!!!Lili Marleen

von __[Peter Diem|User/Diem Peter]__

Der Nachkriegsgeneration sagt das von dem Hamburger Schriftsteller __Hans Leip__ am 4. April 1915 verfasste und von dem Berliner Musiker und Kabarettisten __Norbert Schultze__ 1939 vertonte Lied "Lili Marleen" vermutlich nicht viel. Doch hatten Text und Melodie für die 1,25 Millionen Österreicher, die in Hitlers Armeen dienen mussten (und von denen etwa 230.000 fielen), aber auch für die Zivilbevölkerung an der sogenannten "Heimatfront" eine hohe emotionale Bedeutung. 

Hier zunächst der Text: \\

[{Image src='Lili.png'align='center' border='1'    width='797' height='288' popup='false'}] \\ 

Gesungene Versionen: \\ \\

--> Lili Marleen  - Originalversion deutsch (1942)- über YouTube [abspielen|http://www.youtube.com/watch?v=8DXruigKRRc] \\  
--> Lili Marleen  - englische Version gesungen von Lale Andersen - über YouTube [abspielen|http://www.youtube.com/watch?v=y0P_m7SZBvQ]  (1942)\\
--> Lili Marleen  - gesungen auf Deutsch von Marlene Dietrich (1944) - über YouTube [abspielen|https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=8jrfluDC9AA] 

!!Der Bezug zu Österreich

Der Bezug zu Österreich ergibt sich nicht nur durch die Wirkung des schwermütigen Liedes, das Liebessehnsucht und Tod verbindet, auf die ÖsterreicherInnen im Krieg, sondern beruht auf folgender Begebenheit: 

Es war der deutsche Militärsender Belgrad, der ungewollt den internationalen Erfolg des Liedes ermöglichte. Das kam so.

Im Hinblick auf die fragliche Loyalität des Königreiches Jugoslawien, das am 31. März 1941 dem Dreimächtepakt (Deutschland, Japan, Italien) beigetreten war, griff die Deutsche Wehrmacht Jugoslawien beginnend mit einem Bombardement Belgrads an. 
 
Fliegerverbände in __Zwölfaxing, Wiener Neustadt, Wien-Aspang, Graz und Arad__ erhielten den Auftrag, die „Zerstörung Belgrads durch Großangriff“ durchzuführen. Am 6. und 7. April bombardierten mehr als 500 Stukas und Bomber in fünf Wellen die Hauptstadt, die keine Flugabwehrgeschütze besaß und zur offenen Stadt erklärt worden war. Die Aktion lief unter dem Codenamen „Unternehmen Strafgericht" und stand unter dem Kommando des österreichischen __Generals Alexander Löhr__(1947 von Jugoslawien hingerichtet). Die erste Welle der Angriffe sollte die Stadt verwüsten und die Bevölkerung treffen. Sie sollte Großbrände verursachen, um für den geplanten folgenden Nachteinsatz die Zielauffindung zu erleichtern. Die zweite Welle sollte dann militärische Anlagen und Verwaltungszentren treffen.

Durch den Abwurf von insgesamt 382 Tonnen Sprengstoff, 448 Brand- und Splitterbomben kamen an die 17.000 Menschen ums Leben. Von den etwa 20.000 Häusern Belgrads wurden 9000 zerstört oder beschädigt. Zerstört wurden weite Teile der historischen Innenstadt von Belgrad, darunter zahlreiche Kirchen und das Belgrader Regierungsviertel. 

Die von Löhr schon bei der Bombardierung Warschaus angewandte Strategie der Zerstörung des administrativen und logistischen Zentrums eines Landes war auch in Jugoslawien erfolgreich. Die jugoslawische Luftwaffe war ausgeschaltet, die Regierung musste aus Belgrad flüchten. Am Abend des 12. April übergab der Bürgermeister Belgrads den ohne Gegenwehr einmarschierten deutschen Truppen die Stadt.

