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Die Geschichte und Bedeutung der Wiener Bezirkswappen#

Die Geschichte der Wiener Bezirkswappen ist eng verknüpft mit der Entwicklung der Stadt Wien zur Großstadt bzw. zur Reichshaupt- und Residenzstadt im 19. Jahrhundert. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bestand die Stadt Wien praktisch nur aus einem Bezirk, das ist jenes Gebiet, das in etwa heute als erster Bezirk, oder Innere Stadt, bezeichnet wird. Das Wappen von Wien bezog sich nur auf dieses Bereich. Das Stadtwappen wurde aus dem Stadtsiegel abgeleitet und dürfte im Zusammenhang mit der Verleihung des Stadtrechts 1221 durch die Landesfürsten, die Babenberger, entstanden sein. Die Babenberger führten den schwarzen Adler als Amtsträger des Heiligen Römischen Reiches bis 1230 und veränderten ihr Wappen dann in den rot-weiß-roten Bindenschild als Zeichen ihres eigenen Territoriums. Die Wiener blieben dem Adler treu, denn das älteste nachweisbare Wiener Siegel aus 1239 zeigt einen einfachen schwarzen Adler. Das eigentliche Wappen der Stadt, der Schild mit dem Kreuz, ist erstmals 1278 auf einem Wiener Pfennig zu sehen. Kreuze wurde oft in Wappen von Städten verwendet, die einen Bischof als Stadtherrn hatten. Wien ist jedoch anders, da es keinen bischöflichen Stadtherrn hatte. Der Kreuzschild kann deshalb mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die ähnlich gestaltete Fahne der kaiserlichen Truppen zurückgeführt werden. Es ist zum ersten Mal auf einem Wiener Pfennig überliefert, als König Rudolf I. Wien in den Besitz des Reiches nahm (1278). So erscheint es denkbar, dass diese Fahne Vorbildwirkung für das Stadtwappen hatte. Eine vergleichbare Entwicklung scheint auch in anderen Grenzländern des alten deutschen Reiches stattgefunden zu haben: Savoyen, Schweiz oder Dänemark. Wann genau der Kreuzschild zum ersten Mal auf die Brust des Adlers kam ist nicht gesichert. Jedenfalls ist ab 1327 ein „kleines Siegel“ des Stadtrates nachweisbar, wo erstmalig das silberne Kreuz im roten Schild die Brust des Adler schmückt.

Siegel der Stadt Wien 1327
Siegel der Stadt Wien 1327
Wiener Wappen 1461/1464 bis 1924 an der Kirche im Pflegeheim Lainz
Wiener Wappen 1461/1464 bis 1924 an der Kirche im Pflegeheim Lainz
Wiener Wappen 1938-1945
Wiener Wappen 1938-1945
Wiener Wappen heute
Wiener Wappen heute

Kaiser Friedrich III. gewährte der Stadt Wien im Jahre 1461 für ihre Unterstützung im Kampf gegen seinen Bruder Albrecht VI. eine Wappenbesserung. In einem feierlichen Wappenbrief gestattete Friedrich III. der „würdigen Stadt Wien“, den mit der Reichskrone gezierten goldenen Doppeladler mit Heiligenscheinen („Nimben“) zu führen. Zur Unterscheidung von seinem eigenen Reichsadler, der schwarz in einem goldenen Feld war, wurden die Farben umgekehrt. Die Reichskrone war die Ottonische Reichskrone des 10. Jahrhunderts, von einer Mitra getragen, mit links und rechts abflatternden Bändern, der Adler trug jedoch keinen Brustschild. Erst drei Jahre später, 1464, wurde die Brust des Adlers auch mit dem Kreuzschild versehen (Göbl:2021).

Bis ins 18. Jahrhundert sind nun die beiden Wiener Wappen, der Doppeladler mit dem Kreuzschild und der Kreuzschild allein, nebeneinander zu finden. Danach wurde die Anwendung des alleinigen Kreuzschildes zurückgedrängt und immer mehr das kombinierte Wappen mit dem Doppeladler gebraucht. Die offiziellen Publikationen des Magistrats wurden ebenso mit dem Wappen versehen, wie etwa die Straßenlaternen, Parkbänke, Gebäude oder die Wappen der städtischen Straßenbahnen. (Lind:1875:24-29)

