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Neue Technologien verändern uns und das Lernen#

Von

Hermann Maurer


Kurzfassung:#

In diesem Aufsatz erkläre ich, warum technologische Entwicklungen in vielen Bereiche noch rascher und überraschender sein werden, als wir üblicher Weise annehmen. Trotz der Unmöglichkeit, vor allem längerfristiger Vorhersagen zu machen, zeige ich, dass wir solche dringend brauchen würden. Wesentlich daran beteiligt ist die Entwicklung immer höherwertiger und stets verfügbarer Mobilgeräte, die es erlauben, nicht nur viel Wissen sondern auch viel Denken nicht in unseren Gehirnen sondern in Computernetzen zu speichern bzw. ablaufen zu lassen. Das bedeutet, dass sich unsere Einstellung zum Lernprozess grundlegend ändern wird. Das Ausmaß dieser Änderungen und die Geschwindigkeit mit der sie auf uns zukommen wird immer wieder unterschätzt: obwohl es inzwischen sehr mächtige mobile Technologien gibt werdenden diese zurzeit meist für spielerische Anwendungen eingesetzt, und nicht dort, wo sie den Lernprozess im Berufsleben hervorragend unterstützen könnten. Leider entstehen durch den Einsatz neuer Technologien auch große Gefahren, die zurzeit meist noch nicht ausreichend erkannt oder aber ignoriert werden. Dies wird mit einigen Beispielen belegt.

1. Warum langfristige Prognosen notwendig sind#

In vielen Bereichen wären langfristige (15 Jahre oder mehr) Prognosen notwendig, um heute sinnvolle Entscheidungen treffen zu können, nur sind solche Prognosen leider mehr oder minder unmöglich. Ich werde hier zunächst an Hand von nur zwei Beispielen belegen, warum Vorhersagen über so lange Zeiträume benötigt werden.

1.1 Verkehrswesen#

Wie werden wir in 20 Jahren Güter und Menschen transportieren, und wird es je nach Fall verschiedene Transportmittel geben? Werden sich z.B. beim Personentransport in Ballungszentren öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrräder mit oder ohne elektrischen Hilfsmotor und mit oder ohne Regenschutz durchsetzen, oder wird es ganz andere Alternativen geben? Ein Beispiel wären die vom Autor schon 1988 (!) beschriebenen Mautos (Miniautos), die für nur eine Person und geringe Geschwindigkeiten (maximal z.B. 40 km/h) ausgelegt sind und die drei besonders reizvolle Eigenschaften haben: (i) Mautos sind neben und hintereinander koppelbar und die Person links vorne übernimmt immer die Lenkung. Fährt man also zu zweit einkaufen, koppelt man vielleicht drei Einheiten hintereinander, zwei für die Personen, die dritte für den Transport der gekauften Waren. (ii) Mautos sind einzeln so klein, dass man damit in die dafür entsprechend umgebauten öffentlichen Verkehrsmittel (Nah- und Fernverkehr!) hineinfahren kann, und dort statt Sitzen eine Verankerung für das Mauto findet. Am Zielort fährt man mit dem Mauto hinaus und weiter. (iii) Mautos sind so schmal, dass sie auf vernünftig angelegten Radwegen (also auf von Autos getrennten Verkehrswegen) fahren können. (Für einen Nachdruck der ursprünglichen Publikation zu Mautos siehe [Maurer 2004].) Ein anderes Beispiel wäre, dass wir uns nicht auf den Bürgersteigen und Straßen bewegen, sondern sich diese, und wir stehen (sitzen?) oder gehen darauf wie wir wollen. In großen Flughäfen haben wir uns inzwischen schon an die „horizontalen Rolltreppen“, sprich „Travellators“ gewöhnt. Warum bauen wir nicht in einer Fußgängerzone in jede Richtung drei aneinander liegende, die mittlere mit höherer Geschwindigkeit als die äußeren?

Wird man für den Fernverkehr noch immer Autos verwenden, oder doch in erster Linie Eisenbahnen? Oder werden dafür computergesteuerte kleine Flugzeuge verwendet, wie das [Moller] vorschwebt?

Und wie ist es mit dem Gütertransport? Sollte man beim Kabel verlegen nicht auch gleich Röhren mitverlegen, die einmal für den Transport als moderne Version der Rohrpost mit Computer gesteuerten Robotern im Internet bestellte Produkte direkt ins Haus liefern? Wie groß und hoch muss man Tunnels und Brücken über Verkehrswege bauen, um große Objekte (Jachten, Turbinen,…) transportieren zu können. Ist es da nicht doch sinnvoller, große lenkbare Luftschiffe a la Zeppelin einzusetzen, mit denen man ohne Behinderung beliebig große Objekte zwischen beliebigen Orten transportieren kann? Fazit: Es ist klar, dass wir den Transport weiter ausbauen müssen. Aber ob es besser ist, sich dabei auf Autobahnen, Eisenbahnen oder exotischere Alternative zu konzentrieren wissen wir nicht!

