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Wertheimer, Eduard de Monor #

* 2. 6. 1848, Budapest (Ungarn)

+ 25. 12. 1930, Berlin (Deutschland, ehem. Weimarer Republik)


1906 nobilitierter (de Monor) ungarischer Historiker;


Jugend und Ausbildung#

Eduard Wertheimer de Monor wurde am 2. Juni 1848 in Budapest als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Seine Mutter - und Publikationssprache war deutsch, sein Religionsbekenntnis das mosaische. Bei der Familie handelte es sich also um sogenannte "Glaubensjuden".

Nach der Matura 1866 studierte Wertheimer Geschichte und Geographie in Wien und Berlin und lehrte anschließend an verschiedenen ungarischen Universitäten. Doktorate oder gar Habilitationen waren damals dafür nicht erforderlich, was zumindest teilweise bezeichnend für das Niveau der damaligen österreichischen Geschichtswissenschaft ist. Schließlich gab er die Lehrtätigkeit 1915 auf, um sich völlig der Forschung widmen zu können.

Dabei geriet er bei der Abfassung seines Hauptwerkes über Julius Graf Andrassy in scharfem Gegensatz zu dem Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand, der ihm die Benützung des Staatsarchivs untersagte. Wertheimer wurde jedoch durch den Minister des Äusseren, Lexa Graf Ährenthal, unterstützt, sodass sein dreibändiges Hauptwerk erscheinen konnte.

In seinen Werken, für die er 1906 nobilitiert wurde, erwies er sich als ausgesprochener "Bismarckverehrer" und Mitbegründer des Anschlussgedankens nach 1866. Mit Heinrich Friedjung gehört er damit zu den meistgelesenen deutschnationalen Historikern jüdischer Provenienz, die nach der Niederlage von Königgrätz 1866 für den Anschluss der Donaumonarchie an das 1870/71 gegründete Bismarckreich eintraten. Allerdings erst - so etwa Friedjung 1867 in seiner Schrift "Der Ausgleich mit Ungarn" - wenn die Habsburgermonarchie durch Industrialisierung und politische Modernisierung "anschlussreif" sei.

Als Reaktion auf diese Schrift wurde Friedjung übrigens als Lehrer an der Handelsakademie der Wiener Kaufmannschaft entlassen, konnte sich aber gerade infolge dies Werkes als freier Historiker sehr erfolgreich etablieren. Er wurde damit zum meist diskutierten politischen Schriftsteller seiner Zeit nicht nur in Österreich sondern auch im Bismarck-Reich, wo später sein Werk über 1866 "Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland" zur Massenlektüre wurde, wie die Verkaufszahlen der zehn Auflagen in nur zwanzig Jahren zeigen.

Propagandist des "Anschlussgedankens"#

Der "Anschlussgedanke" von 1848 wurde damit geschichtswissenschaftlich neu fundamentiert in die politische Diskussion eingebracht. Er erhielt dadurch eine völlig neue, durchaus auch praktische Dimension, die nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie sogar als einzige logische "ultima ratio" praktisch aller politischen Kräfte und vor allem der Bevölkerung der Republik "Deutsch - Österreich" - daher auch der Staatsname - erschien.

Zu dem Triumvirat dieser damals meistgelesenen Historiker, deren Werke in rascher Folge wie etwa bei Friedjung zehn Auflagen in nur zwanzig Jahren (!!!) erreichten, gehörte auch Ottokar Lorenz, der nach "innerer Abkehr" von Österreich 1885 seine Professur in Wien aufgab und nach Jena übersiedelte.

Seine Wiener Professur hatte er allerdings nur erhalten, weil er der Schwiegersohn des Ordinarius für Philosohie an der Wiener Universität, Professor Lott, war. Ausser einer Lehramtsprüfung für Geschichte und Geographie konnte er nämlich keinen Studienabschluss vorweisen.

Eine Dissertation hielt er nicht für nötig, er "habilitierte sich durch Heirat". Obwohl er den damaligen "österreichischen Verhältnissen" nicht nur viel sondern seine gesamte Karriere verdankte, wandte er sich von diesen ab und ging 1865 nach Jena, wo auch Friedjung im renommierten "Cotta-Verlag" publizierte.

Verhältnisse wie sie heute im deutschen Wissenschaftsbereich fallweise auftreten wie etwa bei der ehemaligen deutschen Bildungsministerin Schavan oder dem ehemaligen Verteidigungsminister Guttenberg sind somit keineswegs neu.Ottokar Lorenz machte sich nicht einmal die Mühe, eine Dissertation abzuschreiben...

"Deutschnationaler Rassen - Antisemitismus"#

Diese deutschnationalen Historiker jüdischer Provenienz gerieten allerdings rasch in das Spannungsfeld des deutschnationalen Rassen - Antisemitismus und befanden sich somit in einem unauflöslichen, nicht nur wissenschaftlichen Dilemma, wie etwa Goethes "Zauberlehrling". Damit wurden gerade jene, die den Deutschnationalismus äusserst erfolgreich propagierten Opfer desselben, da sie sich in einer unauflöslichen politischen Antinomie befanden.