Um die Mitte des 19. Jh. begann die Stadt rasch zu wachsen und die Vorstädte und Vororte wurden in mehreren Schritten in die Stadt, nunmehr als neue Bezirke, integriert. Innerhalb von fünfzig Jahren hatte sich das Stadtgebiet mehrfach erweitert. Fast alle um Wien herum gelegenen Vorstädte und Vororte besaßen Siegel, die sie als sichtbares Zeichen ihrer Gemeindeautonomie, teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückreichend, verwendet haben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde bei der Stadterweiterung eine gewisse Sättigung erreicht, und alle an die Stadt angrenzenden verbauten Gebiete waren eingemeindet und die Stadt Wien auf 21 Bezirke angewachsen. Durch die Eingemeindung in die Stadt konnten jedoch die ehemaligen Vororte ihre Siegel, die sie teilweise schon seit Jahrhunderten führten, nicht mehr verwenden, denn sie führten ja ab jetzt den Wiener Doppeladler. 1904/05 wurde schließlich der bekannte Heraldiker Hugo Gerard Ströhl beauftragt, die Wappen für die Bezirke zu entwerfen. Er hatte sich als Illustrator von Zeitschriften und Büchern einen Namen gemacht. Seine große Leidenschaft war jedoch das Sammeln von Wappen und deren Veröffentlichung, wobei er bereits mit mehreren Werken, darunter die Österreichisch-Ungarische Wappenrolle, die Städtewappen Österreich-Ungarns oder den Heraldischen Atlas, hervorgetreten war. Ströhl hatte schon anlässlich des Neubaus der Kirche für das Wiener Pflegeheim in Lainz im Jahre 1902 (Wiener Versorgungsheim St. Karl Borromäus), den Innenraum mit 130 Wappen der Wiener Handwerker und Berufsgenossenschaften verziert. Zusätzlich sollte nun die Fassade der Kirche mit den Wappen aller Wiener Bezirke in Majolikaausführung geschmückt werden. Ströhl sammelte nun die Siegel von allen ehemaligen Vorstädten und Vororten, die infolge der Integrierung in die Stadt nutzlos geworden waren. Die Bezirksverwaltungen führten ja ab dem Zeitpunkt ihrer Zugehörigkeit zu Wien den Adler mit dem Kreuzschild, das ehemalige Beglaubigungsmittel war nur noch eine schöne Erinnerung. Die Aufgabe Ströhls war nun aus den einfärbigen, monotonen Siegelbildern neue farbige Wappen zu gestalten. (Dont:1910) Auf diese Weise waren zunächst 20 Wappen entstanden, die die Fassade des Kirchenturms dekorierten. Der 21. Bezirk war zu spät eingemeindet worden und fand keinen Platz mehr auf den Türmen. Trotz der großen Anstrengungen, die zur Neugestaltung der Bezirkswappen führte, kam es jedoch nicht zu einer ordentlichen Verleihung durch den Kaiser. Gleichwohl könnte man den Abbildungen auf der Kirchenfassade einen gewissermaßen offiziösen Charakter beimessen, die eben auf diese Weise publiziert wurden. Man könnte deshalb auch die Kirche als die Geburtskirche der Wiener Bezirkswappen bezeichnen. Ströhl schuf sogar einen gemeinsamen Schild für alle Bezirkswappen, offenbar in Anlehnung an das große Staatswappen, was aus heutiger Sicht jedoch mehr als heraldische Spielerei als von praktischem Nutzen zu betrachten ist.(Ströhl:1904)

Kirche im Pflegeheim Lainz mit den Wappen der Bezirke 6-10
Kirche im Pflegeheim Lainz mit den Wappen der Bezirke 6-10
Kirche im Pflegeheim Lainz mit den Wappen der Bezirke 16-20
Kirche im Pflegeheim Lainz mit den Wappen der Bezirke 16-20

