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Die bunte Welt der Zigeuner#

Versuch dem Wort Zigeuner seine Schönheit wiederzugeben#


Von

Roland Girtler (12. Mai 2020)


Gedanken vorweg zu den Zigeunern in Siebenbürgen – das Schneewittchen der Zigeunerprinzessin#

Seit Beginn der 1990er Jahre fahre ich regelmäßig in das Landlerdorf Großpold in Siebenbürgen, es liegt nicht weit entfernt von Hermannstadt (Sibiu). Die meiste Zeit war ich dort mit Studenten, um die Kultur der Landler (die Nachkommen der unter Maria Theresia nach Siebenbürgen verbannten evangelischen Österreicher.) und die der Sachsen in Rumänien zu untersuchen - beide werden von den Rumänen als Deutsche bezeichnet. Über meine erste Forschung verfasste ich das Buch "Verbannt und vergessen" (Linz,1992), welches unter dem Titel "Die Landler in Rumänien" (Wien, Lit-Verlag 2014) wieder aufgelegt wurde. Dazu gesellen sich zwei Bücher, die ich gemeinsam mit Studierenden herausgebracht habe („Die Letzten der Verbannten“ und „Das letzte Lied von Hermannstadt“). In all diesen Büchern gehe ich und gehen wir auch auf die in und bei Hermannstadt lebenden Zigeuner ein.

Für mich ist die Bezeichnung Zigeuner keine abwertende, wie ich unten noch ausführen werde. Die Zigeuner - sie sind in der Gegend von Hermannstadt vor allem Mitglieder des Stammes der Kalderasch (Kesselflicker) - gehören ebenso wie die Rumänen zum Alltag der Landler und Sachsen. Auf dem Bauernhof der Familie Pitter, bei denen ich zu Gast bin, arbeitete ein Zigeunerehepaar, Georg und Maria heißen die beiden. Sie waren fleißige und tüchtige Leute, die sich um die Kühe der Pitters kümmerten, im Weingarten halfen, in der Küche werkten usw. Ich verstand mich mit ihnen bestens. Georg bemühte sich redlich, mir Rumänisch beizubringen. Dafür sei ihm gedankt. Er umarmt mich stets, wenn wir uns treffen. Er dürfte von Zigeunern abstammen, die in den Karpaten wohnen.

Zigeuner und Zigeunerinnen fanden in Siebenbürgen seit Jahrzehnten Arbeit auf den Höfen der Landler und Sachsen. In Gesprächen mit Zigeunern hörte ich stets freundliche Worte über die Deutschen. Während des Krieges, so erzählte mir ein Zigeuner, sollten Zigeuner umgesiedelt werden. Die Deutschen hätten sie geschützt und gemeint, die Zigeuner wären "immer" hier gewesen und sollten auch weiterhin hier bleiben.

Wir treffen Zigeuner und Zigeunerinnen auf den Straßen in Großpold, auf dem Markt in Hermannstadt (Sibiu), wo Zigeunerinnen selbst verfertigte Holzlöffel, hölzerne Schalen und ähnliches aus Holz anbieten. Diese so genannten Löffelzigeunerinnen haben Tradition. Auf alten Bildern sind sie bereits zu sehen. Ich scherze oft mit diesen Damen, kaufe ihnen aber auch jeweils ein paar Löffel ab, die ich an meine Freunde in Wien zu verschenken pflege. Einen guten Kontakt fand ich auch zu Luminitia Cioaba, sie ist Dichterin und Schriftstellerin in Hermannstadt. Sie ist die Schwester des verstorbenen Königs der Roma Florin Cioaba. Ihr Neffe, der wohl heute der König ist, wohnt mit seiner hübschen Frau, die ich auch als Prinzessin anspreche, im Königspalast in Neppendorf, das zu Hermannstadt gehört. 2015 suchte ich die beiden im Hof des Palastes auf. Die Prinzessin zeigte mir einen ca 60 cm hohen Gartenzwerg aus Gips, den sie selbst bemalt hatte. Sie gab ihn mir für meinen ersten Urenkel mit.

Als ich 2016 wieder bei ihr auftauchte, erhielt ich ein Schneewittchen aus Gips für meinen eben zur Welt gekommenen zweiten Urenkel. Von der Übergabe des Schneewittchens existiert dieses Foto.
Als ich 2016 wieder bei ihr auftauchte, erhielt ich ein Schneewittchen aus Gips für meinen eben zur Welt gekommenen zweiten Urenkel. Von der Übergabe des Schneewittchens existiert dieses Foto.

Meine Sympathie für Zigeuner – die Erlaubnis des Prof. Rudi Sarközi - Kindheitserinnerungen#

Für mich war und ist das Wort Zigeuner stets eine ehrenwerte Bezeichnung. Dies erzählte ich auch einmal dem leider schon verstorbenen Professor Rudolf Sarközi, dem früheren Obmann des "Kulturvereins Österreichischer Roma" nach einer Veranstaltung dieses Kulturvereins, dessen Mitglied auch ich bin. Rudi meinte darauf in Gegenwart von Politiken: "Du Roland, Du darfst Zigeuner sagen!" Mich ehrt diese Erlaubnis Rudis. Rudolf Sarközi, der 1944 im Anhaltelager Lackenbach geboren wurde, später Kraftfahrer bei der Gemeinde Wien war und mit dem Berufstitel Professor ausgezeichnet wurde, war ein Mann mit einem weiten Geist. Ich schätze mich glücklich, ihn persönlich kennengelernt zu haben. Mit seinem Sohn verbindet mich die Liebe zum Fahrrad und eine gemeinsame Radfahrt auf den Kahlenberg.

Ich habe seit meiner Kindheit größte Sympathie für Zigeuner und ihre Kultur. Ich wäre mit ihnen am liebsten mitgezogen.

