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Das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus#

Symbole aus Stein und Bronze#

von

Peter Diem


Albertinaplatz 1010 Wien
Das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus am Wiener Albertinaplatz

'Tor der Gewalt'
"Tor der Gewalt"
'Orpheus betritt den Hades'
"Orpheus betritt den Hades"
Erklärende Tafel
Erklärende Tafel
Tafel im Boden
Tafel im Boden

Im Gegensatz zum so genannten  „Staatsgründungsdenkmal" erhielt das mehrteilige, heftig umstrittene Mahnmal von Alfred Hrdlička einen besonders prominenten Aufstellungsort, nämlich den Albertinaplatz direkt hinter der Staatsoper. Das begehbare Monument wurde knapp vor Ende des sogenannten „Bedenkjahres" am 24. November 1988 enthüllt. Es besteht aus vier Teilen: durch das aus zwei Marmorblöcken bestehende „Tor der Gewalt" gehend, trifft man auf die aus Bronze gefertigte Figur des „straßenwaschenden Juden". Dahinter folgt die Marmorskulptur „Orpheus betritt den Hades", ein Werk Hrdličkas aus dem Jahr 1975. Den Abschluss des „Gedenkplatzes" bildet der hoch aufragende „Stein der Republik", in welchen ein Teil des Textes der Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 eingemeißelt ist.

Besonders die Figur des weniger als lebensgroßen, gekrümmt knienden und die Straße reinigenden alten Mannes erregte die Gemüter der Wiener. Ein Grund dafür war zunächst der Umstand, dass sich zahlreiche Touristen den Rücken der Symbolgestalt zum Ausruhen oder zum Posieren für ein Erinnerungsphoto aussuchten. Wenn dies auch meist arglos geschah, geriet es doch zum Ärgernis, weshalb die Figur alsbald mit einer - ihr Elend noch steigernden - Stacheldrahtauflage versehen wurde. Ein weiterer Grund für die Ablehnung des Denkmals liegt in der Verewigung des Bildes vom verfolgten, geknechteten und zum Untergang verurteilten Juden. Manche hätten an Stelle dieser Darstellung lieber ein Symbol der Überwindung von Verfolgung und Tod gesehen. Der bekannte Bildhauer hält dieser Ansicht entgegen, dass nur die fortdauernde Provokation den schläfrigen Geist des Österreichers aus seiner Lethargie zu wecken vermag.

Unübersehbar#

Jedenfalls ist die in Stein gehauene und so im Stadtzentrum auf Dauer präsente Unabhängigkeitserklärung ein wichtiges Symbol für die Eigenständigkeit Österreichs. Dass man auf sie durch ein „Tor der Gewalt" zuschreitet, vorbei an einem Sinnbild für eine der größten Tragödien der Menschheitsgeschichte, in welche Österreicher als Täter und Opfer gleichermaßen verwickelt waren, ist ein sehr gelungenes künstlerisches, politisches und volksbildnerisches Konzept. Insofern vermag die halb figürliche, halb abstrakte Darstellungsweise des Hrdlička-Denkmals zweifellos eine größere Wirkung auszuüben als die abstrakte Ästhetik des Denkmals im Schweizergarten.


Der ehemalige Philipphof
Der ehemalige Philipphof
Gedenktafel zum Philipphof
Gedenktafel

Das Denkmal steht übrigens an jenem Ort, an dem sich bis zu einem Bombenangriff am 12. März 1945 der feudale Philipphof befand. Die Trümmer begruben eine große Anzahl von Menschen, die sich damals in den Keller des Gebäudes geflüchtet hatten. Die Ruine wurde ohne Exhumierung der Bombenopfer am 24. Oktober 1947 durch Sprengung eingeebnet. Eine Tafel im Boden vor dem Denkmal weist auf diesen Umstand hin. Etwas abseits finden sich weitere Tafeln mit Erläuterungen zum Denkmal.