Denn auch der politische "Hexenmeister", der von ihnen so verherrlichte Bismarck, hatte dem Antisemitismus nichts entgegen zu setzen und wollte es auch nicht. Auch Victor Adler,bis zu seinem einunddreißigsten Lebensjahr Deutschnationaler, wurde übrigens Opfer dieses Rassen-Antisemitismus.

Infolge der starken Zuwanderung von durch den Zaren vertriebenen, sogenannten "Ost - Juden" nach Wien natürlich auch Kaiser Franz Josef nicht. Unter dem Wiener Bürgermeister Lueger wurde dann der Antisemitismus zur politischen Kategorie, was aber aus vielen Gründen nicht wirklich überrascht.

Schließlich stand Lueger unter starkem Druck Kaiser Franz Josephs und das Integrationsdispositiv Wiens war durch die starke Zuwanderung völlig überfordert, da weder der Kaiser noch die Stadtverwaltung entsprechend reagierten, etwa durch Wohnungsbau und Arbeitsplatzbeschaffung. Dies sollte erst dem "Roten Wien" vorbehalten bleiben, das ab 1920 einen Gemeindebau nach dem anderen errichtete und damit Wohnraum und Arbeitsplätze schuf.

Soziale Probleme wie Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit konnten auch in der liberalen Ära unter dem Bürgermeister Cajetan Felder nicht gelöst werden, daher schlug unter Lueger die Stimmung der Wiener Bevölkerung zunehmend um.

"Hitlers Wien", so auch der Ttel eines der besten Wien-Bücher der Historikerin Brigitte Hamann, war trotz der liberalen Ära entstanden. Zuwanderung bedarf eben der Voraussetzungen, die damals keineswegs gegeben waren, womit eine der Grundvoraussetzungen für den Aufstieg Hitlers, inbesondere durch das Ignorieren der Problematik vorlag.Im Gegensatz dazu thematisierten Lueger und Hitler die Problematik politisch, ohne sie aber zunächst lösen zu wollen.Ein Zuwanderungsstopp nach Wien wäre damals eine, aber natürlich nur eine der vielen Möglichkeiten gewesen, das Problem zu entschärfen,wodurch es sich allerdings nicht in der bekannten Art für Wahlen hätte instrumentalisieren lassen.

Auch der Ständestaat konnte dafür keine Lösungen anbieten, waren doch führende Persönlickeiten wie der Totengräber der Demokratie in Österreich, Sektionschef Dr. Robert Hecht, selbst Juden und so kam es wie es gekommen ist.Hecht erwies sich - natürlich völlig unbeabsichtigt - als Zuarbeiter des Antisemitismus, der das Ende der österreichischen Demokratie besiegelte.

Dabei ist die Radikalisierung der breiten Masse gerade im Antisemitismusbereich retrospektiv durch Historiker nur dann zu erklären , wenn man auch die mehr als tausendjährige Geschichte dieses Phänomens in allen seinen Varianten berücksichtigt. Der religiös bedingte Antisemitismus spielte dabei eine fundamentale Rolle, wie gerade die "Wiener Gesera" beweist, die keineswegs auf Wien beschränkt war, sondern in allen siebzehn landesfürstlichen Orten durchgeführt wurde.

Es ist nämlich eine geschichtswissenschaftlich durchaus beweisbare Grunderkenntnis, dass sich ungelöste politische Probleme häufig in der politischen Praxis radikalisieren, direkt proportional zu ihrer Größenordnung und der Dauer ihrer Existenz.

In der Schweiz beispielsweise werden daher rechtzeitig Entscheidungen gegtroffen, womit verhindert wird, dass die Problematik eine unlösbare Dimension annimmt.

In Wertheimers Werken klingt seine "Bismarckverehrung" und sein gerade für einen Ungarn bemerkenswerter, extremer Deuschnationalismus durchgehend an, etwa wenn er Julius Graf Andrassy als den "österreichischen Bismarck" bezeichnet, dem das 1879 geschlossene Defensiv-Bündnis zwischen dem Deutschen Reich und Österreich -Ungarn, der sogenannte Zweibund, letztlich zu verdanken sei.

Eduard Wertheimer de Monor starb 1930 in der deutschen Hauptstadt Berlin, drei Jahre vor der Machtergreifung Hitlers und dem Ende der "Weimarer Republik" durch Gründung des "Dritten Reiches".

Werke (Auswahl)#

  • Bismarck im politischen Kampf, Berlin 1930;
  • Julius Graf Andrassy, drei Bände, Stuttgart 1910 - 1913;

Literatur#

  • Glaubauf, Karl Anton: Bismarck und der Aufstieg des Deutschen Reiches in der Darstellung Heinrich Friedjungs, Eduard von Wertheimers und Ottokar Lorenz. Historiographische Fallstudie, Phil. Diss.; Wien 1977.
  • Neue Deutsche Biographie (Beitrag über Wertheimer von Silvia Backs)
  • Yaron Baruch: Eduard von Wertheimer, in: Enzyklopädia Judaica



Redaktion: Dr. Karl Glaubauf