12. FEBRUAR 1736#
Hochzeit und Gründungsdatum des Hauses Habsburg-LothringenVon Ernst Zentner
FRANZ STEPHAN VON LOTHRINGEN#
Das Verhältnis zwischen Kaiser Karl VI. und seiner Tochter Erzherzogin Maria Theresia war in der Mitte der 1730er Jahren ziemlich beeinträchtig, wenn nicht ordentlich beschädigt erschienen. Das Ganze war ein Kampf zwischen einen Herrscher und einer sprunghaften, pubertierenden Göre. Die erwähnte Heiratspolitik des Hauses Habsburg – angerissen durch Prinz Eugen und energisch betrieben von Karl VI. – betrachtete sie mit einer gehörigen Portion an Argwohn. Sie liebte den Lothringer. Auch das konnte der Kaiser sehen. Ebenso sah das ganz Europa. Das Leben am Hofe Karls VI. wurde nicht nur von Gott beobachtet, sondern auch von übereifrigen Agenten. Ein britischer Gesandter namens Sir Thomas 1st Baron Grantham Robinson war irgendwie Zeuge dieses gespannte Verhältnis gewesen. Im Sommer 1735 kritisierte die über Achtzehnjährige ihren tugendhaften Vater als Verwalter der Länder, die sie dereinst mal erben könnte. Robinson berichtete an die britische Regierung am 5. Juli 1735: „Sie bewundert die Tugenden des Kaisers, aber sie tadelt sein Benehmen und sieht ihn fast als Verwalter ihrer Länder an, welche sie dereinst besitzen wird.“ Die höchste Alterserwartung damals lag auch in den Herrscherhäusern sowieso gegen 40 bis 50 Jahre. Karl VI. stand im fünfzigsten Lebensjahr – Leopold I., welcher 65 Jahre wurde, war die große Ausnahme in der Familie Habsburg. Was auch die innere Ursache dieser Vater-Tochter-Krise sein mochte, das bleibt dahingestellt – aber die außenpolitischen Pläne schienen ihr nie und nimmer behagt zu haben. Maria Theresia hatte ihre Mutter Kaiserin Elisabeth Christine stets geachtet – aber nach dem Tod Karls VI. ließ sie das Schloss Hetzendorf ehest zum Witwensitz herrichten – anders betrachtet hatte Maria Theresia aus machtpolitischen Interessen die Kaiserin abgeschoben …
VERLOBUNG UND HOCHZEIT DER ERBTOCHTER#
Einen Monat nach der Hochzeit schrieb Prinz Eugen am 23. März 1736 an einem Freund: „Die Verbindung des lothringisch-österreichischen Stammes in dem neuen Ehepaar war der froheste Tag meines Lebens, besonders da sich dieses Ereignis auf den Frieden mit Frankreich und auf die von allen europäischen Staaten verbürgte pragmatische Sanktion gründet.“
Der Kaiser war den Jungvermählten äußerst gesonnen entgegengekommen: Er schenkte seiner Tochter als Hochzeitsgabe das – eher unfertige – Jagdschloss Schönbrunn in Wien-Hietzing und das noch als „Maria Theresia-Schlössel“ in Wien-Döbling bekanntes Schlösschen. Maria Theresia wird Schönbrunn als prachtvolle Sommerresidenz ausbauen lassen. Als weitere Hochzeitsgabe überreichte der Kaiser seiner Tochter eine Prunktapisserie mit einem mythologischen Thema „Trojanischer Krieg“. Diese Bildteppichfolge wurde in seinem Auftrag von Jean Francois van der Borcht nach einem Entwurf von Jan van Orly vor 1736 in Brüssel angefertigt. Der Kaiser wollte für seine Tochter immer das beste.
LOTHRINGEN IM TAUSCH GEGEN TOSKANA#
Angesichts des Vorfriedens von Wien am 3. Oktober 1735 zwischen Österreich und Frankreich, das seither auf Lothringen verzichtete, und das nun an Stanislaus Leszczyñski fiel, machte sich in Karls VI. ein großes unbehagliches Gefühl breit. Franz Stephan protestierte aus wirtschaftlichen Erwägungen gegen den Tausch Lothringen gegen die abgewirtschaftete Toskana. Karl VI. mutmaßte wohl, dass Franz Stephan in Geldangelegenheiten eine sichere Hand barg. Karl VI. wusste wie stark der Verlust Lothringen für Franz Stephan erschienen sein mochte. Der Habsburger bewog ihm wohl – 1735 – zu verzichten und empfahl ihn offensichtlich den Verzicht urkundlich zu bestätigen. Franz Stephan wollte das gute Auslangen mit dem Kaiser nicht zerstören und ihm schon gar nicht vor dem Kopf stoßen, und schon gar nicht die österreichischen – und ausländischen – Staatsmänner als Feinde haben und gab nach. Er vertraute dem Kaiser, und der hoffte – illusorisch – für Franz Stephan irgendwann Lothringen wiederzuerlangen. Weil sich die Einsetzung in das Großherzogtum Toskana verzögerte, beschloss der Kaiser seinen Schwiegersohn mit 4. Mai 1736 das Generalgouvernement der Österreichischen Niederlande zuzusichern. Am 24. Januar 1737 wurde dieser mit der Toskana vom Kaiser belehnt. Erst mit dem Tod des letzten Großherzoges aus dem Haus Medici, Gian Gastone de Medici am 9. Juli (1737) konnte Franz Stephan die Herrschaft als großherzoglicher Gebieter über die schönste Landschaft Italiens – wenn auch (nur) formell – antreten.
Quellen (Auswahl)
- Fred HENNINGS, Und sitzet zur linken Hand. Franz Stephan von Lothringen Gemahl der selbstregierenden Königin Maria Theresia und Römischer Kaiser. Biographie. Wien – Berlin – Stuttgart 1961
- Renate ZEDINGER, Franz Stephan von Lothringen (1708-1765). Monarch. Manager. Mäzen. Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts Bd. 13. Herausgegeben von Wolfgang SCHMALE (Bände 1-8 herausgegeben von Moritz CSÁKY)
- --"--, Hochzeit im Brennpunkt der Mächte Franz Stephan von Lothringen und Erzherzogin Maria Theresia – Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts 3. Herausgegeben von Moritz CSÁKY. Wien – Köln – Weimar 1994
- --"--, (Hrsg.), AK Lothringens Erbe. Franz Stephan von Lothringen (1708 – 1765) und sein Wirken in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst der Habsburgermonarchie. Veranstalter Land Niederösterreich und Kunsthistorisches Museum Wien. Ausstellung Schallaburg. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseum N. F. Nr. 429. St. Pölten 2000