Der "straßenwaschende Jude"#

"Meine Mutter war hellauf begeistert, als Adolf Hitler (Deutsch-)Österreich, seine und ihre eigenen Heimat, an das Deutschen Reich anschloss. "Der Kurt[von Schuschnigg] is furt - jetzt geht's uns guat!" Das glaubte auch sie - nicht zuletzt angesichts der bisherigen Arbeitslosigkeit. Am 15. März 1938 lauschte sie entzückt der Rede des "Führers" auf dem Wiener Heldenplatz. Aber was musste sie auf dem Heimweg sehen? Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden von SA-Leuten gezwungen, die Symbole und Parolen des "christlichen Ständestaates" mit Zahnbürsten und anderen mehr oder weniger ungeeigneten Werkzeugen von den Straßen zu entfernen. Johlende Zuschauer und Zuschauerinnen boten ein Zerrbild des "goldenen Wiener Herzens". Bei meiner Mutter stellte sich plötzlich Ernüchterung vom nationalsozialistischen Rausch ein. Mit der Missachtung der Menschenwürde wollte sie als redliche Deutsche nichts zu tun haben. --- Die Figur des straßenwaschendenden Juden soll bleiben!"
Aus: Online-Presse 25.11.2004

'Der straßenwaschende Jude
"Der straßenwaschende Jude"

Ernst Bruckmüller:#

Die erste Anregung für ein Antifaschismus-Denkmal war ein später stornierter Auftrag an Alfred Hrdlicka seitens der Gesiba für eine Wohnhausanlage im 19. Bezirk. Mitte der siebziger Jahre war der "straßenwaschende Jude" bereits Bestandteil des Hrdlicka- Entwurfes für die Stephansplatz-Gestaltung: "Der straßenwaschende Jude als Synonym für die Okkupation 1938 und für Rassenverfolgung" (Hrdlicka, Gesamtwerk, 189). 1983 wurde der Vertrag zwischen dem Künstler und der Gemeinde Wien abgeschlossen, der die Errichtung des Mahnmales gegen Krieg und Faschismus auf dem Albertina-Platz vorsah. Vor dem endgültigen Baubeginn kam es 1987/88 zu lebhaften Kontroversen über den Platz und über den Künstler (weniger über das Denkmal selbst). Zum Entwurf schrieb Hrdlicka: "Der Boden innerhalb der Anlage wird mit traditionellen Wiener Pflastersteinen ausgelegt sein. Dort stößt man auf eine einzelne, knieende Gestalt – der straßenwaschende Jude! So wird einerseits der Kontrast zwischen Gewalt und Individuum augenfällig, andererseits ist diese vereinzelte Figur das Symbol des Ausgeliefertseins. Der straßenwaschende Jude soll die Wiener an das erinnern, was sie selbst einst angestellt haben. Damals haben sie es ja so komisch gefunden (...)" (Fried, Hrdlicka, Ringel, 132). Die Figur des die Straße (bzw. die Gehsteige) waschenden Juden erinnert an die zahlreichen Demütigungen, denen österreichische Juden ab dem 12. März 1938 seitens (zumeist) nationalsozialistischer österreichischer Fanatiker und ihrer antisemitischen Mitläufer ausgesetzt waren. Tatsächlich zeigt der massenhafte Ausbruch von Hass und Verachtung im Zusammenhang mit dem sogenannten "Anschluss" in den Tagen des März 1938 insbesondere in Wien, daß hier mehr zum Ausbruch kam als die Akzeptanz nationalsozialistischer Anschauungen: Hier machte sich ein weit über die Nazis hinausreichendes, tiefsitzendes Ablehnungssyndrom in besonders abstoßender Weise Luft.

Redaktion und Fotos: P. Diem

Die Figur "Orpheus betritt den Hades" bezog Hrdlička auf die Bombenopfer in den Kellern des Philipphofs.

-- Unbekannt, Dienstag, 6. Oktober 2020, 10:20