Als ich mit 20 Jahren durch Südosteuropa per Autostopp und zu Fuß wanderte, wurde ich in Griechenland als „blonder Zigeuner“ (hatte damals noch dunkelblonde Haare) bezeichnet. Ich freute mich über diese Bezeichnung als Zigeuner. Auf mich als Bub haben die noch in den 50er Jahren mit ihren Korbwägen durch Österreich fahrenden „Zigeuner“ einen faszinierenden Eindruck hinterlassen. Ich erinnere mich an bunt gekleidete dunkelhaarige Frauen, die unter anderem auf den Kirchtagen als Wahrsagerinnen auftraten, und an interessant aussehende Männer, die bei uns im Dorf als Scherenschleifer oder auch als Pferdehändler ihr Geld verdienten. Mein Onkel, der in Schlierbach, einem oberösterreichischen Dorf, als Arzt tätig war, erzählte mir folgende Geschichte: einmal zogen durch Schlierbach eine Gruppe von „Zigeunern“ mit ihren Pferdwägen. Sie lagerten an einem Wald in der Nähe des Ortes. Während der Nacht wurde mein Onkel durch einen Zigeuner, der an der Haustür pochte, geweckt. Er solle schnell kommen, eine Frau der Gruppe habe Schwierigkeiten bei der Geburt, sie benötige dringend einen Arzt. Mein Onkel machte sich sofort auf und begleitete den Mann zum Lager der Zigeuner, wo er der Frau bei der Geburt half und sie in bester Weise als Arzt versorgte. Er verlangte kein Geld und wanderte heimwärts. Nach einer Zeit erschien eine zweite Gruppe von Zigeunern in Schlierbach. Mein Onkel stand zufällig vor seinem Haus, als der Boss der Gruppe zu ihm kam und ihn fragte, ob er hier wohne. Er bejahte. Darauf sagte der Mann zu ihm: „Sie sind ein guter Mensch, sie stehen unter unserem Schutz.“ Als mein Onkel ihn fragte, wie er dies wisse, dass er ein guter Mensch sei, antwortete der Mann, aufgrund eines Zinken (eines Zeichens) , den die vorigen Zigeuner an dem Haus angebracht haben. Diese Geschichte gefällt mir, sie zeigt, wie wichtig der Respekt zwischen Menschen, egal welcher Herkunft, ist.

Die ehrenwerte Bezeichnung Zigeuner#

Das Wort Zigeuner wird heute für gewöhnlich als abwertend für die Volksgruppe der Sinti und Roma gesehen. Zum Thema Zigeuner sprach ich auch mit Frau Mag. Iovanca Gaspar, einer Romni - Zigeunerin. Sie hat bei mir an der Universität Wien eine hervorragende Diplomarbeit geschrieben, sie stammt ebenso wie ihr Mann Josef aus Rumänien. ihr Sohn Adrian ist ein bekannter Komponist und Musiker. Iovanca zeigt Verständnis für meine Überlegungen bezüglich der Verwendung des Wortes Zigeuner , die sich decken mit denen des deutschen Autors Rolf Bauerdick.

Bauerdick bringt in seinem Buch "Zigeuner - Begegnungen mit einem ungeliebten Volk" (München 2013) ein Kapitel mit der Überschrift "Plädoyer für einen ehrenwerten Begriff. In diesem erzählt er von einem kleinen Dorf in den Karpaten mit dem Namen Roschia, in dem eine Alternativschule für Zigeunerkinder eingeweiht wurde. Politiker, Lehrer , Presseleute und andere nette Menschen waren erfreut über die Einweihung und die Schaffung dieser Schule. Reporter berichteten in den nächsten Tagen politisch korrekt von einem großartigen Schulprojekt für "Roma-Kinder". Sie hatten nicht geahnt, was sie mit dieser Meldung ausgelöst hatten. Zum Entsetzen der Lehrer meldeten Zigeuner ihre Söhne und Töchter von der Schule wieder ab mit der Begründung: "Wir sind keine Roma!". Die Roma hatten in dem Dorf einen schlechten Ruf. Die Zigeuner schimpften dort auf kriminelle Clans der Roma, mit denen sie nichts gemein haben wollten. Und Waldarbeiter meinten, so schreibt Bauerdick: "Wir sind keine Roma. Wir sind Tzigani (Zigeuner)".

Bauerdick führt schließlich aus, dass er "ungezählte Male erlebt hat, dass Zigeuner in Südosteuropa mit dem deutschen Begriffspaar Sinti und Roma nichts anzufangen wussten. Und auch nicht wollten". Bauerdick zitiert in diesem Zusammenhang den polnischen Dokumentarfilmer Stanislaw Mucha, dem bei seinen Dreharbeiten in der Slowakei auffiel, dass selbst die Kinder Zigeuner genannt werden wollten, weil sie "all die gutgemeinten Bezeichnungen wie Roma oder Sinti nicht mochten". "Das Wort Zigeuner ist gut, wenn man uns gut behandelt."

Auch die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller wird von Bauerdick in diesem Zusammenhang erwähnt, die folgendes schreibt, das meinen Überlegungen entspricht : "Ich bin mit dem Wort Roma nach Rumänien gefahren, habe es in den Gesprächen anfangs benutzt und bin damit überall auf Unverständnis gestoßen. Das Wort ist scheinheilig, hat man mir gesagt, wir sind Zigeuner, und das Wort ist gut, wenn man uns gut behandelt" (Bauerdick, 2013, S 166f).