!Der Militärsender Belgrad  

[{Image src='Belgrad.jpg' height='300' class='image_left' caption='Sendegebäude' alt='Sendegebäude -ehemals landwirtschaftsministerium - (mit Klick vergrößern!) Quelle: R.S.Rose' width='199'}]

Bereits eine Woche später, am 20. April 1941, wurde der zunächst in Zagreb/Agram geplante Militärsender gegründet. Man nutzte ein bestehendes Sendestudio im nur leicht beschädigten Gebäude des Landwirtschaftsministeriums, da der alte zivile Sender von Belgrad durch die Bomben zerstört worden war.  Das Studiomaterial war freilich
praktisch unbenutzbar, weil die serbischen Soldaten es vor ihrer 
Flucht zerstört hatten. Das Studio bestand anfangs aus 
einem Stuhl, einem Mikrofon und einem Grammophon, und alles 
musste mit mehreren Regenschirmen vor Wasser, das durch die 
Decke tropfte, geschützt werden. Man verfügte jedoch über einen noch funktionierenden Sendemast, einen relativ modernen Marconi, der in einem sumpfigen Grundstück außerhalb von Belgrad stand. 
Sowohl wegen der günstigen Geländebedingungen als auch wegen seiner Lage und der Frequenz, auf der gesendet wurde, hatte 
der __Militärsender Belgrad__ eine für die damalige Zeit phantastische Reichweite. ''»Man hörte uns in England, bis zur 
Pyrenäengrenze, in Nordafrika, der Türkei wie in Persien und tief 
bis nach Russland hinein«'', erinnert sich in seinen Memoiren 
der fanatische Antisemit __Julius Lippert,__ der als Kommandant 
des Propagandaabschnitts Südost der Gründer des Senders war. \\

Eines der ersten Probleme, mit denen es Radio Belgrad zu 
tun hatte, war der Mangel an Schallplatten. Die alten Bakelitplatten mit 78 UpM gingen kaputt und schmolzen sehr leicht
und mussten sehr vorsichtig gelagert werden. In Belgrad 
konnte man nur 54 Schallplatten beschlagnahmen, viele in 
schlechtem Zustand, die nur serbische Musik enthielten und aus 
der propagandistischen und ethnisch-nationalen Perspektive des 
"Dritten Reichs" kaum benutzbar waren. Deshalb schickte man 
sofort eine Delegation von drei Männern nach Wien, der am 
nächsten gelegenen »deutschen« Stadt, mit dem Auftrag, 
Aufnahmen in deutscher Sprache zu besorgen.\\ 
!Im Keller des Reichssenders Wien

Sowohl der Sonderführer im Leutnantsrang __Richard Kistenmacher__ als auch Oberleutnant __Maximilian Fabich__ schreiben sich das Verdienst zu, in der Masse von Schallplatten im Wiener 
Radioarchiv auf ''Lili Marleen'' aufmerksam geworden zu sein, 
sie zur Sendung gebracht zu haben und dadurch die Urheber 
ihres Erfolgs geworden zu sein. Kistenmacher:

''"Ab nach Wien, 300 Schallplatten mitgenommen, dann habe ich 
mich bei Fräulein __Mikolic__ gemeldet und habe gesagt: »Und was ist 
da, was ist da und was ist da hinter?« Versiegelter Schlüssel und 
versiegelte Tür! Siegel abgemacht, Schlüssel... »Herr 
Oberleutnant? Herr Oberleutnant, das dürfen Sie nicht machen!«, 
aber da hatte ich es schon gemacht, da war es schon 
aufgeschlossen und dann einfach genommen, was ich brauchte: 
Opern und so, und schöne Sachen, und danach in dem Haufen 
noch eine dabei, Laie Andersen, >Lied eines jungen Wachtpostens<. 
Lale Andersen kannte ich, Wachtposten passt immer, mitgenommen!"''


Die Version von __Heinz Rudolf Fritsche__, Programmdirektor von 
Radio Belgrad während des Krieges, klingt wesentlich 
moderater:

''Es fehlten Schallplatten, man konnte nicht dauernd dieselben 
Platten senden. Wir schickten dann einen Kameraden nach Wien, 
zum Reichssender Wien. Dort lag im Keller eine Kiste; in dieser 
Kiste befanden sich Schallplatten, die im Reichsrundfunk nicht 
gesendet werden konnten. Das war Musik von jüdischen 
Komponisten, __Emmerich Kalman__ oder so etwas, und sonstige 
Dinge, die man nicht haben wollte. Diese Kiste haben wir mit-
genommen nach Belgrad. Wir haben das Material durchaus 
gesendet, wir hielten uns also nicht an diese Sperrungen, und 
stießen auf diese Platte mit dem Titel >Lied eines jungen 
Wachtpostens<, und allein der Titel war schon interessant für uns, 
und wir sagten »wir spielen das Ding mal«. Es gefiel uns, es wurde 
sehr oft gespielt.''...

