieht sich dies
nicht allein auf die sachliche Genauigkeit im Detail- vielmehr entspricht die Überhöhung der
Gebirgslandschaft zum idyllischen Ort einer Wirklichkeit, wie sie im Weltbild des Erzherzogs
existiert.
__Thomas Ender (1793-1875)__ \\
[{Image src='EJ Ender.jpg' class='image_left' width='200' alt='Thomas Ender : Ansicht von Brixen, 1845' height='200' popup='false'}]
Thomas Ender wird am 3. November 1793 als Sohn des aus ärmlichen Verhältnissen
stammenden Johann Ender in der Wiener Vorstadt St. Ulrich geboren. 1806 tritt er in die
Wiener Akademie ein und studiert bei Hubert Maurer, Laurenz Janscha und Josef Mössmer.
Fürst Metternich, seit 1810 Präsident der Akademie, wird früh zu seinem Förderer und
ermöglicht ihm, als Bildchronist die österreichische Brasilien-Exkursion 1817/18 mitzumachen,
Kaiser Franz I. 1819 auf dessen Italienreise zu begleiten und ein vierjähriges Romstipendium
anzutreten.
Nach dem Tod Matthäus Loders 1828 wird Ender dessen Nachfolger als Kammermaler. Ab
1829 bereist er die Besitzungen Erzherzog Johanns in der Steiermark, malt bei Aussee und
begleitet seinen Auftraggeber nach Gastein und auf einigen Gebirgstouren. Mit seinen
realistischen Darstellungen der Salzburger Gletscher, des Venedigermassivs und des
Großglockners erreicht er eine neue Dimension der Landschaftsmalerei, die das Bild der
Alpen in aller Welt prägen wird. Ab 1833 vermehrt alleine unterwegs, berichtet Ender in seinen
Briefen an Erzherzog Johann detailliert von seinen Reisen. Er konzentriert sich auf die
Darstellung der schönsten Landschaften Innerösterreichs, vorrangig der Alpengebiete
Salzburgs und Tirols, und begleitet den Erzherzog 1837 auf dessen diplomatischer Reise auf
die Krim, nach Konstantinopel und Griechenland. Im selben Jahr wird er zum Professor an die
Akademie berufen.
Die Revolution 1848 bedeutet das Ende des Kammermaler-Projekts und auch von Enders
Professur. Der Künstler verstirbt am 28. September 1875 in Wien. Seine im Auftrag von
Erzherzog Johann im Zeitraum von über zwanzig Jahren geschaffenen Arbeiten - mit rund
500 Werken ist er der am besten vertretene Künstler in dieser Sammlung - zählen zum
Hauptwerk des Künstlers.
Mit Thomas Enders Berufung zum Kammermaler tritt die von Erzherzog Johann ursprünglich
verfolgte Idee der systematischen Erfassung der Steiermark in den Hintergrund. Steirischen
Gegenden widmet sich der Künstler vornehmlich nur in Zusammenhang mit den Besitzungen
des Erzherzogs: So entsteht eine Serie von Arbeiten, die den Brandhof und dessen
Umgebung, etwa die Seebergalpe, zeigen. Die Erbschaft nach Herzog Albert von Sachsen-
Teschen ermöglicht Erzherzog Johann den Ankauf eines weiteren steirischen Anwesens: 1822
erwirbt er ein Weingut in Pickern bei Marburg, das zu einem Musterweingut mit
nachhaltigem Einfluss auf den steirischen Weinbau werden soll und auf dem er ab 1827 ein
herrschaftliches Winzerhaus errichten lässt. Seinen lang gehegten Wunsch nach einem
Landsitz bei Graz erfüllt sich Johann 1840, als er das in der Weststeiermark gelegene
ehemalige Augustinerchorherrenstift Stainz kauft. Es wird zum eigentlichen Familiensitz der
Grafen von Meran, der Nachkommen des Erzherzogs. Mit Schloss Schenna bei Meran besitzt
Erzherzog Johann ab 1845 schließlich auch ein Tiroler Anwesen. Hier wird er nach
Überführung seiner sterblichen Überreste aus Graz in dem ab 1860 im neogotischen Stil
erbauten Mausoleum 1869 seine letzte Ruhestätte finden.
