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Die Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches#

von Peter Diem

--> Es wird dringend empfohlen, vor oder nach Lektüre dieses Beitrags die Schatzkammer zu besuchen (tägl. außer Dienstag, 9-17,30 Uhr)

Buchtext S. 161f.

Dürer/Karl der Große Aus: Wikicommons unter CC
Dürer/Karl der Große Aus: Wikicommons unter CC
Die in der Wiener Schatzkammer seit der Zeit der napoleonischen Kriege aufbewahrten Insignien, Reliquien und Kleinodien des 1806 untergegangenen Heiligen Römischen Reiches stellen eine einmalige Sammlung weltlich-geistlicher Kultgegenstände des Abendlandes dar. Jedem einzelnen Stück - und damit auch der Sammlung insgesamt - wohnen zum Teil noch gar nicht voll entschlüsselte mystisch-religiöse sowie reichs- und kirchenpolitische Symbolfunktionen inne. Die Behandlung der wichtigsten Kleinodien des Römischen Reiches im Austria-Forum leitet sich vor allem davon ab, dass diese Insignien fast ein halbes Jahrtausend lang zur Legitimation der Herrschaft der Habsburger dienten und an jener Stätte zur Aufbewahrung gelangten, wo diese Herrschaft ihr Ende fand.

Die Reichskleinodien in der Wiener Schatzkammer hatten und haben, wie wir sehen werden, eine nicht zu unterschätzende Funktion für das kulturhistorische Prestige und die politische Eigenständigkeit Österreichs. Die Auseinandersetzung mit den Reichskleinodien ist weiters aufgrund ihrer Präsenz auf Bauwerken und in der bildenden Kunst Österreichs wichtig. Schließlich führt die Analyse ihrer Symbolik zu einem größeren Verständnis von Staatssymbolik überhaupt. Durch die seit einigen Jahren erneuerte Form der Präsentation der Kleinodien in der 1983-1987 umgebauten Schatzkammer ist es jedem Interessierten möglich, sich aus nächster Nähe einen Eindruck von jenen Gegenständen zu verschaffen, die über Jahrhunderte hinweg eine geradezu mystische Kraft als europäische Herrschafts- und Einigungssymbole auszuüben vermochten. Auch der nüchterne Mensch von heute wird sich dem Zauber nicht entziehen können, der von Material, Form und historischer Würde der Kleinodien des Römischen Reiches und des Kaisertums Österreich ausgeht. Ein Besuch ist daher sehr zu empfehlen.

Die Reichskrone#

Um die Datierung des kostbarsten Kleinods der Wiener Schatzkammer, der Krone, mit der deutsche Könige und römisch-deutsche Kaiser gekrönt wurden, wird immer noch gerungen. Die meisten Forscher nehmen an, dass die Reichskrone aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts stammt, während das Stirnkreuz im frühen und der Bügel noch vor der Mitte des 11. Jahrhunderts hinzugefügt wurden. Der Ursprungsort der kunstvollen Goldschmiedearbeit wird von manchen Historikern im Kloster Reichenau am Bodensee vermutet, andere halten es für wahrscheinlicher, dass die Krone in einer Goldschmiede im Raum Köln/Essen entstand.

Nach Ansicht von Reinhart Staats habe sie der ranghöchste Geistliche im ottonischen Reich, Reichsbischof Bruno von Köln, ein Bruder Ottos des Großen, in der Zeit zwischen 961 und 967 in Auftrag gegeben. Die typisch byzantinischen Elemente der Krone gingen auf den starken oströmischen Einfluss in den frühen Reichsstiften und Klöstern zurück. Zuletzt hat Mechthild Schulze-Dörrlamm mit Hilfe von kunsthistorisch-archäologischen Methoden ausführliche Vergleiche über frühmittelalterliche Schmuckformen angestellt. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Reichskrone nicht unter den Ottonen, sondern erst unter dem ersten Salierkaiser, Konrad II. (1024-1039), hergestellt wurde. Zwischen Konrads Königskrönung im Jahre 1024 und seiner Kaiserkrönung am 26. März 1027 in Rom sei die Plattenkrone angefertigt, wenig später mit dem Hochbügel und gegen 1030 mit dem Stirnkreuz versehen worden. Die Krone dürfte von einem nördlich der Alpen wirkenden byzantinischen oder italienischen Goldschmied stammen, doch ist es auch möglich, dass sie ein jüdischer Goldschmied in Mainz in mediterraner Tradition anfertigte. Der Sohn Konrads, Heinrich III. (1039-1056), habe sich als Ausdruck eines neuen, von der Person des Königs unabhängigen Staatsverständnisses keine neue Krone anfertigen lassen, sondern die seines Vaters übernommen.

Dagegen sucht Reinhart Staats auch 2008 wieder nachzuweisen, dass die Krone "mit ziemlicher Sicherheit" zwischen 961 und 967 in einer westdeutschen Goldschmiede im Raum Köln/Essen entstanden ist.

--> Hermann Fillitz, Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches. Wien 1954
--> Hermann Fillitz, Die Schatzkammer in Wien. Salzburg 1986
--> Kunsthistorisches Museum Wien, Weltliche und geistliche Schatzkammer. Salzburg 1987
--> Georg Johannes Kugler, Die Reichskrone. 2. Auflage, Wien 1986
--> Ernst Kubin, Die Reichskleinodien - ihr tausendjähriger Weg. München 1991
--> Mechthild Schulze-Dörrlamm, Die Kaiserkrone Konrads II. (1024-1039). Sigmaringen 1991
--> Reinhart Staats Die Reichskrone - Geschichte und Bedeutung eines europäischen Symbols, Kiel, 2008
--> Stefan Huppertz-Wild Die Reichskrone --> Vgl. auch: Des Reiches Schatz. In: Franz Hubmann/Ernst Trost, Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Wien 1984, 15

Foto: KHM
Foto: KHM
Nach dem himmlische Vollkommenheit ausdrückenden Prinzip der Achtzahl besteht die Reichskrone aus acht ungleich großen Bogenplatten. Diese sind durch Scharniere verbunden und werden durch zwei innen umlaufende Eisenbänder versteift. Die vier Hauptplatten der Krone sind dicht mit gemugelten (abgerundeten, nicht in Facetten geschliffenen) Edelsteinen unterschiedlichster Farben besetzt. Die Nackenplatte und die beiden Schläfenplatten trugen einst kleine Aufsätze aus je drei Perlen. Von den Schläfenplatten hingen Gehänge mit Edelsteinen (Pendilien) herab. Es sind dies aus dem byzantinischen Kulturkreis stammende, ursprünglich apotropäische Attribute, wie sie uns auch von der ungarischen Stephanskrone her bekannt sind (s.d.). Die vier etwas kleineren, aber untereinander gleich großen Zwischenplatten wurden unter byzantinischem Einfluss hergestellt und enthalten allesamt Zitate aus der Krönungsliturgie. Die zu den bildlichen Darstellungen passenden Gedanken werden dabei auf von den Figuren gehaltenen Spruchbändern dargestellt; nur der Pantokrator ist von dieser Aufgabe ausgenommen. Die Kunsthistoriker sehen in dieser Darstellungsweise ein Zeichen für die hohe Wertschätzung der Heiligen Schrift durch den Auftraggeber und ein frühes Beispiel für die gegenseitige Durchdringung von Bild- und Schriftelementen - eine Form der Symbolpublizistik mit hoher Kommunikationsleistung, die von der mittelalterlichen „Biblia Pauperum" bis zum Inserat und zum Comic strip der Gegenwart reicht.

Die Zwischenplatten tragen folgende Inschriften und Motive in Zellschmelztechnik (die Reihenfolge der Platten ist hier im Gegensatz zur zitierten Literatur nach den heraldischen Regeln gewählt, die nach Ansicht des Verfassers zwar keine „chronologische", aber eine dennoch „logische" Rangfolge der Sinnbilder, und zwar nach ihrer „staatstheologischen" Bedeutung, ergeben)


Das Programm#

1. Über der rechten Schläfe: Maiestas-Domini-Platte als Zeichen des Gottesgnadentums. Der Pantokrator flankiert von zwei sechsflügeligen Seraphim mit der Überschrift „PER ME REGES REGNANT".

2. Über der linken Schläfe: Überschrift „REX SALOMON" mit Schriftband „TIME DOMINUM ET RECEDA A MALO". König Salomon gilt als Sinnbild von Weisheit und Gottesfurcht.

3. Rechts hinten: Überschrift „ISAIAS PROPHETA/EZECHIAS REX" mit der Prophezeiung „ECCE ADICIAM SUPER DIES TUOS XV ANNOS". Das lange Leben des Herrschers aus der Gnade Gottes überträgt Frieden und Gesetz auf sein Volk. Man deutet diese Platte aber auch als ein „Memento Mori" für den Träger der Krone.

4. Links hinten: Überschrift „REX DAVID" mit Schriftband „HONOR REGIS IUDICIUM DILIGIT". König David gilt als die Verkörperung staatsmännischer Gerechtigkeit (Abb. links).

Schmelztechnik#

Die Technik des Senkschmelzes vor Goldgrund stammt aus Byzanz, die Motive, insbesondere der durch die Kleidung vermittelte Körperausdruck, kommen ebenfalls aus dem Osten. Die Reichskrone ist eines der frühesten Beispiele für die Einführung des „Goldgrunds" in der mittelalterlichen religiösen Kunst nördlich der Alpen. Ein wunderschönes Beispiel für die voll entwickelte Zellschmellztechnik stellt der Verduner Altar dar, geschaffen in Klosterneuburg im Jahre 1181 (siehe Abb. rechts und den Beitrag über Niederösterreich).

Der achtlappige Bügel der Reichskrone trägt die aus Perlen bestehenden Inschriften: links: „CHONRADUS DEI GRATIA", rechts: „ROMANORUM IMPERATOR AUG(USTUS)".

Das Schrift- und Bild-Programm der Krone, mit seiner starken Betonung der von Gottgewählten Könige des Alten Bundes aus dem Stamme Davids, ist nichts anderes als die symbolpublizistische Untermauerung des Anspruches, dass der Kaiser die universelle Herrschaft (Regnum) und das oberste Priesteramt (Sacerdotium) stellvertretend für Christus ausübt. Dieses Programm wurde durch die spätere Hinzufügung des Kreuzes über der Stirnplatte noch unterstrichen. Das Kreuz der Reichskrone trägt auf der Rückseite die Inschrift „IHC NAZARENUS REX JUDEORUM". Christus ist als der Gekreuzigte mit blutenden Wunden dargestellt, seine offenen Augen zeigen aber den Sieg über den Tod. Die „Schauseite" des in Größe und Form wohlproportionierten Kreuzes ist als „crux gemmata", als edelsteinbesetztes Triumphzeichen, ausgebildet. Fünf relativ große, verschiedenfarbige, ovale Edelsteine bieten sich als Symbole für die fünf Wundmale Christi an, als in das umfassende christologische Konzept der Krone später eingefügter Teil.

Foto: KHM
Foto: KHM
Die Hauptplatten der Krone tragen je zwölf gemugelte Edelsteine in vier Dreierreihen übereinander. Die Hochfassungen bestehen aus geperltem Golddraht. Um den großen Edelsteinen möglichst viel Licht und damit Leuchtkraft zu geben, wurden für sie die Goldplatten durchbrochen. Die großen Steine werden auf der Stirn- und Nackenplatte von vierzehn kleinen Edelsteinen und achtzehn Perlen begleitet, wodurch regelmäßige Fünfermuster entstehen. Bei den Farben dominiert der Akkord grün/blau/weiß, der im byzantinischen Kulturkreis dem Herrscher und seiner Familie vorbehalten war. Auf der Nackenplatte (siehe Abb. links) ist diese besondere Farbzusammenstellung noch am reinsten durchgehalten.

Auf den Seitenplatten umrahmen je 72 (= 6 x 12!) verschiedenfarbige Steine und Perlen einen in der Mitte sitzenden smaragdgrünen Prasem (grün gefärbter Quarz).Was sagen nun all die Edelsteine und Perlen aus, welches Programm steht hinter diesem kostbaren Schmuck?

Die Zwölfzahl der großen Steine an Stirn- und Nackenplatte weist auf die zwölf Apostel sowie auf die zwölf Stämme Israels hin, deren Namen gemäß Exodus 28,17-21 bzw. 39,10-14 in die Steine an der Lostasche des Hohenpriesters eingraviert waren: vier Reihen zu je drei genau benannten Edelsteinen - die Reichskrone befolgt dieses Muster praktisch wortgetreu. Einige Kunsthistoriker sehen im Programm der Krone auch den Hinweis auf das messianische Jerusalem: nach Offenbarung 21,10 ff. baut die Vision vom himmlischen Jerusalem ja auf die Zwölfzahl auf, die sich wieder auf die Vier und die Drei gründet: vier Mauern mit je drei Toren nach den vier Himmelsrichtungen - auch daran will die Anordnung der Steine auf den beiden Hauptplatten erinnern. Weitere Hinweise auf Elemente der Zahlenmystik sind der Umstand, dass die Krone 120 Steine (= 10 x 12) und 240 Perlen (= 20 x 12) aufzuweisen hat. Dabei darf man allerdings den vorderen und hinteren „Leitstein" nicht mitzählen - beiden kommt, wie wir gleich sehen werden, eine Sonderstellung zu.