1.2 Schulen#

Wenn wir in der Grundschule unterrichten, wollen wir doch sicher nicht etwas unterrichten, was langfristig wertlos ist. Sollen wir also noch Schreibschrift unterrichten, wenn Kinder, die heute 6 Jahre alt sind im Jahr 2020 ziemlich sicher nicht mehr Informationen per Handschrift festhalten? Die Verteidiger der Schreibschrift sagen, dass deren Erlernung für eine gute Hand - Augenkoordination wichtig ist. Mag sein, aber könnte man das nicht besser durch Jonglieren von drei Bällen lernen, und wäre das für die Kinder nicht lustiger? Ist das oberflächliche Erlernen einer Fremdsprache noch sinnvoll, wenn ich in zehn Jahren bestimmt in mein Handy auf Deutsch hineinsprechen kann, mein Gesprächspartner das aber leidlich gut übersetzt über sein Handy empfängt, gleichgültig ob er neben mir oder tausend Kilometer entfernt steht? (Ich argumentiere hier nicht gegen Sprachunterricht per se: man kann ein Land x nur verstehen, wenn man dessen Sprache gut beherrscht. Ich behaupte nur, dass das oberflächliche Lernen von Sprachen für einfache Kommunikation bald auf Grund der Technik überholt sein wird.) Müssen Schüler wirklich noch umfangreichen Fakten in Geographie, Geschichte, usw. lernen, wenn sie diese auf ihren Smartphones des Jahres 2015 ganz einfach in ihre Brillen eingeblendet bekommen können, wie das zurzeit Google massiv verfolgt (man gebe Google Glasses in eine beliebige Suchmaschine ein). Übrigens hat der Autor bereits vor 20 Jahren solche Brillen vorhergesagt, einer der wenigen Fälle, wo so langfristige Prognosen zutreffen dürften. Dass Technologie die Weitergabe von Wissen dramatisch ändert und zwar anders, als man das oft hört, darauf werde ich in einem späteren Abschnitt genauer eingehen.

2. Warum langfristige Prognosen schwierig (unmöglich?) sind#

In diesem Abschnitt führe ich einige der Gründe auf, warum langfristige Prognosen so schwierig sind. Ich beginne mit den „offensichtlichen“ Gründen, doch wende ich mich dann auch immer subtileren zu.

2.1 Extrapolation aus der Vergangenheit#

Ich war vor ca. 50 Jahren das erste Mal im Tomorrow - Land des Disneylands in Annaheim, Kalifornien. Top Experten zeigten im Tomorrow - Land, wie die Welt nach 2000 aussehen würde: atombetriebene Eisenbahnen, Städte am Meeresboden, Roboter die das von ihnen gekochte Frühstück ans Bett brachten, usw. Mit anderen Worte: (fast) alles, was die Experten prognostizierten, traf nicht ein. Aber alle wichtigen Entwicklungen wurden nicht einmal geahnt: Laser, Antibabypille, Internet, Handys, Luftverschmutzung, Klimawandel, usw. Ich denke das lässt eine einfache Extrapolation zu: würden wir heute versuchen aufzuzeigen, wie die Welt 2060 aussehen wird, würden wir genau so daneben liegen.

2.2 Das Wissen veraltet sehr rasch#

In wichtigen Bereichen hat das Wissen nur mehr eine „Halbwertzeit“ von sechs Jahren: in der Medizin, der Biologie, der Informatik, der Chemie, der Physik, usw. verdoppelt sich das Wissen in sechs Jahren. Wie soll man dann also Prognosen über 18 Jahre machen, wenn ich heute nur 1/8 von dem weiß, was man in wichtigen Gebieten dann wissen wird?

