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12. FEBRUAR 1736#

Hochzeit und Gründungsdatum des Hauses Habsburg-Lothringen

Von Ernst Zentner

FRANZ STEPHAN VON LOTHRINGEN#

Franz Stephan von Lothringen(-Bar), nachmals Kaiser Franz I. Stephan, Kreide auf Papier, Frans von Stampart, um 1740?; Rijksmuseum - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Franz Stephan von Lothringen(-Bar), nachmals Kaiser Franz I. Stephan, Kreide auf Papier, Frans von Stampart, um 1740?; Rijksmuseum - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Franz Stephan von Lothringen hielt sich in Preußen auf: Karl VI. teilte am 28. Februar 1732 Franz Stephan mit, in Preußen seien viele Soldaten, große Manöver und andere Hofsitten: „Dorten werden E(uer). L(iebden). vill soldathen vndt grossen granadir spill gehabt haben und sonst ein ganz anderen difernten hof werdten angetroffen haben.“ (Viele Soldaten und große Grenadierspiele und ein ganz unterschiedlicher Hof) Damals bereitete dieser das Treffen Karls und des Preußenkönigs in Prag für den Sommer 1732 vor. Nach der Funktion als Sonderbotschafter wurde dem Lothringer noch ein weiterer Vertrauensbeweis zuteil: Der Kaiser übergab ihm im März 1732 die Statthalterschaft über das Königreich Ungarn. Hierbei musste er – ab Juni – am Pressburger Schlossberg Quartier nehmen – wieder weit entfernt von der geliebten Erzherzogin. Solange Maria Theresia unverheiratet war, galt sie als wertvollstes Heiratsgut in Europa. Deswegen war ihr Vater Karl VI. auf die Bewahrung ihrer Ehre erpicht. Seit 1. Januar 1734 stand es für die bald 17-jährige Maria Theresia unumstößlich fest, Franz Stephan zu heiraten. Karls VI. langmütige Geduld versagte angesichts solcher weiblichen Standfestigkeit.
Das Verhältnis zwischen Kaiser Karl VI. und seiner Tochter Erzherzogin Maria Theresia war in der Mitte der 1730er Jahren ziemlich beeinträchtig, wenn nicht ordentlich beschädigt erschienen. Das Ganze war ein Kampf zwischen einen Herrscher und einer sprunghaften, pubertierenden Göre. Die erwähnte Heiratspolitik des Hauses Habsburg – angerissen durch Prinz Eugen und energisch betrieben von Karl VI. – betrachtete sie mit einer gehörigen Portion an Argwohn. Sie liebte den Lothringer. Auch das konnte der Kaiser sehen. Ebenso sah das ganz Europa. Das Leben am Hofe Karls VI. wurde nicht nur von Gott beobachtet, sondern auch von übereifrigen Agenten. Ein britischer Gesandter namens Sir Thomas 1st Baron Grantham Robinson war irgendwie Zeuge dieses gespannte Verhältnis gewesen. Im Sommer 1735 kritisierte die über Achtzehnjährige ihren tugendhaften Vater als Verwalter der Länder, die sie dereinst mal erben könnte. Robinson berichtete an die britische Regierung am 5. Juli 1735: „Sie bewundert die Tugenden des Kaisers, aber sie tadelt sein Benehmen und sieht ihn fast als Verwalter ihrer Länder an, welche sie dereinst besitzen wird.“ Die höchste Alterserwartung damals lag auch in den Herrscherhäusern sowieso gegen 40 bis 50 Jahre. Karl VI. stand im fünfzigsten Lebensjahr – Leopold I., welcher 65 Jahre wurde, war die große Ausnahme in der Familie Habsburg. Was auch die innere Ursache dieser Vater-Tochter-Krise sein mochte, das bleibt dahingestellt – aber die außenpolitischen Pläne schienen ihr nie und nimmer behagt zu haben. Maria Theresia hatte ihre Mutter Kaiserin Elisabeth Christine stets geachtet – aber nach dem Tod Karls VI. ließ sie das Schloss Hetzendorf ehest zum Witwensitz herrichten – anders betrachtet hatte Maria Theresia aus machtpolitischen Interessen die Kaiserin abgeschoben …