An der prominentesten Stelle der Krone, über der Stirn ihres Trägers, saß einst der sogenannte „Waise", nach den Erkenntnissen der Kunsthistoriker ein Edelopal, der durch seine Leuchtkraft und sein vielfältiges Farbenspiel gewissermaßen die Eigenschaften aller Edelsteine - und damit auch alle ihre Tugenden - in sich vereinigte. Die Bezeichnung „der Waise" - von Walther von der Vogelweide sogar als Synonym für die Reichskrone verwendet - kommt ursprünglich vom griechischen „orphanos", das schon für die byzantinische Stirnperle überliefert ist. Der lateinische Ausdruck dafür ist „pupilla". Dieses Wort hat eine dreifache Bedeutung: es bezeichnet sowohl das Auge als auch den Augenstein (Opal) als auch das Waisenkind. Die letztere Bedeutung leitet sich von der kleinen Menschenfigur ab, die man erkennt, wenn man sich selbst im Auge seines Gegenübers gespiegelt sieht. Interessanterweise findet sich nirgendwo in der Literatur ein Hinweis auf die Möglichkeit, dass die Reichskrone ursprünglich vorne und hinten einen Opal hätte tragen können - schließlich befinden sich ja auch auf wichtigen anderen mitteleuropäischen Kronen vorne und hinten an prominenter Stelle gleichartige Steine. B eachte hierzu die Analyse des Programms der österreichischen Kaiserkrone. Wie dem auch immer sei, der zweifellos prominenteste Stein der ottonischen Reichskrone existiert heute nicht mehr. Irgendwie erinnert uns der mit ihm verbundene Mythos an das unpaarige „dritte" Auge, jenes bei Fischen und altertümlichen Landwirbeltieren feststellbare geheimnisvolle „Scheitelorgan", eine Art von lichtempfindlicher Stelle, die sich bei höheren Wirbeltieren zu einer hormonbildenden Drüse entwickelt hat. Wer weiß, vielleicht brauchte der Römische Kaiser einfach ein Auge mehr als gewöhnlich sterbliche Menschen, um die Vision einer dauerhaften gesamteuropäischen Friedensordnung im Rahmen eines großen übernationalen Wirtschafts- und Kulturraumes nicht aus den Augen zu verlieren?

Reichsinsignien, Reichsornat und Reichsreliquien #

Mayer-Lexikon, 1909
Mayer-Lexikon, 1909
Zu den Reichskleinodien werden neben der Reichskrone folgende Gegenstände gezählt, die alle in der Wiener Schatzkammer aufbewahrt werden:

- die Heilige Lanze (karolingisch, 8. Jahrhundert),

- das Krönungsevangeliar (Hof Karls des Großen, knapp vor 800),

- die Stephansbursa (karolingisch, Anfang 9. Jahrhundert),

- der „Säbel Karls des Großen" (Ungarn, 1. Hälfte 10. Jahrhundert),

- das Reichs-(Mauritius-)schwert (Scheide deutsch, 2. Drittel 11. Jahrhundert),

- das Zeremonienschwert (Palermo, vor 1220),

- der Reichsapfel (Köln, um 1200),

- das Zepter (deutsch, 1. Hälfte 14. Jahrhundert),

- der Krönungsmantel (königliche Hofwerkstatt Palermo, 1133/34),

- die Handschuhe (Palermo, vor 1220),

- die Adlerdalmatika (süddeutsch, 1330/1340),

- das Reichskreuz (westdeutsch, um 1024), u. a.

Es ist nicht möglich, auf alle diese Gegenstände einzugehen, doch sollen einige ihrer Besonderheiten wegen hervorgehoben werden, soweit diese Bezug auf österreichische Symbolik im weitesten Sinn nehmen.

Die heilige Lanze #

Foto: KHM
Foto: KHM
Mit der Heiligen Lanze, in deren Blatt man im Mittelalter einen Nagelpartikel einfügte, dem man zuschrieb, vom Kreuz Christi zu stammen, sind einige Legenden verbunden. Zunächst soll sie dem später heiliggesprochenen römischen Offizier Mauritius gehört haben, der sich weigerte, an Christenverfolgungen teilzunehmen. Dann wurde sie dem nur aus apokryphen Schriften bekannten, jedoch ebenfalls in den Heiligenkalender aufgenommenen römischen Hauptmann Longinus zugeschrieben, der mit seiner Lanze die Seite Jesu am Kreuz geöffnet haben soll (Johannes 19,34). Die überirdischen Kräfte der Heiligen Lanze sollen dazu beigetragen haben, dass Otto I. am 10. August 955, dem Fest des hl. Longinus, die Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg besiegte. Dabei handelt es sich wohl um eine politische Legende, die das Gottesgnadentum der Ottonen untermauern sollte.

Die Heilige Lanze wurde 1002 für Heinrich II., den Heiligen (973-1024), Nachfolger Ottos III., zum ersten und letzten Mal direkt in die Krönungshandlungen einbezogen, nachdem Heinrich das Insigne dem Erzbischof von Köln mit Gewalt abgenommen hatte. Die Heilige Lanze stellt also das älteste Reichssymbol dar, dem jedoch im 13. Jahrhundert die Reichskrone den Rang ablief. In der Folge wurde die Lanze immer wieder in Zusammenhang mit Machterwerb und Machtverlust gebracht. Als Höhepunkt der Legendenbildung kann angesehen werden, dass Adolf Hitler angeblich noch in der Nacht nach seiner Ankunft in Wien am 14. März 1938 die Schatzkammer aufsuchte, um die Heilige Lanze zu sehen und lange vor ihr zu verweilen. Darüber und über den gesamten auf die Lanze bezüglichen und weit ins Esoterische reichenden Mythenkranz siehe: --> Trevor Ravenscroft, Die Heilige Lanze - Der Speer von Golgotha, Universitas, 1972/2000

Der Reichsornat#

Der Krönungsmantel, ein dreieinhalb Meter breiter halbkreisförmiger Umhang, stammt aus der königlichen Hofwerkstatt in Palermo und wurde 1133/34 für den Normannenkönig Roger II., den Sohn des Eroberers von Sizilien, Roger I., hergestellt, wie eine kufische (arabische) Inschrift unzweifelhaft festhält. Auf leuchtend purpurnem Samit („geritzte" Seide) ist mit Goldstickerei eine Dattelpalme als Lebensbaum dargestellt, zu deren Seiten je ein Löwe (als das normannische Wappentier) über ein zu Boden geworfenes Kamel triumphiert.

Foto: KHM
Foto: KHM
Es ist nicht auszuschließen, dass die Löwen nicht nur irdische Herrschaftssymbole darstellen, sondern als Sternbilder zu verstehen sind, um den Herrscher mit einem „Himmelsmantel" zu versehen. Das Faszinierende an diesem Krönungsmantel und anderen Teilen des Reichsornats ist der Gedanke, dass die christlichen Könige bei ihrer Kaiserkrönung und -salbung Prunkstücke mit arabischer Bildsymbolik und mit arabischen Aufschriften trugen, worauf sie alsbald zu Kreuzzügen aufbrachen, um eben jene Kultur mit Feuer und Schwert zu verfolgen, der das Abendland so unendlich viel verdankt.


Zur Rolle der arabischen Kultur in der Frühgeschichte Europas und dem reichen Erbe in Wissenschaft, Medizin, Kunst und Kultur siehe:

--> Sigrid Hunke, Allahs Sonne über dem Abendland. Fischer Taschenbuch, Frankfurt 1990

Foto: KHM
Foto: KHM
Foto: KHM
Foto: KHM
Von besonderer Bedeutung sind auch die Handschuhe, ebenfalls aus Palermo, höchstwahrscheinlich angefertigt für die Krönung des in Sizilien regierenden Stauferkönigs Friedrich II. in Rom am 22. 11. 1220. Ihre Handflächen sind mit Ranken und je einem großen nimbierten Adler mit ausgebreiteten Schwingen bestickt. Es ist dies ein beredtes Zeichen dafür, dass sich unter Friedrich II. (1212-1250) der einköpfige Adler als Symbol des Kaisertums durchsetzte. Er wurde in dieserZeit „heraldisiert": unter arabischem Einfluss näherte sich die Adlerdarstellung pflanzlichen Motiven an, es entstanden die knopfförmigen Erweiterungen der Flügelenden (Voluten) und die seitlich abgestreckten Fänge. In der gleichen Periode trat auf in Sizilien geprägten Münzen und auf den Siegeln der Reichsstädte Kaiserswerth und Cambrai erstmals der Doppeladler als kaiserliches Zeichen auf.

--> Kusternig, Adler und Rot-Weiß-Rot, Wien, 1986, 33

Die attraktive Adlerdalmatika (Abb. rechts), aus pflanzlich rot gefärbtem chinesischem Seidendamast, bestreut mit 68 aufgenähten Adlermedaillons (einköpfiger schwarzer Adler in Gold auf Leinen gestickt), ist mehr als hundert Jahre jünger (1330-40).

Das wechselvolle Schicksal der Reichskleinodien#

Reichskreuz mit Heiliger Lanze und Kreuzpartikel Foto: Gryffindor, Aus: Wikicommons unter CC
Reichskreuz mit Heiliger Lanze und Kreuzpartikel Foto: Gryffindor
Aus: Wikicommons unter CC
Der Umstand, dass das Heilige Römische Reich lange Zeit keine Haupt- und Residenzstadt besaß und der Kaiser gewissermaßen „vom Sattel aus regierte" (Ernst Kubin), bescherte den Reichskleinodien ein unstetes Wanderleben. Von 1423 bis 1796 - also fast vier Jahrhunderte - in Nürnberg aufbewahrt, gelangten die wichtigsten Schätze und Insignien des Reiches auf der Flucht vor den Franzosen 1800 erstmals in die Wiener Schatzkammer. Der Kaiser und die Reichskleinodien flohen Mitte 1809 vor den Franzosen nach Ungarn. Der Kronschatz kam 1809 bis nach Temesvar und wäre beinahe über Dalmatien nach Malta verschifft worden, hätten sich die Engländer nicht dagegen gesperrt. Im Jahr nach dem Wiener Frieden vom 14. Oktober 1809 kehrten die symbolträchtigen Kostbarkeiten aber wieder nach Wien zurück. Eine erneute vorsorgliche Flucht der Schätze führte sie 1813 zunächst zu Schiff bis Fischamend, wo sich die Kisten, vom Hochwasser bedroht, zeitweise in großer Gefahr befanden. Die Völkerschlacht bei Leipzig Mitte Oktober 1813 beendete die Franzosengefahr und ermöglichte den Rücktransport in die Schatzkammer. 1866 war es für die Reichskleinodien wieder Zeit, sich zu mitternächtlicher Stunde vom Josefsplatz auf den Weg zum Donauufer zu machen, denn nach Königgrätz wurde ein Einfall der Preußen befürchtet. Diesmal ging es bereits per Dampfschiff donauabwärts: der Personendampfer „Szent Istvan" hatte die Schätze in einem Lastenkahn im Schlepptau. Über Pressburg gelangten die Kisten ins königliche Zeughaus von Ofen. Es handelte sich dabei um die wahrscheinlich kostbarste Fracht aller Zeiten: neben den Reichsinsignien waren u. a. die mit der Bahn aus Prag heimlich angereiste Sankt Wenzelskrone, die österreichische Kaiserkrone, der Erzherzogshut und die Eiserne Krone der Lombardei mit von der Partie! Nach einem Monat Abwesenheit war freilich alles wieder nach Wien zurückgekehrt. Am 22. August 1914 wurde die Wiener Schatzkammer „bis auf weiteres" geschlossen. 1918 wurde zwar der Privatschmuck der Habsburger in die Schweiz verbracht, doch blieben die Gegenstände mit „öffentlich-rechtlichem" Charakter der Republik erhalten. Sie mussten allerdings noch gegen maßlose italienische Ansprüche, insbesondere auch auf die Kunstgegenstände aus Palermo, verteidigt werden.

Seit 1933 verfolgte der Nürnberger Oberbürgermeister Willy Liebel hartnäckig den Plan, die Reichskleinodien in die ehemalige freie Reichsstadt heimzuholen. Adolf Hitler stimmte Mitte 1938 diesem Plan zu. Gegen den hinhaltenden Widerstand von Reichsstatthalter Dr. Seyss-Inquart (der sich ja ursprünglich als „österreichischer" Nationalsozialist verstanden hatte, dem ein volles Aufgehen der „Ostmark" im „Reich" nicht vorgeschwebt war) wurde am 13. Juni 1938 die Überführung verfügt. Hitler wusste um die Emotionen, die die Verbringung der Reichskleinodien aus Wien auslösen konnte, und taktierte daher behutsam. Dennoch, das Schicksal nahm seinen Lauf. Am Morgen des 29. August 1938 traf ein Sonderzug der Deutschen Reichsbahn in Wien ein. Unter Bewachung durch sieben SS-Leute wurden die Reichskleinodien inklusive der drei sogenannten Aachener Kleinodien an Oberbürgermeister Liebel ausgefolgt. (Angeblich waren die SS-Männer ziemlich überrascht, besser gesagt, eher peinlich berührt, als sie der eindeutig jüdischen Motive auf der Krone des Heiligen Römischen Reiches „deutscher Nation" gewahr wurden.)

Dr. Seyss-Inquart war bei der Übergabehandlung nicht anwesend, er ließ sich durch den SS-Brigadeführer Staatssekretär Dr. Ernst Kaltenbrunner vertreten. Unter völliger Geheimhaltung wurden zwölf Kisten mit den Schätzen zum Westbahnhof gebracht. Dort präsentierte das SS-Kommando vor den Kisten das Gewehr. Der Zug fuhr kurz nach 22 Uhr ab. Die offiziellen Begleiter waren von ihrer historischen Mission so begeistert, dass sie die Nacht durchzechten. Als der Zug gegen 8 Uhr in Nürnberg eintraf, war keiner von ihnen imstande, auf eigenen Füßen zu stehen. Die österreichischen Begleiter mußten selbst zusehen, wie sie mit den Reichskleinodien zum Reichsparteitagsgelände kamen. Nach einem Bericht des Wiener Antiquars Christian M. Nebehay sei dies schließlich per Taxi gelungen.

--> Sammlers Freude - Österreichs Glück. Die Wiederauffindung der Reichskleinodien 1945. In: Die Presse, 21./22. Mai 1988, III.
--> Hugo Portisch, etwas abweichende Schilderung in Österreich II, a. a. O., 38 ff.