2.3 Das Wissen wächst in Sprüngen, nicht stetig#

Das intuitive Gefühl, dass sich unser Wissen in z.B. naturwissenschaftlichen Belangen „linear nach oben“ entwickelt ist falsch. In Wahrheit verläuft die Entwicklung in Sprüngen. Diese Sprünge entstehen durch neue Entdeckungen und Erfindungen. Und diese sind ja per definitionem nicht vorhersehbar. Wie hätte man 1450 vorhersehen können, dass die USA einmal die Welt in vieler Hinsicht dominieren würde, wo doch Amerika 1450 noch nicht entdeckt war! Wie hätte man 1900 über die Bedeutung der Atomkraft und die Gefahren der Atombomben diskutieren können, zu einem Zeitpunkt als das Atom noch als „atomos“ (sprich unteilbar) galt? Ähnliches gilt natürlich auch für die Medizin (denken wir nur an Antibiotika oder Organverpflanzungen), für die gesamte Computer und Kommunikationstechnik, usw.

2.4 Anwendungen sind unvorhersehbar#

Selbst wenn eine Erfindung gemacht wird sind ihre Anwendungen und Auswirkungen oft völlig unvorhersehbar, wie nur zwei bekannte Beispiele belegen sollen.

Der berühmt-berüchtigte Erfinder und Geschäftsmann Thomas Alva Edison entwickelte u.a. den ersten Phonographen (Vorläufer des Plattenspielers bzw. der Audio CD). Als eine der wichtigsten Eigenschaften des Gerätes hielt er die Tatsache, das man damit Musik langsamer und schneller abspielen konnte, ganz wie man wollte!

Karl Wilhelm Otto Lilienthal war nach heutigem Wissen der erste Mensch, der erfolgreich und wiederholbar Gleitflüge mit einem Flugzeug (Hängegleiter) absolvierte und dem Flugprinzip schwerer als Luft damit zum Durchbruch verhalf. Er glaubte, dass Flugzeuge, die problemlos Grenzen überfliegen konnten, diese auflösen und dauernden Frieden schaffen würden--- dass sie einmal eines der mächtigsten Mittel der Kriegsführung werden würden kam ihm nicht in den Sinn.

2.5. Erfolg hängt von vielen externen Parametern ab#

Der Erfolg einer Entdeckung hängt auch von vielen externen Parametern ab. Die Wirtschaftskrise der 1920er Jahre bremste das ohnehin nur langsame Vordringen der Telephonie so stark, dass sie von vielen schon als Totgeburt angesehen wurde! Umgekehrt haben Kriege manche Technologien (Unterseebote, Flugzeugbau, Raketentechnik, Kryptographie) enorm beschleunigt. Warum sich überschallschnelle Verkehrsmaschinen bis heute nicht durchgesetzt haben ist eigentlich unklar. Die enorme Stimmungsmache gegen Atomenergie, vor allem im deutschsprachigen Europa hat keine technisch-wissenschaftliche Basis, vielmehr sind sogar die jetzigen Kernkraftwerke (und es gibt schon sicherere Technologien) nach Wasserkraftwerken die sicherste Methode Strom zu erzeugen, usw.

2.6 Es gibt mehr Überraschungen als wir annehmen#

Keiner erklärt das besser als [Taleb 2010]. Schon im Vorwort erzählt er, wie das gerade geschlüpfte Gänsekücken zunächst Angst vor dem „riesigen“ Lebwesen Bauer hat, aber da dieser jeden Tag Futter und frisches Wasser bringt, und einmal wöchentlich den Stall sauber macht, wächst das Vertrauen des Tieres immer mehr: wie die Gans im Sommer schon eine schönes großes Tier ist, ist sie mit sich und der Welt und dem Leben voll zu frieden… und ist sicher überrascht, wenn sie ein paar Tage vor Martini den Kopf verliert, weil sie als prächtiger Martinibraten auf den Tisch kommen wird.

Und so wie die Gans überrascht ist wenn sie den Kopf verliert, waren wir es, als der Ostblock zusammenbrach, die Bankenkrise uns überfiel, der arabische Frühling ausbrach, usw. Jede Person, jede Organisation, jedes Land erlebt immer wieder gewaltige Überraschungen…aber diese machen natürlich Prognosen (die alle auf stetiger Extrapolation beruhen) unmöglich.