Der Brandhof bei Mariazell wird für Erzherzog Johann der wichtigste Besitz. Er erwirbt den
ehemaligen Bauernhof am 22. Juli 1818. Hier entsteht eine Musterwirtschaft, die auf die rauen
obersteirischen Verhältnisse ausgerichtet ist.
Nach Zuerkennung einer großen Summe aus dem Testament seines Onkels Herzog Alberts
von Sachsen-Teschen, des Gründers der Albertina, wird der Brandhof ab 1822 erweitert und
kunstvoll ausgestattet. Den Speisesaal lässt Johann von Joseph Daniel Böhrn mit Statuen der
habsburgischen Ahnen schmücken. Dargestellt sind Erzherzog Ferdinand von Tirol (der mit
Philippine Weiser vermählt war und ein ähnliches Schicksal wie Erzherzog Johann mit Anna
Plochl nahm), Karl von Innerösterreich, Maximilian I. und Rudolf I. Die Hauptgruppe zeigt in
der Mitte Kaiser Leopold II., der seinen Sohn, Kaiser Franz I., segnet. Die Glasfenster, gefertigt
von Anton Kothgasser nach Entwürfen von Matthäus Loder, zeigen Besitzungen des
Erzherzogs. Auch das Jägerzimmer wird mit kostbaren Glasgemälden, diesmal von Gottlob
Samuel Mohn, ausgestattet. Jakob Gauermann und Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld
liefern entsprechende Entwürfe für Szenen, die unter anderem ländliches Arbeitsleben und
Industrie zum Thema haben. Zudem wird das Jägerzimmer mit Porträts der Kaiser Franz 11. (I.)
und Maximilian I. sowie mit einem Bildnis Andreas Hofers versehen. Die Integration von Szenen aus Johanns Biografie und aus dem Land- und Arbeitsleben in die Ausstattung des Brandhofs ist als Innovation zu werten.
Als Matthäus Loder im Herbst 1828 verstirbt, tritt der bereits arrivierte Künstler Thomas
Ender die Nachfolge als Kammermaler Erzherzog Johanns an. Nachdem er sich zunächst der
ungewöhnlichen Aufgabe zu widmen hat, die von Loder unvollendet hinterlassenen Arbeiten
fertigzustellen, entstehen ab dem Frühjahr 1829 die ersten eigenständigen Werke für seinen
neuen Auftraggeber. Im Sommer reist er - wie vor ihm Loder - im Gefolge des Erzherzogs
nach Gastein, wo dieser am liebsten seine Sommer verbringt und die umliegenden Berge
besteigt. Ender begleitet ihn auf vielen Wanderungen, so auch auf den Gamskarkogel zur
feierlichen Eröffnung der Hütte, die der Erzherzog auf dem Gipfelplateau hat erbauen lassen.
Zahlreiche Ansichten von Gastein und Umgebung folgen im Laufe seiner Tätigkeit als
Kammermaler. Während die früh entstandene idyllische Ansicht des Englischen Kaffeehauses
einen lebendigen Eindruck des Gasteiner Fremdenverkehrs der Biedermeierzeit vermittelt,
zeigen die späteren Werke deutlich Enders Hinwendung zum reinen Landschaftsbild, das für
seine weiteren Arbeiten für Erzherzog Johann bestimmend wird. Wie präzise der Künstler bei
solchen Aufnahmen die topografischen Gegebenheiten berücksichtigt hat, belegt die
Aussicht vom Kree-Törl ins Großarltal mit den Beschriftungen am oberen Blattrand.
