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Die wahre Macht des Sonnenwinds#

Elektrisch geladene Teilchen von der Sonne schlagen mit großer Wucht auf Monden und Planeten ein. Was dabei passiert, lässt sich durch neue Forschungsergebnisse der TU Wien erklären.#

Teilchen von der Sonne treffen mit hoher Geschwindigkeit auf dem Merkur ein
Teilchen von der Sonne treffen mit hoher Geschwindigkeit auf dem Merkur ein.
Foto: © NASA / TU Wien

Die Planeten und Monde unseres Sonnensystems werden ununterbrochen bombardiert – durch rasend schnelle Teilchen, fortgeschleudert von der Sonne. Auf der Erde hat das, abgesehen von den faszinierenden Polarlichtern, kaum Auswirkungen, weil uns die dichte Atmosphäre und das Magnetfeld der Erde vor diesen Sonnenwind-Teilchen schützen. Doch am Mond oder auf dem Merkur sieht die Sache anders aus: Dort wird die oberste Gesteinsschicht nach und nach durch einschlagende Sonnen-Partikel abgetragen.

Neue Ergebnisse der TU Wien zeigen nun, dass bisherige Modelle dieses Prozesses unvollständig sind. Das Sonnenwind-Bombardement hat teilweise viel drastischere Auswirkungen als bisher gedacht. Wichtig sind diese Erkenntnisse unter anderem für die ESA-Mission BepiColombo, Europas erste Merkur-Mission. Die Ergebnisse wurden nun im Planetologie-Fachjournal „Icarus“ veröffentlicht.

Eine Exosphäre aus zerschossenem Gestein#

„Der Sonnenwind besteht aus geladenen Teilchen – hauptsächlich aus Wasserstoff- und Helium-Ionen, aber auch schwerere Atome bis hin zu Eisen spielen eine Rolle“, erklärt Prof. Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. Diese Teilchen treffen mit einer Geschwindigkeit von 400 bis 800 km pro Sekunde auf dem Oberflächengestein auf und können dabei zahlreiche andere Atome herausschleudern. Diese Teilchen können hoch aufsteigen, bevor die wieder zur Oberfläche zurückfallen, dadurch entsteht rund um den Mond oder den Merkur eine „Exosphäre“ – eine extrem dünne Atmosphäre aus Atomen, die durch Sonnenwind-Bombardement aus dem Oberflächengestein herausgeschlagen wurden.

Diese Exosphäre ist für die Weltraumforschung höchst interessant, denn aus ihrer Zusammensetzung kann man auf den chemischen Aufbau der Gesteinsoberfläche schließen – und es ist deutlich einfacher, die Exosphäre zu analysieren als ein Raumfahrzeug auf der Oberfläche zu landen. Die ESA wird im Oktober 2018 die Sonde BepiColombo zum Merkur schicken, die aus der Zusammensetzung der Exosphäre Information über die geologischen und chemischen Eigenschaften des Merkurs gewinnen soll.

Auf die Ladung kommt es an#

Dafür ist es aber nötig, die Auswirkungen des Sonnenwindes auf das Gestein genau zu verstehen, und genau dabei gab es bisher noch entscheidende Wissenslücken. An der TU Wien untersuchte man daher nun die Auswirkung von Ionenbeschuss auf Wollastonit, ein typisches Mondgestein. „Bisher ging man davon aus, dass in erster Linie die Bewegungsenergie der schnellen Teilchen dafür verantwortlich ist, dass die Gesteinsoberfläche atomar zerstäubt wird“, sagt Paul Szabo, Dissertant im Team von Friedrich Aumayr und Erstautor der aktuellen Publikation. „Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Wir konnten zeigen, dass die hohe elektrische Ladung der Teilchen eine entscheidende Rolle spielt. Sie ist der Grund, dass die Teilchen auf der Oberfläche viel mehr Schaden anrichten können als bisher gedacht.“

Wenn die Teilchen des Sonnenwindes mehrfach geladen sind, wenn ihnen also mehrere Elektronen fehlen, dann tragen sie eine große Menge an Energie, die beim Einschlag blitzartig freigesetzt wird. „Wenn man das nicht berücksichtigt, schätzt man Auswirkungen des Sonnenwindes auf verschiedene Gesteine ganz falsch ein“, sagt Paul Szabo. Daher kann man mit einem falschen Modell aus der Zusammensetzung der Exosphäre auch keine exakten Schlüsse auf das Oberflächengestein ziehen.

Den weitaus größten Anteil des Sonnenwindes bilden Protonen, und so dachte man bisher auch, dass sie das Gestein am stärksten beeinflussen. Doch wie sich nun zeigt, spielt in Wirklichkeit Helium die Hauptrolle, weil es im Gegensatz zu den Protonen gleich doppelt positiv geladen sein kann. Auch der Beitrag schwererer Ionen mit noch größerer elektrischer Ladung darf nicht vernachlässigt werden.

Für diese Erkenntnisse war eine Kooperation verschiedener Forschungsgruppen nötig: Hochpräzisions-Messungen wurden mit einer speziell am Institut für Angewandte Physik entwickelten Mikrowaage durchgeführt. Am Vienna Scientific Cluster VSC-3 wurden aufwändige Computersimulationen durchgeführt, um die Ergebnisse richtig deuten zu können. Die Computercodes waren ursprünglich für die Kernfusionsforschung entwickelt worden – denn auch dort spielen Teilchen, die mit hoher Energie auf Oberflächen einschlagen, eine wichtige Rolle. Auch das Analytical Instrumentation Center und das Institut für Chemische Technologien und Analytik der TU Wien lieferten wichtige Beiträge.

Kooperationspartner des Forschungsprojektes waren außerdem das Physik-Institut der Universität Bern und das Weltrauminstitut der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz, das nun auch mithelfen soll, die neuen Erkenntnisse in die Analyse der bevorstehenden ESA-Weltraummission einzubringen.

Originalpublikation:#

Solar Wind Sputtering of Wollastonite as a Lunar Analogue Material – Comparisons between Experiments and Simulation; P. Szabo, R. Chiba, H. Biber, R. Stadlmayr, B. Berger, D. Mayer, A. Mutzke, M. Doppler, M. Sauer, J. Appenroth, J. Fleig, A. Foelske-Schmitz, H. Hutter, K. Mezger, H. Lammer, A. Galli, P. Wurz, F. Aumayr; Icarus, 2018, DOI: 10.1016/j.icarus.2018.05.028

Die ESA-Mission Bepicolombo: http://sci.esa.int/bepicolombo

Rückfragehinweis:#

Prof. Friedrich Aumayr
Institut für Angewandte Physik
Technische Universität Wien
Wiedner Hauptstr. 8, 1040 Wien
T: +43-1-58801-13430
friedrich.aumayr@tuwien.ac.at

Aussender:#

Dr. Florian Aigner
Technische Universität Wien
PR & Marketing
Resselgasse 3, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at

Materials & Matter ist – neben Computational Science & Engineering, Quantum Physics & Quantum Technologies, Information & Communication Technology sowie Energy & Environment – einer von fünf Forschungsschwerpunkten der Technischen Universität Wien. Geforscht wird von der Nanowelt bis hin zur Entwicklung neuer Werkstoffe für großvolumige Anwendungen. Die Forschenden arbeiten sowohl theoretisch, beispielsweise an mathematischen Modellen im Computer, wie auch experimentell an der Entwicklung und Erprobung innovativer Materialien.