Foto: National Archives, Washington, DC
Foto: National Archives, Washington, DC
wurden die Schätze in einen bombensicheren Bunker unterhalb der Nürnberger Kaiserburg gebracht. Holzwurm und Motten setzten ihnen zu, doch im großen und ganzen überstanden die Reichskleinodien den Krieg ganz gut. Willy Liebel verübte am 20. April 1945, dem Geburtstag des von ihm hochverehrten Führers, in Nürnberg Selbstmord. Die in die Stadt eingerückten Amerikaner mussten erfahren, dass sich die wichtigsten Teile des Kronschatzes (Krone, Zepter, Reichsapfel, Schwerter) nicht mehr im Bunker befanden. Sie seien in den ersten Apriltagen von der SS in Kupferbehältern weggebracht worden, erklärten die Nürnberger und fanden auch sonstige Ausflüchte. Die Amerikaner entdeckten zwar in einem Bergwerksstollen in Siegen (bei Köln) Reichskleinodien, doch waren es nicht die Originale, sondern die Aachener Nachbildungen: bei ihrer Bergung entstand das bekannte Bild der amerikanischen Soldaten Ivan Babcock und Richard Swenson, die sich, unbekümmert um europäische Traditionen, Mythos und Mystik der Reichskleinodien, die Reichskrone aufs Haupt setzen (links der US-Leutnant Richard Swenson mit den (nachgebildeten) Reichsinsignien, photographiert von Dennis R. Whitehead). Oberleutnant Horn, ein geborener Deutscher, führte in der Folge die Nachforschungen. Nach Christian M. Nebehay war es der "Monuments and Arts Officer" John Nicolas Brown, dem es gelang, durch gezielte Verhaftungen und Verhöre die Wahrheit herauszufinden: Der „Abtransport" durch die SS war fingiert; in Wirklichkeit hatte der engste Kreis um den Oberbürgermeister Willy Liebel am 31. März 1945 die wichtigsten Gegenstände in einem anderen Bunker eigenhändig eingemauert. Es besteht Grund zu der Annahme, dass Liebel vor seinem Selbstmord noch einmal sicherstellen wollte, dass die wichtigsten Gegenstände nicht in die Hände Unberufener fallen könnten. Es war jedoch nicht seine Absicht - was die Amerikaner zunächst vermuteten -, die Reichsinsignien zum zentralen Symbol einer „Widerstandsbewegung des Dritten Reiches" („Werwolf") zu machen. Der wieder geöffnete "Kunstbunker" unter dem Nürnberger Burgberg ist übrigens täglich zu besichtigen.

Die Gegenstände wurden unversehrt geborgen. Es verging jedoch das gesamte Jahr 1945, bis die Reichskleinodien von der amerikanischen Besatzungsmacht nach Wien zurückgeflogen wurden. Die Nürnberger Kunsthistoriker hatten alles versucht, die Kronschätze ihrer Stadt durch Rechtsgutachten zu erhalten, doch stießen sie mit ihren Plänen (u. a. für ein Germanisches Museum) bei den Amerikanern auf taube Ohren. Am 5. Jänner 1946 trafen die Reichskleinodien am Militärflugplatz Tulln ein, von wo sie in die Tresorräume der Nationalbank gebracht wurden. Die formelle Übergabe an Österreich erfolgte am 10. Jänner 1946 durch General Mark Clark an Bundeskanzler Leopold Figl. Am 1. Juli 1954 wurden die Reichskleinodien in der Wiener Schatzkammer wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch in den Jahren nach dem Krieg wurden in Deutschland wieder Bestrebungen wach, die Kronschätze nach Nürnberg bzw. Aachen zurückzubringen. In seinem spannenden Buch würdigt Ernst Kubin alle Standpunkte, um zu dem Schluss zu kommen, „dass Österreich zur Verwahrung aller Reichskleinodien sowohl aus rechtlicher als auch historischer Sicht unangreifbare Titel besitzt. Die Forderungen Nürnbergs und Aachens erscheinen vom lokalen Standpunkt dieser Städte aus zwar verständlich, sie entbehren jedoch letztlich ausreichender historischer und rechtlicher Grundlage." vgl. Ernst Kubin, a. a. O., 266

--> Projekt Reichskrone des KHM .... Raman-Spektroskopie

--> Fotos mit freundlicher Genehmigung des Kunsthistorischen Museums Wien

--> Sie sind eingeladen, die Schatzkammer zu besuchen (tägl. außer Dienstag, 9-17,30 Uhr)

Redaktion: P. Diem

Die Reichskrone - Heiliges Zeichen und Himmlisches Jerusalem - #

Vortragstext zum Vortrag am 1. Februar 2018 im Fembohaus Nürnberg gehalten von Stefan Huppertz-Wild
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Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Frau Kolodziej – Ich freue mich ganz besonders hier in Nürnberg, wo die Reichskleinodien seit der Verfügung Kaiser Sigismunds von 1423 bis zu den napoleonischen Kriegen im Jahr 1796 über 370 Jahre verwahrt wurden, über die Reichskrone referieren zu dürfen.
Besonders bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Henning Kleist, der mir die von ihm in aufwendiger Kleinarbeit hergestellte 3-D-Animation der Reichskrone für diesen Vortrag freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Hier im Fembohaus werden seit Herbst 2016 in der Dauerausstellung Krone- Macht- Geschichte kostbare Kopien der Reichskleinodien gezeigt.
Falls Sie diese Ausstellung noch nicht besucht haben, sollten Sie dies auf jeden Fall noch nachholen. Die hier gezeigten Kopien sind übrigens nicht die einzigen Kopien. Es gibt auch noch Kopien im Krönungssaal des Aachener Rathaus auf der Burg Trifels bei Annweiler, im Frankfurter Rathaus und in Mainz. Allein dies zeigt schon welche Faszination von den Reichskleinodien bis heute ausgeht. Vorab noch etwas dazu, wie es zu diesem Vortrag kam. Bereits seit 2010 habe ich mich intensiver mit dem sächsischen Kaiserhaus der Ottonen beschäftigt und gleichzeitig mit den Domschätzen von Bamberg, Quedlinburg, Hildesheim und Essen. So kam ich auch auf Kaiser Heinrich II. und dessen besonders zahlreiche Stiftungen edelsteingeschmückter Kreuze, Kelche, Votivkronen und der vielen Handschriften mit besonders kostenbaren Einbänden. Durch die Beschäftigung mit Heinrich II. drängte sich mir immer mehr die Frage auf, ob denn nicht er als Stifter für die Reichskrone und das Reichskreuz am ehesten in Frage kommt. Daraus entstand dann ein umfangreiches Manuskript zur Reichskrone und der Heiligen Lanze, das die Basis für diesen Vortrag bildet.

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Vielleicht können wir am Ende des Vortrags darauf nochmal kurz zurückkommen ob Heinrich II. als Stifter der Reichskrone in Frage kommt. Wie schon aus der Ankündigung zu dem heutigen Vortrag hervorgeht, stehen meist die Aufbewahrungsorte sowie Datierungsfragen im Mittelpunkt des Interesses an der Reichskrone. Ich möchte mich dagegen heute vor allem auf die allegorischen Deutungsmöglichkeiten der Reichskrone konzentrieren. Dabei geht es in erster Linie darum, was ein gebildeter Kleriker oder König – hierzu dürfen z. B. insbesondere Kaiser Otto III. und Kaiser Heinrich II. gezählt werden - bzw. der Entwerfer der Krone -also ein Zeitgenosse des 10. bzw. 11. Jahrhunderts - für Deutungen gekannt haben kann bzw. welche Bedeutungen der Auftraggeber bzw. Entwerfer der Krone einschreiben wollte. Zunächst nochmal in Kurzfassung die Fragen, die im Folgenden behandelt werden – man muss natürlich sagen - in so kurzer Zeit nur angerissen werden können 1. Wo liegt der Ursprung der Krone als Herrschaftszeichen? 2. Welche Bedeutung hat die Krone im christlichen Mittelalter? 3. Was macht die Wiener Reichskrone so einzigartig? 4. Wie lassen sich die Platten der Krone mit Hilfe der Zahlen- und Edelsteinallegorese deuten? 1. Wo liegt der Ursprung der Krone als Herrschaftszeichen? Bereits altmesopotamische Legenden berichten, dass die Herrschaftszeichen vor der Entstehung der Welt und der Zeit bei einem höchsten göttlichen Wesen aufbewahrt wurden. Das Herrscheramt sei mit diesen Zeichen vom Himmel herab direkt auf die auserwählte Person des irdischen Herrschers übergegangen. Somit kam in der Krone (aga, agû) der sakrale Aspekt des Königtums zum Tragen. Beim assyrischen König war sie eine textile Kopfbedeckung in Form einer runden Breitrandkappe. --> Bild Assyrischer König

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Auch im Alten Orient wird das Einsetzen des Königs in sein Amt in textlichen und bildlichen Darstellungen zur "Krönung" verkürzt. Im assyrischen Krönungsritual nimmt der König aus dem Assurtempel die Krone Assurs und die Waffen seiner Gemahlin. Der König wird also mit der Krone für seine zentrale Aufgabe eingesetzt, nämlich den Priesterdienst Assurs zu versehen. Das Szepter verpflichtet dagegen zum Hirtenamt über die Menschen. Die Götter betrauen den König mit seinem Amt, sie wählen ihn aus. Der König vertritt sein Volk gegenüber den Göttern, er baut und unterhält die Heiligtümer des Landes. Wenn er in seiner Hauptstadt anwesend ist übernimmt er die Aufgaben des höchsten Priesters. Der assyrische König ist nicht nur Priester, er ist auch Stadtfürst seines Landesgottes Assur und Statthalter des Götterherrschers Enlil. Das daraus sich entwickelnde Verständnis des Königs als "Stellvertreter Gottes" blieb für das assyrische Königtum bis zu seinem Ende prägend. In Babylon schmückte die Krone bereits den Hohepriester, was sie zum Zeichen sakraler Amtsmacht erhebt. Ägypten Die ägyptischen Pharaonen sahen sich als göttliche Vermittler auf einer eigenen Ebene zwischen dem göttlichen Himmel und den Menschen. Sie vermittelten lediglich die göttlichen Pläne an die Menschen und achteten auf deren Umsetzung. Dem König wurde mit seiner Krönung das Amt des göttlichen Horus übertragen. Damit übernahm der König als irdischer Herrscher die Stellvertreterschaft der Götter und das väterliche Amt des Horus und er galt seit der 4. Dynastie auch als Sohn des Sonnengottes Re. --> Bild Pharao als Horus (Falke)

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Judentum Nach dem Siegeszug des Perserkönigs Kyros II. und seiner Einnahme Babylons 539 v. Chr. kam es zum Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels, allerdings nicht mehr unter der davidischen Dynastie. 515 v Chr. wurde der neue Tempel geweiht, das Königtum aber nicht neu begründet. Die entscheidende Figur in jener Zeit war der Hohepriester Joshua. Nach dem Propheten Sacharja (6,9-14) erhält der Prophet den Auftrag, den Hohepriester Joshua mit einer aus Gold und Silber gefertigten Krone zu krönen. Neben Joshua wird aber noch ein anderer erwähnt, der die Ehrenbezeichnung "Spross" aus Davids Geschlecht trägt, nämlich der Messias. Er wird den Tempel erbauen und auf seinem königlichen Thron neben dem Thron des Hohepriesters sitzen. Demnach trug Joshua nur stellvertretend für den königlichen Tempelbauer die Königskrone, bis zu dem Tag, an dem der erhoffte Spross selbst sie übernehmen würde. Solange sollte sie im Tempel als Erinnerungszeichen deponiert bleiben. hier haben wird die Begründung für den Brauch der Votivkrone vor uns. Solche Votivkronen hingen meist in einem Ziborium d.h. einem Altarbaldachin über dem Altar. --> Bild Votivkrone Daran wird auch deutlich wie sehr der Tempelbau zur sakralen Legitimation nicht nur des realen sondern auch des messianischen Königtums beitrug. Die Krone für ihn lag im Tempel bereit und wer den Tempel erbaute, galt als legitimer Anwärter auf sie. Im Alten Testament sind außerdem Kronen für die Könige Saul, David und Salomon bezeugt.

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Rom Die römischen Imperatoren wurden entweder schon zu Lebzeiten als Gottheiten verstanden oder nach ihrem Tode auf Beschluss des Senats zu Staatsgöttern erhoben, oder sie wurden wie ein Gott verehrt. Die sakrale Aura, die sie umgab, war überall spürbar, denn es wurden ihnen Tempel und Altäre geweiht und sie waren, wenn sie einen Kaiser zum Vater hatten auf alle Fälle Söhne eines Gottes, galten als im Schutz der Götter stehend und von ihnen erwählt. Außerdem übernahmen sie priesterliche Aufgaben im Vollzug des Opfers und empfingen die Huldigung der Untertanen im Kaiserkult. --> Bild Lorbeerkranzdiadem Die römischen Herrscher trugen überwiegend den Lorbeerkranz als Zeichen ihrer Herrschaft. Bereits Caesar verfolgte aber die Absicht, das Diadem als permanentes Kaiserzeichen wiedereinzuführen. Erst Kaiser Konstantin der Große (306-337 n. Chr.) vollzog dann diesen Schritt und ersetzte in der Spätantike den Lorbeerkranz wieder durch das Diadem. ---> Münzbilder Konstantins Dieses Juwelenkranzdiadem orientierte sich aber nicht am hellenistischen Vorbild, sondern an der goldenen, mit Edelsteinen versehenen corona thriumphalis, dem vor allem seit Pompeius oft verwendeten Festkranz des römischen Kaisers. 2. Welche Bedeutung hat die Krone im christlichen Mittelalter? Schon Eusebius weist in seiner Lebensbeschreibung Kaiser Konstantins des Großen darauf hin, dass dieser nach seinem Tod der Mitherrschaft im Himmel teilhaftig werde. Gott habe ihm die Unsterblichkeit und damit eine nie endende Herrschaft gegeben. Hier heißt es auch, man könne Konstantin im Himmel sehen "mit dem immer blühenden Diadem endlosen Lebens und mit der Unsterblichkeit seliger Ewigkeit geehrt."

