Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Von Frauenquoten, Quotenfrauen und Geschlechterstereotypen in Vorständen#

Wie reagieren Unternehmen auf den steigenden gesellschaftlichen und politischen Druck, Vorstandspositionen mit Frauen zu besetzen? Und mit welchen Funktionen betrauen Organisationen die „Quotenfrauen“ in den Chefetagen? Das haben Forscherinnen der Universität Salzburg und Innsbruck in einer Vergleichsstudie am Beispiel von 172 börsenorientierten Unternehmen in fünf europäischen Ländern untersucht. Das Ergebnis: Den Frauen in Vorständen wird überdurchschnittlich oft das als weiblich konnotierte#

Astrid Reichel
Astrid Reichel
Foto: Kolarik

Frauen im Vorstand sind immer noch eine Seltenheit. In Österreich beträgt der Frauenanteil an der Spitze von börsennotierten Unternehmen 7,3 Prozent. Frauenquoten sind eine politische Maßnahme für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen. In Deutschland führt ein neuer Gesetzesentwurf, der vorsieht, dass im Führungsgremium großer börsennotierter Konzerne mit mehr als drei Mitgliedern mindestens eine Frau mitwirken muss, für Diskussionen. Von Kritikern vorgebracht werden vor allem Befürchtungen hinsichtlich der Qualifikation von „Quotenfrauen“ in Vorständen und etwaige negative Folgen für die Gesamtunternehmung. Entsprechend widmet sich eine Vielzahl von Untersuchungen dem Zusammenhang zwischen Frauen in Vorständen und der Unternehmensleistung und zeigt mehrheitlich einen positiven Performanceeffekt. Weniger untersucht ist hingegen wie Unternehmen konkret auf institutionellen Druck, der durch Quotenregelungen erzeugt wird, reagieren. Der Frage etwa, ob Frauen vermehrt Vorstandsposten besetzen, die für bestimmte organisationale Funktionen rekrutiert werden, gingen bis dato kaum Studien nach.

Die Wirtschaftswissenschaftlerinnen Astrid Reichel, Isabella Scheibmayr (beide Universität Salzburg) und Julia Brandl (Universität Innsbruck) haben untersucht in welchen Funktionen Frauen in Vorständen aktiv sind. Ihre Ergebnisse wurden vor kurzem im „Human Resource Management Journal“ veröffentlicht. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1748-8583.12263. Die Autorinnen haben für die Studie die Geschlechterzusammensetzung sowie die Aufteilung von Verantwortlichkeiten in 172 Vorständen börsennotierter Unternehmen in Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien und Schweden erhoben. Unter den 1.543 Vorstandsmitgliedern befanden sich 240 Frauen.

Die fünf Länder wurden gezielt ausgewählt, erklärt Astrid Reichel, Professorin für Human Resource Management an der Paris Lodron Universität Salzburg. „In diesen fünf Ländern gibt es einen sehr unterschiedlich ausgeprägten gesellschaftlichen und gesetzlichen Druck. Schweden beispielsweise hat hohe normative Anforderungen an Unternehmen, jedoch keine gesetzliche Verpflichtung, Vorstandspositionen mit Frauen zu besetzen. In Frankreich gibt es einen hohen gesellschaftlichen Druck und eine gesetzliche Geschlechterquote. Deutschland führte 2016 eine gesetzliche Mindestquote von Frauen für den Aufsichtsrat ein und verpflichtete Unternehmen überdies dazu, sich für den Vorstand selbst eine Quote zu setzen. Der neue Gesetzesvorstoß von Anfang dieses Jahres sieht für Vorstände vor, dass diese nun mindestens eine Frau enthalten müssen und ein selbstgesetztes Ziel von „null Frauen“ nicht mehr gilt. In Spanien gibt es ebenfalls eine Geschlechterquote für das executive board, jedoch mit fehlenden Sanktionsmöglichkeiten. In Österreich gab es zum Zeitpunkt der Erhebung, Anfang 2017, keine gesetzliche Verpflichtung, ab Juni 2017 gibt es eine für den Aufsichtsrat, aber keine für den Vorstand.“