Bauerdick zitiert aber auch den Zigeuner Romani Rose, der 1946 in Heidelberg geboren wurde und der über 30 Jahre dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma vorsitzt. Er nimmt eine Gegenposition zu Bauerdick ein. Für Rose ist Zigeuner eine beleidigende Fremdbezeichnung der Dominanzgesellschaft, mit "rassistischen Zuschreibungen, die sich über Jahrhunderte reproduzierten, zu einem geschlossenen und aggressiven Feindbild verdichtet haben". Ähnliches ist in dem Handbuch "Von Antiziganismus bis Zigeunermärchen" von Daniel Strauß und Michail Krausnick zu lesen: "Der deutsche Begriff Zigeuner wird als ein mit Klischees und Vorurteilen belastetes Schimpf- und Schmähwort von den Betroffenen besonders heftig abgelehnt". Bauerdick meint dazu, dass ihn solche Behauptungen verwirren, da sie sich nicht mit seinen eigenen Erfahrungen in Rumänien decken. Mir geht es ähnlich.

"Der Zigeunerbürgermeister"#

Roland Girtler als Jongleur vor Zigeunerkindern um 1998 - im Hintergrund die Wehrburg von Kelling (Calnic) unweit von Mühlbach (Sebes) in Siebenbürgen
Roland Girtler als Jongleur vor Zigeunerkindern um 1998 - im Hintergrund die Wehrburg von Kelling (Calnic) unweit von Mühlbach (Sebes) in Siebenbürgen

Bauerdick suchte wegen der Behauptung, dass das Wort Zigeuner von den Betroffenen heftig abgelehnt werde, den Ethnologen Rüdiger Benninghaus auf, der seiner Meinung nach zu den ersten Adressen zählt, wenn man in Deutschland etwas über die europäischen Zigeuner wissen wolle. Benninghaus, der bis 2011 im Archiv des Kölner Rom e.V. arbeitete, verfügte über ein großes Archiv, in dem so ziemlich alles zu finden war, was über Zigeuner publiziert, fotografiert, vertont und verfilmt wurde. Benninghaus zeigte Bauerndick eine beeindruckende Fotosammlung von Grabinschriiften der Zigeuner. Auf einem Foto ist der Grabstein des 2007 im Rheinland verstorbenen Josef Demeter zu sehen. auf dem "Präsident der Zigeuner" zu lesen ist. Demeter und seine Verwandten dürften demnach keine Probleme mit dem Wort Zigeuner gehabt haben. Ähnlich ist dies mit dem Grabstein des Franz Demeter auf dem Friedhof in Frechen, auf dem er mit dem Titel "Zigeunerbürgermeister" verewigt ist (a.a.O., S 168).

Dass der Begriff Zigeuner von nicht wenigen Zigeunern selbst als nicht despektierlich gesehen wird, zeigt sich wohl auch darin, dass Zigeunermusiker in Deutschland ihre Musik unter dem Label "Musik deutscher Zigeuner" veröffentlicht haben. Schließlich betitelte Philomena Franz, der die Nazis in Auschwitz die Nummer Z10550 eintätowiert hatten, ihre berührende Lebensgeschichte mit "Zwischen Liebe und Hass - Ein Zigeunerleben". Sie bekundete: "Ich habe dieses Buch als Zigeunerin geschrieben" (a.a.O., S 169). Philomena Franz sieht im Wort Zigeuner ein Symbol für eine Lebensart, bzw. eine Kultur.

Der schöne Klang des Wortes Zigeuner#

Eine schöne Verteidigung der Bezeichnung Zigeuner findet sich in dem Buch "Die Zigeuner - Reisende durch Europa" (Köln 1988) von den beiden Kulturanthropologen Rainer Gronemeyer und Georgia A. Rakelmann. In einem einleitenden Kapitel heißt es, dass das Wort Zigeuner bisweilen als Beschimpfung verwendet und auch empfunden werden kann. Aber auch die Zigeuner distanzieren sich durch Spottnamen von den Nichtzigeunern. Für diese hat man die Bezeichnung "Gadsche", was soviel wie Bauer, Knecht oder Dummkopf bedeutet. In dem Buch heißt es weiter: "Im Deutschen wird der Begriff Zigeuner in der Öffentlichkeit eher vermieden, an seine Stelle sind die Gruppenbezeichnungen Sinti und Roma getreten... Wollen Zigeuner nicht mehr Zigeuner genannt werden, so ist dies sicher im Umgang mit ihnen zu respektieren. Allerdings darf man nicht vergessen, dass der gemeinsame Name für diese Gruppe, der in fast ganz Europa verstanden wird, dann verloren geht. Auch die Bezeichnung Jude ist beladen mit einer Geschichte der Verfolgung und Ausgrenzung, und dennoch wird man dem Antijudaismus nicht mit einer Umbenennung der Menschen begegnen könne," Und schließlich schreiben die beiden Autoren: "Wir werden in diesem Buch den Begriff Zigeuner verwenden und dabei versuchen, ihm einen schönen Klang zurück zu gewinnen. Aber die Geschichte der Verfolgung und Diskriminierung (und schließlich die nationalsozialistischen Vernichtungsversuche) haften an diesem Namen und müssen erinnert sein und sind in ihm aufbewahrt" (S 10 f).

