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Notiz 074: Die neue steirische Landesausstellung I#

(Zusammenfassung von fünf Glossen der Origami Ninja Association)#

von Martin Krusche

Ich staune, wie ruhig und diskursfrei diese neue Großveranstaltung geplant und umgesetzt wurde. Ich hab kein Problem mit dem Status quo. Die Schau ist auf der Schiene. Einiges davon finde ich interessant. Paßt! Es muß nicht alles nach meinem Kopf gehen, ich muß nicht überall dabei sein, das ist für mich vor allem ein kleiner Weckruf. Da hat ein großer Dampfer das Dock verlassen. Nun sollte eventuell das Kulturvölkchen mit Politik und Verwaltung im Gespräch sein, welche Konzepte und Strategien für die Zukunft zur Debatte stehen. Hier die ersten fünf Glossen, die ich dazu bei den Origami Ninjas verfaßt hab. Die Schau im Web

landesausstellung I#

am 9.4.2021 wurde die erste „steiermark schau“ zum thema „die ausstellung des landes“ eröffnet. das erinnert mich an die „regionale“, mit der einst versucht wurde, das thema gegenwartskunst jenseits von graz voanzubringen. (leider längst geschichte.)

die „regionale“ gab es 2008, 2010 und 2012. sie war damals eine reaktion auf das ende des genres „Steirische Landesausstellung“. laut wikipedia fand jenes ältere format von 1959 bis 2006 „nach dem Beispiel landwirtschaftlicher Mustermessen, Kunstexpositionen und den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts statt“.

Bild 'stmk_schau01'

nun also die „steiermark schau“. was sagt meine branche dazu? eine kleine facebook-abfrage am 11.4.2021, keine vollständige erhebung, bloß was mir gerade einfiel:

  • aktuelle kunst in graz: nix!
  • Atelier_12_KKB: nix!
  • Buero für Pessi.mismus: nix!
  • esc medien kunst labor: nix!
  • Forum Stadtpark: nix!
  • GKP - Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik: nix!
  • IG Kultur Steiermark: nix!
  • Kig KulturinGraz: nix!
  • KOMM.ST: nix!
  • Kulturverein kulm: nix!
  • KULTur an der MUR: nix!
  • Kulturinitiative Kürbis Wies: nix!
  • Kunsthalle Graz: nix!
  • Literaturhaus Graz: nix!
  • Rostfest: nix!
  • Schaumbad - Freies Atelierhaus Graz: nix!
  • Sezession Graz: nix!
  • Steiermärkischer Kunstverein Werkbund: nix!

und meine kolleginnen, kollegen? künstlerin eva ursprung: „dabei sein ist alles“. schauspielerin monika klengel am 9.4.21 auf facebook: „haben bei der eröffnung der steiermarkschau eigentlich nur övp-politiker*innen, die sich mit vornamen begrüßt haben, gesprochen? ich konnte erst später einsteigen. gab es wenigstens eine gesellschaftskritische keynote?“ sie ergänzt: „hoffentlich sprechen die kunstwerke eine andere sprache.“

theaterfrau edith draxl meinte dazu: „naja.....ich bin nicht sehr überzeugt, war heute dort.“ autor stefan schmitzer notiete: „das ist die *steiermark*schau, da kannst froh sein, wenn es nicht als allererstes an der joschi-krainer-senior-büste mit dem weihwasserwedel eingesegnet worden ist, das kulturzeugs.“ also: schauen wir amal, dann sehn wir schon…

landesausstellung II#

ich hab ein faible für sammlungen, für akkumulierungen, für interessantes zeugs auf einem haufen, alles unter einem dach. das hat mich für den alten typ der landesausstellungen stets anfällig gemacht und treibt mich gelegentlich in heimatmuseen.
Bild 'stmk_schau02'

ich finde einerseits eine freude an der klassischen wunderkammer. kurioses: konzentriert. dabei ist keine besondere ordnung wichtig, keine genaue dokumentation. hauptsache ich kann schauen und staunen. andrerseits hab ich an etlichen der vergangenen landesausstellungen die publikationen geschätzt. kataloge mit ihren essays. davon möchte ich etliche in meiner bibliothek nicht missen.

ich hab zum thema landresausstellung in der ersten glosse wikipedia zitiert, wonach diese projekte damals „nach dem Beispiel landwirtschaftlicher Mustermessen, Kunstexpositionen und den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts“ konzipiert worden seien.