Im August 1828 startet Erzherzog Johann, der als "Pionier des Alpinismus in den Ostalpen" in
die Geschichte eingehen wird, den kühnen Versuch, den bis dahin unberührten Gipfel des
Großvenedigers zu besteigen. Das Unternehmen scheitert nur 300 Meter unter dem Gipfel
dramatisch, als eine Lawine den Führer der Gruppe mit sich reißt. Erst Jahre später,gelingt die Erstbesteigung, an der Erzherzog Johann allerdings nicht beteiligt ist. Der
unbezwungene Berg übt eine große Faszination auf den Erzherzog aus. Es gehört daher zu
Enders wichtigsten Aufgaben gleich zu Beginn seines Dienstes als Kammermaler, das
Venedigermassiv im Bild festzuhalten. Er fertigt beeindruckende Aufnahmen dieser
Hochgebirgsregion an, die gemeinsam mit den rund um Gastein entstandenen Arbeiten zu
seinen frühesten Gletscherbildern gehören. Erzherzog Johann findet großen Gefallen an
diesen Werken, führen sie ihm nicht nur die Schönheit der österreichischen Gebirgswelt vor
Augen, sondern auch mit ihr verknüpfte persönliche Erlebnisse. Er entscheidet vermutlich
nicht zuletzt aufgrund der Großvenediger-Aufnahmen, dass Ender ihn auf seiner nächsten
großen Expedition begleiten soll. Sie führt auf die Glocknergruppe und bedeutet für Enders
künstlerische Entwicklung im Rahmen seiner Kammermaler-Tätigkeit einen ersten
Höhepunkt.
[{Image src='EJ Ender2.jpg' class='image_left' width='200' alt='Thomas Ender Ausguss des oberen Sulzbacher-Venedigers, 1829' height='200' popup='false'}]
Erzherzog Johanns alpinistischer Eifer ist durch die gescheiterte Erstbesteigung des
Großvenedigers keineswegs gedämpft: Im Jahr 1832 folgt der Versuch, die Glocknergruppe
zu bezwingen. Johann bricht mit einem größeren Gefolge, dem auch Thomas Ender angehört,
am 8. August 1832 von Heiligenblut aus auf und wanderte durch das Mölltal Richtung Kaprun.
In der Gegend des Schwarzköpfls wird die Expedition abgebrochen; den "hohen breiten
Eiskopf, den niemand zu nennen wusste", wie Erzherzog Johann vermerkt, besteigt die
Gruppe nicht mehr. Dieser Firngipfel, der die Pasterze im Hintergrund abschließt, erhält
schließlich von dem Botaniker David Heinrich Hoppe zu Ehren des Erzherzogs und dessen
versuchter Erstbesteigung den Namen .Johannisberg" und erinnert so bis heute an den
berühmten Alpinisten aus dem Hause Habsburg.
Die Gletscherdarstellungen, die im Zuge dieser pionierhaften Expedition entstehen,
markieren einen ersten Höhepunkt in Enders Schaffen für Erzherzog Johann und
demonstrieren in ihrer malerischen Erfassung der Wirklichkeit seine Meisterschaft auf dem
Gebiet der Landschaftskunst. Kaum eine Darstellung des Künstlers ist so bekannt geworden
wie die des Großglockners mit der Pasterze, die - in vielen weiteren Fassungen in Aquarell
und Öl von ihm ausgeführt - gemeinsam mit den Ansichten der Venedigergruppe zu den
frühesten realistischen Hochgebirgsdarstellungen zählt.
Erzherzog Johann fühlt sich dem Land Tirol, in dem er ab 1801 als Generaldirektor des Genie-
und Fortifikationswesens tätig ist, aufs Engste verbunden. Als Tirol im Pressburger Frieden
an Bayern abgetreten werden muss und der Erzherzog sich für den aufständischen
Alpenbund engagiert, wird er von Fürst Metternich mit einem Betretungsverbot für Tirol
belegt, das erst 1833 aufgehoben wird. Tirol tritt sofort wieder in den Blickpunkt seines
Interesses und erschließt auch seinem Kammermaler Ender ein neues Betätigungsfeld.