Die Forscherinnen machten sich die Länderunterscheide zu Nutze, um die Reaktionen von Unternehmen auf institutionellen Druck zu untersuchen. Sie entwickelten ein System, mit dem sie 26 verschiedene Kategorien von Vorstandsverantwortlichkeiten identifizierten. „Wir haben herausgefunden, dass Organisationen bei sozialem und rechtlichem Druck hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit damit reagieren, dass sie Frauen mit Funktionen im Vorstand betrauen, die weiblich konnotiert und stereotypisiert sind. Entsprechend zeigt sich eine systematische Überrepräsentation von Frauen als Chief Human Resource Officers, also als Personalvorstand,“ so Astrid Reichel. Unter Anwendung einer Monte Carlo Simulation konnte gezeigt werden, dass in den untersuchten Konzernen Frauen im Vergleich zu anderen Funktionen in höchstem Maße überzufällig oft in der Funktion der Personalchefin zu finden waren.

Und noch eine Entwicklung in puncto Vorstand, Frauen und Personalwesen ist den Forscherinnen aufgefallen. „Es ist nicht nur so, dass weibliche Vorstände mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Personalfunktion im Top-Management innehaben, sondern der Bereich Personalmanagement kommt häufig erst mit den Frauen überhaupt in den Vorstand,“ erläutert Co-Autorin Isabella Scheibmayr von der Human Resource Management Group der Universität Salzburg.

Könnte es sein, dass der beobachtete Effekt auf ein erhöhtes weibliches Arbeitsangebot im Bereich des Personalmanagements zurückzuführen ist? Astrid Reichel verneint. „Nein, denn der Effekt, dass Frauen als Personalchefs überrepräsentiert sind, zeigt sich nur in Ländern mit hohem institutionellem Druck, Vorstandspositionen mit Frauen zu besetzen. Wo kaum Druck vorhanden ist - wie in Österreich - sind die wenigen Frauen auf der Vorstandsebene nicht systematisch häufiger für das Personalwesen zuständig als für andere Funktionen, obwohl sie auch in diesen Ländern auf unteren Ebenen die Mehrheit des HRM Personals stellen.“

Und wie beurteilen die Autorinnen die Tatsache, dass es Frauen, wenn überhaupt, dann vorwiegend über das Personalwesen in die Top-Etage schaffen? Denn Tatsache ist, dass der Personalvorstand In der heimlichen Vorstandshierarchie nicht so viel Renommee genießt wie etwa der Finanzvorstand. In der Studie zitieren die Wissenschaftlerinnen dazu folgenden zynischen Kommentar aus der FAZ. „Frauen werden, so sie denn mal in einen Vorstand berufen werden, bevorzugt mit dem Personalressort betraut, in der - natürlich nur hinter vorgehaltener Hand geäußerten - Annahme, dort könnten Sie am wenigsten Schaden anrichten“ (Löhr 2015)

Wenn die Verteilung von Frauen und Männern in Branchen oder Feldern auf dem Arbeitsmarkt sowie die Arbeitsbewertung unterschiedlich ist, spricht man von „horizontaler Segregation“. Nach den Ergebnissen der Studie kommt es bei der Besetzung der Vorstandspositionen augenscheinlich zu einer solchen. Bei aller Kritik an dieser Sachlage sieht Astrid Reichel aber zumindest für das oft nicht gebührend wertgeschätzte Personalwesen potentiell einen „Kollateralnutzen“. Ihr Resümee: „Institutioneller Druck bringt Frauen in den Vorstand, und Organisationen reagieren darauf auf eine Weise, die den Geschlechterstereotypen folgt, sodass es auch in Vorständen zu horizontaler Segregation entlang der Funktionen kommt. Für die betroffenen Funktionen, allen voran HRM, das Personalwesen, kann ihr vermehrtes Repräsentiert-Sein in Vorständen aber mit Statusgewinnen einhergehen.“ Ob es tatsächlich eine positive Rückwirkung von Vorstandszusammensetzungen auf Berufsfelder gibt, muss die Forschung klären.

Publikation:#

Reichel, A., Scheibmayr, I., Brandl, J. (2020): The HR lady is on board: Untangling the link between HRM's feminine image and HRM's board representation, Human Resource Management Journal, 30 (4), 586-603; https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/1748-8583.12263

Kontakt:#

Univ.-Prof. Dr. Astrid Reichel
Professorin für Human Resource Management
Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS)
Kapitelgasse 5-7
5020 Salzburg
astrid.reichel@sbg.ac.at