VERLOBUNG UND HOCHZEIT DER ERBTOCHTER#

Erzherzogin Maria Theresia von Habsburg-Österreich, unbekannter Maler, um 1740? Vielleicht zwischen 1735 und 1740? Standort unbekannt. Links der österreichische Erzherzoghut - Foto: Dorotheum, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Erzherzogin Maria Theresia von Habsburg-Österreich, unbekannter Maler, um 1740? Vielleicht zwischen 1735 und 1740? Standort unbekannt. Links der österreichische Erzherzoghut - Foto: Dorotheum, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
In der Dezembermitte 1735 gab der Kaiser die Verlobung seiner ältesten Tochter mit dem Lothringer offiziell bekannt. Gleichzeitig ersuchte er den Papst um den obligatorischen Dispens. Am 30. Januar 1736 nahm der Hochzeitsvertrag Gestalt an. Als Mitgift und Widerlag wurden jeweils 150.000 Gulden vereinbart. Der Kaiser weigerte sich alles dem Zufall zu überlassen – auch ein möglicher Witwensitz seiner Tochter wurde in die Vereinbarungen aufgenommen. Endlich kam der hochoffizielle Heiratsantrag zustande. Am nächsten Tag warb hochoffiziell Franz Stephan um die seine innig geliebte Maria Theresia. Der Kaiser stimmte zu. Was für ein Schauspiel! Seine Ehefrau setzte als Symbol der Zustimmung ihrer Tochter ein diamantenumsäumtes Miniaturporträt des zukünftigen Schwiegersohnes an die Brust. Am 1. Februar erklärte Maria Theresia feierlich, falls doch noch aus der Ehe ihrer Eltern ein männlicher Nachkomme entspringen sollte, auf das Recht der weiblichen Nachfolge zu verzichten. Am 5. wurde der Ehekontrakt unterzeichnet und sieben Tage später erfolgte die Hochzeit am Faschingssonntagabend in der Augustiner-Hofkirche in Wien-Innere Stadt. Die Augustinerkirche in der die Hochzeit Maria Theresias und Franz Stephan von Lothringen am 12. Februar 1736 stattgefunden hatte, war mit kostbaren Tapisserien ausgekleidet. Danach fand das große Hochzeitsessen in der Hofburg statt. Es war eine schlichte Feier – die Wiener wurden um ihr „Spektakel“ betrogen. Dennoch donnerten Kanonen und Glocken läuteten. Pietro Metastasio schrieb für die Hochzeit Maria Theresias und Franz Stephan noch die Festoper „Achille in Sciro“. Die Musik schrieb dazu Antonio Caldara. Ihr Inhalt rankte sich um den Trojanischen Krieg, um Travestie, Ehre und Liebe und schließlich zieht der Protagonist in den Krieg … Wie peinlich. Dem Kaiser hat es wohl gefallen? Die Feierlichkeiten dauerten bis in die Nacht zum Aschermittwoch. Jener 12. Februar 1736 wurde zum Gründungsdatum des Hauses Habsburg-Lothringen, das bis 1918 über Österreich und Böhmen und Ungarn gebot. Der Kaiser trug folgende Notiz in sein Tagebuch: „Gott segne und vermehre unser Haus, ich habe frohen Trost!“

Kaiser Karl VI., Johann Gottfried Auerbach, Öl auf Leinwand, 1735; KHM Wien - Ausschnitt eines Fotos: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Kaiser Karl VI., Johann Gottfried Auerbach, Öl auf Leinwand, 1735; KHM Wien - Ausschnitt eines Fotos: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Allerdings fand die Feier mitsamt den weiteren Ereignissen stillschweigend statt. So sehr argwöhnte der Kaiser von Seitens der europäischen Mächte eine weitere Krise. Dazu kam noch, dass Österreich erschreckendste und eindringlichste Waffe in Menschengestalt, Prinz Eugen von Savoyen-Carignan, sehr gesundheitlich dahin devastierte.

