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"Unermüdete Thätigkeit"#

Er war Bankier, Großhändler, Musikliebhaber und Parkbesitzer: Zum 200. Todestag des heute vergessenen Adam Albert Ritter von Henikstein.#


Von der Wiener Zeitung (Sa./So., 17./18. Dezember 2011) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Christian Hlavac


Henikstein’sche Villa
1831 wurde die Henikstein’sche Villa zur "Heil-Anstalt in Ober-Döbling" umgebaut.
© Archiv Hlavac

Die wenigsten Menschen in Wien haben je in ihrem Leben von der Henikstein’schen Villa gehört oder gelesen. Und dies trotz der Tatsache, dass täglich Hunderte Menschen dieses Gebäude aufsuchen: Seit 1991 nutzt das Bezirksgericht Döbling das einstige Landhaus in der Obersteinergasse 18-24. Benannt ist das Gebäude im ehemaligen Wiener Vorort Ober-Döbling nach Adam Albert Joseph Abraham Ritter von Henikstein, geborener Hönig (1745-1811). Er war einer der wenigen in Wien tolerierten Juden, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Möglichkeit hatten, beruflich und gesellschaftlich in der Residenzstadt Fuß zu fassen.

Die Hönigs stammten aus dem westböhmischen Kuttenplan (Chodová Planá). In den Archiven wird Jehuda Löbel als erster Vertreter seiner Familie namentlich genannt. Er pachtete mit seinen beiden ältesten Söhnen das von Erzherzogin Maria Theresia 1763 ausgeschriebene Tabakmonopol. Die "Pachtkompagnie Löbel Hönig" erhielt das Privilegium für Böhmen, Mähren, Schlesien und Ober- und Niederösterreich gegen einen jährlichen Pachtzins von 900.000 Gulden. Ende 1784 lief der Vertrag aus; das Tabakmonopol wurde wieder verstaatlicht. Mit Israel Löbel und Aron Moyses Hönig kamen zwei von vier Direktoren der staatlichen "Tabak-Gefällen-Kameral-Direktion" aus der westböhmischen Familie.

Das Schutzprivileg#

Die Hönigs gehörten im Jahre 1777 zu den 25 tolerierten jüdischen Familien in Wien, die mit einem Schutzprivileg ausgestattet waren. Wie auch alle anderen privilegierten Juden zu jener Zeit waren sie als Großhändler, Bankiers bzw. als sogenannte multipotente Unternehmer tätig. Israel Hönig, der um 21 Jahre ältere Halbbruder von Adam Albert, wurde als "Edler von Hönigsberg" im Jahr 1789 in den erblichen Adelstand erhoben. Er war damit der erste nicht konvertierte Jude, der in Österreich geadelt wurde. Adam Albert und sein Bruder Lazar (katholischer Vorname: Leopold Franz) traten hingegen 1781 zur katholischen Religion über. Sie erhielten im Oktober 1781 unter der Firma Adam & Leopold Hönig die Großhandlungsfreiheit.

Anfang 1788 ernannte man Adam Albert zum beamteten galizischen Salzversanddirektor, ab 1796 führte er den Titel eines k.k. niederösterreichischen Regierungsrates. Er leitete 16 Jahre lang als privilegierter Großhändler die mährische Lehensbank und bis 1793 das "k.k. privil. Intelligenz- oder Zeitungsamt" in Wien, welches die erste mährische Zeitung, die spätere "Brünner Zeitung", herausbrachte.

Aufgrund seiner zahlreichen wirtschaftlichen Tätigkeiten wurde er im Mai 1807 in den erbländischen Ritterstand erhoben und durfte sich unter Weglassung des Familiennamens "Ritter von Henikstein" nennen. Das Grab von Adam Albert, der am 20. Dezember 1811 starb, befindet sich am St. Marxer Friedhof. Andere nicht konvertierte Familienmitglieder sind am 1784 eröffneten Jüdischen Friedhof Währing beigesetzt worden.