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Bald nach der Übernahme des Herrscherdiadems durch Konstantin sind die ersten Anzeichen einer christlichen Überhöhung dieser Insignie zu erkennen. Aurelius Victor wertete die Kopfbinde Konstantins als diadema perpetuum. Diese Deutung knüpft an den Gedanken des auf den Kaiser bezogenen permanenten Siegesbegriff an, der den Weg für die Einführung des Diadems als ständiges Herrschaftszeichen ebnete. Ambrosius berichtet schließlich von der Herstellung eines Diadems, das mit einem Kreuzesnagel Christi geschmückt und das Kaiserin Helena an ihren Sohn Konstantin verschenkt habe. Nach Ambrosius vermag dieses Diadem die Kaiser zu erlösen und ihnen die Tugenden des gerechten Herrschers sowie den rechten Glauben zu verleihen. Bereits Kaiser Arcadius (383/395-498) ließ ein Kreuz in das Diadem des Herrschers einarbeiten. Dies bezeugt die Verschmelzung des irdischen Herrschaftszeichens mit dem Zeichen der göttlichen Erlösung. Dadurch wurde das Diadem zu einem heiligen Objekt. 3. Was macht die Wiener Reichskrone so einzigartig? --> 360°-Animation zeigen • die achteckige / oktogonale Form --> Bezüge zu Aachen • ihr überreicher Besatz mit Edelsteinen • die Tatsache, dass sie durchbrochen gearbeitet ist und die Steine auf Perldrahtringen sitzen • Ihr Klappmechanismus mit Scharnieren • ihre überragende Bedeutung als Insignie für das mittelalterliche Königtum des „Heiligen römischen Reiches“, die allerdings erst im 15. Jahrhundert einsetzt • ihre Offenheit für allegorische Auslegungen im Sinne der Zahlen- und Edelsteinallegorese, die eine Folge des überreichen Besatzes mit Edelsteinen ist • eine etwa 1000-jährige wechselvolle Geschichte / sie ist eine der ältesten erhaltenen Herrscherkronen des Mittelalters • dass unterschiedliche Könige ihr ihren „Stempel“ aufgeprägt haben (vermutlich hat Kaiser Heinrich II. (1002-1024) das Kronenkreuz anbringen lassen vielleicht auch die emaillierten Platten)

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Der Bügel geht höchstwahrscheinlich auf König Konrad II. zurück. --> Gesamtansicht Krone Die achteckige (oktogonale) Form Das auffälligste Merkmal der Reichskrone ist die Form des Oktogons, die sie offenbar als einzige erhaltene Herrscherkrone des Mittelalters aufweist. Die Zahl Acht hat im Christentum eine Vielzahl an Bedeutungen. Zunächst ist sie ein Symbol für die Auferstehung, da Christus am Tage nach dem Sabbat, der für die Juden der siebte Tag ist, auferstand. Der Sonntag der früher der Tag des Herrn genannt wurde (ital. domenica; franz. dimanche) erinnert die Gemeinde an die endgültige Herrschaft Christi am Ende der Tage. Damit ist der achte Tag auch der Jüngste Tag, ein ewiger achter Tag, der durch die Auferstehung Christi geheiligt ist. Wenn die Sieben eine Zahl des Alten Testaments ist, so ist die Acht die Zahl des Neuen Testaments. Die Zahl Acht bedeutet auch das aktive Leben, wenn man ihren Ort in der Zahlenreihe unter der Neun bedenkt, die für die kontemplative Lebensform steht. Die acht Stufen zum Tempel nach Ez 40, 31-37 versteht Beda auch als Vorausdeutung auf die acht christlichen Tugenden (Glaube/fides, Weisheit/prudentia, Hoffnung/esperantia, Selbstbeherrschung /temperantia, Ausdauer/patientia, Frömmigkeit/pietas, Brüderlichkeit/fraternitas und Liebe/caritas. Die Acht ist auch die Zahl der Wiedergeburt durch die Taufe, weshalb eine Vielzahl von Baptisterien ein Achteck bilden (z. B. Baptisterium der Orthodoxen in Ravenna, Baptisterium von S. Giovanni in Laterano in Rom). In Augustinus (354-430) Werk vom Gottesstaat (de Civitate dei) ist die Rede von sieben Weltzeitaltern. Das achte Weltzeitalter ist damit die Civitas dei, der Gottesstaat, ein Zeitalter des ewigen Friedens, der als höchstes Gut gilt. Augustinus Werk vom Gottesstaat war die Lieblingslektüre Karls des Großen, dessen Pfalzkapelle ebenfalls ein Oktogon bildet.

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Auch die von Konstantin erbaute Große Kirche in Antiochien sowie das Mausoleum des Theoderich in Ravenna bilden ein Achteck. Das Vorbild für die Aachener Pfalzkapelle war aber das kaiserliche San Vitale in Ravenna, die Kirche des Kaisers Justinian, in der Karl bei seinem vierten Italienzug sein Gebet verrichtet haben dürfte. --> Bild San Vitale Ravenna Der karolingische Hof verstand vermutlich San Vitale als ein Zitat der Hagia Sophia in Konstantinopel. Sowohl die Hagia Sophia, wie San Vitale in Ravenna sollten wiederrum den Neuen Salomonischen Tempel darstellen. Durch die Stiftung eines Salomonischen Tempels konnte sich Karl der Große in die Tradition der alttestamentlichen Könige David und Salomon stellen. --> Bild Pfalzkapelle Aachen In wieweit die Pfalzkapelle von Aachen mit Hilfe der mittelalterlichen Zahlensymbolik gedeutet werden kann, hat zuletzt Johannes Fried in seiner Arbeit über Karl den Großen eindrucksvoll gezeigt. Der Kirchenbau von Aachen erweist sich dabei als äußerst komplexes Zeichen. Acht Verse lobten den Herrn (vier elegische Distichen mit acht Versen befinden sich am Rand des Gesimses zwischen den oberen und unteren Bögen), der die Kirche errichtet hatte acht Gnaden Gottes hatte Karl empfangen, indem er zum Königtum aufstieg, acht Säulen auch, acht Königstugenden nämlich, trugen die Burg Gottes, wie der angelsächsische Priester Cathwulf den König mahnte. Damit meinte er Wahrhaftigkeit, Geduld, Freigebigkeit, durch Worte überzeugend und in der Beurteilung von Streitfällen gerecht zu sein sowie die Abgaben zu mildern, die Bösen zu bessern oder zu strafen und die Guten zu belohnen. --> Bild Grundriss Pfalzkapelle Aachen Der Kreisdurchmesser des Aachener Oktogons beträgt 6 x 8 = 48 Fuß, der des Sechzehnecks das Doppelte (96 Fuß), die Gesamtlänge das Dreifache, mithin 144 Fuß, das Maß des Himmlischen Jerusalem nach der Apokalypse des Johannes.

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Auch der Umfang des Oktogons betrug 144 Fuß, was erneut auf das Himmlische Jerusalem verweist. --> Bild Pfalzkapelle Blick nach oben Drei Bogenreihen zogen die Blicke etwa 31 Meter nach oben was erneut 48 Fuß entspricht. Dort oben thronte der apokalyptische Weltenrichter (Apk 4, 2- 4) inmitten von 144 Sternen, die die 144.000 Geretteten der Apokalypse symbolisierten (Apk 7, 4-8). Zu der vollkommenen Zahl Sechs trat mit den acht Pfeilern des Oktogons und den zweimal 16 Säulen die Zahl Acht, dazu mit den drei Bogenfeldern die trinitarische und heilsgeschichtlich bedeutsame Zahl Drei. Auch hier wieder die Verbindung aus 6 x 8 x 3 = 144 als apokalyptisches Maß. Alkuin – der wichtigste Berater Karls des Großen - nannte einmal Aachen das Jerusalem seiner ersehnten Heimat, in dem der Tempel Salomos errichtet würde. Den am Dombau in Aachen beteiligten Personen wurden sogar Namen der Erbauer des Jerusalemer Tempels zugewiesen. Einhard, Karls Biograph, erhielt z. B. den Namen des Erbauers und Ausstatters der jüdischen Stiftshütte, Beseleel verliehen. Im Rahmen ihrer Forschungen über die Stephansburse, die ebenfalls zu den Reichsinsignien gehört und sich heute in Wien befindet, hat Renate Prochno nachweisen können, dass der Thron Karls in der Aachener Pfalzkapelle als Thron König Salomos zu deuten ist. Die Stephansburse, die sich bei den Krönungen in einem Fach unter dem Thron befand, enthielt Erde aus Jerusalem, womit der jeweils in Aachen gekrönte König mit der Erde des Heiligen Landes in Kontakt kam. --> Bild Karlsthron und Stephansburse --> Bild Pfalzkapelle

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Die Krone als Himmlisches Jerusalem und Zeichen der Heiligkeit Staats sieht das Oktogon der Aachener Pfalzkapelle als Vorbild für die Form der Reichskrone. Wie gezeigt wurde lässt sich die Aachener Pfalzkapelle in vielfacher Hinsicht mit dem Himmlischen Jerusalem, das in der Apokalypse des Johannes geschildert wird, identifizieren. So ist auch die Reichskrone in erster Linie als eine Verkörperung des Himmlischen Jerusalem zu sehen. Der ausführlichste Beleg für die Vorstellung vom himmlischen Jerusalem findet sich in der Offenbarung des Johannes. Am Ende seiner Visionen und am Ende der gesamten Schrift sieht der Seher Johannes – nach dem Untergang Babels (Apk 18), dem Tausendjährigen Reich (Apk 20,1-6), dem letzten Kampf gegen den Satan (Apk 20,7-10) und dem Weltgericht (Apk 20,11-15) – „die heilige Stadt, das neue Jerusalem von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann“ --> Bild Himmlisches Jerusalem aus der Bamberger Apokalypse Hier die nach der Übertragung von Walter Jens ..... Da aber kam einer der sieben Engel zu mir, die die sieben Schalen hatten, angehäuft mit den sieben letzten Plagen, den schlimmsten. Komm, sagte er zu mir, ich will sie Dir zeigen, die Braut, die Heilige Stadt, Jerusalem, versprochen dem Lamm..] Und der führte mich.... auf einen hohen, großen Berg, und von dort zeigte er mir die Heilige Stadt, Jerusalem das, gottgesandt,

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herabschwebt vom Himmel, eingetaucht in den Glanz und die Anmut und die Herrlichkeit Gottes. Wie der kostbarste Stein erstrahlte die Stadt: kristallen leuchtend wie der Jaspisstein. Sie hatte eine Mauer groß und hoch wie der Berg, und hatte zwölf Tore, dahinter gewaltige Hallen: Portale hatte sie, auf denen standen zwölf Engel, und in die Tore waren eingemeißelt die zwölf Stämme Israels. Drei Tore, dem Morgenlicht zugewandt, schauten nach Osten .... Die Mauer ruhte aber auf zwölf mächtigen Quadern, die trugen die Namen der zwölf Apostel, .... Schau, sagte der Engel und deutete auf die himmelhoch ragenden Türme und Häuser und Tempel der Stadt, die Höhe misst genauso viel wie Länge und Breite, alles ist gleich; die Stadt gleicht einem Würfel: So vollkommen ist Gottes Bauplan Zum Schluss aber maß der Engel die Höhe der Mauer rings um die Stadt: einhundertvierundvierzig Ellen, mehr nicht. Ein bescheidenes Maß, berechnet für Menschen – und Engel. Doch, welch ein Schmuck überall! Die Mauern aus Jaspis, die Stadt aus Gold, schimmernd wie taghelles Glas, unbetastet und rein. Die Grundsteine der Mauer, rings um die Stadt, waren mit Edelsteinen aller Art geschmückt, der erste Stein ein Jaspis, der zweite ein Saphir, ein Chalzedon der dritte, der vierte ein Smaragd, ein Sardonyx der fünfte, ein Sardion der sechste, der siebte ein Chrysolit, ein Beryll der achte und der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte endlich ein Amethyst. Und dann erst die Zwölf Tore.... ....

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Die vier aus Goldblech gefertigten Bildplatten der Reichskrone tragen in der Mitte Bilddarstellungen in Zellenschmelztechnik, die umrahmt sind von jeweils 10 Saphiren und 14 Perlen. --> Bild Bildplatten Die sich daraus ergebende Zahl 24 ist nicht nur eine der Ordnungszahlen des mittelalterlichen Weltbildes, das neben den uns geläufigen 24 Stunden des Tages, die 24 Buchstaben z. B. auch die 24 Sphären des Himmels kennt. Darüber hinaus ist die 24 auch eine der wichtigsten Zahlen der Bibel. So umfasst das Alte Testament 24 Bücher. Die 24 steht nach Alkuin auch für die Einheit des Alten und des Neuen Testaments Außerdem berichtet die Bibel von 24 Nachkommen Aarons (1 Chron. 24 1 ff.), wie von den 24 Ältesten, die am Tag des Jüngsten Gerichts den Thron des Herrn umgeben (Apk. 4,4) Eine schöne Darstellung der 24 Ältesten findet man im Codex Aureus aus St. Emmeram, wo sich die 24 Ältesten von ihren Sitzen erhoben haben, um dem Lamm ihre Kronen darzubringen. --> Bild der Ältesten aus Codex Aureus Die Ältesten hatten auch gefordert die Staatsform der Monarchie einzuführen (1 Sam. 8,4-5), weshalb sie in enger Verbindung zum Königtum stehen. ---> Bilder der Kronenplatten Zählt man die bereits genannten 14 Perlen auf den vier Bildplatten zu den 26 Perlen auf beiden Seitenplatten und den jeweils 18 Perlen auf der Stirn- und Nackenplatte, so ergibt sich für die Gesamtzahl der großen Perlen die Zahl 144, also jene Zahl, die auf das Himmlische Jerusalem verweist. Nach Rabanus Maurus ist die 144 das Sinnbild der Erwählten Gottes. Die 144 selbst bezieht sich auf die das am Ende der Tage das Heil verkörpernde Reinheit, die virginitas, denn nach Rabanus Maurus verkörpern die im Kreuz durch das Quadrat und das Dreieck vertretenen Zahlen drei und vier in der Multiplikation ihrer 2ten Potenz (3 x 3 x 4 x 4) 144.

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Die drei und die vier sind nach der mittelalterlichen Zahlenlehre Symbol der Liebe zu Gott aus ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Verstand bzw. Symbol der Reinheit. Für Decker-Hauff liegt der Schlüssel zum Verständnis der Reichskrone im "Ordo der Sieben Formeln" der beim Aufsetzen der Krone verwendet wurde. Das Schlüsselwort in dem erwähnten Ordo ist für ihn der Begriff signum sanctitatis, der die Krone als ein Zeichen der Heiligkeit benennt. Seiner Ansicht nach weist die Krone als Abbild auf das Himmlische Jerusalem hin, in das einstmals einzugehen alle Gerechten erhoffen dürfen, erinnert an die Geschichte der zu Gott gehörenden Menschheit, an die zwölf Stämme Israels und die zwölf Apostel, die den Siegeszug des Christentums über den Weltkreis einleiteten, deutet hin auf Jerusalem und Rom, auf das Alte und das Neue Testament, auf Königtum und Prophetentum, weltliche und geistliche Macht, irdische und himmlische Herrschaft. Sie ist - richtig entziffert - wirklich ein signum sanctitatis." 4. Wie lassen sich die Platten der Krone mit Hilfe der Zahlen und Edelsteinallegorese deuten? --> 3-D-Animation Die Bildplatten Der Plattenreif der Reichskrone besteht aus insgesamt acht voneinander unabhängigen Platten. Die Platten sind durch perlenbesetzte Scharniere mit durchgesteckten, oben von kleinen Perlen bekrönten Goldstäben verbunden, wobei die Platten heute durch zwei innen angebrachte, fixierte Eisenreifen, die frühestens seit 1750 nachweisbar sind, auseinandergehalten werden. Die vier Bildplatten ergeben zusammen ein Programm, das der jeweils regierende König als Mahnung verstehen sollte, ein tugendhafter König zu sein.