2.7 Wir legen uns zu früh fest#

Ein interessantes oft wiederholtes Experiment wird auch von [Taleb 2010] geschildert. Ich fotografiere ein Objekt, um konkret zu sein einen Ziegel, und zwar bewusst unscharf. Ich zeige das unscharfe Bild einer Personengruppe und frage, was sie sieht. Um konkret zu seine, nehmen wir an 80% erkennen richtig „das ist ein Ziegel“, und 20% meinen es ist etwas anderes (eine Schachtel, ein Buch, eine Klotz Holz,…). Nun nehme ich das unscharfe Foto und fotografiere es nochmals unscharf. Ich habe also jetzt zwei Fotos: ein unscharfes, und ein sehr unscharfes. Ich gebe einer vergleichbaren Personengruppe zunächst das sehr unscharfe Foto und etwas später das unscharfe und bitte, wieder zu sagen, was man sieht. Überraschender Weise erkennen jetzt sehr viel WENIGER, dass es sich um einen Ziegel handelt, obwohl sie doch mehr Informationen haben. Der Grund dafür ist, dass alle Menschen sehr früh eine These bilden, und von dieser „nur noch mit 12 Pferden“ weggebracht werden können, auch wenn schon alles gegen die These spricht. D.h. die Vergleichsgruppe bildet auf der Basis des sehr unscharfen Bildes eine These, und dass dann das weniger unscharfe Bild vielleicht der These widerspricht führt nicht mehr zur Änderung der Meinung! (Ein Phänomen, das man auch bei Diskussionen oft beobachten kann).

Dieses „frühe festlegen“ behindert auch unsere Chancen, gute Vorhersagen zu machen. Wir glauben auf der Basis heutiger Erfahrungen, dass sich etwas in eine bestimmte Richtung entwickeln wird, und sind psychologisch nicht bereit, unsere Meinung (Vorhersage) zu ändern, auch wenn schon alles dagegen spricht!

2.8 Veränderung der Quantität ändert die Qualität#

Ich formulieren das meist so: Vergrößert man ein Phänomen stark, dann erhält man nicht mehr von diesem Phänomen, sondern ganz neue Phänomene.

Mein liebstes Beispiel ist die „Wasseranalogie“: Stellen wir uns vor, wir erzählen einem Beduinen, der in seinem Leben noch nie mehr Wasser gesehen hat als in einem Tümpel in einer Oase vom Bodensee. Er wird uns nicht glauben, dass es so große Wassermengen gibt. Gelingt es uns dann doch, ihn zu überreden, nachzudenken, was eine so große Wassermenge bedeutet so wird er mit Aussagen kommen wie: „Das wäre ja toll. Dann könnten alle Kamele aller Stämme gleichzeitig Wasser trinken, und die Reihenfolge, wer das dann schon aufgewühlte und nicht mehr so saubere Wasser bekommt wäre nicht mehr wichtig!“ Ich bin überzeugt, dass ein solcher Mensch aber nicht auf die Idee kommen würde, dass man bei so großen Wassermengen Fahrzeuge braucht um es zu überqueren (Schiffe); dass bei starkem Wind das Wasser in Schwingungen gerät (Wellen); dass diese Schwingungen so groß sein können, dass sie das Fahrzeug umkippen, die Menschen darauf ins Wasser fallen und vielleicht ertrinken würden: Wasser in der Wüste ist immer lebensrettend, dass es auch töten kann ist in der Wüste kaum glaubwürdig. Ich bin auch überzeugt, dass sich ein solcher Beduine nicht vorstellen kann, dass er an einem schönen Herbstnachmittag in Konstanz am Bodensee steht, die schönen Berge und die Landschaft genießt, und plötzlich geschieht etwas Unheimliches: alles wird unsichtbar (weil Nebel aufsteigt). Also, obwohl der Bodensee eigentlich auch nur eine Grube mit Wasser ist, treten doch ganz neue Phänomene auf, weil die Quantität so verschieden ist.

Man kann unzählige ähnliche Beispiele angeben: als das Ford Model T (die „Tin Lizzie“, also die „Blechliesel“) 1908 vom Fließband rollte, konnte keiner ahnen, dass heute die Weltwirtschaft kränkelt, wenn es der Autoindustrie schlecht geht, dass zwischen 1945 und heute mehr Menschen durch Autounfälle starben als durch alle Kriege in dieser Zeit zusammen, dass tausende Quadratkilometer zubetoniert wurden, Millionen von Menschen am Autolärm leiden, die ganze Menschheit an schlechterer Luft und potentieller Klimaerwärmung, viele Kriege nur geführt wurden, um die Treibstoffversorgung sicher zu stellen, usw.

Die Tatasche zu verstehen, dass die Quantität die Qualität völlig verändert ist darum so wichtig, weil wir heute vor einem neuen Umbruch stehen: Die Smartphones in 5 – 8 Jahren werden so mächtig sein, dass jeder jederzeit eines mit sich tragen wird müssen. Und dieser Sprung in der Quantität wird ganz neue Phänomene auslösen, die wir leider genau so wenig vorhersehen können wie der Beduine was es bedeutet, wenn man sehr viel mehr Wasser als nur in einem Tümpel in einer Oase hat.

