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vom 04.07.2019, aktuelle Version,

Verbotsirrtum

Der Verbotsirrtum (lat. error iuris) ist ein Irrtum des Täters über die Widerrechtlichkeit seiner Handlung. Ein Unterfall ist der Subsumtionsirrtum. Bei Unterlassungsdelikten spricht man entsprechend von einem Gebotsirrtum, wenn der Täter seine Handlungspflicht rechtsirrtümlich nicht für verpflichtend (geboten) hält.

Irrt der Täter nicht nur über die Widerrechtlichkeit, sondern zusätzlich noch über die Reichweite des vermeintlichen Rechtfertigungsgrundes, spricht man von einem Doppelirrtum.

Deutschland

Abgrenzung

Im Gegensatz zum Tatbestandsirrtum (error facti, § 16 StGB) irrt sich der Täter beim Verbotsirrtum nicht über Umstände (Tatsachen und Rechtsvorschriften), welche zu einem Tatbestandmerkmal gehören, sondern über deren rechtliche Bewertung durch die Strafnorm. Ein mit dem Verbotsirrtum verwandter Irrtum ist der Erlaubnisirrtum.

Ein Gegenstück zum Verbotsirrtum ist das Wahndelikt, auch umgekehrter Verbotsirrtum genannt. Der deutsche Rechtsanwalt und Buchautor Ralf Höcker benutzt hierfür den Begriff Rechtsirrtum und zeigt an Beispielen, dass einige erlaubte Handlungen fälschlich als verboten angenommen werden.[1]

Gesetzliche Regelung

Der Verbotsirrtum ist im deutschen Strafrecht in § 17 Strafgesetzbuch (StGB) und in § 5 Wehrstrafgesetz (WStrG) geregelt. In gleicher Weise ist die Regelung im Ordnungswidrigkeitenrecht gefasst (§ 11 Abs. 2 OWiG).

§ 17 StGB lautet:

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ein Verbotsirrtum liegt dann vor, wenn der Täter die Verbotsnorm nicht kennt, er sie für ungültig hält oder sie in der Weise falsch auslegt, dass er sein in Wahrheit verbotenes Handeln als rechtlich zulässig ansieht. Der Täter irrt also über die Rechtswidrigkeit der Tat in ihrer tatbestandsspezifischen Gestalt. Auf die Kenntnis eines bestimmten verletzten Gesetzes kommt es dabei nicht an.

Beispiel: Wenn ein Ausländer, der aufgrund eines umgeleiteten Fluges unerwartet in Deutschland landet und über kein Wissen deutscher Gesetze verfügt (und auch nicht muss, da er schließlich nicht nach Deutschland reisen wollte), etwas tut, was in Deutschland verboten ist, in anderen Staaten aber typischerweise erlaubt ist (z. B. Hakenkreuze offen tragen), handelt es sich um einen Verbotsirrtum, weil er nicht damit rechnen konnte, ein Gesetz zu brechen.

Rechtsfolgen

Ein Verbotsirrtum lässt die Schuld des Täters im Falle des § 17 StGB nur dann entfallen, wenn der Irrtum unvermeidbar war (Ignorantia legis non excusat). Vermeidbar ist der Irrtum über die Widerrechtlichkeit dann, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre (Beschaffung der erforderlichen Kenntnis z. B. durch Befragung eines Rechtsanwaltes).

Unvermeidbarkeit ist jedoch nur in eher ausgefallenen Konstellationen denkbar und kommt in der Praxis selten vor. Ein Beispiel war das erstinstanzliche Urteil im Mannesmann-Prozess. Der BGH widersprach dieser Entscheidung im Revisionsverfahren jedoch ausdrücklich. Auch im Kartellrecht wird ein entschuldigender Rechtsirrtum nur sehr restriktiv anerkannt,[2] so etwa im Fall Spediteurs-Sammelladungs-Konferenz.

Die strenge Regelung des § 17 StGB wird als gerechtfertigt angesehen, weil der Täter die Kategorien von Recht und Unrecht nicht auseinanderhält; ihm fehlt die Kenntnis oder die Einsicht in das Unrecht. Anders ist die Regelung im Wehrstrafrecht: Begeht ein Soldat eine Straftat auf Befehl, ohne dass ein Befehlsnotstand vorliegt, so trifft ihn nur dann eine Schuld, wenn er erkennt, dass er eine strafbare Handlung ausführt oder dies nach den Umständen offensichtlich ist. Der Grund für die mildere Behandlung der auf Befehl handelnden Militärpersonen ist darin zu erblicken, dass ein Befehl, insbesondere im Felde, unverzüglich auszuführen ist und der Soldat nicht die Möglichkeit hat, sich im gleichen Maße wie ein Zivilist über die Rechtmäßigkeit seines Handelns Kenntnis zu verschaffen.

Österreich und Schweiz

In Österreich heißt der Verbotsirrtum Rechtsirrtum. Er ist in § 9 öStGB normiert. In der Schweiz wird in Anlehnung an das frühere Recht ebenfalls von einem Rechtsirrtum gesprochen (Art. 21 StGB/Art. 17 MStG).[3]

Der in Österreich und der Schweiz gebräuchliche Begriff des Rechtsirrtums ist für die Abgrenzung zum Tatbestandsirrtum nicht hilfreich, weil Irrtümer über Rechtsvorschriften, die zu einem Tatbestandmerkmal (normative Tatbestandsmerkmale) gehören, keine Verbotsirrtümer (bzw. Rechtsirrtümer i. S. v. öStGB und CH-StGB) darstellen.

Das österreichische Recht spricht statt von Vermeidbarkeit von Vorwerfbarkeit, meint aber in der Sache dasselbe.

Common Law

Im anglo-amerikanischen Recht wird der Verbotsirrtum als error of law oder mistake of law bezeichnet.[4]

Literatur

  • Claus Roxin: Strafrecht. Allgemeiner Teil. 3. Auflage. Band 1, Beck Verlag, München 1997, ISBN 3-406-42507-0, S. 791–825.
  • Christoph Wolf: Error facti et error iuris. Die Vorsatzirrelevanz des Rechtsirrtums. (= Studien und Beiträge zum Strafrecht). Mohr Siebeck, 2019, ISBN 978-3-16-155472-8.

Einzelnachweise

  1. Lexikon der Rechtsirrtümer. Ullstein, Berlin 2004, ISBN 3-548-36659-7.
  2. Walter Brugger: Verbotsirrtum und Kartellrecht auf www.profbrugger.at, Dezember 2010, abgefragt am 10. Januar 2011 (PDF; 146 kB)
  3. Im neuen Recht lauten die Randtitel der entsprechenden Normen (Art. 21 StGB/Art. 19 MStG) „Irrtum über die Rechtswidrigkeit“.
  4. Gunther Arzt: Ignorance or Mistake of Law. In: The American Journal of Comparative Law. 1976, S. 646–679.
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