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Die David-Platte gemahnt den König gerecht zu urteilen, zur Reue und zur Demut. Die Salomon-Platte verweist auf die Gottesfurcht. Die Ezechias-Platte beinhaltet die Vorstellung von der göttlichen Gnade der leiblichen Gesundheit des Königs bzw. mahnt ihn an die Sterblichkeit. Die Majestas-Domini-Platte schließlich soll dem König stets vor Augen führen, dass er nur Stellvertreter Christi auf Erden ist. Durch ihre Rundbögen werden die Platten zu Toren, die als Tore des Himmlischen Jerusalem gedeutet werden können. Die drei Könige aus dem Alten Testament tragen Spruchbänder, die zu ihnen passen. Diese lassen sich sehr unterschiedlich deuten. Sie könnten z. B. als Buchrolle aufgefasst werden. Konrad Hoffmann hat die Deutung vorgeschlagen, die Buchrolle bedecke das Herz ihres jeweiligen Trägers und könne damit an die Vorstellung erinnern, dass Gottes Wort im Herzen der Gläubigen ruht. (Mt. 13,19; Luk. 2, 19; Apg. 16,14; II Kor. 3,2; Hebr. 8,10; 10,16). Für die M-Form des Spruchbandes hat er eine Abkürzung für Mille, d. h. das Jahr 1000 erkannt. Für Wolf ist dagegen die M-Form der Spruchbänder ein eindeutiger Hinwies auf das Königtum des Priesterkönigs Melchisedek. Für Kantorowicz ist das Spruchband auch als Tuch oder Vorhang (velum, velamen) zu interpretieren. Im Hebräerbrief schafft Christus als Hohepriester nach der Weise des Melchisedeks den Vorhang beiseite, weil er den Eingang in das Allerheiligste ermöglicht. (Hebr. 6,19; 9,2; 10,20). Wittekind ist der Ansicht, dass es sich bei den Spruchbändern eher um Schriftbänder handelt, da sie Träger geschriebener Texte, nicht gesprochener Rede sind. Daher kommt ihnen eine vermittelnde Funktion zwischen Bild, Text, Leser und Betrachter zu. Solche Spruchbänder in Davidszenen tauchen in der Buchmalerei erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts auf. Dies spricht nach Wittekind eindeutig gegen eine Datierung der Bildplatten vor das Jahr 1000. Nach Eckenfels-Kunst stammen die Emailplatten, die eindeutig einen byzantinischen Stil aufweisen, alle aus einer Werkstatt. Diese lokalisiert sie in Bamberg oder Regensburg. Sie räumt jedoch ein, dass sehr wahrscheinlich unterschiedliche Emailleure an deren Herstellung beteiligt waren.

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--> Bild David-Platte David-Platte Den äußeren Rand der David-Platte bildet eine Umrahmung aus gekörntem Golddraht mit zehn hellblauen Steinen, die sich mit 14 durchbohrten Perlen abwechseln. Jede der Perlen war außerdem ursprünglich mit vier Dreiblattmotiven umgeben (insgesamt 44), die auf Röhrchen montiert sind. Auf der mittig angeordneten Goldplatte, ist König David in Senkschmelztechnik dargestellt. Er steht aufrecht und trägt eine eng am Kopf anliegende Bügelkrone mit Pendilien. Seine Kleidung besteht aus einer hellblauen kurzen Tunika, darunter trägt er mehrfach geschnürte Beinlinge. Das Obergewand besteht aus einem dreiviertellangen, dunkelblauen Königsmantel (Chlamys), der mit einer Fibel gehalten wird. Vor dem Oberkörper trägt der König ein wellenförmiges Spruchband. Auf dem Königsmantel ist in Bauchhöhe ein Einsatz zu erkennen, der auf die byzantinische Kaisertracht verweist. König David galt im Mittelalter nicht nur als Vorbild des gerechten Herrschers sondern auch als den Künsten zugetan und als König, der sich durch besonderen Kampfesmut (Tapferkeit) auszeichnete. Sogar der Koran kennt David als vorbildlichen Herrscher und Richter (Sure 38, Verse 35-38). Auf der David-Platte hält der König ein Spruchband mit dem Vers: "HONOR REGIS JUDICIVM DILIGIT" (Ps. 98, 4), was so viel bedeutet, wie "die Ehre des Königs liebt das gerechte Urteil." Das Zitat betont die Deutung Davids als gerechter Richter. Die biblischen Berichte zeichnen die Epoche König Davids und Salomos als Idealzeit. David war der von Gott auserwählte König, ein Eroberer und Großherrscher. Er war aber gleichzeitig auch Usurpator, Mörder und Ehebrecher. Trotz dieser Vergehen blieb David in der Darstellung der Samuelsbücher der Liebling Jahwes, weil seine Reue als vorbildlich eingestuft wurde. So wurde David im Rückblick zu einer Heilsgestalt und zum Hoffnungsbild des kommenden Messias. Dieser musste Nachkomme ("Sohn") Davids sein. Das Neue Testament nennt Jesus Davids Sohn. So wurde er vor allem zu einem Vorbild für die Demut, die jeder christliche Kaiser besitzen sollte.

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Bereits Kaiser Theodosius II. (408-450 n. Chr.) erhob die Selbsterniedrigung zu einer der wichtigsten Tugenden des christlichen Kaisers. Der auf der Reichskrone dargestellte David trägt einen blauen Mantel. Man kann somit von einer Weiterentwicklung der byzantinischen Purpurfarbe sprechen. Die blaue Farbe des Mantels eröffnet für Wolf einen weiteren Bezug zu Karl dem Großen, der in der Einhardsvita mit sago veneto (mit blauem Überwurf) beschrieben wird. Dass die Beinlinge sichtbar sind, steht völlig im Gegensatz zum byzantinischen Kaiserbild, wo die Herrscher stets lange Mäntel tragen. Dies könnte auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass mit David hier Karl der Große gemeint war, der nicht nur im Kreise seiner Hofgelehrten David genannt wurde, sondern auch überwiegend in fränkischer Tracht mit kurzen Gewändern und Beinlingen gekleidet war. Wolf hingegen deutet das Tragen der fränkischen Tracht, des fränkisches Bartes und die Kreuzbügelkrone als Hinweise auf Otto I., der hier mit David gemeint sei. Staats verweist zur Erschließung der Bedeutung des Spruches auf der David- Platte auf eine Anekdote, die der Hofkaplan König Konrads II., Wipo, überliefert hat. Am 8. September 1024 wurde Konrad II. beim Krönungszug in Mainz von Bittstellern aufgehalten. Während ihn seine Begleitung von der Störung unbehelligt lassen möchte, damit der König beizeiten zum Gottesdienst komme, fasst Konrad voller Rührung einen Bittsteller am Arm und zieht ihn zu sich auf seinen Thronsessel. Er hört das Anliegen des Bittstellers und empfiehlt es eindringlich einem der Fürsten seiner Begleitung. Wipo kommentiert das Geschehen mit den Worten: "Das erscheint als ein glücklicher Anfang der Regierung, wo man mehr eilt zu des Gesetzes Erfüllung als zur Königskrönung." Er beschließt seinen Bericht mit dem Hinweis auf das Psalmwort "honor regis iudicium diligit". Das Psalmwort hat auch eine auffallende Entsprechung in den Beschreibungen der Krönungsliturgie. Bei der Stelle der Krönung folgt nach einer liturgischen Anweisung an den Papst ein Gebet, das die Bitte enthält (Sic iudicium et iustitiam diligas).

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Im Zusammenhang mit der Bedeutung des Königs David als demütigem König ist noch interessant, dass Althoff gegen Ende des 10. Jahrhunderts eine Häufung von Fällen feststellt, in denen sich Könige Unterwerfungsritualen unterzogen. Dazu zählen u. a. die Barfüßigkeit, der Fußfall und der Fußkuss als rituelle Formen der Selbsterniedrigung. Bereits von Otto dem Großen ist bekannt, dass er seiner Mutter und dem Halberstädter Bischof zu Füßen gefallen sein soll, womit er öffentlich Reue für sein Fehlverhalten zeigte. Ähnliches wird von Otto II. berichtet. Unter Otto III. wurde die demonstrative Selbsterniedrigung dann nicht mehr nur zur Buße eingesetzt, sondern erfolgte auch unabhängig von einer bestimmten Situation. Als sich Otto bei seiner Reise nach Gnesen dem Grabe des Märtyrers Adalbert näherte, soll er sich ihm demütig und barfuß genähert haben. Von Otto III. wird aber auch in zwei Fällen davon berichtet, dass er sich barfuß im härenen Gewand Gebet, Fasten und Wachen hingab. Kaiser Heinrich II. schließlich war ein Meister in den Formen der Selbsterniedrigung. Er trug nicht nur Ende Februar 1004 in grimmiger Kälte barfuß die Reliquien des hl. Mauritius vom Kloster Berge in die Domkirche von Magdeburg, um damit um Fürsprache des Heiligen für seinen Kriegszug nach Italien zu bitten, sondern er erniedrigte sich vor den Reichsfürsten auf der Synode von Frankfurt im Jahre 1007, um seine geplante Bistumsgründung Bamberg durchzusetzen. Von Heinrichs Nachfolger, Konrad II., sind dagegen keine demonstrativen Selbsterniedrigungen überliefert.] Salomon-Platte In der Mitte der Goldplatte ist König Salomon, wie David, stehend in Senkschmelztechnik dargestellt. Auch er trägt eine Bügelkrone mit Pendilien und eine kurze, nun aber dunkelblaue Tunika unter einem grünen Herrschermantel, was der Farbbeschreibung der fränkischen Tracht in Einhards Karls-Vita entspricht. Insgesamt dominiert hier die Farbe Grün womit sämtliche Auslegungen der grünen Farbe in Betracht kommen.

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Salomo ist der weise König des Alten Testamentes. So heißt es im Buch der Könige "Und aus allen Völkern kam man, zu hören die Weisheit Salomos“ Sein Reichtum war legendär und jeder König versuchte sicher auch darin ihm nachzueifern. "So war der König Salomo größer an Reichtum und Weisheit als alle Könige auf Erden" (1 Könige 10, 23). Der Vers auf der Salomon-Platte lautet: "TIME DOMINVM ET RECEDE A MALO" ("Fürchte Gott und meide das Böse" Spr 3,7). Die Platte mahnt den König somit zur Gottesfurcht. Staats erkennt in diesem Spruch erneut eine Anspielung auf die Krönungsliturgie. Im Psalm 110 heißt es auch "Der Anfang aller Weisheit ist die Gottesfurcht" was in ganz besonderer Weise an Salomon denken lässt und seine Vorbildfunktion für den christlichen Herrscher des Mittelalters. Salomon ist aber auch der Sohn des alternden Königs David und der Bathseba, der zunächst altersmäßig keine Chancen hatte, Thronfolger zu werden(1 Reg. 2, 15). Da aber besinnt sich Bathseba auf Davids eidliche Versicherung (1 Reg. 1, 17) und erinnert den König daran, worauf David den Schwur erneuert und befiehlt Salomon auf sein eigenes Reittier zu setzen und zu seinen Lebzeiten allem Volk als rechtmäßigen König Israels zu verkünden (1 Reg. 1, 33). So geschieht es. Salomons ("Friedreichs") Nachfolge garantiert Frieden und Gottes Huld. Somit ist Salomon auch das Urbild des friedliebenden und in Gottes Huld stehenden Königs. Im Buch der Weisheit Salomos kommt auch die Krone als Sinnbild der Belohnung mit der Seligkeit zur Sprache (Sap 5, 16 f.). In der griechischem Fassung heißt es "Die Gerechten, werden die Königskrone der Herrlichkeit ... und den Kranz der Schönheit ... aus der Hand des Herrn empfangen". Besonders wichtig für die Frage, warum die beiden Könige David und Salomon zusammen auf der Reichskrone dargestellt wurden, ist Tatsache, dass David Salomon noch zu Lebzeiten als Mitkönig ausrufen ließ und es somit zu einer echten Mitherrschaft Salomos kam. Dieses Prinzip, welches bei den byzantinischen Kaisern vorgebildet war, haben im Westen bereits die Karolinger übernommen und es galt auch für Otto I. und die Mitregentschaft seines Sohnes Otto II.

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In diesem Zusammenhang wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass Otto I. und sein Sohn Otto II. auch von den Zeitgenossen als eine neue Verkörperung von David und Salomon gesehen wurden. Dies hat dazu geführt, dass man die Darstellung von David und Salomon auf den Kronenplatten als Anhaltspunkt für die Datierung der Reichskrone in die Zeit Kaiser Ottos I. und Ottos II. genommen hat. Ein zeitgenössischer Vergleich des Herrschers mit David und Salomo findet sich aber auch für Kaiser Heinrich II. Auch Kaiser Karl der Kahle, der Enkel Karls des Großen, wurde häufig mit Salomo verglichen. Somit können auch die Karolinger Karl der Große und Karl der Kahle als David und Salomon aufgefasst werden, auch wenn Karl der Kahle kein direkter Nachfolger Karls des Großen war. Salomon gilt in der jüdischen und dann auch christlichen und islamischen Tradition aber auch als großer Magier und Herr über Dämonen. Allein die Inschrift "Siegel des Salomon" hatte auf Amuletten bereits talismanische Wirkung. Somit hatte die Darstellung Salomos auf der Reichskrone in der mittelalterlichen Vorstellung sicher auch die Funktion Unheil von König, Volk und Kirche fernzuhalten. Darauf deutet gerade die Wahl des Spruches, der Salomo zugeordnet wurde. Ein weiterer Aspekt, der für Salomons Königtum prägend war, ist das Motiv des Königs als Tempelbauer. Dieses Motiv ist nach Lux bereits in der altorientalischen Ikonographie fest verankert und hat eine lange Traditionsgeschichte. Immer wieder ist die Rede davon, dass die Könige des Zweistromlandes oder Ägyptens nicht nur die Errichtung oder Wiederherstellung von Tempeln anordneten, sondern sich zumindest symbolisch an den Arbeiten selbst beteiligten. Oft wird auch eine Verbindung zwischen Tempelbau und dem siegreichen Kriegsherrn hergestellt, wobei dann die Errichtung des Tempels als Dank für den errungenen Sieg erfolgt. Schließlich wird mit dem Tempelbau die Bitte an die Gottheit verbunden, den Thron und die Dynastie des Königs auf einem ähnlich festen Fundament zu gründen und ihm ewige Dauer zu verleihen.

