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DIE SEEGROTTE HINTERBRÜHL#

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Das kleine Volksblatt 1939

Ein außerordentliches, interessantes Naturerlebnis erwartet den Besucher in der Seegrotte Hinterbrühl, sie ist zugleich auch Europas größter unterirdischer See und zählt zu einer besonderen Sehenswürdigkeit der geheimnisvollen Unterwelt. Das ehemalige Gipsbergwerk mit seinen Labyrinth von Gängen und Stollen die durch eine Bootsfahrt erforscht, erfreut seit Jahrzehnten alle Touristen die hierher finden.

1932: Die zahlreichen Höhlen und Grotten in aller Welt sind nicht so einfach zu erreichen wie die Seegrotte in Hinterbrühl. Den Wiener Liebhabern der Höhlenromantik wird es damit sehr leicht gemacht.

Vor ein paar Jahren hat Hauptmann Bachmann am Anninger die „Dreidärrischenhöhle“ erschlossen, sie ist die größte Höhle des Wienerwaldes und dient seltenen Tierarten als Unterschlupf. Gestern feierte der Landesverein für Höhlenkunde in Niederösterreich die Eröffnung der Seegrotte in der Hinterbrühl gleich bei der Autobushaltestelle Helmstreitmühle, damit der Gast sein Ziel sogleich vor Augen hat.

Wer glaubt, dass ihn hier eine Tropfsteinhöhle oder Eisbildungen erwarten würde, der irrt, solche Vorstellungen soll man nicht erst aufkommen lassen. Sie ist vor allem keine natürliche Höhle, sondern ein aufgelassenes Gipsbergwerk, das trotzdem einige Besonderheiten zu bieten hätte.

Wie der berufene Beurteiler, Universitätsprofessor Dr. Kyrle, versichert, ist mit ihr ein hervorragendes Objekt dem Fremdenverkehr erschlossen worden. Das Bergwerk war ein Musterbetrieb. Die Arbeiten bei den Wassereinbruchstellen sind vorbildlich, die Abbaufelder wurden so gut abgeräumt, dass die großen Hohlräume, die man jetzt bewundert, entstanden sind. Auch nicht ein Gipswerk im Harz, in das der preußische Staat zu Versuchszwecken große Summen investiert, ist so rein gehalten. Dieses Bergwerk, betonte Dr. Kyrle, ist ein hervorragendes Exkursionsobjekt für den akademischen Lehrbetrieb, weil eine Reihe von Feinheiten wissenschaftlicher Natur nirgends wie hier zu sehen ist. So sind die Ablagerungen kleiner Kalzitteilchen, die sich schwebend auf der Wasseroberfläche halten, nur hier und an zwei Stellen im Harz festgestellt worden. Ferner findet man hier feine Ausblühungen von Gips, die man fast nur im Laboratorium herstellen kann

Im Jahr 1848 ließ der damalige Besitzer des Hügels, in dessen Inneren man heute wandelt, einen Brunnen bohren. Doch alle Bohrer zerbrachen und als man der Sache nachging, stieß man auf Gips, diesen verwendete man als Dünger. Es entstand ein Bergwerk, Stollen wurden gegraben und Hallen ausgeweitet. Von 1873 bis 1912 wurde auch ein ,großer Weinkeller aus einem riesigen, künstlich geschaffenen Hohlraum. Immer wieder brach Wasser ein; einmal waren zwei Bergleute in höchster Lebensgefahr, aber stets wurden die gefährdeten Stellen wieder durch Kunstbauten gerettet. 1918 übernahm Kommerzialrat Friedrich Fischer die Grube. Viele Lastwagen voll Holz wanderten in die Stollen, wo die Bäume vom Druck des Gesteins wie Zündhölzer zersplitterten. Dann wurde der Hauptstollen mit Ziegeln in einer Stärke von 90 cm verkleidet; aus den Ziegeln hätte man 25 Einfamilienhäuser errichten können.