Adam Albert und sein Sohn Joseph Ritter von Henikstein (1768 -1838) veranstalteten regelmäßig im Haus Kärntnerstraße 19 häusliche Musikabende mit geladenem Publikum. Beide gehörten nachweislich zu den Bekannten Wolfgang A. Mozarts. Adam Albert rühmte sich später seiner Bekanntschaft mit dem Musiker; er besuchte im März 1784 zumindest drei "Akademien" Mozarts im Trattner-Hof. Mozart war außerdem Klavierlehrer von Adam Alberts Schwester Karoline.

Porträtvon Henikstein
Das einzige Porträt, das von Henikstein erhalten geblieben ist.
© ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Die Affinität der Familie Henikstein zur Musik zeigt sich auch durch die Mitbegründung der "Gesellschaft der Musikfreunde" im Jahr 1812. Der Deutsche Johann Friedrich Reichardt berichtet in seinen veröffentlichten Briefen von seiner Reise nach Wien im Jahre 1808 von italienischen Opern, die die Henikstein’sche Familie aufführen ließ.

Einige Briefe später heißt es bei Reichardt: "Ich habe wieder eine recht interessante Bekanntschaft in dem Hause des Bankiers Henikstein gemacht, eine sehr liebenswürdige, durchaus musikalische Familie, und habe bereits einen sehr angenehmen, musikalischen Abend in großer, zahlreicher Gesellschaft da zugebracht." Die Gesellschaften im Stadthaus standen für Fremde offen, wie zahlreiche Zeitzeugen berichten. So schreibt Karl Gottlob Kuettner von seiner Reise Ende des 18. Jahrhunderts, dass es "einem Fremden gewöhnlich nicht schwer wird, auch in die Häuser Arnsteiner, Eichelburg, Button, Henikstein und andere eingeführt zu werden."

"Suburbanische Villen"#

In der Geschichtsschreibung blitzt der Name Henikstein ein letztes Mal im Jahre 1816 auf: als Karoline (1797-1844), die Enkelin von Adam Albert, den Orientalisten Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall (1774-1856) heiratet. Hammer-Purgstall erwähnt in seinem langen Gedicht "Wiens Gärten und Umgebungen", welches 1799 verfasst wurde, das Henikstein’sche Landhaus:

"Nußdorfs und Döblings Sitz voll suburbanischer Villen
Unter denen das Dach von Heniksteins ländlichem Hause
Wie ein Stern von erster Größ mit röthlichtem Licht glänzt [. . .]
Wo in Döbling die Esse Vulkans, die Schmiede gestanden
Dort umplätschern im Teich itzt Schwan und Goldfisch den Nachen
Henikstein vollbrachte das Werk anlegend das Wohnhaus
Sammt dem brittischen Park den geselligen Göttinnen heilig. [. . .]
So bestreichet der Blick die ausgebreitete Hauptstadt
Auf der Terrasse des Parks [. . .]"
Landhaus mit Park

Im Jahre 1784 kaufte Adam Albert von Henikstein eine einstige Viehtrift mit einer Windmühle und einer Eisenhammerschmiede im heutigen Kreuzungsbereich Billroth-/Krottenbachstraße. Er war einer von vielen Unternehmern, die ab dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts ihr Haus oder Palais in der Stadt durch ein Landhaus mit angrenzendem Park in einem Vorort ergänzten. Der Standort seines Landhauses auf einer natürlichen Hügelkuppel ermöglichte eine von den Zeitgenossen gelobte weite Aussicht auf Wien und die Donau. Heute ist diese Aussicht von zahlreichen Gebäuden verstellt.

Franz de Paula Gaheis besuchte im Sommer 1797 bei einer seiner zahlreichen Wanderungen in die Umgebungen von Wien das Anwesen: "Das Landhaus des Herrn Adam Albert von Henikstein" - so Gaheis in seiner Ortsbeschreibung - "gewährt dem Besucher Aussichten, die sich in keiner größeren Abwechslung irgendwo denken lassen. Eine ehedem verödete Gestätte ist mit großem Aufwand und durch unermüdete Thätigkeit in den niedlichen Park umgestaltet worden, den man hier das kleine Dornbach nennt." (Wenn hier "Dornbach" zum Vergleich herangezogen wurde, dann war der damals wie heute berühmte Neuwaldegger Park des Grafen Franz Moritz Lacy gemeint.)