"Nennst Du mich Rom, dann beleidigst du mich"#

Während eines meiner Aufenthalte in Hermannstadt erwarb ich das Buch "Zigeunersitte - Zigeunerrecht - Traditionen im Alltag der rumänischen Roma" von Franz Remmel, einem Ethnologen und Rumäniendeutschen. Franz Remmel, der für seine tsiganologischen Studien von der Königsfamilie Cioaba in Hermannstadt mehrfach geehrt wurde, weist darauf hin, dass der verstorbene oberste Bulibascha (Häuptling) der Kalderasch (Kesselflicker) Ioan Cioaba konsequent den Begriff Zigeuner verwendet hat, ebenso wie sein Sohn Florin Cioaba, der leider auch schon verstorben ist. Für Franz Remmel sind die Benennungen Roma und Sinti lediglich "Kunstbegriffe der Political Correctness, welche die Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma durchgesetzt hat". Remmel, der sich intensiv mit dieser Thematik befasst hat, schreibt schlussendlich: "Bei den Gabor, einem siebenbürgischer Zigeunerstamm, ist der Begriff Rom ebenso nicht gefragt". Ähnlich meint Coca Matei , der Bulibascha aus Craciunesti/Mures: "Nennst Du mich Rom, dann beleidigst du mich. Auch von Rrom mit zwei r halten wir nichts. Sag mir Zigeuner und du sprichst mir zu Herzen". "Ich sags mit Stolz: ich bin Zigeuner", verkündet der international bekannte Musiker Damian Draghici, Abkömmling in neunter Generation von Zigeuner-Musikanten, Absolvent mit Magna cum Laude des Berkley- Kollegiums (Remmel, 2008, S 10).

Vor ein paar Jahren lernte ich den nun leider verstorbenen Zigeunerkönig vom Stamm der Kalderasch Florin Cioaba, er wurde bloß 58 Jahre alt, kennen. Auch seine Schwester die Dichterin Luminița Cioabă war dabei Durch sie wurde ich Ehrenmitglied der Roma bzw. Zigeuner von Hermannstadt.

Die Zigeunerkönige von Hermannstadt waren alle tüchtige und fleißige Geschäftsleute. König Cioaba meinte einmal, dass er von den Deutschen (wahrscheinlich meinte er die Deutschen in Hermannstadt) Pünktlichkeit und Fleiß gelernt habe. König Cioaba hatte nichts dagegen, als Zigeunerkönig bezeichnet zu werden. Er fand das Wort Zigeuner als akzeptabel.

Die Herkunft des Wortes Zigeuner#

Die Zigeuner dürften vor ca 900 Jahren aus Indien weggewandert sein, darauf weist auch ihre Sprache, das Romanes hin, es ist eine indoarische Das Wort Zigeuner hat demnach eine spannende und lange Geschichte, es dürfte sich vom griechischen Wort „athinganoi“ ableiten. Dieses Wort taucht schon im 12. Jahrhundert auf und bedeutet soviel wie Schlangenbeschwörer oder Wahrsager. Es könnte auch der Name einer kurdischen Sekte sein. Auch wäre es möglich, dass das Wort Zigeuner sich vom persischen Wort „asinkan“ für Schmiede oder von persisch „ciganch“ für Musiker und Tänzer ableitet. Ich meine, dass letztere zwei Bezeichnungen am ehesten als Urwörter für Zigeuner in Frage kommen. Als die Zigeuner in Europa auftauchten, dürften sie sich als ägyptische Pilger bezeichnet haben. Dieser Hinweis auf Ägypten hat sich erhalten u.a. im spanischen Gitano, im französischen Gitan uns im englischen Gypsy für Zigeuner.

Eine kurze Geschichte der Zigeuner im österreichisch- ungarischen Raum#

Die Geschichte der Zigeuner beginnt mit der Auswanderung der Zigeuner aus Indien vor vielleicht ca 900 Jahren, genaueres weiß man nicht.. Sesshaft sind die Zigeuner im Einflussbereich Österreichs, zu dem Ungarn mit Siebenbürgen gehörte, seit dem 15. Jahrhundert. Eine alte ungarische und österreichische Kultur prägte in vielerlei Weise das Leben der Zigeuner, die auf einer spannenden nomadischen Lebensweise aufbauen. Obwohl die Roma schon seit langer Zeit in Österreich leben, werden sie erst seit 1993 als autochthone Volksgruppe anerkannt. Ein wichtiger Stamm der Stamm in Österreich ist der der Lowara (Pferdehändler), die vor allem im Burgenland, das früher zu Deutsch-Westungarn gehörte, siedelten. Der erste Hinweis auf Zigeuner stammt aus dem Jahr 1400, es heißt da in einer Urkunde, dass ein gewisser Georgius Chigan Stallknecht bei einer Herrschaft im Komitat Eisenburg war. Der Name Chigan deutet höchstwahrscheinlich auf einen Zigeuner hin. Ab Beginn des 15. Jahrhunderts häufen sich die Berichte über „Zigeuner“, die durch Ungarn nach Österreich ziehen (bei meinen historischen Überlegungen orientiere ich mich an C. Mayerhofer 1987).