dazu gibt es eine sehr interessante steirische publikation aus dem jahr 1890. dadurch wird anschaulich, auf welche art man sich damals bemüht hat, für einige metiers zeitgemäßes wissen zusammenzutragen und seinen leuten zu vermitteln. das buch „culturbilder aus steiermark“ (leykam-verlag) ist in form von pdf-dateien auf dem server der TU graz verfügbar: (die quelle)

ich möchte annehmen, derlei bemühungen wird man zwar von repräsentationspflichten nicht freibekommen, aber es sollte doch ein altes prinzip belegbar sein: erkenntnis möge sich erweisen und nicht bezahlt machen. damit meine ich: erkenntnisgewinn geht vor prestigegewinn. als der typus „landesausstellung“ 2008 vom typus „regionale“ abgelöst wurde, ist diese art priorität nicht zum durchbruch gekommen. das macht der rückblick klar.

derzeit haben wir zwei kulturelle großvorhaben, deren diesbezügliche qualität bald näher zu betrachten sein wird:

  • graz kulturjahr 2020: „wie wir leben wollen“
  • steiermark schau „ausstellung des landes“

landesausstellung III#

ich hab augenblicklich noch nicht viel zu sehen bekommen. was ich mir bisher via web bezüglich der STEIERMARK SCHAU an informationen beschaffen konnte, macht mir einen ganz guten eindruck. ich mag die konzeption, soweit ich sie aus den einzelnen info-modulen ableiten und verstehen konnte.
Bild 'stmk_schau03'

ich hab natürlich gleich einmal nachgeschaut, wie dabei die gegenwartskunst aufgstellt ist. die auswahl sagt mir zu. vor allem, weil ich da kräfte eingebunden sehe, die sind teils wesentlich jünger als ich, offenbar auf der höhe der zeit unterwegs. kunstschaffende, die präzise arbeiten. kein veteranentreffen. das gefällt mir.

ich mag auch die mischung der themenblöcke und genres, das wechselspiel zwischen stationären und mobilen elementen. auf anhieb macht mir eigentlich bloß die pr-arbeit unbehagen, weil ich zu allergischen reaktionen neige, wenn ich auf derlei schlüsselwörter, phrasen und posen stoße.

aber ich weiß zugleich, daß werbung anderen regeln folgt und andere aufgaben hat, die mich eben nicht interessieren. da paßt also dieses bonmot: der wurm muß dem fisch schmecken, nicht dem angler. ergo: mir muß das nicht gefallen. (ich hab einfach meinen fokus woanders.)

es gibt eine reihe von aspekten und zusammenhängen, die ich an diesem projekt vermisse. aber das ist naheliegend. erstens kenne ich das „lastenheft“ nicht, das der konzeption zugrunde lag. zweitens kann und soll man nicht zu viel in das jahrespaket so eines vorhaben packen. (mir geht jene gschaftelhuberei entsetzlich auf den geist, die so tut, als hätte sie alles nötige im blick und würde alles wichtige bedinen. sowas ist mumpitz, ist unrealistisch.)

also finde ich es klug, wenn entschieden wird, was heuer zum zug kommen möge, wenn anderes vorerst ausgespart bleibt. prioritäten! themenschwerpunkte setzen und diese gründlich bearbeiten. das ist nach meinem geschmack. (ob ich heuer andere prioritäten gesetzt hätte, bleibt unerheblich. ich hatte diesen job nicht.)

ich hoffe daher, diese schau bewährt sich als frischer schritt, durch den bei verantwortlichen kräften der eindruck entsteht, der aufwand habe sich gelohnt. derweil könnten wir beginnen, uns details anzusehen. wir können erörtern, was alles so ein format mittelfristig für die steiermark leisten sollte; und zwar von dem, was jetzt noch nicht darin vorkommt.

wir? welches wir? ja, das will auch noch geklärt werden. dazu bräuchte ich mehr klarheit, was sich leute in meinem metier kulturpolitisch vorstellen, um in der steiermark nach der pandemie eine andere situation zu bearbeiten als davor.

ich bin sicher, wir werden zu keinen früheren verhältnissen zurückkehren… außer jene unter uns, die es vorziehen, sich einer art soziokulturellem kameradschaftsbund anzuschließen.

landesausstellung IV#

die vorgeschichte dieses veranstaltungstyps legt nahe, ein paar grundlegende fragen im auge zu behalten. mindestens seit dem fall andrea herberstein sind wir kulturvölkchen mit verschärften kriterien konfrontiert, wo es um die verwendung öffentlicher gelder geht.

damals waren fast alle abteilungen des landes in die malversationen mehr oder weniger verstrickt. das hatte enorme konsequenzen für den heimischen kulturbetrieb, wo es um die kofinanzierung kultureller vorhaben geht, um den einsatz öffentlicher gelder. verfügbare ressourcen verlocken zur beugung selbstgewählter regeln. sowas regt mich heute kaum noch auf. ich frag mich eher, welche strategien dagegen möglich sind, damit vorhaben gedeihen können. also: fragen stellen!

das foto stammt von der 2001er landesausstellung „energie“ in gleisdorf.
das foto stammt von der 2001er landesausstellung „energie“ in gleisdorf.