2.9 Wir sind zu eingebildet#

Ein weiterer Grund, warum wir bei der Vorhersage von zukünftigen Szenarien so versagen ist, dass wir zu eingebildet sind. Wir Menschen glauben zu jedem Zeitpunkt „alles Wichtige“ schon zu verstehen. In Wahrheit verstehen wir fast nichts: in allen naturwissenschaftlichen Bereichen sind wir von einem gründlichen Versehen meilenweit entfernt. Zwei Beispiele mögen das belegen.

Wir wissen, dass (eine Variante) der Photosynthese, die ein grünes Blatt durchführt, einer einfachen chemischen Summenformel entspricht:

6CO2 + 6H2 O ---> C6 H12 O6 + 6O2

D.h. aus 6 Molekülen Kohlendioxyd und 6 Molekülen Wasser wird (auf kompliziertem Weg und mit Energiezufuhr, beim Blatt durch Sonnenenergie) ein Molekül Glukose (Traubenzucker) und 12 Atome Sauerstoff hergestellt. Jeder grüne Grashalm kann das, wir Menschen aber nicht! Wenn ja, könnten wir überschüssiges Kohlendioxyd vernichten und zusammen mit nur Wasser Nahrungsmittel und Sauerstoff erzeugen. Die gesamte Menschheit ist also, überspitzt formuliert, dümmer als jeder Grashalm!

Wir glauben, wir verstehen etwas von Energie. Aber nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit sein. Wir können z.B. Licht nicht speichern: Die Schildbürger versuchten, Licht in Schachteln in das fensterlose Rathaus zu tragen. Wir lächeln darüber, aber warum haben die Physiker noch immer kein Kästchen entwickelt, das ich in die Sonne stellen kann, das dann das einfallende Licht speichert und ich es jederzeit wieder (etwa als Taschenlampe für mein halbes Leben) verwenden kann? Natürlich können wir Licht erzeugen (durch elektrischen Strom oder durch eine Flamme; aber das entstandene Licht speichern vermögen wir nicht.)

Ähnlich ist es mit fast jeder anderen Energieform: Wir können jede Energieform in fast jede andere mit viel Verlusten überführen, aber direkt speichern können wir kaum eine Energieform. Wir können Wärme ein bisschen in Thermosfalschen speichern oder Strom in Batterien, wo die besten noch immer nur 1/10 der Energiedichte von Benzin haben. Speicher für kinetische Energie (Schwungräder) sind wegen der Reibung nur begrenzt verwendbar, usw. Und der größte Witz der Geschichte ist aber die Einstein’sche Zauberformel e = mc2. Diese sagt uns, dass bei Massevernichtung sagenhaft große Energiemengen entstehen. Aber wir sind sehr weit davon entfernt, Masse vernichten zu können. In Kernkraftwerken spalten wir Uran in zwei Elemente, der gemeinsame Masse eine Nuance kleiner ist als die des Uran: und das Verschwinden dieser Nuance gibt uns Energie. Bei der Explosion einer Wasserstoffbombe werden z.B. jeweils zwei Wasserstoffatome in ein Heliumatom verschmolzen. Ein Heliumatom hat ein bisschen weniger Masse als zwei Wasserstoffatome: So kommt es zu der Energie einer Wasserstoffbombe oder, wenn wir den Vorgang irgendwann einmal langsam ablaufen lassen können, zu einer guten Energiequelle. Nur könnten wir einen einfachen Brocken Stein auflösen, wir hätten wahrlich Energie in Überfluss. Die Einstein’sche Formel kann natürlich auch in der anderen Richtugn gelesen werden: riesige Energiemengen können theoretisch in etwas Masse umgewandelt werden. Würden wir das beherrschen, könnten wir jede Klimaerwärmung sofort stoppen!

Wie wenig wir wissen wird sehr gut in dem Buch [Kaku 2010], oder einem seiner Bücher über die Physik in 100 Jahren, erklärt.

2.10 Es gibt vieles, das wie Wunder aussieht aber in 40 Jahren Realität sein wird#

Seit 3 Jahren zeige ich die nachstehende Liste als Beispiel:

(1) Unsichtbarkeit (2) Telepathie (3) Mini-Dronen (4) Telekinese (5) Virtuelle statt realen Reisen (6) 3D TV ohne Brillen (7) Nahrungsmittelerzeugung mit Enzymen (8) Durchbrüche bei der Gentechnologie (9) Durchbrüche bei der Nano-Technologie

In dieser kurzen Zeitperiode wurde (6) kommerziell erhältlich und kann (1) unter dem Titel „Active Camouflaging“ in Forschungslabors demonstriert werden. Auch bei (5), (7) (Enzyme, die eine Tonne Holz in eine halbe Tonne Zucker verwandeln), (8) und (9) gibt es große Fortschritte, (2) wird durch Hirn - Computerinterfaces immer mehr angenähert, und (3) und (4) behandle ich in dem Sience Fiction Roman [Maurer 2009].