Der Schutzbrief von Kaiser Sigismund#

Der erste Schutzbrief für Zigeuner, der auf ungarischem Gebiet ausgestellt wurde, ist vom Deutschen und Ungarischen König Sigismund (Kaiser seit 1433) am 23. April 1423 unterschrieben worden. Es ist belegt, dass Sigismund sich zu dieser Zeit in Ungarn tatsächlich aufgehalten hat. Dieser „Schutzbrief“ war so etwas wie ein Reisepass für eine Person und seine Gruppe. Sigismund dürfte mehrere solcher Geleitbriefe ausgestellt haben. Interessant ist, dass ein gelehrter Chronist von Regensburg mit Namen Andreas einen solchen Brief an einen gewissen Woiwoden Ladislaus im August 1424 abgeschrieben hat. Es heißt u.a. in dieser Abschrift: „Freibrief für die Zigeuner, im Jahre 1423. Sigismund, von Gottes Gnaden Römischer König…sowie König von Ungarn, Böhmen etc. Einen huldvollen Gruß all unseren treuen Edlen, Soldaten, Burgherren, Beamten, Steuerträgern, freien Bürgerschaften, Landstädten und deren Richtern, die im Reich und in unserem Herrschaftsbereich eingesetzt sind und leben. Unserer getreuen Untertanen Ladislaus Waywoda und einige seiner Zigeuner-Unterführer sind an uns herangetreten und haben an uns die untertänigsten Bitten gerichtet …. und gefleht, wir mögen ihnen aus unserer übergroßen Gnade Schutz gewähren. Daher haben wir, bewogen von ihrem Flehen, geglaubt, dass wir ihnen diesen Freibrief gewähren sollen. Sooft daher dieser Ladislaus Waywoda und die ihm untergebenen Zigeuner vor jedem Grenzhindernis und jeder Schwierigkeit schützen und bewahren sollt; schließlich sollt Ihr sie vor allen Übergriffen und Angriffen schützen: wenn es aber unter ihnen selbst aus ihren eigenen Reihen zu irgendeiner Streiterei oder Unruhe kommen sollte, dann sollt weder Ihr, noch irgendein anderer von Euch, sondern nur eben dieser Ladislaus Waywoda die Befugnis haben, Urteile und Freisprüche zu fällen. Nach jeweiliger Einsichtnahme muss dieser Freibrief dem Vorzeiger zurückgegeben werden. Gegeben in Zips (Sepus) am Sonntag vor dem Fest des Heiligen Georg, Märtyrers, im Jahr des Herrn 1423. König … Sigismund“ (zit. nach Mayerhofer 1987,, S 10ff)).

Die Vertreibung von Zigeunern im 17. Jahrhundert#

Allerdings dürfte man in den Jahren danach den Zigeunern mit zunehmendem Misstrauen - vielleicht wegen ihrer nomadischen Lebensweise- begegnet sein. Ein Beispiel dafür ist das Vorgehen des Grafen Georg Thurzo, Palatin von Ungarn. Im Auftrag von Erzherzog Ferdinand von Österreich und König Matthias I. befahl er 1612 die Vertreibung der Zigeuner aus dem Fürstentum Steiermark und dem angrenzenden ungarischen Komitat Eisenburg. In dem von Graf Thurzo erlassenen Bescheid heißt es: "Den Hochwürdigen, Hochherzigen, Edlen, Durchlauchten und Vorzüglichen Herren …., den Stuhlrichtern, den Geschworenen und der Gesamtheit der Herren und Vorzüglichen des Komitats Eisenburg und im übrigen den Herren Freunden, die wir sehr ehren…. Zuallererst unseren Gruß und die Empfehlung unseres Amtes. Der Durchlauchtigste Fürst und Herr Ferdinand Erzherzog von Österreich, Fürst von Burgund, Steiermark, Kärnten, Krain, Graf von Tirol und Görz, hat durch sein an Seine Geheiligte Königliche Majestät Unseren Gnädigsten Herrn gerichtetes Schreiben gegen die Zigeuner, einen Volksstamm, der von Diebstahl und Räubereien zu leben gewohnt ist, viele Beschwerden und schwere Klagen vorgebracht, dass dieselben in Gebieten Seiner Majestät Diebstähle und Räubereien begehend sich in Teile des Ungarischen Königreichs und Slavoniens, usw. Jene Teile, die an das Fürstentum Steiermark direkt angrenzen, vorpirschen und von dort gleichsam wie von einem sichereren Unterschlupf aus durch recht häufiges Ausbrechen ihre gewohnten Diebstähle ganz ungehindert begehen; nach deren Beispiel und unter deren Bewachung nehmen es auch die anderen zum Anlaß, Ähnliches zu probieren - nicht ohne den größten Nachteil und Schaden der Untertanen. Deshalb ersucht uns die besagte Geheiligte Königliche Majestät durch ein besonderes Schreiben im Guten und verlangt, dass wir dem Hochwürdigen und edlen Herren Grafen Thomas Erdödy von Eberau Montis Claudii als auch …dem Banus der Königreiche Dalmatien, Kroatien, Slavonien, Ratgeber Seiner Geheiligten Königlichen Majestät, sowie den dem Fürstentum Steiermark benachbarten Komitatsbeamten und Offizialen streng auftragen, dass sie die betreffenden Zigeuner, die ihren Nachbarn schwere Schäden und Nachteile zufügen, sowohl aus den Grenzgebieten als auch aus jenen Gegenden, von wo aus sie die gewohnten Raubzüge machen, gänzlich vertreiben sollen und jenen fürderhin keine Möglichkeit geben dürfen, sich auf irgendwelche Gebiete niederzulassen. Und weil es heißt, dass die erwähnten Zigeuner bereits aus dem Königreich Slavonien vertrieben wurden und in andere Gebiete gezogen sind, bitten wir die Hochwürdigen Beamten, eure Edlen, Vortrefflichen und Vorzüglichen Herrschaften und fordern sie mit allem Nachdruck und kraft unserer Autorität als Palatin, über die wir in vollem Ausmaß verfügen, auf und befehlen, dass falls diese selbigen Zigeuner sich in das Komitat Eisenburg herablassen oder eine Behausung ebendort errichten wollen oder bereits errichtet haben, sie dieselben unbedingt vertreiben müssen und ihnen in keinem Teil des Komitats einen Platz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt ebendort zugestehen oder einräumen dürfen, wodurch unter den Gutsnachbarn eine (räumliche) Verbindung für jetzt und auch für die Zukunft zu Ruhe der Bewohner sichergestellt und ein weiterer Anlaß zu Klage wegen deren ständigem liederlichen Treiben ganz abgeschafft werden möge. Daß dieselben (= Herrschaften) dies von selbst erledigen werden und dem ausdrücklichen Willen Seiner Majestät entsprechen werden, erwarten wir nicht nur, sondern fordern und befehlen es. Wien, 20. März 1612“.(Bgld. Landesarchiv Eisenstadt. Zit. nach: Mayerhofer,1987,S.15). In diesem Sinn verboten auch die Grafen Esterházy den Roma die Ansiedlung in der Herrschaft Deutschkreutz in Westungarn.. Auch die Zisterzienser von Heiligenkreuz duldeten sie nicht in ihrem Herrschaftsgebiet (heutiger Bezirk Neusiedl/ See).

