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Die Verehrung des hl. Domitian#

von Univ. Prof. Dr. Franz Nikolasch                      

(Auszug aus einem Vortrag beim Jubiläumsfest der Jesuiten in Kärnten, Millstatt, 16. September 2006)

Im Jahre 1615 veröffentlichte P. Jacobus Crusius ein deutsch geschriebenes Büchlein mit "220 übernatürlichen Wolthaten", die auf die Fürsprache des hl. Domitian gewirkt wurden. Ausführlich wird auch das Leben des Heiligen mit phantastischen Ausschmückungen geschildert, da der historisch glaubhafte Bericht aus dem 12. Jh. nur dürftige Angaben enthält. P. Crusius widmete diese Schrift den beiden Erherzögen Karl und Leopold, die 1602 ihre Sommerferien in Millstatt verbracht hatten. Mit dieser Schrift sollte die Verehrung des Millstätter Lokalpatrons propagiert werden.

1632 wurden die Reliquien des Heiligen, die im Chor des nördlichen Seitenschiffs in einem Hochgrab aufbewahrt waren, das der 1. Hochmeister des St. Georgs-Ritterordens Johann Siebenhirter 1492 errichtet hatte, in eine neu errichtete Kapelle überführt, die an den Chorbereich des nördlichen Seitenschiffes angebaut wurde; es ist die heutige Annakapelle. In der Domitian-Biographie des P. Jung von 1690 wird dieses Ereignis wie folgt beschrieben:

"Im Jahre 1632 hat der ehrwürdige Pater Johannes Legatus der Societät Jesu Superior zu Millstatt eine absonderliche Capellen verfertigen lassen für die heiligen Reliquien. Anno 1633 den 2. Februar hat er den hölzernen Sarg samt den heiligen Reliquien aus dem Grab, welches der Fürst und erste Hochmeister Johannes Siebenhirter in den 1492ten Jahr aufgerichtet, erhebt und in die neue Capellen und erhöbtes Grab solenniter und in Gegenwart des ganzen Volkes eingesetzet".

In der Folgezeit wurde diese Kapelle mit Bildern und Wandteppichen ausgeschmückt und bildete fortan den Mittelpunkt der Domitianverehrung, die vor allem am jährlichen Gedenktag, dem 5. Februar, zahlreiche Pilger aus nah und fern nach Millstatt brachte. Nach dem Gottesdienst wurden geweihte Brote, Domitianileiberl genannt, ausgeteilt. Nach einem Bericht waren es jeweils 2 bis 4 Tausend Personen; 1648 sollen gar  6.400 Gläubige die Kommunion empfangen haben. Wie immer man diese Zahlen interpretieren mag, es waren zweifelsohne überaus zahlreiche  Pilger, die Jahr für Jahr zum Fest des Domitian in Millstatt zusammenkamen. Im Sommer fanden Prozessionen statt, in denen die Fürbitte des Heiligen um Schutz vor Hagel und sonstigen Naturkatastrophen angerufen wurde.

Im Jahre 1643 wurden die Gebeine des Heiligen in einen neuen Sarkophag gelegt, "welcher mit großen gläsernen Tafeln vermacht, als dass man die hl. Reliquien klar sehen kann; solche auch in Gegenwart einer großen Menge Volkes ehrerbietig wiederum in das vorige Grab eingesetzt, wie sie noch heutigen Tags zu sehen sind". Diese Notiz findet sich in einer umfangreichen Biographie des Heiligen, die P. Ignaz Jung um 1690 verfasste. Hatte schon die Schrift des P. Jacobus Crusius von 1615 die knappen Aussagen der ursprünglichen Domitians-Vita von 1170 mit einer Reihe phantastischer Züge ausgeschmückt, so führte dies P. Jung noch weiter. Die vielen unhistorischen Details der Legenden, die letztlich dazu führten, die Gestalt des Domitian als Phantasieprodukt zu bezeichnen und als ungeschichtlich abzutun, gehen auf das Konto dieser Jesuiten-Biographien und haben mit der ursprünglichen Vita des Domitian nichts zu tun.