Auf weitere Details gehe ich hier nicht ein: die Liste und die angedeutete Entwicklung soll nur zeigen, wie rasch Wunder Realität werden. Und schließlich, wären Sie mit einer Digitalkamera vor ein paar hundert Jahren herumgelaufen, wären Sie sofort am Scheiterhaufen gestanden!

3. Die Konvergenz von Technologien#

Seit Jahren zeichnet sich eine zunehmen Konvergenz der Technologien: Computer, Mobiltelefon, Netzwerke, Kamera, Videokamera, GPS Systeme, Spracheingabe, Sprachsynthese, elektronsicher Ausweis (anstelle von Führerschein, Personalausweis und Reisepass) und Zahlungsmittel ab. Das ist genau der Grund, warum der Punkt 2.8. so relevant ist.

Diese Entwicklung wird die gesamte Gesellschaft tief greifend verändern. Die Spitze des Eisberges ist ja auch schon zu sehen. Diese Entwicklung wird aber auch die Wissensweitergabe dramatisch ändern, wie schon in [Kulathuramaiyer 2009] aufgezeigt. Lehren und Lernen werden sich grundlegend ändern. Einige Aspekte davon werden in den nächsten drei Abschnitten behandelt.

3.1 Chancen der Symbiose Hirn-Computer-Netzwerke#

Die Tatsache, dass wir über immer besser werdende Smartphones stets Informationen aus dem Web abrufen werden können, und diese über neue Displaytechnologien wie Brillen für uns sichtbar, für andere unsichtbar, über das was wir sehen darüber gelagert werden kann (siehe Abschnitt 1.2) wird sehr stark verändern wie wir leben und arbeiten. Wir werden in der über-über-nächsten Generation von Smartphones einen ganz mächtigen Assistenten finden, der uns mit Wissen, aber auch beim Denken unterstützt.

Bei der Wissensvermittlung, beim e-Teaching und e-Learning wird es höchste Zeit, dass sich die Betonung von „WIE unterrichten wir mit den neuen Technologien am besten?“ (was heute der Forschungsschwerpunkt von hunderttausenden von Menschen ist) verschiebt zu den Fragen „WAS sollen wir in Zukunft unterrichten“ und „WANN soll das geschehen.“ (Was heute erst von wenigen Forschern untersucht wird!)

Schon im Abschnitt 1.2 habe ich diese Problematik angeschnitten, und habe meine Zweifel angemeldet, ob Schreibschrift oder oberflächlicher Sprachunterricht heute noch sinnvoll sind. Tatsächlich ist das „WAS“ ein wichtiges, schwieriges und bisher wenig erforschtes Thema.

Warum sollen Medizinstudenten heute noch die Dosierungen oder Wechselwirkungen von Medikamenten lernen? Zumindest in Mitteleuropa wird kein Rezept ohne vernetztes Computersystem vom Arzt ausgestellt, und dabei werden Dosierungen und Wechselwirkungen genauer angegeben, als man das je lernen könnte. Dies umso mehr, als Ansätze wie die elektronische Gesundheitskate [elga] in Österreich alle in der letzten Zeit verabreichten Medikamente zeigen. D.h. auch über Zeit und Ortsgrenzen hinweg wird bei der Verschreibung einer Arznei untersucht, ob diese geeignet ist.

Warum sollen Schüler heute noch lernen, wie man aus drei Bestimmungsstücken ein Dreieck konstruiert? Sie, der Leser, haben das wahrscheinlich noch gelernt… doch wie viele Dreiecke haben Sie in der letzten Woche konstruiert? Das Argument „Man lernt dadurch logisch denken“ mag schon stimmen, aber sollten wir dann noch lieber pro Woche eine Stunde Schach in der Schule unterrichten/ spielen lassen? Auch das würde das logische Denken fördern, aber sicher mehr Spaß machen.

Diese Liste ist beliebig fortsetzbar. Es ist klar, das man gewisse Grundelemente im eigenen Hirn haben muss, und eine gewisse Lösungskompetenz und Übung im logischen Denken. Aber wo das genau aufhört, und wo wir Daten aber auch Denkvorgänge den Computern überlassen können, ohne unser Menschsein zu verlieren oder zu verdummen [Carr 2010] wissen wir heute nicht. Auch ich habe hier keine allgemeine Antworten aber das dringende Plädoyer, dass diese Frage als eine zentrale Forschungsfrage gesehen wird.