Dessen intensive Auseinandersetzung mit Tirol beginnt mit einer Reise im Jahr ,839 nach
Südtirol. Tirol wird auch für seine weitere Tätigkeit als Kammermaler das bestimmende
Thema bleiben. Auch hier widmet sich Ender in erster Linie den Alpengebieten und Gletschern und ist stets bemüht, die Ansichten so weit wie möglich vor der Natur
auszuführen - ein angesichts wechselhafter Wetterlagen nicht immer einfaches
Unterfangen. Ein besonders beeindruckendes Werk ist das fast zwei Meter lange Panorama,
das Ender dank rz Tagen anhaltend guten Wetters direkt vor Ort im Stubaital vollenden kann.
Durch seine intensive Beschäftigung mit Tirol teilt Ender bald Erzherzog Johanns
Leidenschaft: "Ich habe Tirol so lieb gewonnen wie ein geborener Tiroler; eine größere
Sehnsucht nach den Bergen dieses schönen Landes kann wohl niemand haben als ich."
Als Thomas Ender zum ersten Mal nach Salzburg reist, prägt sich der Anblick der
Salzburger Berge tief in sein Gedächtnis ein und begründet seine Passion für die
Gebirgsmalerei: "Dieses reiche Land an malerischen Bildern belebte mich mit seinen großen
Gebirgsszenen, dass ich glaube, erst hier lernte ich die Natur zuerst sehen" schreibt er später
in seiner Autobiografie. Seine Salzburger Ansichten sind ausschlaggebend dafür, dass Fürst
Metternich zu seinem ersten wichtigen Förderer und Protektor wird.
Auch für Erzherzog Johann ist der neu erwählte Kammermaler im Salzburgischen unterwegs.
Den Auftakt bilden die Aufnahmen von Gastein und Umgebung, die auf den meist mit dem
Erzherzog gemeinsam unternommenen Wanderungen und Touren entstehen. Ab den ,830er-
Jahren ist der Künstler vermehrt allein unterwegs. Bevor sich sein Interesse gänzlich auf Tirol
verlagert, entstehen im erzherzoglichen Auftrag bis ,842 zahlreiche Salzburger Ansichten,
darunter die hier gezeigten von Salzburg, Werfen, Radstadt und Saalfelden, die belegen, dass
auch bei Enders Stadtansichten stets die Landschaft das eigentliche Hauptsujet ist.
Im Sommer 1837 arbeitet Ender an einer Serie von Donauansichten, als er die Anweisung des
Erzherzogs erhält, nach Odessa zu reisen, um ihn als Bildchronist auf einer diplomatischen
Mission auf die Krim, in die Türkei und nach Griechenland zu begleiten. Ender bricht seine
Studienreise unverzüglich ab, kehrt nach Wien zurück und schifft sich Richtung Galatz
(Galati) ein. Am 23. September trifft er mit einiger Verspätung auf der Krim mit dem
Erzherzog zusammen und macht sich sogleich daran, Sewastopol und dessen Umgebung zu
zeichnen. Auch Unternehmungen des Erzherzogs wie den Besuch mit der russischen
Kaiserfamilie in Baktschi-Serai (Bachtschyssaraj), die Besichtigung der mittelalterlichen
Festungsstadt Tschufut-Kale (Cufut Qale) oder die Besteigung des Tschatirdag (Chatyr-Dag)
hält er in Bildern fest. Am 29. September erreicht die Reisegesellschaft das an der Südküste
der Krim gelegene Jalta, wo bereits das Dampfschiff "Marianne" - das modernste Schiff der
k. k. Kriegsmarine - bereitsteht. Von dort aus tritt man die Weiterreise
Richtung Bosporus an. Als in der Nacht von 2. auf 3. Oktober ein gewaltiger Sturm aufzieht,
entgeht die "Marianne" samt Besatzung nur knapp einer Katastrophe - ein Ereignis, das
Ender in einem an Dramatik kaum zu überbietenden Blatt festhält. Schwer beschädigt
erreicht das Schiff Konstantinopel und muss gründlich überholt werden. Während Erzherzog
loharm sich seinen diplomatischen Geschäften widmet, malt Ender zahlreiche Ansichten, unter denen das detailreiche Panorama mit dem imposanten Blick über den Stadtteil Galata
und auf das Goldene Horn Richtung Altstadt das beeindruckendste ist.
