Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Lesen-lernen im Lockdown: Schulschließungen sind fatal für schwache Leser #

Längere Schulschließungen wirken sich besonders in den kritischen frühen Phasen des Leseerwerbs negativ auf die Leistung von Kindern aus. Das Ausmaß dieses Effekts untersuchte nun eine Studie des Salzburger Psychologen und Leseforschers Fabio Richlan. Gleichzeitig konnte er zeigen, dass sich die Lesedefizite mit Computerprogrammen zur häuslichen Leseförderung kompensieren lassen. Interessierte Eltern können sich für weitere Studien beim Leseforschungsteam melden.#

Dr. Fabio Richlan
Dr. Fabio Richlan
Foto: Kolarik

Richlan wird in einem aktuell an der Elite-Universität Stanford durchgeführten Ranking zu den weltweit zwei Prozent der bedeutendsten Forscher gezählt.

Drei Monate lang keine Schule bedeutet für Kinder beim Lesen lernen einen Leistungsrückschritt von einem Monat. Das zeigen Untersuchungen aus Vor-Corona-Zeiten in den USA, wo die Sommerferien drei Monate lang dauern. Fabio Richlan vom Center for Cognitive Neuroscience und Fachbereich Psychologie der Universität Salzburg hat nun untersucht, welche Auswirkungen die Corona-bedingten Schulschließungen bzw. der reduzierte Präsenzunterricht auf den Leseerwerb von Schülern der ersten und zweiten Volkschulklasse, also in der kritischen Lernphase, haben. Es gibt starke Hinweise, dass vor allem diejenigen Kinder, die sich beim Lesen lernen ohnehin schon schwertun, durch längere Absenzen vom Unterricht leistungsmäßig zurückgeworfen werden und die Defizite kaum mehr aufholen können. „Auch wenn es individuell große Unterschiede gibt, ist das ein alarmierendes Ergebnis,“ sagt Richlan. „Wir wollten in unserer Studie herausfinden, ob die negativen Auswirkungen durch ein kontinuierliches evidenzbasiertes häusliches Computer-Lesetrainingsprogramm minimiert werden können.“

Die Computerprogramme wurden den Eltern kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Studie, die in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Salzburg durchgeführt wurde, startete zu Beginn der Sommerferien 2020 mit einer Lernstandserhebung. Zwölf Kinder übten dann - unter Mitwirkung der Eltern - zwölf Wochen lang drei bis fünf Mal pro Woche je 15-20 Minuten. Das Ergebnis des danach wieder durchgeführten Lesetests hat die Forscher überrascht. „Eigentlich wäre das Ziel gewesen, nur das Niveau zu halten. Denn wenn man von der Literatur ausgeht, würde man erwarten, dass die Leseleistung während der Ferien schlechter wird. Bei uns sind die Kinder durchschnittlich sogar besser geworden, ob bei der Zuordnung der Buchstaben zu Lauten, der Lesegenauigkeit oder der Leseflüssigkeit, im Extremfall betrug die Leistungssteigerung bis zu 50 Prozent“ resümiert Richlan, weist aber zugleich auf beträchtliche individuelle Unterschiede hin. „Wer vorher schon gut war, hat zum Beispiel weniger profitiert.“

Jetzt wollen die Forscher im Detail untersuchen, welche weiteren Faktoren wie Persönlichkeit des Kindes, Lesegewohnheiten in der Familie, Lesevorgeschichte der Eltern oder sozioökonomischer Status - zusätzlich zur Ausgangsleistung der Schüler/innen - für den Erfolg eines Lesetrainings wichtig sind. Die Ergebnisse sollen in internationalen Fachzeitschriften publiziert werden.

Geplant ist, danach das Projekt - idealerweise mit finanzieller Unterstützung durch den FWF - länderübergreifend in größerem Stil fortzuführen. Interessierte Eltern können Richlan kontaktieren. „Der Impuls für unser Projekt war Covid-19. Aber unabhängig davon wird der Einsatz von digitalen Technologien in der Bildung zukünftig eine große Rolle spielen. Die sogenannte Educational Technology wird immer wichtiger werden. Auch in diesem Zusammenhang ist unser Projekt interessant“, so Richlan.

Die Leseforschung ist ein Arbeitsschwerpunkt des 36jährigen Wissenschaftlers. In diesem Bereich hat er promoviert, sich kürzlich (2020) habilitiert und in hochrangigen Journals publiziert. Hinzugekommen ist inzwischen das Forschungsfeld Sport und Gehirn. Hauptsächlich aufgrund der Zitationen seiner Arbeiten wird Richlan in einem aktuellen Ranking des Stanford Wissenschaftlers John P. A. Ioannidis zu den weltweit zwei Prozent der bedeutendsten Forscher/innen gezählt. https://www.myscience.at/news/wire/herausragende_forscher_innen_der_uni_salzburg-2020-uni-salzburg Von der Universität Salzburg sind 21 Wissenschaftler/innen in dem Ranking vertreten, acht davon allein vom Fachbereich Psychologie. „Das zeigt, dass unser Fachbereich ein exzellentes internationales Standing hat.“

2014 hat Richlan eine Ausbildung zum Sportpsychologen absolviert. Sport und Psychologie war für Richlan durch seinen eigenen Sport - als Jugendlicher hat er bis zur U16 Mannschaft Fußball gespielt, Mitte Zwanzig begann er mit Triathlon - immer ein Thema. Zunächst privat. Jetzt auch beruflich. Die Sportpsychologie ist inzwischen Richlans zweiter Forschungsschwerpunkt. Außerdem arbeitet er als Mentaltrainer im Sport. „Es gibt Parallelen zwischen Leseforschung und Sportpsychologie. Beide Bereiche kann man unter Leistungspsychologie subsumieren. Bei beiden geht es um erlernte – im besten Fall hochautomatisierte – Leistungen und kognitive Prozesse wie Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Anstrengungsbereitschaft, Selbstregulation, sowie deren neurobiologische Grundlagen.“

In einer neuen Studie hat Richlan die neuroanatomischen Effekte von Sportaktivität auf die Hirnstruktur untersucht. Er konnte zeigen, dass Personen, die regelmäßig Sport betreiben, in bestimmten Hirnregionen ein höheres Volumen der grauen und weißen Substanz aufweisen als sportlich inaktive Personen. Zudem weisen Personen mit einem gesunden Bewegungsverhalten in manchen psychiatrischen Skalen bessere Werte auf, etwa wenn es um Depressivität geht oder um Somatisierung (zum Beispiel in Form von Kopfschmerzen).

Für international sehr großes Medieninteresse sorgt eine aktuelle Untersuchung über Geisterspiele im Fußball, die am 26. Jänner 2021 in „Nature Humanities and Social Sciences Communications“ veröffentlicht wurde https://www.nature.com/articles/s41599-020-00699-1. Kernergebnis der Studie: Durch die Abwesenheit der Zuschauer hat sich das emotionale Verhalten der Spieler verändert. Emotionale Ausbrüche und Streit haben bei den Spielern und Betreuern messbar abgenommen, errechnete die Arbeitsgruppe von Richlan am Beispiel von Spielen des FC Red Bull Salzburg. Im Gegensatz dazu fielen österreichweit mehr Tore.

Kontakt: #

Priv.-Doz. Mag. Dr. Fabio Richlan
Centre for Cognitve Neuroscience (CCNS)
Fachbereich Psychologie Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS)
t.: +43 (0)662 8044-5130
mob.: +43 (0) 650 586 1982
Email: fabio.richlan@sbg.ac.at