Im Jahr 1924 brach Schlamm in die Grube ein; auf der Oberfläche des Hügels versank ein Nussbaum, ihn hatte buchstäblich die Erde verschlungen. Das Wasser wurde bekämpft, doch es blieb Sieger. Es entstanden zwei Seen, der eine 4000, der andere 300 m² groß, der Ertrag ging langsam dem Ende zu. Ein Teil der Höhlen wurde einige Zeit zu einer Champignonzucht verwendet, dann wurde auch diese beendet, bis der Landesverein für Höhlenkunde sich des verlassenen Bergwerks annahm. Harte Anstrengung kostete es die Abfallprodukte aus den Schächten zu räumen um die Höhle wegbar zu machen, so dass nun eine Hälfte des unterirdischen Labyrinths 2.8 km, zugänglich gemacht waren. Es bestand die Absicht, aus dem unteren See 12.000 Hektoliter Wasser auszupumpen, um den Raumunterschied zwischen Wasserspiegel und Felsdecke zu vergrößern; dann wird man das Schauspiel genießen, im Glanz von Scheinwerferbeleuchtung vierzig Meter unter der Erdoberfläche im Kahn rudern zu können, sicherlich kein alltägliches Vergnügen

Gestern war die feierliche Eröffnung, Obmann des Landesverein für Höhlenkunde Dr.Schönfeldner und andere Persönlichkeiten waren bei der Feier zugegen. Dann verschwand die erste Gruppe von Besuchern mit brennende Kerzen im Schacht. 400 Meter geht man durch Ziegelwände, die Gleise der Hunter und die Ausweichnischen für die Bergleute erinnern an den einstigen Zweck. Später gelangten man in große Hohlräume, an deren Wänden graue, weiße und rohe Gipsbildungen glänzten oder Versinterungen vom Kalkgehalt des Wassers berichten.

In einem Museum wurde alles zusammen getragen, das vom Bergbau übrig blieb, darunter auch wunderbare Mineralienfunde. Auch eine St. Barbara Kapelle blieb erhalten.

1934: Der Fährmann wurde mit dem Wort „Bosch“ gerufen, ein alter Gruß der Höhlenforscher, dessen Ursprung im 97. Regiment am Karst zu finden ist.

Zweieinhalb Kilometer lange Gänge, mit großen Hallen, in zwei übereinander liegendem Stockwerken der Seegrotte führen in das Berginnere des Wagnerkogels, an die Stätte einstiger Bergknappen. Vor einem finsteren Gang wurde halt gemacht, an deren Seite gähnt etwas undefinierbares. Plötzlich erstrahlt ein blau funkelnder See von seltener Schönheit, die Wasserfläche einer Marmorplatte gleichend. Aus dem Gestein sprudeln unterirdische Quellen. Und noch ein See erfreute die Besucher mit seiner Schönheit. Ein Riesensaal schloss sich dem Gewässer an. Endlich hatte man die frühere Bergwerkskapelle erreicht wo nun eine Marienstatue aus Terrakotta im Scheinwerferlicht zu sehen ist, eine Tür wurde geöffnet und man betrat das Museum.

Über eine Steintreppe geht es in die Unterwelt, 50 Meter unter der Erde. Ein gewaltiger See eröffnet sich den Ankommenden, links und rechts zweigen Wasserstraßen ab. An einem Landungssteg war das Boot angelegt, das einst ein russisches Militärponton, im Dienste der ostsibirischen Armee. Im Ersten Weltkrieg wurde es bei der Mackensen Offensive vor Orsova erbeutet und kam nach abenteuerlicher Wanderung in die Seegrotte. Das Boot fasst 18 Personen und besitzt einen kleinen Außenbordmotor, Die Fahrt durch das unterirdische Wasserlabyrinth von 5800 m².

1948: Die Seegrotte in der Hinterbrühl, einst ein beliebtes Ausflugsziel, diente zuerst als Luftschutzkeller und war während des Zweiten Weltkrieg von den Heinkel Werken als unterirdische Fabrik für Düsenjäger ausgebaut. In unzähligen Tag- und Nachtschichten der Zwangsarbeit hatten Fremdarbeiter den See ausgepumpt und den Einbau der Fabrikanlagen durchgeführt. Beim Einmarsch der Roten Armee wollte man die unterirdische Fabrik mit schweren Fliegerbomben sprengen, doch nur einzelne davon sind explodiert.