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die durch diesen verursachten Umbrüche, ließen kein günstiges Klima für die Weiterentwicklung der Bezirksheraldik entstehen, überdies brachten die Bezirke ihrem heraldischen Symbol kein besonderes Interesse entgegen. Ebenso schenkte weder das Wiener Wappengesetz von 1925, noch seine Wiederverlautbarung 1946, den Bezirkswappen Beachtung. Dies ist nicht weiter erstaunlich, da die Wappen und deren Gebrauch immer im Zusammenhang mit dem Adelswesen gesehen wurde. Da jedoch der Adel und sogar die bürgerlichen Wappen in Österreich seit 1919 gesetzlich abgeschafft worden waren, reduzierte sich die aktive Anwendung und die Pflege der Heraldik lediglich auf den Sektor der Gemeindewappen, abgesehen von den spärlichen kirchlichen Wappen. In diesem Zusammenhang ist auch die Umänderung des Wiener Wappens zu sehen, das 1925 erfolgte. Man griff dabei wieder auf den mittelalterlichen ungekrönten einköpfigen Adler zurück, dem eine vermeintlich weniger monarchistische bzw. habsburgische Ausstrahlung beigemessen wurde. Infolge der politischen Ereignisse und nach den Änderungen innerhalb der Bezirkseinteilung von 1938 bis 1946/54 stimmten die in den Wappenfeldern von Ströhl dargestellten ehemaligen Ortswappen nicht mehr mit den tatsächlichen Bezirksgrenzen überein. Zur Zeit des Anschlusses an Deutschland war ein Groß-Wien geschaffen worden und das Gebiet der Stadt auf 25 Bezirke angewachsen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und während der Besatzungszeit wurde Wien wieder auf seine Vorkriegsgröße zurückgeführt und zur Arrondierung des Stadtgebietes zwei neue Bezirke geschaffen: Liesing und Donaustadt. Das Interesse an heraldischen Symbolen war jedoch kein Thema – man hatte andere Sorgen. Erst nachdem sich die wirtschaftliche und politische Lage konsolidiert hatte, konnte man sich auch wieder um andere Frage kümmern.

In den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts bildete sich zunehmend ein Bewusstsein heraus, dass kleine überschaubare Räume in Verwaltung und Wirtschaft propagierte. Nicht mehr große unübersichtliche Verwaltungsstrukturen waren das politische Ziel, sondern eine Förderung regional begrenzter Bereiche, in denen sich die Bevölkerung, die Bezirksbewohnerinnen und –bewohner, heimisch fühlen und die Liebe und Zuneigung zu ihrem auf in Wienerischer Mundart sogenannten „Hieb“ oder „Grätzel“ stärken konnten. Nicht mehr die Wiener Großstadtverwaltung, der Magistrat, sondern die Verwaltung der Bezirke wurde gestärkt. Dabei darf auch nicht außer acht gelassen werden, dass in einigen Wiener Bezirken mehr Menschen wohnen, als in so mancher österreichischen Stadt. Deshalb ging man auf die Suche nach einem gemeinsamen Symbol, das die Bezirksidentität repräsentieren könnte. Die immer zahlreicher werdenden Anfragen nach den ehemaligen Bezirkswappen veranlassten schließlich das Wiener Stadt- und Landesarchiv, die erste Anlaufadresse in dieser Sache, Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, eine Neugestaltung der 23 Bezirkswappen vorzunehmen. In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Bezirken, mit der Bezirksvorstehung als politischer Instanz und dem Bezirksmuseum als fachliche Beratung, ließ man in enger Anlehnung an die Bezirkswappen von Ströhl, auch teilweise neue Wappen entwerfen und in graphisch einheitlicher Form ausarbeiten. (Wiener Stadt- und Landesarchiv: Entwürfe der Bezirkswappen) Dieser Gestaltungsprozess zog sich in die Länge und hätte zusammen mit dem neuen Landesgesetz über die Symbole der österreichischen Bundeshauptstadt vom Wiener Landtag 1998 verabschiedet werden sollen. (Landesgesetzblatt für Wien Nr. 10/1998, vom 12. Februar 1998) Letztendlich gelangten jedoch wiederum nur das Wappen, die Siegel, Farben und Flagge von Wien zur Abstimmung. Die Bezirkswappen wurden erst fünf Jahre später durch eine private Initiative in Form eines Buches publiziert und gelten auf diese Weise als eingeführt. Um nicht den Eindruck zu erwecken, dass in dem Buch zu viel über Wappen berichtet würde, änderte man den Titel des Buches auf: „Die Wiener Bezirke – Ihre Geschichte – Ihre Persönlichkeiten – Ihre Wappen“ um. Wappen werden also erst an dritter Stelle genannt. Im Grund ist es jedoch eine Abhandlung über die Bezirkswappen. Da das Buch in Anwesenheit des Wiener Bürgermeisters präsentiert wurde, und der Bürgermeister nicht zögerte deren „Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit“ hervorzuheben, gelten die Wappen seit dieser Präsentation als eingeführt. (Diem/ Göbl/ Saibel: 2002) Seit damals sind die Abbildungen aller Bezirkswappen auch auf der offiziellen Homepage der Wiener Stadtverwaltung zu finden http://www.wien.gv.at/bezirke/bezirkswappen