mein egoistisches motiv: ich will auch morgen noch ein interessantes geistiges leben mit spannenden aufgaben haben. das klappt aber nicht, wenn verdeckte intentionen zum standard werden und sich günstlinge eines systems etablieren dürfen, denen niemand in den arm fällt. landesausstellungen gaben einst allerhand anlässe, das zu bedenken. da wären heute zum beispiel ein paar entweder-oder-fragen:

  • geht es bezüglich des publikums eher um konsumation oder partizipation?
  • geht es in der umsetzung eher um inhaltliche arbeit oder repräsentation?
  • geht es in der (immateriellen) wertschöpfung eher um das zentrum oder die provinz?
  • geht es im engagieren von kräften eher bottom up oder top down zu?

ferner:

  • sind die kriterien, die der programmierung zugrunde liegen, bekannt?
  • gibt es ein konzept, wo die nächsten schritte mit diesem format hinführen sollen?
  • wer hat das verhandelt und wo kann ich es lesen?

zur aktuellen schau wird betont, es solle ein nutzen für die GESAMTE STEIERMARK lukriert werden. ich bekam vorgestern (23.4.21) „Presseunterlagen zur heutigen PK: STEIERMARK SCHAU & die Transformationskraft der 15 steirischen LEADER-Regionen“

das allein wirft schon eine reihe von fragen auf, die ich hier noch stellen werde. aber zurück zum hintergrund dieses projektes. die alte art der steirischen landesausstellungen gab es von 1959 bis 2006, freilich nicht jedes jahr. der verlauf hat lücken. ich kenne kein allgemein verfügbares dokument, das uns die abschaffung dieses veranstaltungstyps sachlich und unaufgeregt darlegt, obwohl es so ein papier geben muß.

die etwas polemische begründung, wie sie damals kolportiert wurde, lautete unter anderem: bürgermeister ziehen sehr viel kulturbudget ab, um ihre alten kästen zu renovieren. die vergabe der landesmittel setzt ein gewisses maß an fügsamkeit voraus, wird also zur politischen lenkung mißbraucht. in eben diesen zusammenhängen wurde auch über allerhand eifersüchtiges gebaren von regionalpolitischen kräften gesprochen. soweit die kolportage.

derlei geht letztlich immer zu lasten einer region und der dort ansässigen menschen über die bühne. sind aus erfarungen schlüsse und konsequenzen gezogen worden? und wieder die frage: wo kann ich es nachlesen?

landesausstellung V#

ich hab bisher in meinem milieu keine kritische debatte zur neuen schau gefunden. vielleicht ist das ein gutes zeichen. vielleicht sagt das bloß: es war bisher noch nicht einzuschätzen, womit wir es zu tun haben.
das foto stammt von der 2001er landesausstellung „energie“ in gleisdorf.
das foto stammt von der 2001er landesausstellung „energie“ in gleisdorf.

nebenbei bemerkt: KRITISCH bedeutet PRÜFEND und nicht „negativ bewertend“. das will ich betonen, um so die frage nach KRITERIEN zu unterstreichen. kritik ist das prüfen, das vergleichen, und zwar zu nachvollziehbaren kriterien.

die worte „steiermark schau konzept“, in eine suchmaschine gehauen, das bringen mir kein nützliches ergebnis. eine blinde stelle wie die bei wikipedia finde ich betrüblich: „Datei:Das Konzept der STEIERMARK SCHAU mit den vier Standorten.jpg“. dann wäre da der wikiped-link.

darunter finde ich zum heutigen tag (27.4.2021) keine einzige nützliche quelle, sondern nur pr-texte. so ist es leider auch bei der website der schau selbst. „konzept“ oder „konzeption“ als suchbegriff bringt mir hautsächlich public relations. halt! eine ausnahme.

immerhin erfahre ich: „Kulturlandesrat Christopher Drexler hat heute (Dienstag, 6. Oktober 2020) nach intensiven Vorbereitungsarbeiten das neue große Ausstellungsformat des Landes, die STEIERMARK SCHAU, der Öffentlichkeit präsentiert.“ diese page bietet mir eine ganz nützliche skizze, wie das projekt intendiert und angelegt wurde. ein lesenswerter text, hier zu finden: (link)

folgende passage schien mir sehr interessant: „Begleitend dazu geben Info-Filme kurze Ein- und Überblicke zur Vielfalt der regionalen Kunst- und Innovationslandschaft, zur Biodiversität in Kulturlandschaften, zur Vielfalt in steirischen Sprachenlandschaften, zum Kulturaustausch und zu kontaminierten Landschaften.“

Bild 'ona_stempel400'

darin läge der ansatz einer kulturpolitischen betrachtung, wie denn das verhältnis zwischen dem landeszentrum und seiner provinz heute gesehen und erörtert werden könnte. diese debatte hielte ich für sehr wichtig, aber ich finde sie noch nicht. hat jemand hinweise/links für mich?