Unterstützung der Zigeuner durch die Grafen Batthyány#

Während in Niederösterreich und in der Steiermark die Roma immer wieder vertrieben wurden, waren sie in Ungarn unter einzelnen Fürsten geduldet. Im Gegensatz zu dem Adelsgeschlecht der Esterházy konnten sich Romagruppen im Gebiet der Batthyánys ungehindert bewegen. Die Batthyány hatten in ihren Herrschaftsgebieten zuvor Kroaten in den verlassenen Dörfern angesiedelt, aber auch Zigeuner, die wegen ihrer Fähigkeiten als Schmiede geschätzt wurden.

So erteilte im Jahre 1674 Graf Christoph Batthyány dem Woiwoden, wie der Anführer der Zigeuner bezeichnet wurde, Martin Sárközi und seinen Leuten das Recht zur Ansiedlung auf den Besitzungen im südlichen Burgenland. Die Hofmusikkapelle von Adam Batthyány (1610-1659) auf Burg Güssing soll fast ausschließlich aus Türken und Zigeuner bestanden haben. Auch die Erdödy, Besitzer u.a. der Herrschaft Eberau, waren den Zigeunern eher wohlgesonnen. In dem Brief Battyanys heißt es: "Wir, Graf Christof Batthyány, Erbherr der Burg Güssing, geweihter Ritter des Heiligen Römischen Reiches, Kammerherr und oberster Mundschenk des majestätischen Rates Seiner Majestät Leopoldus I., des römischen Kaisers und geweihten Königs, General und Kapitän diesseits der Donau in Ungarn ….. Wir geben bekannt, Allen die es wissen sollen, vor allem aber dem Ober- und Vizegespann, dem Kapitänleutnant, den Hofrichtern, den Zöllnern und anderen Beamten, Bürgermeistern, den Richtern der Städte und der Dörfer, dass der Woiwode Martin Sárközi, der diesen Brief vorzeigt, und die zu ihm gehörigen Zigeuner nirgends eine feste Residenz haben und gezwungen sind - um das Leben zu erhalten und sich zu ernähren und ihr Handwerk auszuüben - mitsamt ihren Zelten hin und her zu ziehen. Damit diesen Elendigen weder unterwegs noch an anderen Orten nirgends durch irgendwelche beamteten Menschen Kränkung widerfährt, bitten und ermahnen wir jedermann, die oben Genannten und alle, die es angeht, dass sie den genannten Woiwoden Martin Sárközi und die dazugehörenden zeltbewohnenden Zigeuner weder in ihrem Besitz noch in ihrer Person kränken, noch ihnen durch andere Leid zufügen lassen und sie in keiner Weise zu Diensten anhalten. Niemand soll sie zwingen, sie sollen vielmehr überall, wo sie umherziehen, ihren Beruf frei ausüben. Sie sollen außer diesem Zigeuner Martin Sárközi unter den Zigeunern keinen anderen Woiwoden nehmen, sondern dieser soll ihnen befehlen. Von ungarischer Seite wird Herr Ludwig Gori bestellt, dass er ihr Pfleger und Woiwode sei und die ganze Schar von Wien abhänge...".

Die Zigeuner, die in einem ungarischen Komitat (vergleichbar mit einem Bundesland) sich aufhalten durften, hatten einen Woiwode als Anführer. Er war Vertreter der Zigeuner des Komitats und hatte auch die Funktion eines Richters innerhalb der Zigeuner. Um nach außen hin seine Funktion zu zeigen, trug er Silberknöpfe und Silberschmuck. Jedenfalls tendierte man in Ungarn eher zur Tolerierung der Zigeuner als in den österreichischen Ländern. Während die „Zigeuner“ aus Niederösterreich und der Steiermark vertrieben wurden, hatten die ungarischen Magnaten nichts dagegen, wenn in ihren dünn besiedelten Gebieten sich fahrende und ansässige Zigeuner aufhalten.

Die Tolerierung durch die Türken#

Als die Türken große Gebiete Niederösterreichs, der Steiermarks und Westungarns im Jahre 1683 zerstört hatten, zogen sich die Zigeuner in den Süden zurück in die Gebiete des Grafen Batthyany, der sich mit den Türken gegen die ihm unsympathischen Habsburger verbündet hatte. Daher war das Gebiet des Grafen relativ frei von Krieg und Zerstörung. Für die Zigeuner war das Leben unter der Herrschaft der Türken einfacher und angenehmer als unter den Habsburgern. Jede Volksgruppe im osmanischen Reich, unabhängig von Sprache und Hautfarbe konnte bei den Türken eine Heimat finden. Wichtig war nur, dass die betreffende Gruppe die „wahre Lehre Mohammeds“ zumindest nicht bestritt. Viele Roma – sie lagerten meist am Rande der Städte - traten zum Islam über. Nach türkischen Quellen arbeiteten Roma bei den Türken vor allem als Waffenschmiede, Barbiere, Zeltbauer und manchmal auch als Henker.