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Das Königtum des ersten israelischen Königs Saul wird überwiegend als Heereskönigtum eingestuft. Er ist nicht als Tempelbauer in die Geschichte eingegangen. Anders dagegen seine beiden Nachfolger David und Salomo. David hat die Bundeslade aus dem Tempel von Schilo nach Jerusalem überführt (2 Samuel 6). Er hat den Tempelbau zwar beabsichtigt, Gott selbst habe ihn aber daran gehindert. Noch die aus dem 3 Jh. v. Chr. stammenden Chronikbücher legen großen Wert auf die Feststellung David habe bereits alles für die Vorbereitung des Tempelbaues getan (1 Chronik 21f.). Salomo schließlich hat Jerusalem durch die Errichtung eines Palast- und Tempelbezirkes nach Norden erheblich erweitert. Der Tempel wurde nicht nur Hauskapelle des Königs sondern Staatsheiligtum. Das Machzentrum innerhalb des Palastes bildete der Thron Salomos. Er war aus Elfenbein gefertigt und mit Feingold überzogen. Sechs Stufen waren an dem Thron, Stierköpfe hatte der Thron oben rückwärts, auf beiden Seiten waren am Sitz Armlehnen und neben den Armlehnen standen zwei Löwen. Auf den sechs Stufen standen zu beiden Seiten zwölf Löwen... (1 Könige 10, 18-20). Die Löwen fungierten dabei wohl als schützende Wächtertiere, die das Böse vom König und seinem Reich fernhalten sollten. Festzuhalten bleibt, dass sowohl in Juda wie im Nordreich Israel der Bau, die Instandhaltung und Unterhaltung der Staatsheiligtümer zu den vornehmsten Aufgaben des Königs gehörte (2Könige 12,5f.; 16,10ff.; 22,3ff.) Somit dürfen wir die Abbildung Salomos auf der Reichskrone auch als Mahnung an den König deuten sich um den Bau und die Unterhaltung der Kirchen im Reich und den Schutz der Kirche zu kümmern. Ezechias-Platte Auf dieser Bildplatte verkündet der Prophet Jesaja dem thronenden kranken König Ezechias, der mit einem Leidensgestus dargestellt ist, dass dieser noch fünfzehn Jahre leben werde. (Siehe ich füge deinen Tagen fünfzehn Jahre hinzu; Jes. 38,5).

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Diese Platte war somit ein Hinweis darauf, dass ein König auf die Gnade Gottes angewiesen war, die ihm körperliche Gesundheit gewährte. Außerdem soll jedem König seine Sterblichkeit vor Augen geführt werden. Im zweiten Buch der Könige heißt es "In jenen Tagen wurde Hiskia todkrank. Da kam der Prophet Jesaja, der Sohn des Amoz, zu ihm und sprach zu ihm: So spricht der Herr: Bestelle dein Haus; denn du sollst sterben und nicht am Leben bleiben! ........Siehe, ich will dich heilen; am dritten Tag wirst du in das Haus des Herrn hinaufgehen; und ich will zu deinen Lebenstagen noch 15 Jahre hinzufügen; und ich will dich und diese Stadt aus der Hand des Königs von Assyrien erretten; und ich will diese Stadt beschirmen um meinetwillen und um meines Knechtes David willen!" Diese Stelle im Alten Testament würde sehr gut zu Kaiser Heinrich II. passen, der an einem äußerst schmerzhaften Steinleiden litt, welches ihn immer wieder stark beeinträchtigte. So hat Heinrich auf dem Krönungsbild in seinem Regensburger Sakramentar den Vers anbringen lassen: "Gnädiger Christus, gib deinem Gesalbten ein langes Leben, dass er dir ergeben den Gebrauch der Zeit nicht vergeude." Das Bild des todkranken Königs Hiskia fand bereits im frühen Mittelalter weite Verbreitung. Bereits im 8. Jahrhundert taucht das Motiv im Sakramentar Galesianum (Bibliotheca Vaticana, Rom, Reg. Lat. 316) auf. Auch die Krönungsliturgie bietet wieder Anhaltspunkte zur Deutung der Ezechias-Platte. Das hier stets gleichlautende Gebet erfleht die Gnade der leiblichen Gesundheit für den König. Der Kaiser möge lange Jahre in körperlicher Kraft bis zum glücklichen Greisenalter erleben. Staats führt sogar noch ein weiteres Objekt an, welches diese Deutung der Bildplatte stützt. Im Victoria and Albert Museum in London wird ein Weihwasserbecher aus Elfenbein aufbewahrt, auf dessen Sockel sich eine Inschrift befindet, die das Jesaja-Wort an Hiskia aufgreift und direkt auf Kaiser Otto (I. oder II.) bezieht. --> Bild Weihwasserkessel Victoria & Albert Museum Dort heißt es: "Möge der Vater, der das Leben des Ezechias um dreimal fünf Jahre verlängerte, dem Kaiser Otto viele Lustren (Zeitabschnitte von fünf Jahren) verleihen."

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Die Ezechias-Platte erweitert somit das Ideal eines christlichen Herrschers um die Dimensionen Krankheit und Tod. Majestas Domini-Platte Die Platte nimmt schon aufgrund ihrer Position auf der Krone eine Sonderstellung ein, da sie sich vorne zur Rechten der Stirnplatte befindet. Sie hat somit den vornehmsten Platz an der Krone. Auf der Platte ist Jesus thronend als Richter bzw. Weltenherrscher mit dem Evangelium in der Hand auf der Bundeslade dargestellt, flankiert von zwei Engeln (Cherubim). Darüber findet sich das Wort PER ME REGES REGNANT (Durch mich regieren die Könige Spr 8,15), diesmal nicht auf einem Spruchband abgebildet und auch nicht von den Engeln gehalten. Somit muss dieses Wort eindeutig als ein Wort aufgefasst werden, das Christus selbst spricht. Es spricht hier also die göttliche Weisheit durch Christus. Biblisches Wort und Person fallen also zusammen. Der Name Christi geht in seinem Wort auf. Staats deutet dies als tiefsinnige Anspielung auf die Fleischwerdung des Wortes nach dem Johannesprolog (Joh. 1, 14). Noch eher ist allerdings an das 19. Kapitel der Johannesoffenbarung zu denken (Apk 19, 11-16). Hier heißt es: Christus ist der Sieger, auf seinem Haupt viele Kronen. Und er trug einen Namen geschrieben, den niemand wusste als er selbst ... und sein Name heißt: Das Wort Gottes... und er trägt einen Namen geschrieben auf seinem Kleid und auf seiner Hüfte: König aller Könige (rex regum) und Herr aller Herren. Diese Stelle in der Apokalypse des Johannes bietet sich also besonders zur Interpretation der Majestas-Domini-Platte an. Die Engel (Cherubim) auf der Platte verweisen nach Gerke auf die Bundeslade, auf deren Deckel Engelsgestalten angebracht waren und die damit verbundene Vorstellung im Alten Testament, wonach Gott der auf den Engeln (Cherubim) Thronende genannt wird. (1 Sam 4,4; Jes 37,16): Diesen Gedanken findet man auch in den Psalmen, wo es heißt: "Jahwe ist König, die Völker zittern, er thront über den Cherubim, es wankt die Erde." (Ps 98,1). Gerke deutet die Gleichsetzung Christi mit Gott als Verweis auf die Kronformel "accipe signum gloriae" (Empfange die Krone von Gott, dem

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Herrn, der sie vorherbestimmt, besitze sie zu Ehren und hinterlasse sie für die Zukunft deinen Söhnen nach dir, mit der Hilfe Gottes). Die Krone ist dem Kaiser damit von Gott vor aller Zeit vorherbestimmt. Er ist somit weder Kaiser von des Papstes noch des Volkes Gnaden. Da die Hauptinschrift der Majestas-Domini-Platte aus 15 Buchstaben besteht, schließt Gerke mit der Auslegung des Psalmes 150 durch Augustinus auf den Begriff der concordia, den Einklang der beiden Testamente. So soll mit der Darstellung seiner Ansicht nach zum Ausdruck gebracht werden, dass Christus Herr des Alten wie des Neuen Testamentes ist und, dass er über alle Dimensionen der weltlichen Existenz herrscht. Er ist also nicht nur König der Könige und Herr der Herren, sondern seine Herrschaft ist auch "das All umfassend". Die Stellung der Flügelpaare der oberen Engel, der Seraphim, ergibt formal ein Kreuz. Rabanus versteht die Engel somit als ein Gleichnis des Kreuzes Christi, durch das die Sünde besiegt wird. --> Bild Stirnplatte Stirn- und Nackenplatte Die Stirnplatte als wichtigste der Kronenplatten ist größer als alle anderen (14,9 cm Höhe, 11,2 cm Breite) und wird dadurch gegenüber allen anderen Platten herausgehoben. Stirn- und Nackenplatte sind kongruent gestaltet. Sie sind jeweils von 12 großen Edelsteinen verschiedenster Qualität und Farbe bedeckt, dazwischen befinden sich jeweils 18 Perlen und 12 kleine rote Steine. Heute befinden sich auf der Stirnplatte vier graublaue Saphire, drei smaragdgrüne Praseme und fünf rotbraun/violette Steine von denen der Größte ein Spinell/Balasrubin ist. Die anderen vier sind alles Amethyste, von denen der links oben ersetzt wurde. Alle alten Steine der Krone sind gemugelt, ausgewaschen und nicht bergmännisch gebrochen und stammen nach dem mineralogischen Befund aus Indien oder Ceylon. Der herzförmige und durchbohrte Saphir der mittleren Reihe ist offensichtlich nicht ursprünglich und ersetzte wohl den sog. Waisen, bei dem es sich wahrscheinlich um einen Edelopal gehandelt hat. Auffällig ist zunächst die Gruppierung der 12 großen Edelsteine in vier Reihen untereinander zu je drei Steinen.

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Die Zahl 12 ist eine der wichtigsten Zahlen der Bibel. Zunächst ist an die 12 Apostel zu denken. Diese Deutung favorisiert Wolf, der die Zwölfzahl in 11 + 1 auflöst. In Acta I, 26 hat Judas nach seinem Verrat den numerus perfectus der 12 Apostel durchbrochen. Um den Auftrag der Apostel zu erfüllen, bedarf es der Ergänzung durch das Los. Somit ist für Wolf die Stirnplatte als "Apostelplatte" erwiesen und die Nackenplatte als "Josephsplatte". Allerdings ist die 12 auch das Produkt aus 3 x 4. So ist die Zahl 12 nach Augustinus Ausdruck für das Universum oder etwas Vollkommenes. Im Zusammenhang mit den vier Wesen, die den Thron der Apokalypse umstehen, gibt Alkuin einige weitere Erklärungen: Jedes der Wesen besitzt sechs Flügel. Deren Verdopplung ergibt zwölf, i.e. die Zahl der Stämme Israels und der Apostel. Eine weitere Interpretationsmöglichkeit ergibt sich aus Exodus 28, wo das hohepriesterliche Gewand geschildert wird. Dieses hat eine viereckige Brusttasche für die Losentscheidung, den sogenannten Choschen: "Und du sollst sie besetzten mit vier Reihen von Steinen. Die erste Reihe sei ein Sarder, ein Topas und ein Smaragd, die andere ein Rubin...zwölf Steine sollen es sein in Siegelstecherarbeit nach den Namen der Söhne Israels, dass auf jedem ein Name stehe nach den zwölf Stämmen" (Ex 28, 15-21). Decker-Hauff verweist außerdem auf die 12 Grundsteine der Stadtmauer des Himmlischen Jerusalem. Auch hier ist dieselbe Ordnung gegeben in vier Gruppen zu je drei Toren (Apk 21). Außerdem scheint der Hebräerbrief wesentlich für das Programm der Krone zu sein. Hier ist nach Staats Priestertum und Königtum vereint in Jesus als dem Hohepriester nach der Weise des Melchisedeks. Melchisedek bedeutet "König der Gerechtigkeit". Da Melchisedek keine Vorfahren und Nachkommen hatte, gilt sein Priestertum als ewig. "Du bist ein Priester ewiglich nach der Weise Melchisedeks", so wird die Herrschaft Christi im Hebräerbrief bezeichnet. " Die Zwölf Edelsteine auf der Stirn- und Nackenplatte symbolisieren somit nicht ausschließlich das Alte Testament, sondern das hohepreisterliche und königliche Amt Jesu.

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Die Anzahl der Perlen auf Stirn- und Nackenplatte wurde bisher meist vernachlässigt. Es sind jeweils 18 Perlen, zusammen somit 36. Diese Zahl deutet auf die Vollkommenheit des Himmlischen Jerusalem hin, welche mit dem Quadrat der Zahl 6 gebildet wird. Hinsichtlich der Anordnung der Steine nach ihrem Farbton erkennt Wolf ein grünes Dreieck mit der Spitze nach oben bestehend aus drei Prasemen (jeweils zweiter von unten rechts und links sowie zweiter von oben Mitte). Auf den ersten Blick erkennbar ist auch ein blaues Kreuz aus heute vier Saphiren, wobei der oberste Mittelstein einst wohl nicht blau sondern der weiß-rötlich schimmernde "Waise" war. Außerdem ergibt sich ein purpurfarbenes X (Chi) aus fünf Steinen, den Amethysten sowie dem Spinell. Dieses ist als JAHWE-Zeichen oder Signum Christi zu deuten. Die Purpurfarbe (Amethyste, Spinell) als Blut Christi in Verbindung mit der Zahl Fünf legt auch eine Deutung als die fünf Wundmale Christi nahe. Außerdem ist noch die Zahl der kleinen roten Steine zu deuten. Auf Stirn- und Nackenplatte waren es ursprünglich wieder jeweils zwölf. Ihre rote Farbe lässt für ihre Deutung in erster Linie an das Blut Christi denken, das aus den Wundmalen stammt. Zählt man die Zahl aller Steine zusammen, ergeben sich also 24 Steine pro Platte, für beide somit 48. --> Bild Nackenplatte Die Nackenplatte Die Nackenplatte, die die gleiche Höhe wie die Stirnplatte aufweist, aber etwas schmaler als diese ist (8,8 cm), wurde wie diese mit zwölf großen, hochgefaßten Edelsteinen in drei Reihen besetzt. Die Anordnung ergibt ein grünes Viereck/Quadrat. Hierin erkennt Wolf die Übertragung und Verbreitung der christlichen Botschaft (X-Botschaft) in alle vier Himmelsrichtungen dieser Welt. Des Weiteren ergibt sich ein blaues Kreuz, welches in etwa der Anordnung auf der Stirnplatte entspricht. Außerdem lässt sich anstatt dem aus purpurfarbenen Steinen gebildeten X (Chi) der Stirnplatte nun ein purpurfarbenes Dreieck erkennen.