!Wie der Zufall so spielt

>Lili Marleen< - und es ist sehr wahrscheinlich, dass dies 
einer der Schlüssel zu seinem Erfolg war - war genau ein 
Mittelding zwischen dem, was man suchte, und dem, was man 
vermeiden wollte. __Richard Kistenmacher__ bestätigt, dass er zuerst 
bei geschlossenem Mikrofon von jedem Lied die ersten Klänge 
hörte, um zu entscheiden, ob es für die Sendung akzeptabel war 
oder nicht. In diesem Punkt schien ein Einfall entscheidend zu 
sein, den die Plattenfirma Electrola bei der Aufnahme 1939 
hatte: In ihrem Bestreben, ein Lied militärischer zu gestalten, 
das sie sogar in der zum Marschieren geeigneten Fassung von 
__Norbert Schultze__ für zu sentimental hielten, und auch weil es in 
der dritten Strophe von __Leips__ Gedicht heißt: »Schon rief der 
Posten: Sie blasen Zapfenstreich«, beschlossen die 
Verantwortlichen, das Lied mit dem alten Zapfenstreich der 
preußischen Armee zu beginnen: Das war das Signal, mit dem 
die Soldaten - per Trommel, Trompete oder Hörn - aufgefordert 
wurden, sich zur Nachtruhe in die Kaserne zu begeben. Dieser 
Einfall von Electrola gab, wenn auch ungewollt, dem Lied die 
tiefere Bedeutung. Der Zapfenstreich repräsentiert im Kontext 
von >Lili Marleen< symbolisch den Abschied von der Geliebten 
und in zweiter Instanz den Tod oder die endgültige Ruhe des 
Soldaten.

Die Fanfare ertönt nur in der von Laie Andersen gesungenen 
Originalversion von >Lili Marleen< und in einigen 
anderen Ländern der Achsenmächte und findet sich im 
Allgemeinen nicht in Versionen nach 1945, auch nicht in denjenigen von __Lale Andersen__. 
Es überrascht nicht, dass die Verantwortlichen des Senders, als sie zu Beginn des Liedes diese ihnen 
so vertraute militärische Melodie hörten, ihr ohne Weiteres den 
Stempel »geeignet« aufdrückten. __Norbert Schultze__ vermutet, 
dass der preußische Zapfenstreich womöglich der Grund dafür 
war, dass die Schallplatte in Wien aussortiert wurde: ''Kein Öster-
reicher hätte ein Lied akzeptiert, das mit einem Militärsymbol 
Preußens versehen war, dem historischen Feind des Kaiserreichs 
Österreich-Ungarn.'' Wenn die Platte wiederum aber nicht im 
Wiener Radiosender aussortiert worden wäre, wäre das Lied niemals im Belgrader Sender gespielt worden und bis heute 
unbekannt.

Seine Wirkung im Zweiten Weltkrieg war jedenfalls so stark, dass die britische Abwehr ihrerseits eine Version in Auftrag gab - mit einem etwas unbeholfenen Text, gesungen von __Very Lynn__ (s.o.) Für die Betreung der amerikanischen Truppen legte sich __Marlene Dietrich__ ins Zeug (s.o.). Das Lied war noch einige Jahre nach dem Krieg von Bedeutung; die pazifistische Verfilmung des Themas durch __Rainer Werner Fassbinder__ mit __Hanna Schygulla__ (1980) war gut gemeint, kann aber nicht wirklich überzeugen (s.o.).\\ \\
   
__Quelle:__ Rosa Sala Rose, Lili Marleen, Die Geschichte eines Liedes von der Liebe und vom Tod, dtv, München, 2010, S. 105 ff. 

--> [Artikel in der "Presse"|http://diepresse.com/home/kultur/medien/4814394/Lili-Marleen_Ein-Lied-von-Liebe-und-Tod?from=suche.intern.portal]


   [{Metadata Suchbegriff='Lili Mareleen, Marlene, Lily Marleen, Wachposten'  Kontrolle='Nein'}]