Auch von Bedeutung ist die Frage WANN etwas unterrichtet werden soll. Bisher haben wir sozusagen auf „Vorrat“ gelernt, auf „Verdacht“, dass wir irgendwas einmal vielleicht brauchen werden. Es erscheint sehr viel sinnvoller, nur das zu unterrichten, was wir mit großer Sicherheit benötigen werden, und den Rest dann, wenn wir es brauchen: Dieses „on the fly learning“ oder das „lebenslange Lernen“ wird in so vielen Publikationen behandelt, dass ich hier nicht näher darauf eingehen will. Nur einen radikalen Denkanstoß darf ich anbringen: wie wäre es, wenn wir Arbitur (Matura) mit 15 machen, den Bachelor mit 18 und Diplom mit 20, indem wir den Stoff sehr bereinigen. Gleichzeitig schlage ich vor, dass jeder Mensch pro Jahr 2 Wochen lang ein Seminar besuchen muss (mit Prüfung; wenn er die oft nicht schafft wird ihm ein Titel aberkannt), und zwar bis zum Pensionsalter, also z.B. 65. Zusammen wären das 90 Wochen, das entspricht wohl in etwa 3 Jahren Schule oder Uni. D.h. insgesamt würden wir gar nicht viel weniger lernen als heute, nur besser über das Leben verteilt.

3.2 Gefahren von Computernetzen#

Je mehr wir uns auf Smartphones und Computernetze verlassen, umso abhängiger werden wir von diesen. Ein großflächiger, langer Zusammenbrauch der Computernetze (oder der Stromversorgung) hätte schon heute schlimme Folgen (wie einige große und oft mehrere Tage andauernde Netzstörungen gezeigt haben), könnte aber in Zukunft zum Zusammenbruch der Zivilisation führen wie in [Maurer 2007] beschrieben wird. Dort wird aber auch erklärt, wie wir uns davor schützen können: durch mehr Redundanz, durch weniger Globalisierung, durch verstärkte regionale Versorgung in allen Bereichen.

Dass unsere Privatsphäre durch die neuen Technologien enorm gelitten hat, selbst wenn wir sehr vorsichtig sind, ist wohlbekannt, und wäre einen eigenen Aufsatz wert. Auch die Gefahr von Suchmaschinen in drei Richtungen ist wohlbekannt, aber doch sind wir ohne Suchmaschinen inzwischen hilflos! Die drei „Richtungen“ sind einerseits wieder Privatsphäre (Google weiß mehr über Sie als alle ihre Freunde zusammen), andererseits die Problematik des Rankings und der Verlässlichkeit. Jede Suchmaschine ordnet die gefundenen Suchresultate nach einem gewissen (im Allgemeinen unbekannten) Algorithmus an. Es ist Suchmaschinen nicht gesetzlich verboten in irgendeiner Weise in das „Ranking“ einzugreifen. Es könnte durchaus sein, dass ein besseres Ranking auf Grund von Kriterien erfolgt, die nicht den Benutzern helfen, sondern den wirtschaftlichen Interessen des Betreibers der Suchmaschine. Dass gefundene Informationen nicht immer verlässlich sind sollte allen von uns eindringlich bewusst sein. Ein klassisches Beispiel dazu war bis 2011 der „Grüne Ritterling“, der auf den zunächst (z.B. über Google) gefundenen Ergebnisseiten als schmackhafter Pilz beschrieben wurde, auf einem weiter hinten liegenden Suchergebnis als „tödlich giftig“. Heute hat sich die Situation „eingependelt“: er wird fast überall als „ in seltenen Fällen Krämpfe auslösend“ beschrieben. Sprich: er ist vermutlich genau so wenig giftig wie Erdnüsse oder Milch, nur gibt es eben Erdnussallergien und Laktoseunverträglichkeit, also auch Menschen mit Grünling Unverträglichkeit.

Dass eine Suche nach dem Siedepunkt des Radiums am 12.8.2012 ganz verschiedene Angaben lieferte (1140, 1736, 3828 und 3825 Grad Celsius) zeigt jedenfalls, wie vorsichtig man mit Suchergebnissen umgehen muss.