Im Oktober tritt die "Marianne" von Konstantinopel aus über Smyrna (Izmir) und Syra
(Syros) die Weiterreise nach Athen an, wo zunächst Quarantäne gehalten werden muss. Mit
einer Schifffahrt zum Isthmus von Korinth und der Besichtigung der Festungsanlage
Akrokorinth verkürzt man sich die Wartezeit. Nach Aufhebung der Quarantäne wird Athen erkundet. Der Anblick der Akropolis hinterlässt einen tiefen Eindruck bei Erzherzog Johann: "Ich trennte mich schwer von dem Parthenon, es ist das Schönste, was
Athen, was Griechenland aus der Vorzeit zu zeigen hat, dazu noch alles, was die Akropolis
enthält, und die herrliche Lage derselben, die ferne Aussicht über den Piräus und das Meer."
Zahlreiche Ansichten Enders entstehen, die den Zustand der antiken Stadtfestung vor den
Freilegungen und Wiederherstellungen des späteren 19. Jahrhunderts zeigen.
Die Heimreise führt entlang der dalmatinischen Küste Richtung Triest, wo die gesamte
Delegation einen Monat in Quarantäne bleiben muss. In dieser Zeit arbeitet Ender an der
Fertigstellung seiner Aquarelle der Krimreise.ln der Sammlung Erzherzog Johanns haben sich
über 220 Werke, die im Zusammenhang mit dieser denkwürdigen Tour entstanden sind,
erhalten. Es sind kulturhistorische Dokumente, die aufgrund der virtuosen Aquarelltechnik,
in der Ender die unterschiedlichsten Motive in charakteristischen Lichtstimmungen
festgehalten hat, von besonderem Reiz sind.
Die erste Reise nach Südtirol, die Thomas Ender 1839 im Auftrag Erzherzog Johanns
unternimmt, hinterlässt bei ihm einen bleibenden Eindruck. Er ist, wie seinen ausführlichen
Briefen an den Auftraggeber zu entnehmen ist, regelrecht verzückt von der Vegetation und
schwärmt von den fruchtbaren Ebenen, den schönen Weinpflanzungen und ungewöhnlichen
Gebirgsformationen.
Auf seinen in den Sommer- und Herbstmonaten unternommenen Reisen der folgenden Jahre
entstehen Ansichten von Städten, Gebirgspässen und pittoresk gelegenen Schlössern,
Burgen und Ruinen, die die Südtiroler Landschaft prägen. Die Blätter zeigen deutlich Enders
immer stärkere Hinwendung zu kräftigen, satten, vorzugsweise braun-grünen Farbtönen, zu
einem malerischer werdenden Pinselstrich und zu größeren Formaten. Es sind die Arbeiten
eines versierten Künstlers in der Hochblüte seines Schaffens, der die Technik des Aquarells
souverän beherrscht.
Ein besonderes Zeugnis seiner letzten für seinen Auftraggeber unternommenen Reise im Jahr
1847 ist ein Panorama, das Ender am Gardasee aufnimmt. Es steht am Ende der überaus
produktiven Tätigkeit des Kammermalers für Erzherzog Johann, die er in seinem Bericht an
diesen mit den programmatischen Worten zusammenfasst: "Meine Aufgabe ist, das Ganze
zu erfassen, ich fühle mich recht glücklich, die Schönheit ... durch mein Kunststreben für
meinen gnädigsten Herrn in Bildern der Zukunft aufbewahren zu dürfen."
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