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vom 24.03.2022, aktuelle Version,

Tibor Foco

Tibor Theodor Foco[1] (* 18. April 1956 in Linz) ist ein ehemaliger Zuhälter und 250-cm³-Motorrad-Berg-Europameister, der am 13. März 1986 die 23-jährige Prostituierte Elfriede Hochgatterer ermordet haben soll. Er wurde am 31. März 1987 zu lebenslanger Haft verurteilt und konnte 1995 fliehen; seither ist er untergetaucht. Ein mutmaßlicher Komplize, Hans-Peter Löffler, wurde zu 18 Jahren Haft verurteilt, jedoch bei einer Wiederaufnahme 1996 freigesprochen.

Der Mord

Elfriede Hochgatterer wurde in der Nacht vom 13. März 1986 in Linz schwer misshandelt und dann neben den Gleisen der Westbahn durch einen Schuss aus einem Revolver ins Gesicht getötet. Ihre Leiche wurde am nächsten Morgen gefunden. Die Tote war im Bereich des Unterleibes entkleidet. 200 Meter vom Fundort der Leiche entfernt hatte Hochgatterer gearbeitet, daneben befand sich auch das Rotlichtlokal Bunny, das Tibor Foco gehörte. In diesem Bereich wurden Blutspuren gefunden.

Die Ermittlungen

Tibor Foco wurde am nächsten Tag unter dem Verdacht verhaftet, den Mord an der Konkurrentin begangen zu haben. Er bestritt jedoch immer die Tat und erhielt zuerst auch von seiner Exfrau ein Alibi. Dieses widerrief sie später. Die damalige Geliebte Focos Regina Ungar, die für ihn auch als Prostituierte arbeitete, bestritt ebenfalls zuerst die Tat, erklärte aber nach verschiedenen anderen Versionen schließlich, dass sie von Foco zum Schuss auf Hochgatterer gezwungen worden war. Nach einem Monat benannte sie den Lederwarenhändler Hans Peter Löffler plötzlich als angeblichen Mittäter, der daraufhin auch verhaftet wurde.

Der Prozess

Der Prozess gegen Foco, Ungar und Löffler begann am 23. Februar 1987 im Linzer Landesgericht. Am 31. März 1987 wurde Foco zu lebenslanger Haft, der angebliche Komplize Löffler zu 18 Jahren verurteilt. Ungar trat als Kronzeugin auf und wurde wegen „entschuldigenden Notstandes“ freigesprochen.[2]

Löffler erreichte 1992 die Wiederaufnahme seines Verfahrens. Er wurde im August 1996 freigesprochen. Die Hauptbelastungszeugin Ungar hatte 1993 ihre Aussage mit der Begründung widerrufen, sie sei von der Linzer Polizei mit Misshandlungen zu der belastenden Aussage genötigt worden. 1997 wurde auch das Strafverfahren gegen Foco wiederaufgenommen. Das Verfahren ist anhängig, da Foco im April 1995 aus der Haft fliehen konnte und seitdem untergetaucht ist.[3] Bei der Aufhebung des Urteils gegen Foco berief sich das Oberlandesgericht auf den rechtskräftigen Freispruch Löfflers. Zudem seien entlastende Tatsachen ignoriert worden. So stammten weder Blut noch Sperma an der Leiche des Opfers von Foco, auch sichergestellte Haare konnten ihm gutachterlich nicht zugeordnet werden und unmittelbar nach der Festnahme waren an Focos Händen keinerlei Schmauchspuren feststellbar gewesen.[4]

Flucht

Dem in Haft befindlichen Foco wurde ein Studium an der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Linzer Universität bewilligt, die er infolgedessen mehrfach besuchte. Am 27. April 1995 um 08:25 Uhr traf Foco mit zwei Justizwachebeamten an der Universität Linz ein. Foco konnte sich später von seinen Bewachern entfernen. Aus einer Toilette im 3. Stock des Juridicums holte er einen von einer Fluchthelferin zuvor dort versteckten Garagenschlüssel und Tränengasspray. Nach weiteren 7 Minuten und 30 Sekunden erreichte der fliehende Foco eine angemietete Garage und fuhr mit dem dort bereitgestellten schwarzen Motorrad der Marke Kawasaki ZX 750 F „Ninja“, Fahrgestellnummer ZX750F017290, über den Marienberg zur Leonfeldner Bundesstraße davon. Das Motorrad konnte bis heute nicht gefunden werden. Die Flucht war offenbar über Jahre geplant worden. So wurden bereits ab 1993 Mobiltelefone von Helfern angekauft und zu Foco in die Haftanstalt geschmuggelt, um ihm Kommunikation nach außen zu ermöglichen. Das Fluchtmotorrad wurde angekauft und bereitgestellt, die Garage in Linzer Universitätsnähe angemietet und mit einem schwarzen Tankrucksack mit Kleidung, Proviant, Kosmetika und Schlafsack ausgestattet. Die Wartung des Motorrades wurde durch einen Mechaniker aus Focos ehemaligem Motorradrennstall durchgeführt.[5]

