Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Alltagsreligiosität#

"Krisen und Katastrophen galten lange als Einbruchsstellen des Bösen und Folgen der Sünde. Um sie zu bewältigen, begegneten ihnen die Menschen der Vormoderne vor allem mit Gebet und rituellen Strategien", schreibt Univ. Prof. Dr. Jürgen Bärsch. Der Inhaber des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt spricht nicht von Aberglauben, sondern von "Alltagsreligiosität" bzw. "Breitenreligiosität", um vormodernes religiöses Denken zu charakterisieren.

Der spätantike Bischof Gregor von Tours (538-594) formulierte die Vorstellung, die bis in die frühe Neuzeit hineinwirkte: Wohlverhalten sichert Glück und Segen, Ungehorsam gewärtigt Gottes Zorn, dem eine gerechte Strafe folgt. Der Teufel und seine Dämonenschar verführen die Menschheit zu Bosheit und Sünde und schaffen Unheil. Nach dieser Anschauung schließen Menschen einen Pakt mit dem Bösen, um über Zauberkräfte zu verfügen.

Um sich gegen dämonische Attacken zu wappnen, sollte man sich häufig bekreuzigen und beten. Heilige Zeichen und Texte würden den Widersacher vertreiben. Als materieller Segensträger und häuslich-familiäres Mittel der Alltagsreligiosität galten vor allem Weihwasser und Lichtmesskerzen . Weitere Sakralmedien der "geistlichen Hausapotheke" waren u.a. religiöse Bilder. Figuren, Gebetszettel, Schutzbriefe , Medaillen Skapuliere, Rosenkränze und Reliquienkapseln, Amulette, Zauberrollen, Korallenäste Segenszeichen und Segenskürzel wurden beim Hausbau integriert, Haussegen und Schutzbilder sollen Unwetter und Krankheiten abhalten. Sakramentalien wie geweihte Palmzweige oder Kräuter sollten Unheil abwehren und Segen spenden. Auch Ansprech-, Beschwörungs und Segenspraktiken erschienen allgemein und schichtenübergreifend als hilfreich.

Gemeinschaftliche Andachten sollten den vermeintlichen Gotteszorn beschwichtigen. Dabei boten sich Dabei boten sich Prozessionen und Wallfahrten an - wobei sich religiöse und profane Motive mischten. Bei drohendem Gewitter traute man Glocken Bei drohendem Gewitter traute man Glocken zu, diese abzuwenden. Der Mesner läutete sie, während der Priester vor der Kirchentüre den eucharistischen Segen in alle Himmelsrichtungen erteilte. Als dies, wie auch Prozessionen, zur Zeit der Aufklärung verboten wurde, beschwerten sich die Gläubigen und griffen zur Selbsthilfe. So entstanden Andachten und Prozessionen ohne Priester.

In seinem Resümee schreibt Jürgen Bärsch:" Angesichts des 'riskanten' Lebens griff man … unbefangen auf den breiten Fundus praktischer Heil- und Beschwörungsmittel im Grenzbereich von Magie und Religion zurück. Dies empfand man keineswegs als Konkurrenz zur *offiziellen* Liturgie, sondern als komplementäre Religionspraxis. Beides nebeneinander zu nutzen, schien legitim, den vielfältigen und stets gegenwärtigen Krisen und Konflikten zu begegnen und sie zu überwinden."

Quelle:
Jürgen Bärsch: "Wende ab von unsren Hütten Krankheit, Krieg und Hungersnoth". In: Heiliger Dienst, 2023/Heft 4