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Das grüne Quadrat und das purpurne Dreieck verweisen auf die Zerlegung der Zwölfzahl in 3 x 4 und damit auf die Deutung des Augustinus aber auch auf die heilige Zahl 7 (3+4) des Alten Testaments, die gerade in der Apokalypse des Johannes eine große Rolle spielt (sieben Gemeinden, sieben Hörner der Bestie, sieben Schalen des göttlichen Zorns, Buch mit sieben Siegeln). Die Multiplikation der Anzahl der Steine des grünen Quadrates mit der Anzahl der Steine des purpurfarbenen Dreiecks und den sechs Steinen des Kreuzes ergibt die Zahl 72 (4 x 3 x 6 = 72). Diese Zahl leitet zu den Seitenpatten über, auf denen sich ursprünglich jeweils 72 Objekte befanden. Außerdem ergibt sie sich aus 3 x 24 und enthält somit auch alle Deutungen der 24, die bereits erörtert wurden. Führt man die Multiplikation der Steine der durch Farben gebildeten Formen auch für die Stirnplatte durch, ohne einen Stein mehrfach einzubeziehen, erhält man 3 x 4 x 5 = 60. Diese Zahl verweist auf die Länge des salomonischen Tempels. Beide Zahlen, sowohl die 60 als auch die 72 unterstreichen den alttestamentarischen Charakter der Zahlenkonzeption, die der Reichskrone zugrunde liegt. bis hier ca. 70 Min. Der Waise Die erste Erwähnung des Waisen (lat. orphanus, pupillus oder candidus) finden wir bei Walther von der Vogelweide im Jahr 1198. Dort heißt es: Wer jetzt nach dem Reiche sucht, der schaue, wem der Waise auf dem Nacken steht.“ Der Waise (abgeleitet von orphanus=Waisenkind) stand dem Fürsten also offenbar im Nacken, was Staats als Beweis dafür ansieht, dass sich dieser außergewöhnliche Stein auf der Nackenplatte der Krone befand. Diese These wurde von Wolf stark angegriffen. Im Vordergrund bei seiner Argumentation steht dabei das Faktum, dass es für ein Stirnjuwel eine jahrtausendealte Tradition gibt, nicht jedoch für ein Nackenjuwel. --> Bild Edelopal Eine genaue Beschreibung des Steines verdanken wir dem Universalgelehrten Albertus Magnus (1193-1280). Er schreibt: "Der Orphanus ist ein Stein in der Krone des römischen Kaisers; seinesgleichen findet sich sonst nirgendwo,

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weshalb er auch Orphanus (Waisenkind) heißt. Er ist aber in der Farbe wie Wein, freilich von zarter Weinfarbigkeit. Das heißt es ist so, also ob sich die strahlende und blitzende Weiße des Schnees in klares Weinrot verwandelt und davon überdeckt wird." Aufgrund der Beschreibung des Albertus kommt Wolf zu der Annahme dass es sich um einen Edelopal gehandelt haben muss, der stets nur durchscheinend bis halbdurchsichtig anzutreffen ist, während er ein meist rötlich-gelbes Farbenspiel aufweist. In Apk 21,11 wird der Jaspis als der alleredelste Stein bezeichnet, der damit Christus angemessen ist. Die ideale Vorlage zur Auslegung der Nackenplatte mit dem Schlussstein ergibt sich nach Staats jedoch aus I. Petr. 2, 4-9. "Kommet zum Herrn als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber von Gott ist er auserwählt und köstlich. Der letzte offizielle Beleg für die Existenz des Waisen auf der Reichskrone ergibt sich aus dem Auslieferungsprotokoll der kaiserlichen Kanzlei Kaiser Ludwigs des Bayern aus dem Jahre 1350, welches ihn in einer Inventarnotiz erwähnt. Interessant ist der Befund, dass auch die byzantinischen Kaiser einst einen solchen wertvollen Edelstein besessen haben müssen. Der byzantinische Geschichtsschreiber Bryennios berichtet nämlich im Zusammenhang mit der verheerenden Niederlage, die Kaiser Romanos IV. Diogenes (1068-1071) durch die türkischen Seldschuken erleiden musste, dass diese das ganze Heer gefangen genommen hätten und die Kriegskasse zusammen mit den schönsten kaiserlichen Insignien geraubt hätten, worunter sich auch der berühmte Edelstein befunden haben den man "Waisen" nennt. Die Quelle nennt diesen Stein jedoch nicht als Bestandteil der Krone des byzantinischen Kaisers. Staats erkennt in dem Waisen auf der Reichskrone somit den Konkurrenzanspruch gegenüber dem byzantinischen Kaisertum. Die Seitenplatten Einen wichtigen Beitrag zur Entschlüsselung der zahlensymbolischen Bedeutung der Edelsteine auf den Seitenplatten der Reichskrone hat Hansmartin Decker-Hauff geleistet. Insgesamt hat er jeweils 72 Objekte auf

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den Seitenplatten rekonstruiert (10 Saphire, 1 Mittelsmaragd, 2 x 3 Granulationsperlen, 4 tropfenförmige Rubine, 7 rote Steine jetzt ersetzt durch kleine Perlen, 20 Perlen und 24 kleine Rubine jetzt auch ersetzt durch Perlen). Diese Zahl bezeichnet die 72 Glöckchen am Obergewand der Priester und die 72 Jünger, die das Evangelium in 72 Sprachen verkünden sollen. Außerdem verkünden 72 Bücher der Bibel das Lob Gottes und der JAHWES soll 72 Buchstaben haben(Exod. 14, 19-21). Da die Zahl die Stunden von drei Tagen (3 x 24) enthält, hat Beda gefolgert, die Zahl der Jünger entspricht den Stunden von drei Tagen, weil die Jünger das Licht (Tag) des Glaubens an die Trinität verkünden sollen. Zählt man die Steine und Perlen auf beide Platten zusammen (2 x 72), so ergibt sich erneut die apokalyptische Zahl 144, die Zahl der Auserwählten. Auf beiden Platten gruppieren sich um einen auffallend schönen und großen Smaragden die übrigen Steine. Diese identifiziert Decker-Hauff als Thron der Gottesvision der Apokalypse. In Apk 4, 2-7 wird die große Gottesvision beschrieben, nach der inmitten des Himmels der Erhöhte thront. Als Hauptkennzeichen des Thrones werden sein Glanz und seine Farbe beschrieben. "wie ein Regenbogen,... anzusehen wie ein Smaragd." Der Regenbogen um den Thron sieht nach Alkuin wie ein Smaragd aus und drückt dadurch die Versöhnung Gottes mit den Menschen durch die Fleischwerdung des Wortes aus. Fügt man nämlich laut Alkuin dem Wort "iris" (Regenbogen) noch einen Buchstaben hinzu, lautet er "irini", griechisch für Frieden. Der Regenbogen leuchtet vor allem in zwei Farben, nämlich der des Wassers und der des Feuers. Auf diese Weise bezeichnet er das Wasser der Taufe und das Feuer des Jüngsten Gerichts, aber auch das des Heiligen Geistes. Alkuin kommentiert weiter: Der Thron im Himmel ist Sinnbild der Ecclesia. Wer auf ihm sitzt, ist der Menschensohn, der im Glanz der goldenen Leuchter erscheint. Anzusehen ist er wie Jaspis und Sarder. Nach Alkuin deutet die grünliche Farbe des Jaspis auf die grünen Wiesen des Paradieses und ihre Lebensfülle, eine Metapher für die Göttlichkeit Christi. Damit ist wiederum das ewige Leben gemeint.

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Um den viereckigen Smaragden sitzen vier herzförmige Rubine bzw. Granatsplitter, die von seinen Ecken sternförmig ausstrahlen. Diese vier Steine werden als die vier Tiere, die um den Thron lagern, identifiziert (die aus Hesekiel genommenen Engel, Löwe, Stier und Adler). Oberhalb und unterhalb des Smaragden befinden sich zwei aus je drei durchbohrten Perlen gebildete Objekte, die von einer gemeinsamen dreiblattartigen Fassung zusammengeschlossen werden und mit Goldgranulat ausgefüllt sind, wodurch der Eindruck einer Frucht bewirkt wird. Diese Gebilde werden nach dem 22. Kapitel der Apokalypse als Holz des Lebens gedeutet, das zu beiden Seiten wächst, das trug zwölfmal Früchte und brachte seine Früchte alle Monate, und die Blätter des Holzes dienen zur Genesung der Heiden (Apk 22, 2). Damit ist die Bekehrung der Heiden als kaiserliche Aufgabe gemeint. Um diese Innengruppe zieht sich ein Kranz von sieben kleinen Rubinen, die heute nicht mehr vollständig erhalten sind. Diese stellen die sieben Fackeln dar, "welches sind die sieben Geister Gottes." Weiter um den Thron breitet sich das "gläserne Meer" aus, welches durch die 10 Saphire gebildet wird. Die Farbe der Steine zeigt das Wasser an, die Zehnzahl wiederum ist nach Augustinus die Zahl der Fülle, die die Unmenge des Meeres bedeutet. Nach Alkuin wird in der Offenbarung mit dem Gläsernen Meer vor dem Thron die Taufe dargestellt. Um den Thron stehen die 24 Stühle der Ältesten, jener Thronassistenz, der die ewige Anbetung und das ewige Gotteslob zukommt. Nach Decker-Hauff versinnbildlichen die Seitenplatten nichts anderes als das Himmlische Jerusalem. Die zwölf Perlen außen am Rande können somit auch als die zwölf Tore der Himmelsstadt gelesen werden. Damit sind noch nicht die kleinen aus jeweils vier Goldkügelchen zusammengesetzten dreiblättrigen Gebilde gedeutet, die sich zwischen Perlen und Edelsteinen gleichmäßig über die Seitenplatten verteilen. Prochno hat auf jeder der acht Kronenplatten 44 der Dreiblattmotive, auf den Schläfenplatten zusätzlich je sechs an Lebensbäumen gezählt, wodurch sie auf eine Gesamtzahl von 364 (2 x 50 + 6 x 44) kommt. Hierin ist vermutlich auch das Brot des Lebens zu sehen, das bereits Alkuin als das Manna ansah. In seinem Kommentar zur Apokalypse sagt er: "Das verborgene Manna wird das unsichtbare Brot genannt, das vom Himmel

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herabsteigt, das Mensch geworden ist. Das Manna bedeutet also Christus als lebendiges Brot, als Brot des Lebens. Origenes hat das Manna auch mit dem spirituellen Schriftsinn verbunden. In Aachen wurde das Manna nach Auskunft des Reliquienverzeichnisses Karls des Großen auch als Reliquie verehrt. Das Aussehen des Manna als ein kleines Kügelchen, das dem Koriandersamen ähnelt, verweist in seiner dreiblättrigen Form auch auf die Trinität wie auch auf die Blätter des Lebensbaumes. Als alternative Deutung der Steinplatte sei noch der salomonische Tempel angeführt. Der Tempel ist ganz mit Gold und Edelsteinen überzogen (2 Chron 3, 4-9). Die Seitenplatten weisen eindeutig die größte Dichte an Steinen und Perlen an der gesamten Krone auf. Das Allerheiligste im salomonischen Tempel, die Bundeslade, war viereckig. Dies würde die rechteckige Form der an den Ecken ungeschliffenen Smaragde und deren zentrale Anordnung auf beiden Seitenplatten erklären. Die Bundeslade hat außen vier Ringe, in denen sie mit vier Stangen getragen wird. Die vier Stangen könnten mit den vier länglichen Rubinen gemeint sein. Die Tragringe an der Bundeslade bedeuten die vier Evangelien. Exkurs: Edelsteinallegorese Nach der mittelalterlichen Vorstellung sind die bedeutungshaltigen Eigenschaften eines Dinges in seiner Äußeren Erscheinungsform (visibilis forma) und in seinem inneren Wesen (invisibilis natura). Bezieht man dies nun konkret auf Steine - so sind vor allem Farbe, Leuchtkraft und Form, aber auch dessen Wärme bzw. Kälte, Härte oder Weichheit, die Bearbeitbarkeit und sogar seine Herkunft (Fundort) für die allegorische Deutung bedeutsam. Es gibt sogar Deutungen, die den Geruch, den Geschmack, den Ton, elektrische, medizinische oder magische Wirkungen der Steine betreffen. Die chronologische Linie der Edelsteinallegorese führt über Philon von Alexandrien (10 v. Chr. - 40) zu Clemens von Alexandrien (um 150-215), dann über Origenes (um 185-254) zu den nachfolgenden griechischen und