Gestaltungsgrundsätze#

Berücksichtigt man die langwierige Entstehungsgeschichte und begreift man die Wappen als Symbole der Identität der früheren Siedlungen, die heute im Bezirk aufgegangen sind, so muss man zu gestehen, dass die Gestaltung der Wappen mit den heraldischen Grundsätzen nicht immer in Einklang zu bringen ist. Am Anfang aller Überlegungen stand die politische Forderung, dass jeder Bezirksteil durch ein Feld im Wappenschild vertreten sein sollte. Damit sollte sichergestellt sein, dass alle früher selbständigen Orte durch ein Symbol repräsentiert werden konnten. Dabei kam es leider manchmal zu ziemlich unübersichtlichen aufgeblasenen Konstruktionen, mit acht und sogar neun Feldern. Um jenen Bezirksteil, der dem Gesamtbezirk heute seinen Namen gab, hervorzuheben, wurde ihm die heraldisch vornehmste Stelle im Schild eingeräumt. Der vornehmste Platz im Schild ist, vom Betrachter aus gesehen, bei einem zweiteiligen: oben und bei drei und vierteiligen: links oben; oder falls bei einem mehrteiligen Schild ein Herzschild verwendet wird, eben der Herzschild in der Mitte. Dieses Prinzip konnte nicht durchgängig eingehalten werden, da es Bezirke gibt, die nicht in dieses Schema passten.

Die Bedeutungswurzeln der Bezirkswappen
Die Bedeutungswurzeln der Bezirkswappen

Die Bedeutungswurzeln der Bezirkswappen#

Die Heraldik hat in ihrer achthundertjährigen Geschichte eine bildhafte Sprache mit vielfältiger Symbolik entwickelt, die auch bei den Gemeindewappen zum Ausdruck kommt. Die Bezirkswappen sind zwar vielfach aus den Siegeln der Vorstädte und Vororte hervorgegangen, dies erklärt aber noch nicht die Motive, die zu den einzelnen Darstellungen und Figuren geführt haben. Grundsätzlich lassen sich die Wappenfiguren in vier Bedeutungsinhalte einteilen. Da die meisten Bezirkswappen aus mehreren Feldern bestehen, treten die verschiedenen Bedeutungsinhalte fast immer gleichzeitig auf. Jede Bedeutungswurzel kommt in einem anderen Feld zu tragen und gibt dem Bezirk seinen spezifischen Charakter. (Göbl: 2003)

  • Namensableitung

Die beliebteste davon ist zweifellos die Gruppe der Namensableitungen, d.h. die Darstellung des tatsächlichen oder vermeintlichen Bezirksnamens als Wappenfigur. Hier das Beispiel des 11. Bezirks, Simmering. Da der Bezirk aus drei ehemaligen Dörfern besteht ist der Schild durch Göppelschnitt dreigeteilt, rechts oben in Blau der Buchstabe „S“, der den ersten Buchstaben des Namens Simmering darstellt. Links oben in Gold ein schwarzes springendes Einhorn. Das Einhorn ist dem Wappen der Herren von Hintperg-Ebersdorf entnommen, die lange Zeit die Grundherren waren, bevor das Dorf Simmering an den Landesfürsten fiel. Der Name wurde urkundlich schon 1162 als „Ebersdorf“ erwähnt und kam 1499 durch Tausch an Kaiser Maximilian I., wobei er nunmehr auf „Kaiser-Ebersdorf“ erweitert wurde. Das untere Feld, in Rot ein blauer Kreis, belegt mit zwei gekreuzten silbernen Fischen bezieht sich auf das frühere Dorf Albern und den dort betriebenen Fischfang in der Donau.

