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Matthias Marschik und Gabriele Dorffner: Der Bisamberg#

Bild 'Dorffner'

Matthias Marschik und Gabriele Dorffner: Der Bisamberg. Der transdanubische Wächter. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 120 S., ill., € 19,50

Der 358 Meter hohe Bisamberg ist der nördlichste Ausläufer der Alpen, von denen ihn die "Wiener Pforte" trennt. Der Donaudurchbruch macht ihn zur höchsten Erhebung von "Transdanubien". Der Bergrücken aus Sandstein besitzt keinen markanten Gipfel. Ihn ziert keine Burg, weder Kirche noch Schloss, auch Aussichtswarte und Ausflugsrestaurant fehlen. Weder eine Höhenstraße noch eine Bergbahn führen hinauf, auch ausgeschilderte Wanderwege sucht man vergebens. Im Gegensatz zum Kahlen- und Leopoldsberg mit ihren zahlreichen Attraktionen ist der Bisamberg ein Terrain für Einheimische, wissen Matthias Marschik und Gabriele Dorffner.

Die Autoren haben sich in ihren Büchern schon mehrfach mit den Gegenden jenseits der Donau beschäftigt, wie Die Donauwiese (2019) oder Donaustädter Attraktionen (2021). Der Kulturwissenschafter Matthias Marschik erkundete den Bisamberg zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Die Historikerin Gabriele Dorffner kennt die Region durch ihre Tätigkeit im Bezirksmuseum Floridsdorf. Der aufschlussreiche neue Bild-Text-Band präsentiert den "transdanubischen Wächter" als Gegend der Kontraste - zwischen Kellergassen und Mittelwellensender. Seit 100 Jahren verläuft die Grenze von Wien und Niederösterreich über den Berg. Außerdem markiert er die Grenze zwischen Marchfeld und Tullnerfeld.

Die Geschichte der meisten Dörfer am Berghang begann im 12. Jahrhundert. Die Bewohner betrieben Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Weinbau. Heute sind die alten Ortskerne von Neubauten umzingelt. 1909 hieß es in einem Kurorte-Führer, der Markt Bisamberg besitze alle Vorzüge einer ruhigen, echt ländlichen Sommerfrische wie Promenaden, Schlosspark, und Strombad. Seine (seit 1970) Katastralgemeinde Klein-Engersdorf wurde schon um 1100 erwähnt. Das Dorf blieb ein beschaulicher Ort, der von Landwirtschaft und Weinbau lebte, wenn nicht gerade ein Manöver des Heeres für Hektik sorgte. Alte Postkarten zeigen Langenzersdorf als Siedlung am Fuß des Berges oder an der Donau gelegen. Wegen der Überschwemmungen schmiegte sich das Straßendorf an den Berg. Stammersdorf war ein beliebter Ausgangspunkt für Ausflüge mit anschließendem Heurigenbesuch. Ab 1886 brachte die Dampftramway, ab 1912 die "Elektrische" Wanderer nach Stammersdorf. Als sich die Schulbrüder in Strebensdorf ansiedelten, änderte das den Charakter des Ortes grundlegend. Seither überragt das "Pensionat St. Joseph" das Ortsbild. In Hagenbrunn bestand im 17. Jahrhundert ein Schloss, das vom Stift Klosterneuburg übernommen wurde. Später verfiel das Bauwerk, 1803 kauften es zwei Bauern und ließen es abreißen. Die friedlich wirkende Gegend rund um den Bisamberg wurde für militärische Zwecke genutzt. Ein Bild des Feldmanövers von 1856 zeigt Kaiser Franz Joseph mit seinen Soldaten. Ein Jahrzehnt später begann man vor dem Preußisch-Österreichischen Krieg mit dem Bau von Befestigungsanlagen. Im Ersten Weltkrieg wurden Geschütze, Beleuchtung- und Fernsprecheinrichtungen positioniert, Eisenbahnwerkstätten, Munitionsmagazin und der Autokader errichtet. Auch der Zweite Weltkrieg zog die Gegend in Mitleidenschaft. Überall kann man Überreste militärischer Anlagen erkennen.

Heute sind zwei Drittel des Bisamberges bewaldet, vor 200 Jahren waren zwei Drittel Grünflächen und Äcker, 20 Prozent dienten dem Weinbau. Die Aufforstung begann um 1900. Schon damals kannte man die so genannte Tausendjährige Linde auf der Elisabethhöhe. Auf halbem Weg vom Ort Bisamberg dorthin befand sich (bis in die 1950er Jahre) eine Waldandacht. Auf dem Gipfel stand seit 1908 ein Schutzhaus, das sich "schönster Ausflugsort an der Nordwestbahnstrecke" nannte. Der ursprüngliche Ausstellungspavillon stand nur ein Jahrzehnt auf der Elisabethhöhe. Auch die Nachfolger hatten kein Glück. Den ersten Neubau zerstörte ein Sturm, den nächsten wenig später ein Brand. Dann bestand der Betrieb bis in die 1950er Jahre. Eine Ansichtskarte zeigt die Terrasse des Gasthofs mit einem Esel und künstlerisch gestaltetem Zaun. Der repräsentative Magdalenenhof war Verwaltungsgebäude eines Gutes, Villa und Jagdschloss. Ende des 19. Jahrhunderts bewohnte ihn der Sozialpolitiker Karl Vogelsang. Auch Denkmäler findet man beim Bisamberg, wie den 1691 gestifteten Kreuzweg mit elf Stationen. Ein Obelisk erinnerte an französische Soldaten (1809). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er, nun mit einem Kaiserbildnis versehen, zum Kriegerdenkmal. Seine Reste hat der Museumsverein 1957 als Eichendorff-Gedenkstein umfunktioniert. Die modernste künstlerische Intervention ist der 777 Meter lange Skulpturenpark in Hagenbrunn. Seit 1999 befinden such dort Werke internationaler Künstler.

Weitere Kapitel beschäftigen sich mit dem Gänsehäufel-Gründer und Naturapostel Florian Berndl, der auf dem Bisamberg Zuflucht fand, dem Mittelwellensender, dessen Sendemast mit 265 Metern das höchste Bauwerk Österreichs war, doch 2010 gesprengt wurde, mit Heurigenbetrieben, Kellergassen und Weingärten sowie dem aktuellen Thema "Bewegung und Sport". Im Herbst lädt die Gemeinde Wien zu Weinwandertagen ein. Eine der Hauptrouten führt von Strebersdorf über den Bisamberg nach Stammersdorf. Für etliche Wienerinnen und Wiener ist dies der einzige Grund für einen Ausflug nach Transdanubien, schließen Matthias Marschik und Gabriele Dorffner ihr interessantes Buch.

hmw