3.3 Computernetze verändern die Menschen#

Seit Jahren wird immer deutlicher, dass eine intensive Beschäftigung mit den neuen Technologien nicht ungefährlich ist. [Brabazon 2007] weist bereits schlüssig nach, dass zu viele SMS, Kurzbotschaften wie Twitter, kurze Emails etc. nicht nur zu einer „Gehirnentleerung“ führen, sondern auch dazu, dass das verstehende Lesen immer mehr auf der Strecke bleibt. In eine ähnliche Kerbe schlägt [Carr 2010], wobei dieses Buch schon 2008 in den USA erschien: Carr fürchtet, dass das Internet zur Verdummung der Menschen führt.

Nielsen hat noch früher nachgewiesen, dass das Lesen am Schirm das Gehirn verändert und Menschen, die viel am Computerschirm und im Web arbeiten zum „F-Lesen“ tendieren, d.h. nur gewisse Teile des Schirms lesen, andere kaum oder nie (etwa den unteren rechten Teil einer Seite). Ist das schon bestürzend genug so ist es noch fataler, dass solche Lesegewohnheiten (die gewisse neuronale Verknüpfungen- Synapsen- auslösen) sich auch auf das Lesen von gedrucktem Material auswirken.

Das gerade erschienene Buch „Digitale Demenz“ des bekannten deutschen Psychologen Manfred Spitzer [Spitzer 2012] schlägt voll in diese Kerbe. Spitz formuliert Spitzer, dass eigentlich jede Zeit, die man junge Menschen vom Web und Smartphones fernhält positiv ist.

Sein Buch mag zu radikal sein wenn er feststellt: „ Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen braucht man einen Computer zum Lernen genau so dringen wie ein Fahrrad zum Schwimmen oder ein Röntgengerät, um Schuhe anzuprobieren“ aber andererseits steht ja im Jahresbereicht der Suchtbeauftragten der deutschen Bundesregierung Mechthild Dyckmans vom Mai 2012: „Etwa 250.000 der Vierzehn- bis Vierundzwanzigjährigen gelten als Internetabhängig, 1.4 Millionen als problematische Internetbenutzer.“

4 Computernetze- Freunde oder Feinde?#

Ich denke es ist nicht schwer, für beide Seiten gute Beispiele zu finden. Es ist zu früh, um ein endgültiges summarisches Urteil zu fällen.

Im Sinne von Abschnitt 2.8. muss uns aber bewusst sein, dass die totale Verbreitung des Internets und der Smartphones neue Phänomene mit sich bringt, von denen einige positiv andere negativ zu sehen sind: Glückspielsucht oder gewalttätige multi-Personen Spiele sind dafür wohl gute Beispiele für negative Aspekte. Eine gewisse Demokratisierung der Information, Verfügbarkeit vielseitigerer Information, oder Unterrichtsunterstützung in gewissen Situationen gehören wohl zu den positiven Aspekten. Ob wir durch die Verlagerung vieler Aktivitäten aus dem Gehirn zu Computernetzen nicht das Gehirn unterfordern und daher zwangsweise verdummen, ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Antwort sollte sein: Was wir an Zeit durch Computernetze sparen sollten wir anders sinnvoll einsetzen.

Eine genaue kritische Beobachtung der neuen Netztechnologien ist sicher notwendig, um langfristige Schäden zu vermeiden.

Literatur#

[Brabazon 2007] Brabazon, Tara, „The University of Google: Education in the (Post) Information Age“, Ashgate Publishing (2007).

[Carr 2010], Carr Nicholas und Dedekind, Henning, , „Wer bin ich, wenn ich online bin…und was macht mein Gehirn solange?“, Blessing Verlag (2010).

[elga] https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/elektronische-gesundheitsakte-einleitung.html

[Kaku 2010] Kaku, Michio, „Die Physik des Unmöglichen: Beamer, Phaser, Zeitmaschinen“, rororo Taschenbuch (2010).

[Kulathuramaiyer 2009] Kulathuramaiyer, Nara und Maurer, Hermann: Knowledge Gathering as ist Changes with New Technologies, in: Proc. IADIS Conference Portugal (June 2009), 25-32.

[Maurer 2004] Maurer, Hermann, „Das Mauto“, in: XPERTEN. Der Anfang, freya Verlag Linz (2004), 182-187.

[Maurer 2007] Maurer, Hermann, „XPERTEN: Paranet – Der Zusammenbruch des Internets“, freya Verlag Linz (2007).

[Maurer 2009] Maurer, Hermann, „XPERTEN: Kampf dem großen Bruder“, freya Verlag Linz (2009).

[Moller] www.moller.com.

[Spitzer 2012], Spitzer, Manfred, „Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“, Droemer 2012 .

[Taleb 2010] Nassim Nicholas, “Der schwarze Schwan”, Deutscher Taschenbuch Verlag (2010).


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