Ungereimtheiten im Fall

  • Die Linzer Polizei soll zahlreiche Ermittlungsfehler begangen haben und Zeugen gelenkt bzw. laut Ungar gefoltert haben.
  • Einer der ermittelnden Kriminalbeamten ist inzwischen mit der Ex-Ehefrau Focos verheiratet, die das erste Alibi zurückgezogen hatte.
  • Bei einer Sachverständigen wurde eingebrochen und Beweismaterial gestohlen, eine Anzeige erfolgte erst nach fünf Jahren.
  • Die in den USA in Florida lebende Kronzeugin Regina Ungar widerrief am 5. März 1993 ihr damaliges Geständnis.
  • Schließlich intervenierten auch die damaligen Geschworenen für die Wiederaufnahme.

Nach der Flucht

1996 wurde der vermeintliche Komplize Hans Peter Löffler in einem dreitägigen Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen und erhielt eine Haftentschädigung von 235.949,93 Schilling plus Zinsen.[6] In einem Urteil wurde Foco im Frühjahr 1997 freies Geleit bis zum 1. Oktober 1997 gewährt. Eine Kaution von 100.000 Schilling wurde hinterlegt. Tibor Foco kehrte nicht zurück und ließ die Kaution verfallen. Im April 2000 wurde vom Landesgericht Linz neuerlich Anklage wegen Verdacht des Mordes eingebracht und ein internationaler Haftbefehl ausgestellt. Im Februar 2005 wurde abermals ein sicheres Geleit im Falle einer freiwilligen Rückkehr von Tibor Foco zugesichert.[7]

Der ehemalige Leiter des Linzer Instituts für Strafrechtswissenschaften, Dr. Wegscheider, vertritt heute den flüchtigen Foco rechtsfreundlich.[5]

Der Aufenthaltsort Focos ist trotz verschiedener Gerüchte weiterhin unbekannt. Die Interessen Focos wurden durch dessen Eltern wahrgenommen, die mehrfach in den Medien auftraten und die komplette Einstellung des Verfahrens verlangen.

In medialen Berichten über den Fall gilt Foco heutzutage zumeist als unschuldiges Opfer von Polizei- und Justizwillkür. So wird dies auch im Fernsehfilm Die Geschworene (mit Christiane Hörbiger in der Titelrolle) dargestellt, der den Fall künstlerisch frei behandelt.

Most Wanted

Tibor Foco steht mit Stand 6. März 2020 neben Friedrich Felzmann als „Austria’s Most Wanted“ auf der Fahndungsliste von Europol.[8]

Angehörige

  • Tibor Foco hat familiäre Wurzeln (auch) in Ungarn.
  • Seine wohlhabenden Eltern Theodor und Christine sind laut Rechtsanwalt Wegscheider von Stand 2015 "dem Vernehmen nach verstorben".
  • Einziger Angehöriger ist ein Halbbruder, zu dem Tibor Foco schon zu Zeiten seiner Haft keinen Kontakt hatte.

Einzelnachweise

  1. Tibor Foco mit neuem Bild und Stimmprobe gesucht kurier.at, 20. Mai 2015, abgerufen 6. März 2020.
  2. Vor 25 Jahren: Fall Foco – Die Hinrichtung der Elfriede Hochgatter, OÖ Nachrichten, 12. März 2011.
  3. Parlamentarische Anfrage 5747/J XX.GP
  4. Patrick Burow: Das Lexikon der Justizirrtümer. Bastei Lübbe, 2013, S. 52.
  5. 1 2 Tibor Foco. Chronologie der Flucht. Fahndungsunterlagen des österreichischen Bundesministeriums des Inneren (PDF; 9,44 KB)
  6. Haftentschädigung im Fall Foco, Gericht und Gefangen, Marcus J. Oswald, 19. Mai 2008
  7. Tibor Foco. Sachverhalt. Fahndungsunterlagen des österreichischen Bundesministeriums des Inneren
  8. Chronik: Tibor Foco seit 25 Jahren verschwunden orf.at, 6. März 2020, abgerufen 6. März 2020.