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lateinischen Autoren der Väterzeit. – diese Autoren lebten alle im 2. und 3. Jh. nach Christus. Richtungsweisend war jedoch vor allem Origenes. Philon von Alexandrien hat bereits die vier Paradiesflüsse der Genesis mit Steinen in Verbindung gebracht. Die vier Paradiesflüsse stehen in moralischer (tropologischer) Deutung für die vier Kardinaltugenden (Klugheit/Weisheit, Tapferkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit). Phison (Pischon), der erste Fluss, bedeutet die Klugheit (sapientia/prudentia). Das Gold sowie die Edelsteine des Flusses sind nach der Septuaginta der Karfunkel (Rubin) und der Prasinus, worunter Philon den grünen Saphir versteht. Das Gold des Flusses steht für die Klugheit. Die Edelsteine repräsentieren Menschen, die diese Klugheit als kontemplative Haltung besitzen. Für die Edelsteinallegorese der Kirchenväter wurde vor allem das Werk des Epiphanius von Salamis (um 315-403) bedeutsam. Sein Werk de duodecim gemmis ist das erste christliche Steinbuch. Es behandelt ausführlich die größte Steingruppe des Alten Testaments, nämlich die zwölf Steine auf dem Brustschild des Hohepriesters. --> Bild aus Uta-Codex mit Hohepriester Die der Krone applizierten Edelsteine entsprechen für viele Exegeten auch den für die Unsterblichkeit qualifizierenden Tugenden oder sie stehen direkt für die Seligen und die Heiligen. Hierfür lässt sich z. B. Victricius von Rouen (Ende 4. Jh.) anführen, der in Anspielung auf die zwölf Juwelen der Himmelsstadt feststellt, Gott habe die Kronen der Märtyrer aus kostbaren Steinen zusammengesetzt, die zwölf Tugenden entsprächen. Hieronymus bezeichnet im Zusammenhang mit der Auslegung des Propheten Jesaja das Himmlische Jerusalem sogar als kaiserliches Diadem in der Hand Gottes, das dereinst Christus schmücken werde. Dieser wird infolgedessen mit den Siegen jener Märtyrer gekrönt, die dieses Diadem gleichwie Edelsteine zieren. Hieronymus fährt damit fort, dass jeder Gläubige, der sich als solcher Edelstein erweist, Christus in dieser Hinsicht zu krönen vermag. Die größte Bedeutung im Neuen Testament erlangten die Edelsteine jedoch als Verkörperung des Himmlischen Jerusalem in der Offenbarung des Johannes. Bild Reichskrone -- > evtl. Bild Kronleuchter Hildesheim / Großkomburg

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Die gleich einem Edelstein schimmernde Stadt mit Straßen aus purem Gold zählt als Grundsteine zwölf Steine namentlich auf. Diese Steine zeigen drei Grundfarben Blau (Saphir, Hyazinth, Sardonyx) mit der Nebenfarbe Purpur (Amethyst), dann Grün (Jaspis, Smaragd, Beryll, Chrysopras) vielleicht auch Topas, der auch rötlich sein kann und die weißen Steine (Jaspis, Beryll, Bergkristall, Perle). Dieses Farbkonzept findet sich auch auf der Reichskrone wieder; Blau-Grün-Weiß daneben auch Rot bzw. Braun.] Blaue Steine In der Deutung der Steine auf dem Brustschild des Hohepriesters steht der Saphir mit der Inschrift des Dan nach seinem Aussehen für das König- und Richtertum dieses Stammes und damit auch für die spirituelle Königswürde der Christen, meint aber zugleich den Antichristen, der aus diesem Stamm hervorgeht. An blauen Steinen kennt die Edelsteinallegorese vor allem den Saphir und den Hyazinth (Zirkon). Während für den Hyazinth die blaue Farbe in der Deutung oft hinter anderen Eigenschaften zurücktritt, ist sie für den Saphir die Proprietät schlechthin. Die Deutungsmöglichkeiten der blauen Farbe waren jedoch von Anfang an gering. Der vorgegebene Deutungsansatz war das Blau des Himmels, die Hoffnung auf den Himmel, das Verlangen nach ihm, ein am Himmlischen orientiertes Leben (Phil 3, 20), die auf das Himmlische gerichtete Kontemplation und Christi himmlische bzw. göttliche Natur. Der Saphir wird aber auch als Priesterstein bezeichnet. Gleichzeitig ist er nach der Damigeron-Marbod-Tradition, der medizinisch-magischen Überlieferung, der Königsstein. Rote Steine Als roter Stein gilt in der Edelsteinallegorese vor allem der Sarder (Karneol), aber auch der Karfunkel (Rubin), gelegentlich auch der Topas. Zur Allegorese wird die Farbe genauer als Feuerrot, Blutrot, Farbe roter Erde oder Farbe des Fleisches bestimmt.

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Nach diesen Dingen erhält der Stein seine allegorische Bedeutung. In den lateinischen und griechischen Apokalypsekommentaren wird der rote Stein zum Zeichen für im geistigen Sinn Feuriges, das Erfülltsein mit dem Feuer des Heiligen Geistes oder die feurige Haltung Christus gegenüber. Er steht aber auch für das mit Feuer geschehende Weltgericht am Jüngsten Tag. Es gibt auch griechische Exegeten, die den Sarder auf den Apostel Philippus deuten. Die geläufigste Deutung der roten Steinfarbe ist jedoch als Blutfarbe, die in der Apokalypseauslegung seit Beda nachzuweisen ist und damit für die Passion Christi und das Martyrium steht. Der Karfunkel trägt in der Deutung der Steine auf dem Brustschild des Hohepriesters den Namen Juda. Juda, der die Klugheit in seiner Haltung vertritt, steht für den dankend Bekennenden, was nach Gen 29,35 sein Name besagt. Der feurige rote Karfunkel entspricht nach Philon dem Trunkensein in nüchterner Trunkenheit des Kontemplativ-Klugen. In der Auslegung des Severian von Galaba (vor 380 - nach 408) verweist der rote Stein als Stein Judas auf das Amt des Königs mit Wohltun und Bestrafen, wie das Feuer des Karfunkels erleuchten und verbrennen kann. Dieses Königtum ist dem Stamm Juda gegeben und soll in das geistige Königtum Christi münden. Die Ähnlichkeit des Steins mit roter Erde, die von Gregor für den Sardonyx gebraucht wurde und von Ambrosius Autpertus (ca. 730-784) auf den Sarder (Karneol) übertragen wurde, sollte an Adam und dessen Namen "rote Erde" erinnern. Diese Deutung ruft die Herkunft des Menschen von Adam ins Gedächtnis. Damit mahnt die Farbe an die menschliche Schwachheit. Der Karfunkel gilt als ein von sich aus leuchtender Stein. In der Allegorese wird dieses endogene Leuchten meist als ein im geistigen Sinn Leuchtendes verstanden. Als solcherart leuchtender Stein gilt in erster Linie Christus, danach Maria vor allem wegen ihrer Barmherzigkeit, die Apostel, die Evangelisten, das Wort Gottes, die Weisheit sowie Predigt und Lehre, der christliche Glaube, der Eifer für Gott, die Liebe und Geduld und der Gott zugewandte Mensch.

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In der hochmittelalterlichen Exegese gibt es auch Verbindungen zwischen Saphir und Karfunkel, die mit dem Fundort zu tun haben, da beide Steine oft an den gleichen Orten gefunden werden. Grüne Steine Als grüne Steine gelten in der Edelsteinallegorese in erster Linie der Jaspis und der Smaragd (bei Philon der Prasinus). Darüber hinaus besitzen auch noch der Beryll, Chrysopras und selten der Topas die grüne Farbe. Die häufigste Auslegung für das Grün ist die Assoziation mit dem Pflanzengrün in der Natur. Dadurch kann der Exeget über die Eigenschaften der Pflanze zu einer Auslegung gelangen. Während die Pflanzen welken, steht das Grün der Steine für etwas unverwelkbares, den Glauben, die Hoffnung und Christus, die Kontemplation und das ewige Leben. Bei Philon von Alexandrien bezeichnet der Prasinus (grüner Saphir) wie bei Epiphanius der Smaragd den Stamm Levi und sein Priestertum, das sich durch geistiges Grün auszeichnet. Bei Beda wird noch die Qualität der Feuchtigkeit des Pflanzengrüns in die Auslegung mit hineingenommen. Bei ihm wird das Grün des Glaubens durch die spirituelle Feuchtigkeit gestärkt. Nach Alkuin deutet die grünliche Farbe des Jaspis auf die grünen Wiesen des Paradieses und ihre Lebensfülle. Dies ist eine Metapher für die Göttlichkeit Christi und das ewige Leben. Die Steinfassung spielt ebenfalls eine Rolle. Ist der Stein in Gold gefasst, so wird das Gold als Gold der Liebe, der Weisheit, der Gottheit oder der Ewigkeit ausgelegt. Rabanus Maurus kommt aufgrund der Eigenschaftsbeschreibung der Steine bei Isidor und Beda (673-735) zu der Signifikanz der Edelstein-Gold- Kombination. Er schreibt "dieses Paar ergänzt sich wie Gold und Smaragd, das heißt ein mit Liebe (Gold) praktizierter Glaube (Smaragd)." Dem Topas misst Rabanus die größte Bedeutung für die Könige zu, da er sie an das himmlische Leben und den göttlichen Glanz gemahne. Das Grün des Chrysoprases ist nach Richard von St. Viktor (ca. 1110-1173) das niemals verwelkende Verlangen nach der Ewigkeit.

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Andreas von Caesarea bezieht in seine Grünvorstellung auch den Bereich des Bleichen und Fahlen ein. Als fahle, bleiche Farbe kann das Grün den Tod Christi bedeuten oder für die Abtötung der Leidenschaften im Glauben an Christus. Als fahl gelten in der Edelsteinallegorese vor allem der Chalzedon und der Beryll. Der Beryll gilt ursprünglich als einfarbig hellgrüner Stein. Nach Isidor (um 560- 636) sieht er aus wie ein fahler Smaragd. Der fahlgrüne Prasinus ist für Philon ein Zeichen der auftreibenden und schwächenden mühsamen Arbeit und der Furcht, das Ziel der Gebete könnte versagt sein. Perlen Die Deutung der Perlen an der Reichskrone wurde bisher stark vernachlässigt. Die Perle gilt allen Völkern aufgrund ihrer runden Form und ihres Glanzes als Inbegriff der Vollkommenheit. Sie kommt nicht wie die Edelsteine aus der Erde, sondern entstammt dem Meer. Die Perle stammt aus des Himmels Hochzeit mit der Erde und legt, in der Muschel empfangen und gebildet, Zeugnis ab vom Ursprung des Vollkommenen aus der Vereinigung der Höhe mit der Tiefe. Besonders verbreitet war die Mythe von Tau und Perle. Sie beginnt bei Plinius, führt dann über den Physiologus vom 2. Jahrhundert an zu Clemens von Alexandrien, Origenes und Ephraem dem Syrer und ist ohne Unterbrechung bis ins 19. Jahrhundert zu Goethes Divan zu verfolgen. Besonders bedeutsam wurde die Vorstellung, die Perle habe mehr vom Himmel als vom Meere und sei aus einem Tropfen Tau, der von der auf der Meeresfläche schwimmenden Muschel aus der Höhe empfangen worden, um ihn hinabgetaucht, in die Perle zu verwandeln. Neben dieser reichen Tradition steht eine weitere, weniger weit verbreitete, doch von der Antike bis in die Barockzeit zu verfolgende Mythe von der Entstehung der Perle aus dem Blitz. Der älteste Beleg hierfür findet sich bei Clemens von Alexandrien (geb. um 150)

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"Eine Perle ist auch der durchleuchtende und reinste Jesus, den die Jungfrau aus dem göttlichen Blitze geboren hat. Denn wie die Perle, in Fleisch und Muschel und Feuchtigkeit geboren, ein Körper ist, feucht und durchscheinend von Licht und voll von Pneuma, so ist auch der fleischgewordene Gott-Logos geistiges Licht, hindurchscheinend durch (Licht und) feuchten Körper." Nach OHLY bietet Ephraem der Syrer den größten christlichen Perlentext der Frühzeit. Er wurde überliefert als Predigt gegen die Häretiker über die Jungfrauengeburt Marias und war bereits im 5./6. Jahrhundert sehr verbreitet. Er stellt die Perle als Beispiel der Verbindung zweier Naturen in Christus den Häretikern entgegen. "Die Perle ist ein Stein aus Fleisch geboren, denn aus dem Schaltier kommt sie hervor. Wer kann da länger der Tatsache Glauben versagen, dass auch Gott aus einem Leibe als Mensch geboren wurde? Jene entstehen nicht durch Begattung der Schnecken, sondern durch eine Mischung des Blitzes und des Wassers: also ist auch Christus empfangen in der Jungfrau ohne Fleischeslust, indem der Heilige Geist aus dem gemischten Stoffe der Jungfrau für Gott die körperliche Ergänzung herstellte... Dieser Edelstein hat an zwei Naturen Teil, um auf Christus zu weisen. Die Schönheit der Perle verweist außerdem auf die Gottheit, der helle Glanz auf deren körperliche Ergänzung hin. Vom Menschlichen hat sie die Härte, vom Himmlischen das Leichte. Dieser Text jedoch wurde bis ins Hochmittelalter im Westen nicht rezipiert. Wir finden diese Mythe ausschließlich in griechischer Sprache überliefert. Für Rabanus Maurus verkörpern die Perlen wie die Edelsteine die Hoffnung auf das Himmelreich oder die Liebe und das süße himmlische Leben Was spricht für Kaiser Heinrich II. als Stifter der Reichskrone? • Heinrich war ein ausgebildeter Kleriker, der für ein Bischofamt vorgesehen war und als einer der gebildetsten Kaiser des Mittelalters gilt (es gibt von ihm selbst diktierte Urkunden und von ihm verfasste Inschriften in Handschriften und auf liturgischen Geräten) • Heinrich verkörpert ein alttestamentarisches Königtum. Er fühlt sich als Teilhaber am Bischofsamt wie es in der Krönungsliturgie beschrieben wird • Königtum ist für ihn Priestertum • Er verspürte große Nähe zu König David = gerechter Richter - und Salomon – da er als Tempelbauer tätig wurde z. B. am Bamberger Dom.

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• Er ließ sich in der Buchmalerei in sehr ähnlicher Weise darstellen wie die Könige David und Salomon auf der Reichskrone • seine Stiftungen wertvollen liturgischer Geräte, wie Gemmenkreuze, goldene Altarverkleidungen und Votivkronen übersteigen die aller anderen mittelalterlichen Herrscher • Bamberg galt als Ort wo sich Berge von Gold und Edelsteinen häuften und besaß wahrscheinlich eine Goldschmiedewerkstatt • das Kronenkreuz geht mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ihn zurück • manche Forscher schreiben ihm auch die Emailplatten zu • er sah sich in der Nachfolge Kaiser Konstantins und Karls des Großen • er beschenkte die Aachener Marienkirche mit einem großen Kirchenornat bestehend aus einem goldenen Ambo, einem goldenen Altarvorsatz, einem Evangeliar und vielleicht auch der Reichskrone