Prinz Eugen von Savoyen-Carignan, 1728; Schloss Charlottenburg, Berlin - Foto: Wikipedia Commons - Gemeinfrei
Prinz Eugen von Savoyen-Carignan, 1728; Schloss Charlottenburg, Berlin - Foto: Wikipedia Commons - Gemeinfrei

Einen Monat nach der Hochzeit schrieb Prinz Eugen am 23. März 1736 an einem Freund: „Die Verbindung des lothringisch-österreichischen Stammes in dem neuen Ehepaar war der froheste Tag meines Lebens, besonders da sich dieses Ereignis auf den Frieden mit Frankreich und auf die von allen europäischen Staaten verbürgte pragmatische Sanktion gründet.“
Der Kaiser war den Jungvermählten äußerst gesonnen entgegengekommen: Er schenkte seiner Tochter als Hochzeitsgabe das – eher unfertige – Jagdschloss Schönbrunn in Wien-Hietzing und das noch als „Maria Theresia-Schlössel“ in Wien-Döbling bekanntes Schlösschen. Maria Theresia wird Schönbrunn als prachtvolle Sommerresidenz ausbauen lassen. Als weitere Hochzeitsgabe überreichte der Kaiser seiner Tochter eine Prunktapisserie mit einem mythologischen Thema „Trojanischer Krieg“. Diese Bildteppichfolge wurde in seinem Auftrag von Jean Francois van der Borcht nach einem Entwurf von Jan van Orly vor 1736 in Brüssel angefertigt. Der Kaiser wollte für seine Tochter immer das beste.

LOTHRINGEN IM TAUSCH GEGEN TOSKANA#

Angesichts des Vorfriedens von Wien am 3. Oktober 1735 zwischen Österreich und Frankreich, das seither auf Lothringen verzichtete, und das nun an Stanislaus Leszczyñski fiel, machte sich in Karls VI. ein großes unbehagliches Gefühl breit. Franz Stephan protestierte aus wirtschaftlichen Erwägungen gegen den Tausch Lothringen gegen die abgewirtschaftete Toskana. Karl VI. mutmaßte wohl, dass Franz Stephan in Geldangelegenheiten eine sichere Hand barg. Karl VI. wusste wie stark der Verlust Lothringen für Franz Stephan erschienen sein mochte. Der Habsburger bewog ihm wohl – 1735 – zu verzichten und empfahl ihn offensichtlich den Verzicht urkundlich zu bestätigen. Franz Stephan wollte das gute Auslangen mit dem Kaiser nicht zerstören und ihm schon gar nicht vor dem Kopf stoßen, und schon gar nicht die österreichischen – und ausländischen – Staatsmänner als Feinde haben und gab nach. Er vertraute dem Kaiser, und der hoffte – illusorisch – für Franz Stephan irgendwann Lothringen wiederzuerlangen. Weil sich die Einsetzung in das Großherzogtum Toskana verzögerte, beschloss der Kaiser seinen Schwiegersohn mit 4. Mai 1736 das Generalgouvernement der Österreichischen Niederlande zuzusichern. Am 24. Januar 1737 wurde dieser mit der Toskana vom Kaiser belehnt. Erst mit dem Tod des letzten Großherzoges aus dem Haus Medici, Gian Gastone de Medici am 9. Juli (1737) konnte Franz Stephan die Herrschaft als großherzoglicher Gebieter über die schönste Landschaft Italiens – wenn auch (nur) formell – antreten.

Quellen (Auswahl)

  • Fred HENNINGS, Und sitzet zur linken Hand. Franz Stephan von Lothringen Gemahl der selbstregierenden Königin Maria Theresia und Römischer Kaiser. Biographie. Wien – Berlin – Stuttgart 1961
  • Renate ZEDINGER, Franz Stephan von Lothringen (1708-1765). Monarch. Manager. Mäzen. Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts Bd. 13. Herausgegeben von Wolfgang SCHMALE (Bände 1-8 herausgegeben von Moritz CSÁKY)
  • --"--, Hochzeit im Brennpunkt der Mächte Franz Stephan von Lothringen und Erzherzogin Maria Theresia – Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts 3. Herausgegeben von Moritz CSÁKY. Wien – Köln – Weimar 1994
  • --"--, (Hrsg.), AK Lothringens Erbe. Franz Stephan von Lothringen (1708 – 1765) und sein Wirken in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst der Habsburgermonarchie. Veranstalter Land Niederösterreich und Kunsthistorisches Museum Wien. Ausstellung Schallaburg. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseum N. F. Nr. 429. St. Pölten 2000