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Die Nische, der Wald#

(Ein Transitions-Moment)#

Von Martin Krusche#

Ich hatte mich jüngst anregen lassen, einen Instagram-Account einzurichten. Ich blieb zwar skeptisch, aber neugierig. (Es mangelt ja nie an Ratschlägen, was man im Bereich der Social Media tun und was man bleiben lassen sollte.) Es ist schon eine Weile her, daß ich meinen Twitter-Account gelöscht hatte, weil es mir sinnlos erschien, jeden Tag mehrere Kanäle mit Inhalten zu bespielen, wobei sich da und dort mein Publikum ohnehin stellenweise deckt.

Verschiedene Aufgaben#

Das fiel mir dann auch bei Instagram auf. Wenigstens die Hälfte der Leute folgt mir ebenso auf Facebook, das mir inzwischen als „veraltet“ runtergeredet wird. Nun könnte ich per Funktion Inhalte in beiden Kanälen zugleich posten. In den frühen Netzkultur-Tagen hieß sowas Crossposting und war verpönt, galt als Ausdruck von Inkompetenz. Inzwischen ist mir natürlich klar, es geht hier um völlig verschiedene Unternehmungen. Ich bin als Künstler Old School, weil ich eine meiner Aufgaben darin sehe, mir ein Publikum zu erarbeiten. Das steht im Kontrast zu jenem anderen Vorhaben, nämlich Follower zu generieren.

Es sind zwei völlig verschiedene soziokulturelle Konzepte: a) Publikum erarbeiten und b) Follower generieren. Daher muß ich auch eines nicht gegen das andere ausspielen oder sie hierarchisch gegeneinander aufstellen. Die altmodische Art, sich um ein Publikum zu bemühen, welches angebotene Inhalte rezipiert, vermag ja nicht in Konkurrenz zu jener neumodischen Pose zu stehen, bei der es darum geht Wow-Effekte zu rezipieren. Man müßte ein kulturpessimistischer Eiferer ein, um dagegen anzurennen. Ich bin zu einem anderen Schluß gekommen.

Den hab ich aus der Literatur abgeleitet, speziell von einem Motiv, das in meiner Arbeit über die Jahre immer wieder aufgetaucht ist. Daher diese meine Insta-Notiz: „…und wenn das nur ein kleiner Rest von Leuten wäre, wir, die wir nach Büchern verrückt sind, da draußen im Wald, jenseits der rostigen Bahngleise, die aus der Stadt führen, dann müßte dort mein Platz sein. Wir würden uns nicht mit „Guten Morgen!“, sondern mit „Bradbury!“ begrüßen. (Fahrenheit reloaded!)“ Die Quelle: (Link)

Der Wald als eine gedachte Nische in der Wildnis von Menschen, welche Wow-Effekte komplexeren Inhalten vorziehen. Eine autonome Zone, also ein Areal mit selbstgewählten Regeln. Es ist Unfug, andere belehren zu wollen. Das wäre so paternalistisch wie einst jenes im Standesbewußtsein schwächelnde Bildungsbürgertum, das seinen Aufstieg unter anderem damit zu stärken versuchte, daß es sich den Pöbel zur Belehrung vornahm.

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Die Subalternen, die Ungebildeten als Mündel vereinnahmen, belehren und erziehen, sich zu deren Vormund aufschwingen, zum kulturellen Zuchtmeister… Übrigens eine der Quellen dessen, was dann als „Volkskultur“ etikettiert wurde, um im Kontrast zur „Hochkultur“ was auch immer deutlich zu machen.

Permanente Optimierung#

Wow-Effekte raushauen und deren Wirkung optimieren, indem man sich einer ganzen Branche andient, hingibt. Da kümmern sich ja schnell Leute um einen, die solche Arten von Adressen haben: „click.to.get.followers“. Das Versprechen paßt nahtlos in dieses Klima der permanten Beschleunigung und umfassenden Selbstoptimierung: „This will boost your followers count and hence the popularity on Instagram. New Organic and targeted followers get attracted towards such profiles. This is all how it helps. The more followers the better... for page reputation as well.“

Ich brauche sowas gar nicht zu bewerten. Es interessiert mich einfach nicht. Mir ist gut in Erinnerung, wie ich vor mehr als 40 Jahren erstmals Berichte in auflagenstarken Blättern publizieren konnte. Ich erinnere mich an das Gefühl. Nämlich: „Das Blatt erreicht ein Publikum von einer halben Million Personen und ich spüre nichts.“ Es hat für meine Arbeit keinen Unterschied gemacht, für die Recherchen, die Schreibakte, das Anschauen der Stories im Blatt.

Ich kann mit hunderttausenden Menschen nicht kommunizieren. Ich konnte es damals nicht, es bewegt mich heute nicht. So ist auch meine Art der Wissens- und Kulturarbeit nicht auf Wow-Effekte abgestellt, nicht auf ein Massenpublikum gerichtet, dicht auf rasanten Follower-Gewinn, meine Kunstpraxis sowieso nicht.

Kontext#

Fazit#

Da ich gerade 20 Jahre Projektarbeit an „The Long Distance Howl“ abzuschließen hatte, war unter anderem zu klären, wie es konzeptionell und inhaltlich weitergehen soll, wie das dann benannt sein will. Das wäre inzwischen geklärt: „Fahrenheit reloaded“. Die Nische, der Wald, die Verbundenheit mit wißbegierigen Menschen, mit jenen, denen Poesie etwas bedeutet. Der Rest weiß sich auch so zu beschäftigen, da bedarf es meiner Kompetenzen nicht.