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Notiz 008: Das 730er Projekt#

(Zukunftsweisend. In Kenntnis der Vergangenheit.)#

von Martin Krusche

Wir laufen nicht alle Tage einem Erfinder über den Weg. Ich hatte nun schon einige Male die Gelegenheit, solchen Persönlichkeiten zu begegnen, die aus einem Wissensstand auf der Höhe der Zeit neue Lösungen für verschiedene Probleme ableiten. Ich genieße einen sehr belastbaren und leistungsfähigen Verstand, mit dem ich meinen rastlosen Wissensdurst bearbeitet kann. Doch manchmal bin ich ganz perplex, wozu andere Geister in der Lage sind, um Themen auszuloten, wo dann mein Verstand ein wenig ratlos in der Gegend herumsteht.

Matthias Göschke erläutert sein Allrad-Konzept. (Foto: Archiv Krusche)
Matthias Göschke erläutert sein Allrad-Konzept. (Foto: Archiv Krusche)

Jüngst hatte ich eine ganze Gruppe solcher Geister vor mir. Das Projekt 730 von Matthias Göschke weist in die Zukunft. Wir hatten in der Oststeiermark eine Konferenz, bei welcher der Erfinder sein Fahrwerkskonzept für ein Geländefahrzeug mit altgedienten Routiniers debattieren konnte.

Daß ich selbst im Vorlauf dieses Treffens meinte, ich hätte so ein Fahrwerk noch nie gesehen, sagt ja nicht rasend viel, denn die Steyr-Daimler-Puch AG war über Jahrzehnte stets von einem Fluß neuer Ideen durchzogen. Nur wer dabeigewesen ist, kann sagen, was schon alles versucht wurde, ohne dann in Serie umgesetzt zu werden.

Der Weg in die Serienfertigung ist von vielen Hürden verstellt. Darüber hinweg schafft es nur ein Bruchteil dessen, was erdacht und getestet wurde. Ergo: Zeitzeugen sind wichtig, wenn man wissen möchte, was in Graz seinerzeit zwischen Einser-Werk und Werk Thondorf alles gelaufen ist.

Wäre andrerseits noch von einem fundierten Archiv zu schwärmen. Magna Steyr hat das leider nicht geleistet; nämlich ein derartiges Werksarchiv einzurichten. Aber privat wurde vieles gesichert. Markus Rudolf, selbst Konstrukteur und Sohn von Egon Rudolf (†), dem letzten Werksdirektor der historischen Puchwerke, hat so ein Archiv. Darauf werde ich hier noch zurückkommen.

Konferenz in Flöcking#

Das neue Allrad-Konzept von Matthias Göschke konnten wir uns im Turnsaal der Volksschule Flöcking ansehen; in Werkszeichnungen, Computeranimationen und als Funktionsmodell. Ich kann es hier vorerst nicht zeigen, weil es mit einer Sperrklausel belegt ist. Klar, da ist Know how, wie es erst auf mehreren Ebenen gesichert sein muß. Und die Geschichtsbetrachtung?
Der OM Lupetto wurde ab 1960 in Steyr per Lizenz gebaut.
Der OM Lupetto wurde ab 1960 in Steyr per Lizenz gebaut.
Der Steyr-Puch LKW 730 ging nie in Serie.
Der Steyr-Puch LKW 730 ging nie in Serie.

Natürlich sprachen wir über einen historischen Prototypen, welcher – wie Göschkes Konzept – mit der Zahl 730 betitelt ist; genauer: Steyr-Puch LKW 730. Egon Rudolf notierte in seinem Buch, daß Auffassungsunterscheide plus das geplante Pinzgauer-Projekt diesen 730er LKW aus der Bahn geworfen hätten, was er für einen Fehler hielt, weil er meinte, das Fahrzeug wäre Kundenbedürfnissen entgegengekommen.

Dazu meinte Ferdinand M. Lanner „Nicht vergessen!“ und schrieb mir aus Stuttgart: „Steyr setzte damals darauf, diese Klasse mit den seit 1958-59 importierten OM ausfüllen zu können. Steyr-OM - Lupetto, Leoncino, später dann auch Tigrotto.“ Lustiger Zufall, so ein Fahrzeug hatte ich eben im Facebook-Projekt „Gleisdorf vor Jahren“ raufgeladen.

Ich durfte es mir seinerzeit in einer Gleisdorfer Fachwerkstatt anschauen, die heute nicht mehr in Betrieb ist. Dieser LKW war unter einem Flugdach hinter der Halle abgestellt. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Firma Patthy merkte an, dies sei „der Müllwagen“ des Betriebs gewesen.