Nun kann die Seegrotte dank dem Entgegenkommen der sowjetischen Besatzungsmacht wieder ihrem Zweck zugeführt werden.

Es gehört allerhand dazu, eine komplette Flugzeugfabrik aus 60 Meter Tiefe ans Tageslicht zu befördern. Zweieinhalb Jahre schuftete man um die Seegrotte wieder frei zu bekommen. Zu Pfingsten sollte sie wieder für Besucher zugänglich sein.

Umfangreiche Sprengungen sorgten dafür, dass die Stollen an verschiedenen Stellen meterhoch mit Schutt, Maschinentrümmern, zerstörte Pumpenanlagen vorzufinden waren und es kostete einen gewaltigen Aufwand an Arbeit um die Seegrotte wieder als Schaubergwerk in ihren früheren Zustand zu versetzen. Das Seebett bleibt allerdings noch trocken daher keine Motorbootfahrten derzeit möglich. Bei den Arbeiten erwies es sich dabei als großer Vorzug, dass die außerordentliche Festigkeit des Gipsgesteins jede Einsturzgefahr ausschloss.

1949: Am 4. Dezember um 11 Uhr war die Seegrotte Schauplatz der „Barbarafeier“. Die schlimmsten Jahre in der Geschichte der Seegrotte waren 1944 und 1945. Auch sie gehörten nun der Vergangenheit an. 100 Waggonladungen waren nötig um den Schutt zu entfernen. Da die Auffüllung durch die unterirdischen Quellen mindestens drei Jahre gedauert hätte, wurde der Mödlinger Bach seines Wassers beraubt indem ein Pumpwerk dafür sorgte, dass die Seegrotte rasch wieder schiffbar wurde.

Pfingstmontag, 31. Mai 2004, löste plötzlich die Bezirksalarmzentrale Mödling Alarm für die FF Hinterbrühl aus. In der Seegrotte war es zu einem Unfall gekommen. Es wurden noch weitere Feuerwehrkräfte und Taucher zur Verstärkung angefordert. Aus den verschiedenen Ortschaften trafen Feuerwehren ein, die Feuerwehr Tauchgruppe war verständigt und kam zum Unglücksort.

Die Rundfahrt am unterirdischen See war fast zu Ende, die Anlegestelle bereits zu sehen, als das mit 28 Personen besetzte Rundfahrtsboot plötzlich kenterte und mit dem Rumpf nach oben im Wasser trieb. Ein Großteil der Insassen konnte sich retten und durch das kaum einen Meter hohen Wasser zur Anlegestelle waten. Tropfnasse Menschen kamen den Einsatzkräften entgegen. Da einige Personen vermisst wurden, fuhren Feuerwehrmänner zur Unfallstelle um nach den Vermissten zu suchen, Taucher nahmen ebenfalls die Suche nach den Verunglückten auf. Eine leblose Frau konnte geborgen und zur Anlegestelle gebracht werden wo ein Ärzteteam sich ihrer annahm. Die Taucher entdeckten die fehlenden Personen unter dem Boot. Das sonst kristallklare Wasser war aufgewühlt und durch Sedimente trüb geworden, um so schwieriger ist die Suche der Taucher geworden. Endlich waren die Verunglückten mühevoll unter dem Boot geborgen und dem Ärzteteam übergeben worden. Die Wiederbelebungsversuche der zuletzt geborgenen Personen blieben vergeblich.

QUELLEN: Wiener Bilder, 13. Mai 1934, Arbeiter Zeitung, 31. Jänner 1948, Weltpresse, 2. Dezember 1949, 15. Mai 1948, OÖ. Feuerwehr, 2004 H 4, Reichspost, 9. Mai 1932, Österreichische Nationalbibliothek ANNO

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