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"Bin der Darsteller des kleinen Mannes"#

Volksschauspieler und Kabarettist Fritz Muliar ist in der Nacht auf Montag im 90. Lebensjahr verstorben#


Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 5. Mai 2009) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

von

Petra Rathmanner


Vom beliebten Schwejk zum Charakterspieler. Sozialdemokrat, Freimaurer und streitbarer Charakter.#

Wien. "Ich bin ein Darsteller des kleinen Mannes – ein jüdischer Bankier, das ist noch drinnen, den Othello muss ich nicht unbedingt spielen. Den Lear – nur in einer Musicalfassung", so Fritz Muliar einst in einem Interview.

Für viele war er damit der Inbegriff des Volksschauspielers. Er war beliebt als Kabarettist, bekannt als Nestroy-Darsteller: In der Nacht auf Montag ist der Schauspieler im 90. Lebensjahr verstorben. Noch am Sonntag stand er im Theater in der Josefstadt in der Nachmittagsvorstellung von "Die Wirtin" auf der Bühne. Sein "langer Weg eines ereignisreichen, oft schweren, aber brennend interessanten und letztlich glücklichen Daseins", wie Muliar in seiner 2003 publizierten Autobiografie "Melde gehorsamst, das ja!" schrieb, ist nunmehr zu Ende gegangen.

Einst zum Tod verurteilt#

Geboren wurde Fritz Muliar am 12. Dezember 1919 in Wien-Neubau. Sein leiblicher Vater war ein aus Tirol stammender ehemaliger k.u.k. Offizier und späterer Nationalsozialist, der sich um seinen Sohn nicht kümmerte; die Mutter des Akteurs engagierte sich als Sozialdemokratin und heiratete später einen russisch-jüdischen Juwelier namens Mischa Muliar.

Bereits im Alter von 17 Jahren verhalf die Grande Dame der Wiener Kleinkunst, Stella Kadmon, dem aufstrebenden Darsteller zu seinem Debüt im Kabarett "Der liebe Augustin". Nach einem Engagement als Operettenbuffo am Innsbrucker Landestheater fand Muliar Aufnahme in Karl Farkas "Simpl", ehe der Krieg die künstlerische Laufbahn des Frühtalentierten kurzfristig unterbrach.

Im Kriegsdienst wurde Muliar wegen vorgeblicher wehrkraftzersetzender Reden denunziert – der Schauspieler wurde zum Tod verurteilt. Später erfolgte die „Begnadigung“ – die Todesstrafe wurde in fünf Jahre Gefangenschaft umgewandelt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs startete der Künstler eine beispiellose Karriere: Von 1951 bis 1963 war er am olkstheater engagiert, parallel dazu spielte er 13 Jahre lang im Kabarett „Simpl“. Von 1964 bis 1977 war das Theater in der Josefstadt seine künstlerische Heimat; 1974 wurde er Mitglied des Burgtheaters, dem er 20 Jahre, bis zu seiner Pensionierung angehörte. 1994 kehrte er in die Josefstadt zurück.

Dass der bekennende Sozialdemokrat und Freimaurer ein streitbarer Charakter war, stellte er nicht nur in seiner langjährigen Tätigkeit als ORF-Publikums- und Stiftungsrat unter Beweis, sondern auch in heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Theaterszene. Legende sind die Auseinandersetzungen während seiner aktiven Burgtheaterzeit: Bereits 1990 hatte er im Zorn über die Vertragsverlängerung des damaligen Burg-Direktors Claus Peymann damit gedroht, das Haus zu verlassen; 1997 verantwortete Muliar eine "Anti-Peymann-Artikelserie" in der "Kronen Zeitung" – der Dauerstreit mit dem nunmehrigen Chef des Berliner Ensembles fand seine Fortsetzung im Oktober des Vorjahres, Muliar klagte wegen Rufschädigung.

Neben seiner Bühnentätigkeit prägte Fritz Muliar auch das heimische Nachkriegskino: Er wirkte in Filmen mit wie "Wien, du Stadt meiner Träume" (1957) unter Willi Forst und "Der veruntreute Himmel" (1958) unter Ernst Marischka; er trat in Edelkomödien wie "Die Abenteuer des Grafen Bobby" (1961) mit Peter Alexander und Gunter Philipp auf und glänzte im "Bockerer", in der verfilmten Bühnenfassung des Volkstheaters.

Muliars Paraderolle war aber wohl die des braven Soldaten Schwejk nach Jaroslaw Hašeks Romanvorlage: Die authentische Darstellung des pazifistischen Soldaten, der sich mit List und Witz durchs Leben und am Krieg vorbei laviert, bescherte ihm den Ruf eines Publikumslieblings – siehe auch die TV-Erfolge des Entertainers, darunter nahezu klassische Fernsehformate wie "Die liebe Familie", "Ringstraßenpalais" und "Roda Roda".

Viel gelesen wurden seine anekdotenreichen, teils autobiografischen Bücher, darunter "Das beste aus meiner Jüdischen Witze- und Anekdotensammlung" und "Wenn Sie mich fragen". Posthum wird im Juli „Denk ich an Österreich. Eine Bilanz“ erscheinen.

Im hohen Alter in Bestform#

Mit Felix Mitterers Einpersonenstück „Sibirien“ anno 1992 erzielte der Schauspieler, der lange unter dem Verdacht stand, zwar ein beliebter Volksschauspieler jedoch kein allzu bedeutender Charakterdarsteller zu sein, einen seiner größten Bühnenauftritte. Im hohen Alter lief der Grandseigneur ohnehin zu Bestform auf: 2007 feierte er in den Kammerspielen sein 70-jähriges Bühnenjubiläum mit dem ihm gewidmetem Mitterer-Stück „Der Panther“, und seinen 80. Geburtstag beging er mit dem pointenreichen Sozialdrama „Besuch bei Mr. Green“ von Jeff Baron. Für Anfang Dezember 2009 war die Uraufführung der Fortsetzung „Mr. Greens zweite Chance“ geplant.

Zudem widmete er sich in den vergangenen Jahren mit Verve der Kleinkunst: Muliar erwies sich als glänzender Interpret des jüdischen Witzes und als mitreißender Rezitator österreichischer Kaffeehausliteratur. Der Künstler hinterlässt seine Frau Franziska und seine beiden Söhne, ein Sohn aus erster Ehe starb 1990. "Trotz meines Glaubens an Gott hab ich mich nicht dazu durchringen können, auch an ein Leben nach dem Tod zu glauben", schrieb Muliar in seiner Autobiografie: „Nur die Taten eines Menschen leben weiter. Und so lange man von einem Menschen spricht, ist er wohl gestorben, aber nicht tot.“

Wiener Zeitung,, Dienstag, 5. Mai 2009


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