Maßnahmen Maria Theresias gegen Zigeuner#

Unter Maria Theresia wurden Gerichte angehalten, das Sesshaftwerden der Zigeuner zu beschleunigen, indem sie ihnen das Vagabundieren verbieten und darauf achten sollten, dass die Zigeuner sich in Kleidung, Essgewohnheiten und Beruf sich nicht von den Ansässigen unterscheiden. Zugleich wurde eine genaue Registrierung der Zigeuner angeordnet. Schließlich wurde unter Maria Theresia die Ehe einer Zigeunerin mit einem Zigeuner verboten. Mischehen mit Nichtzigeunern sollten jedoch gefördert werden. Ein Zigeuner sollte nur dann heiraten dürfen, wenn er nachweisen konnte, dass er Frau und Kinder durch anständige Arbeit ernähren konnte.

Die Kindeswegnahme#

Schließlich sollten den Zigeunern alle Kinder über fünf Jahre abgenommen und zu christlichen Bürgern oder Bauern in entfernten Ortschaften zur Erziehung übergeben werden, um sie zu guten Handwerkern oder Bauern zu machen. Vom Komitat Pressburg wissen wir, dass in der Nacht des 21. Dezember 1773 alle Kinder der Neubauern, die über 5 Jahre alt waren, mit Wägen abgeführt und in entfernte Ortschaften gebracht wurden. Ein Reisebericht einer Französin schildert eine solche Kindeswegnahme ziemlich dramatisch: „An einem für dieses Volk entsetzlichen Tag … erschienen Soldaten mit mitgeführten Karren, die Kinder .. von den Zigeunern fortnahmen. Die Verzweiflung dieser unglücklichen Bevölkerung lässt sich nicht beschreiben. Die Eltern warfen sich vor den Soldaten auf den Boden und klammerten sich an den Karren, die ihre Kinder fortführten. Sie wurden mit Stöcken und Gewehrkolben weggestoßen, und da sie nicht fähig waren, den Wagen zu folgen, auf dem das Teuerste auf der Welt aufgeladen war, nämlich ihre kleinen Kinder, begingen viele Eltern auf der Stelle Selbstmord. Die Wegführung konnten die Zigains weder von der großartigen Moral überzeugen, die man ihnen predigte..“. Die fromme Maria Theresia wollte offensichtlich aus den Kindern der „Zigeuner“ gute Bürger machen.

Kaiser Josef II. und das Verbot, die „Zigeunersprache“ zu sprechen#

Diese Tendenz zeigt sich auch bei Ihrem Sohn Kaiser Josef II., der um 1783 wohl die Zigeuner aus der Leibeigenschaft von Grundherrn befreite, sie jedoch darin zu hindern suchte, dass sie weiterhin „vagabundieren“. Das Wandern der Zigeuner wurde also verboten, aber auch, dass sie sich mit Zelten in Wäldern ansiedeln, sie sollten vielmehr in Orten mit waldlosen Gebieten zum Ackerbau angehalten werden. Das Halten von Pferden, um sie zu verkaufen, wurde den Zigeunern verboten. Die Zigeuner wurden verpflichtet, Kleidung und Sprache der Bewohner der Orte, in denen sie sesshaft geworden sind, anzunehmen. Mit 24 Stockstreichen mußten Zigeuner rechnen, wenn sie ihre Zigeunersprache gebrauchten. Die gleiche Strafe traf jene, die das Fleisch gefallener Tiere (Aasfleisch) verzehrten. Die Zahl musizierender Zigeuner war zu beschränken. Die Verteilung von Zigeunerkindern wurde unter Josef II. fortgesetzt, ebenso die Registrierung der Zigeuner.

Die Abneigung gegenüber „Zigeunern“ im 19. Jahrhundert#

Nach dem Tod Josef II. blieb weiterhin die Vorstellung bestehen, dass Zigeuner zu integrieren seien und ihnen ihre Wanderlust auszutreiben sei. Aus dem Osten drangen allerdings neue Zigeuner-Gruppen in den Herrschaftsbereich der Habsburger ein. In einer Verordnung aus dem Jahre 1811 wird die alte Abneigung gegenüber „Zigeunern“ deutlich. Es heißt da u.a.: „Zigeuner, die das Land betreten, sind zurückzuweisen. Mehrere Zigeuner haben sich trotz dieses Verbotes in das Land eingeschlichen und sich unter dem Vorwand des Straßensammelns auf dem ,Land verbreitet und die öffentliche Sicherheit dadurch gefährdet. Das Herumziehen der Zigeuner in Österreich ist verboten, als Straßensammler kommen nur Inländer mit gutem Ruf in Frage. Zigeuner sind also in ihre Heimat zurückzuschicken und der Eintritt in das Land muss ihnen an der Grenze verwehrt werden“. Ein ähnliches Rundschreiben erging 1819 an die Gemeinden: „Es ist glaubwürdig angezeigt worden, dass eine Zigeunerbande aus drei bespannten Wägen, mit mehreren Manns- und Weibspersonen, dann Kindern beladen, … von Ort zu Ort wandern, sich außer diesen Ortschaften belagern, und verschiedene Schmied- und Schlosser-Arbeiten zum Vorwande verrichten, zugleich aber das Publikum hinsichtlich der Diebstähle gefährden..“.

Man sah in den „Zigeunern“ ein fahrendes Volk, dem nicht zu trauen ist. In diesem Sinn versteht sich der Erlaß des österreichischen Innenministeriums vom September 1888, wonach herumziehende Zigeuner und Zigeunerbanden auf dem Gebiet des heutigen Burgenland, dem früheren Deutschwestungarn, zu bekämpfen sind. Haben Zigeuner ihre nomadisierende Lebensweise aufgegeben und das Heimatrecht erworben, so wurden sie angehalten, im Straßenbau zu arbeiten, in festen Wohnungen zu hausen und ihre Kinder regelmäßig in die Schule zu schicken.

