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Studie: Klimaflüchtlinge werden in Städten nur bedingt willkommen geheißen#

Wie reagieren Stadtbewohner auf Umweltmigranten vom Land, speziell in Entwicklungsländern? Die Salzburger Politikwissenschaftlerin Gabriele Spilker hat zusammen mit einem internationalen Team dazu 2400 Menschen in Kenia und Vietnam befragt. Die Studie ist am Montag, 22. Juni, im Fachjournal Nature Climate Change erschienen.#

Spilker Gabriele
Spilker Gabriele
Foto: Kolarik

Wie reagieren Stadtbewohner auf Umweltmigranten vom Land, speziell in Entwicklungsländern? Nehmen sie die Klimaflüchtlinge als Bedrohung wahr im Sinne von Konkurrenten um Jobs und öffentliche Güter, oder sind sie eher der Meinung, dass diese Migranten nichts für ihr Schicksal können und daher besonders schutzbedürftig sind? Verstärken Umweltmigranten möglicherweise soziale und politische Konflikte in den Städten? Die Salzburger Politikwissenschaftlerin Gabriele Spilker hat zusammen mit einem internationalen Team dazu 2400 Menschen in Kenia und Vietnam befragt. Jeder Zweite betrachtet demnach klima-induzierte Umweltveränderungen als legitimen Migrationsgrund. Gleichzeitig sind die Befragten aber extrem skeptisch gegenüber denjenigen Migranten, denen sie keine „ökonomische Leistungsfähigkeit“ zutrauen.

Die negativen Folgen des Klimawandels - häufigere extreme Wetterereignisse wie Überflutungen und Stürme, Zunahme von Dürren, Desertifikation, Anstieg des Meeresspiegels - treffen im Besonderen die Entwicklungsländer. Denn große Teile der Bevölkerung in diesen Ländern sind für ihr Einkommen und die Lebensmittelproduktion auf den landwirtschaftlichen Anbau angewiesen. Gleichzeitig fehlen diesen Ländern weitgehend die notwendigen finanziellen und technischen Ressourcen, um sich auf die Umweltveränderungen einstellen und sich an diese anpassen zu können.

Da es in diesem Kontext zumeist schwierig ist für Menschen, sich vor Ort an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen, ist Migration eine häufige Adaptionsstrategie. Zu großen Teilen findet diese Art der Migration als Antwort auf sich verändernde Umweltbedingungen nicht international, sondern innerhalb von Staaten statt. Typischerweise ziehen die sogenannten Umweltmigranten und Migrantinnen von ländlichen Gebieten in die nahe gelegenen Städte und verstärken so die Urbanisierung.

Eine verstärkte Urbanisierung kann zwar dazu beitragen, dass gerade in Entwicklungsländern öffentliche Güter und Dienstleistungen effizienter zur Verfügung gestellt werden können und somit Urbanisierung zu mehr Wachstum, weniger Armut und einer reduzierten Ungleichheit beiträgt. Allerdings kann ein starker Zustrom von Migranten in Städten auch soziale und ökonomische Ungleichheiten verstärken, vor allem in Entwicklungsländern, welche häufig die notwendigen institutionellen Kapazitäten nicht haben, um diese Prozesse koordinieren und managen zu können. Damit können solche Zuströme auch zu politischen oder sozialen Konflikten führen. „Die politikwissenschaftliche Literatur zu diesem Thema befasst sich bisher sehr allgemein mit der Frage, ob und wie Urbanisierung zu Konflikten führen kann. Allerdings wissen wir bislang nicht, ob klima-induzierte Migration hier eine besondere Rolle spielt. Unsere Studie ist genau dieser Frage nachgegangen,“ sagt Erstautorin Gabriele Spilker, die die Studie zusammen mit Forschenden in der Schweiz, England und Australien durchgeführt hat.

Die Studienautoren haben dazu je 400 Bewohner in je drei Städten in Kenia und Vietnam befragt. „Kenia und Vietnam eignen sich besonders gut für unsere Untersuchung, da beide Länder intensiv vom Klimawandel betroffen sind und eine sehr starke Urbanisierungsrate aufweisen,“ erklärt Spilker. Da Menschen jedoch häufig sozial erwünscht antworten, wenn es um ihre Meinung zum Thema Migration geht, haben die Forscher in die Befragung ein Umfrageexperiment eingebaut. „Diese Art von Conjoint Experimenten zeigt den Befragten mehrere Profile von potentiellen Migranten und Migrantinnen, welche sich anhand von verschiedenen Charakteristiken wie Alter, Bildung, ethnische Herkunft und Einkommen unterscheiden. Grundlegend für uns ist, dass diese Profile sich auch anhand des Migrationsgrundes unterscheiden: manche dieser Profile geben wirtschaftliche Gründe als Migrationsgrund an, manche soziale oder politische, und eben einige den Klimawandel,“ so Spilker.

Beim Vergleich der verschiedenen Migrationsgründe zeigt sich, dass in der Tat klima-induzierte Umweltveränderungen von ungefähr der Hälfte der Befragten in beiden Ländern als valider und legitimer Migrationsgrund betrachtet werden. „Allerdings gibt es in beiden Ländern Migrationsgründe, welche als deutlich wichtiger oder legitimer angesehen werden. In Vietnam ist dies etwa die Zusammenführung von Familien, in Kenia ist es die Chance auf eine wirtschaftliche Verbesserung“. Zudem zeigen andere Ergebnisse des Experimentes klar, dass die Befragten extrem skeptisch gegenüber denjenigen Migranten sind, von denen sie annehmen können, dass diese wenig Chancen haben, sich ihren Lebensunterhalt in der Stadt selbst zu verdienen. Das heißt ältere Migranten und Migrantinnen mit wenig Bildung und Einkommen werden besonders skeptisch gesehen.

„Wir interpretieren unsere Ergebnisse insgesamt daher nur bedingt optimistisch. Zwar sieht eine Mehrheit der Befragten in beiden Ländern klima-induzierte Migration als legitim an, aber die Frage nach der ökonomischen Leistungsfähigkeit überlagert dies klar. Und wenn wir dann noch einen Schritt weiterdenken und uns klar machen, dass häufig diese potentiellen Umweltmigranten und Migrantinnen eben aus ländlichen Räumen kommen und damit häufig nicht gut gebildet und nicht mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet sind, sieht es mit der Akzeptanz dieser Migranten doch eher nicht so gut aus“, resümiert Spilker.

Publikation: Spilker, Gabriele, Quynh Nguyen, Vally Koubi, and Tobias Böhmelt. 2020. Attitudes of urban residents toward environmental migration in Kenya and Vietnam. Nature Climate Change Forthcoming.
DOI: 10.1038/s41558-020-0805-1

Kontakt:#

Univ.-Prof. Dr. Gabriele Spilker
Professorin für Methoden der Politikwissenschaft
Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie der Paris Lodron Universität Salzburg
Rudolfskai 42 | 5020 Salzburg | t.: +43-662-8044-6622 | Gabriele.spilker@sbg.ac.at | web: www.uni-salzburg.at/pol/spilker