Die einzige ausführliche Beschreibung der Anlage zu Lebzeiten Heniksteins liegt vom königlich preußischen Regierungsrat Uklanski vor, der im Spätsommer 1807 vermutlich mehrmals im Landhaus zu Gast war: "Vor acht Tagen wurde ich in das Haus des Herrn von Hennigstein [sic!] eingeführt, der mit dem Herrn Baron von Arnstein [Arnsteiner] der reichste und angesehenste Bankier in Wien ist. Er wohnt jetzt in seiner Ville zu Döbling, die in Hinsicht der Lage und der Abwechslung die schönste in der Nähe der Residenz ist. Sie liegt auf einem Berge, und wenn man aus dem Salon in den Blumengarten tritt, so sieht man ganz Wien zu seinen Füßen. Aus dem Blumengarten steigt man in den Obstgarten hinab, wo mich eine Allee von Rosenbäumen überraschte. Der ganze Park wechselt in Hügeln und Thälern, in Bächen und Teichen, in Bosquets, Promenaden und überraschenden Prospecten ab. Die Natur hat dort alles gethan; Menschenhände haben ihr nur gefällige Formen gegeben." Das gesamte Gelände mit Landhaus, Meierei, Park und dem rund 2500 m² großen Teich bei der Einmündung des Arbesbaches in den Krottenbach umfasste mehr als sieben Hektar Fläche.

Die Heilanstalt#

Nach Heniksteins Tod im Jahre 1811 ging das Areal mit Wein-, Obst-, Gemüsegärten, einem Lust- und Ziergarten, Äckern und Wiesen an den Handelspartner des Geschäftshauses Henikstein, den privilegierten Großhändler und Direktor der Österreichischen Brandschadenversicherungsgesellschaft Leopold Niklas von Herz. Auch er versammelte zur Sommerzeit die gehobene Wiener Gesellschaft in seinem Salon. Die Erben verkauften 1829 die Grundstücke an Dr. Bruno Görgen, der 1831 seine Privatheilanstalt für "Gemütskranke" aus Gumpendorf in das für seine Zwecke komplett umgebaute und erweiterte Landhaus verlegte.

Aufgrund der Eröffnung modernerer Anstalten begannen gegen Ende des 19. Jahrhunderts finanzielle Schwierigkeiten, die zum Verkauf der Grundstücke führten. Der Grundbesitz ging 1916 auf die "Terra Grund-Erwerbs-GmbH" über, die später einen großen Teil des Parks mit villenähnlichen Häusern verbaute. Bereits in den 1860er-Jahren wurde der nordwestliche Teil des Geländes abgetrennt: Die darauf errichtete Villa Scheda - später auchVilla Bösch genannt - wich im Jahre 1965 dem Bau des Bundesgymnasiums Billrothstraße Nr. 73.

Die "Privatanstalt für Nerven-, Gemüts- und Geisteskranke", in der der Dichter Nikolaus Lenau und der ungarische Ökonom und Politiker Graf István Széchényi starben, bestand bis 1982 weiter. Stark verwandelt bestehen heute Reste des einstigen Parks: als extensiv gepflegter, zwei Hektar großer Park "Am Hirschenbergl", der sich als Verbindungspark von der Krottenbachstraße zur Billrothstraße erstreckt. Dieser Park und das Gebäude des Bezirksgerichts sind die wenigen Spuren, die uns noch an Adam Albert Ritter von Henikstein erinnern.

Christian Hlavac lebt als Gartenhistoriker und Publizist in Wien. Zuletzt ist im Sutton Verlag sein Buch "Wiener Gärten und Parks" erschienen.

Wiener Zeitung, (Sa./So., 17./18. Dezember 2011