Die Zeit nach dem 1. Weltkrieg und die Verfolgung der Zigeuner#

Nach dem 1. Weltkrieg in der Zeit wirtschaftlicher Not wird die feindselige Einstellung gegenüber den „Zigeunern“ immer ärger. Rassenideologische Argumente werden gegen die „Zigeuner“ eingesetzt, um ihnen ihre Würde zu nehmen. Man bezeichnet sie arbeitsscheu, faul und als minderwertig. Der Hass gegenüber den Zigeunern wird vor allem durch den nationalsozialistischen Rassismus gefördert. Arbeitslager für die „Zigeuner“, ihre Zwangssterilisierung und die Deportation nach Auschwitz sind traurige Endpunkte in der Behandlung der Zigeuner.

Sympathie von Dichtern und Denkern für Zigeuner#

Obwohl die Zigeuner im 19. Jahrhundert von den Regierenden und vom Bürgertum grundsätzlich missachtet wurden, fanden sich doch immer wieder Dichter und Denker, die Sympathien für die „Zigeuner“ zeigten, wie Hermann Löns, J.v. Eichendorff, Heinrich Heine und Nikolaus Lenau. Nikolaus Lenau, der um 1802 in Ungarn geboren wurde und 1850 in Wien starb, zeigt in seinem schönen Gedicht „Die drei Zigeuner“ Respekt vor der Lebensweise der „Zigeuner“, von denen wir einiges lernen können. Dieses Gedicht sei hier wiedergegeben:

Drei Zigeuner fand ich einmal
Liegen an einer Weide,
Als mein Fuhrwerk mit müder Qual
Schlich durch sandige Heide.

Hielt der eine für sich allein
In den Händen die Fiedel,
Spielte,umglüht vom Abendschein,
Sich ein feuriges Liedel.

Hielt der zweite die Pfeif im Mund,
Blickte nach seinem Rauche,
Froh, als ob er vom Erdenrund
Nichts zum Glücke mehr brauche.

Und der dritte behaglich schlief,
und sein Zimbal am Baum hing,
Über die Saiten der Windhauch lief,
Über sein Herz ein Traum ging.

An den Kleidern trugen die drei
Löcher und bunte Flicken,
Aber sie boten trotzig frei
Spott den Erdengeschicken.

Dreifach haben sie mir gezeigt,
Wenn das Leben uns nachtet,
Wie man's verraucht, verschläft,
vergeigt und es dreimal verachtet.

Nach den Zigeunern lang noch schaun
Mußt ich im Weiterfahren,
Nach den Gesichtern dunkelbraun,
Den schwarzlockigen Haaren.

Sympathien mit „Zigeunern“ und ihrer Sprache hatte auch Erzherzog Josef, der Interesse für die Sprache der Roma gehabt und eine „Zigeunergrammatik“ auf ungarisch (1888) und deutsch (1902) herausgebracht hat. Ein Originalexemplar der deutschen „Zigeunergrammatik“ hat mir ein Nachfahre des Erzherzogs mein Freund Gundakar Prinz von und zu Liechtenstein geschenkt. Dafür sei ihm hier gedankt.

Statt eines Nachwortes - „Mir sen evangelische Zigeuner“#

Durch Zufall fiel mir vor einiger Zeit ein Heft des "Lutherischen Dienstes" von 1996 in die Hände. In diesem fand ich einen Aufsatz von Michael Weber, damals Pfarrvikar der westfälischen Landeskirche, aus Münster mit dem Titel "Mir sen Lutheraner!"

Dieser Aufsatz handelt von Zigeunern, die sich selbst "evangelische Zigeuner" nennen. Sie leben in dem sächsischen Dorf Weilau in der Nähe von Klausenburg in Siebenbürgen.

Die Zigeuner in dem Dorf sprechen neben Romanes (Zigeunersprache) und Rumänisch auch Sächsisch, die alte Sprache der Deutschen in Siebenbürgen. Da die Deutschen ausgewandert sind, kümmern sich die Zigeuner um die deutsche Kirche, renovierten sie, wurden evangelisch und feiern evangelische Gottesdienste. Sie bezeichnen sich als Lutheraner und nennen sich „evangelische Zigeuner!“ Dies überraschte Michael Weber, der Autor dieses Aufsatzes, der sie allerdings politisch korrekt als „evangelische Roma“ anspricht (ehemalige homepage - http://www.kukvfs.at/evangelische-zigeuner-1).

Literatur u.a.;#

  • Rolf Bauerdick, Zigeuner -Begegnungen mit einem ungeliebten Volk. München 2013
  • Luminita Mihai Cioaba, Negusterol de Ploaie - O Manusi kai Bitinel Brisind - Der Regenhändler, Gedichte, Sibiu 1997
  • Franko Djuric, Ohne Heim ohne Grab, Die Geschichte der Roma und Sinti, Berlin 1996
  • Roland Girtler. Verbannt und vergessen. Eine untergehende deutschsprachige Kultur in Rumänien. Veritas-Verlag, Linz 1992
  • Roland Girtler (Hrsg.), Die Letzten der Verbannten. Der Untergang der altösterreichischen Landler in Siebenbürgen/Rumänien. Böhlau, Wien u. a. 1997
  • Roland Girtler, Das letzte Lied von Hermannstadt - das Verklingen einer deutschen Bauernkultur in Rumänien, Wien 2007
  • Rainer Gronemeyer, Die Zigeuner – Reisende in Europa, Köln 1988
  • Mozes Heinschink, Ursula Hemetek, Roma, das unbekannte Volk, Wien 1994
  • Erzherzog Josef, Zigeunergrammatik, Budapest 1888
  • Claudia Mayerhofer, Dorfzigeuner, Wien 1987


https://photos.app.goo.gl/Ac77JMU3fUMEbMTZ7

-- gamauf gerald antal, Donnerstag, 14. Mai 2020, 09:51