Der Jahresbericht des Klagenfurter Jesuitenkollegs für 1644 vermerkt ein Theaterstück über den hl. Domitian als Landespatron von Kärnten, das zu Ehren der Landstände Kärntens im Jesuitentheater aufgeführt wurde. Als solcher wurde Domitian fortan in Kärnten verehrt. Das Altarbild der Burgkapelle in Klagenfurt, das Fromiller 1734 geschaffen hat, zeigt ihn als Hauptpatron des Landes, umgeben von vier weiteren Kärntner Heiligen. Auch in Wien, wo an der Kärntnerstraße eine Steinstatue des Heiligen aufgestellt war, wurde er alljährlich am Sonntag nach dem 5. Februar in der Kirche St. Peter feierlich verehrt. In Flugblättern wurden die "Mitglieder der Kärntner Nation" aufgerufen, sein Fest mit einem feierlichen Gottesdienst zu begehen, bei dem eine Lobrede auf den Heiligen gehalten wurde, die dann auch im Druck erschien. Noch nach der Aufhebung des Jesuitenordens wurde durch mehrere Jahre an dieser Feier festgehalten.

Immer wieder wird auch von Gebetserhörungen berichtet, die auf die Fürsprache der großen Jesuitenheiligen Ignatius und Franz Xaver oder des Ortspatrons Domitian erfolgten. 1670 entging der Markt Millstatt nach Anrufung des hl. Domitian einer drohenden  Hochwasserkatastrophe, ähnlich half Domitian 1708 bei einem Brand, der den gesamten Ort bedrohte. Auch Spittal wurde einmal von einer Feuersbrunst bedroht; auf Fürbitte des hl. Domitian seien die Flammen erloschen. Noch bis vor wenige Jahre gab es die Spittaler Wallfahrt am Bartholmä-Sonntag zum Grab des Heiligen.

Ein besonderer Höhepunkt in der Verehrung des hl. Domitian war zweifelsohne das Jahr 1717, als am Fest des hl. Ignatius (31. Juli) die Reliquien in die vollkommen neu gestaltete bisherige Marienkapelle südlich der Stiftskirche übertragen wurden, die ab diesem Zeitpunkt als Domitiankapelle bezeichnet wird. Spätestens zu diesem Anlass wurde der Fußboden um rund 1,5 Meter angehoben, der gesamte Innenraum wurde barockisiert, ein prachtvoller Altar zu Ehren des Heiligen errichtet, auf welchem ein neuer Glas-Sarkophag mit den Reliquien des Domitian, seiner Frau und eines Kindes aufgestellt wurde, den der Erzpriester Albert Ignaz Thavonat, Pfarrer zuerst in Lieseregg und dann in Graz, wo er 1707 gestorben war, gestiftet hatte. Diesen Glas-Sarkophag konnte man bei festlichen Anlässen herausnehmen und in Prozessionen herumtragen. Am 5. Februar des darauffolgenden Jahres kam der damalige Bischof von Görz zur Verehrung des hl. Domitian nach Millstatt und bei dieser Gelegenheit wurde die neugestaltete Kapelle des Heiligen für die Verehrung durch das gläubige Volk allgemein zugänglich gemacht.

Die Verehrung des Domitian als Landespatron Kärntens führte dazu, dass P. Mathias Rieberer im Jahre 1761 den Entschluss fasste, in Rom eine offizielle Kultanerkennung zu beantragen. Interessanterweise gibt es keinen Hinweis auf eine offizielle Beteiligung des Jesuitenordens, etwa des Rektors des Grazer Kollegs oder gar des Ordensgeneralates. Rieberer scheint dieses Vorhaben mehr oder weniger im Alleingang im Wege des Salzburger Konsistoriums und Erzbischofs sowie des Salzburger Agenten in Rom unternommen zu haben. Im Laufe der Verhandlungen werden zwar die innerösterreichischen Bischöfe von Salzburg, Gurk, Seckau, Lavant, Laibach und Görz mit einer entsprechenden Petition tätig wie auch der kaiserliche Hof, ja selbst die Kaiserin Maria Theresia, nicht jedoch offizielle Repräsentanten des Jesuitenordens. Wenn es auch zu keinem Abschluss  dieser Bestrebungen kam, so blieb doch davon die vorhandene Domitianverehrung unbeeinträchtigt; ihre Berechtigung - auch im Sinne der kirchenrechtlichen Bestimmungen- war dadurch gegeben, dass sie bis in die Zeit vor Papst Alexander III. (1159 - 1181) zurückreichte und daher keiner päpstlichen Bestätigung bedurfte.

Stift Millstatt


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