In dieser Werkstatt hatte ich übrigens von einem Mechaniker zum ersten Mal gehört, daß nach dem Krieg allerhand Häuseln des Steyr Baby auf Kübelwagen-Plattformen geschraubt worden seien. Ich wollte das damals nicht recht glauben, doch es wurde mir inzwischen mehrfach bestätigt.

Sie können sich gewiß vorstellen, ich hätte jene Konferenz gerne größer angelegt, um mehr Fachleute zusammenzubringen, denn diese Debatte finde ich extrem spannend. Da war aber unter Corona-Bedingungen vorerst nichts zu machen. Abstandregeln, Fläche und Raum…

Von links: Manfred Haslinger, Fredi Thaler und Constantin Kiesling. (Foto: Archiv Krusche)
Von links: Manfred Haslinger, Fredi Thaler und Constantin Kiesling. (Foto: Archiv Krusche)

Es ist ohnehin ein Glücksfall gewesen, daß wir den genannten Volksschul-Turnsaal nutzen durften und daß Vizebürgermeister Peter Moser für unsere Bewirtung sorgte. Dazu gehörte auch die Arbeit von Teresa Leitner. Sie ist die Wirtin des Gasthaus Saulauf, einer regionalen Institution nahe Schloß Freiberg.

Dort hat bisher keine Verlockung eines gefälligen Umdekorierens und billigen Aufhübschens des Betriebs gegriffen. Die Wirtin zeigt sich von Konzepten außerhalb ihrer eigenen Erfahrungen unbeeindruckt und geht daher gastronomisch einen ganz eigenwilligen Weg. Für uns ist das Gasthaus Saulauf in der regionalen Kulturarbeit eine Art Konferenzzentrum, von dem wir freilich unter den aktuellen Pandemie-Bestimmungen ausgeschlossen blieben. Siehe dazu etwa: „Wegmarken: nächste Stufe“!

Rudolfs Archiv#

Ich werde hier also das aktuelle 730er Projekt erst zeigen können, wenn Göschke mit seinem Team das Vorhaben so weit entwickelt hat, daß dieses Konzept international angemessen geschützt ist und die Sperrklausel fallen darf.

Ich harre dem Lauf dieser Dinge, während ich mich mit historischen Zusammenhängen befasse. Dazu erhielt ich eben von Konstrukteur Markus Rudolf außergewöhnliche Post. Er ist, wie erwähnt, Sohn von Egon Rudolf (†), des letzten Werksdirektors der historischen Puchwerke.

Saulauf-Wirtin Teresa Leitner. (Foto: Archiv Krusche)
Saulauf-Wirtin Teresa Leitner. (Foto: Archiv Krusche)

Das heißt, er wuchs mit all dem auf und weiß daher Dinge, die nicht dokumentiert wurden, wahlweise kennt er Dokumente, die nicht allgemein verfügbar sind. Eines handelt davon, daß man für den Verkauf von Fahrzeugflotten auf einer Ebene erfolgreich sein muß, wo man es mit sehr anspruchsvollen Geschäftspartnern zu tun hat.

Die Jagd auf edles Wild, einst ein Privileg des Adels, dessen Verletzung subalterne Leute teuer zu stehen kommen konnte, ist ein bewährter Bezugsrahmen, um hochrangige Geschäftspartner zu beeindrucken. Dazu gab es eine kuriose Informationsbroschüre des Konzerns. So erfahren wir einiges über Bedingungen der Jagd zu jener Zeit. Sie finden die Broschüre hier online: “Das Jagdrevier Donnersbach-Donnersbachwald“. (Zum Ort siehe den Eintrag „Donnersbachwald“!)

Weitere Details#

Zum vormaligen Werksdirektor, der uns im Oktober 2020 verlassen hat, hier eine kleine Notiz: Egon Rudolf (Zur Erinnerung) Das 730er-Projekt von Matthias Göschke wird noch geraume Zeit und Arbeit in Anspruch nehmen. Was unterwegs veröffentlicht werden darf, fasse ich hier zusammen: „Mythos Puch VIII“.

Nicht zu vergessen: Lanner hat gerade das Fiat-Thema vertieft und stellt uns vorzügliche Informationen gebündelt zur Verfügung: „Ich hatte mir ja jetzt etwas Zeit genommen. Fiat (Pkw) ist jetzt vom Jahr 1900 bis 1955 komplett. Die ersten 34 Jahre zusammengepackt und alle Typen beschrieben.“ Hier der Link!

Das Dokument aus dem Archiv von Markus Rudolf
Das Dokument aus dem Archiv von Markus Rudolf