Simmering Landstraße Wieden#

Simmering mit Erläuterung
Simmering mit Erläuterung
Landstraße mit Erläuterung
Landstraße mit Erläuterung

Wieden nach Siegeln von Ströhl ergänzt
Wieden nach Siegeln von Ströhl ergänzt

Die Ableitung des Namens führt jedoch auch öfters zu Irrtümern, da die Etymologie des Namens früher nicht immer richtig verstanden wurde. Als Beispiele kann hier ein Teil des dritten Bezirks, angeführt werden, der Erdberg genannt wird. Das Wappen zeigt im blauen Feld auf grünem Boden zwei silberne Erdbeerblüten überhöht von einer roten Erdbeere. Die Siedlung Erdberg wurde als „Ertpurch“ bereits im Jahre 1192 erstmals erwähnt. Der Name leitet sich von einer aus Erde gebauten Befestigung ab, die als Zufluchtsstätte diente und später als Erdberg oder Erdburg bezeichnet wurde. Die lautmalerisch ähnlich klingenden Worte Erdberg und Erdbeere führten zur Aufnahme dieser Pflanze in das Wappenfeld. Man kann dieses bereits auch auf dem alten Siegel der Gemeinde sehen, das aus dem Jahre 1816 stammt.

Ein anderes Beispiel für unrichtige Namensetymologien ist das Wappen des vierten Bezirkes, Wieden. Betrachtet man das Siegel der ehemaligen Vorstadt, so kann man zweifelsfrei einen Baum erkennen. Als Ströhl die Siegel in Wappenbilder umsetzte, zeichnete er folgerichtig im blauen Feld einen natürlichen Baum, eine Weide, da angenommen wurde, dass sich der Name des Bezirks Wieden von einer Weide ableitete. Tatsächlich stammt der Bezirksname Wieden nicht von einer Weide. In einem Stiftungsbrief des Herzogs Leopold VI. für das Heiligengeistspital wurde jedoch das Gebiet des heutigen Bezirks als „vulgariter widem dicitur“ bezeichnet. Das heißt, dass das Gebiet als Ausstattungsgut einer Kirche oder eines Klosters bezeichnet wird, lateinisch „dos“ auf Deutsch widum oder widem, unser Wort Widmung leitet sich ebenfalls davon ab.

  • Kirchenpatron

Als zweithäufigstes Motiv taucht der Schutzpatron der Ortskirche auf. Als Beispiel das Wappen des Bezirkes Leopoldstadt. Der dreiteilige Schild enthält rechts oben die Figur des hl. Leopold. In Silber auf grünem Boden Markgraf Leopold der Heilige im blauen Rock, gegürtet mit einem goldenen Schwert, einen roten, hermelinbesetzten Mantel tragend, auf dem Haupt den österreichischen Herzogshut, mit der Rechten ein Kirchenmodell, mit der Linken das niederösterreichische Banner, in Blau fünf goldene Adler, haltend. Der hl. Leopold ist der Schutzherr der Pfarrkirche und zugleich auch Namensgeber des Bezirks. Das Gebiet der heutigen Leopoldstadt trug ursprünglich den Namen „Unterer Werd“. Nach der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung im Jahre 1670 errichtete man an der Stelle der Synagoge eine neue Kirche und weihte diese dem hl. Leopold, dem Namenspatron des Kaisers. Zugleich erhielt die Siedlung einen neuen Namen: Leopoldstadt.

Leopoldstadt Währing#

Leopoldstadt
Leopoldstadt
Währing
Währing

Auffällig sind zweifellos die vielen Heiligenfiguren, die entweder als Ganzfiguren selbst, oder auch nur durch ihr Attribut vertreten sein können. Vom hl. Ägidius bis zum hl. Vitus verbreiten sich an die zweiundzwanzig verschiedene Heilige auf den Schildfeldern. Dazu kommen noch weitere geistliche Figuren, wie die Mitra, das Osterlamm, der Hubertushirsch, die gekreuzten Schlüssel des Petrus und Paulus, der Gitterrost des hl. Laurentius, die Zunge im Heiligenschein, die Taube des hl. Geistes und die verschiedenen Kreuzformen. Bedenkt man die zahlreichen christlichen Kirchenbauten Wiens, immerhin über 300 (nicht dazu gerechnet wurden die nichtchristlichen Kirchen), die zugleich auch unter die ältesten und künstlerisch wertvollsten Bauwerke der Stadt zu rechnen sind, und die vielen Marien- und Heiligenstatuen, die Plätze und Straßen bevölkern, so liegt nahe, dass diese auch in den Bezirksemblemen ihren symbolischen Niederschlag gefunden haben. Nicht zuletzt stellt die Form des Wiener Stadtwappens selbst ein Kreuz dar. Letztendlich sind auch fünf Bezirke aus christlichem Namensgut gebildet worden: Leopoldstadt, Margareten, Mariahilf, Josefstadt und Brigittenau, sowie weitere sechs ehemalige Orte, die heute Bezirksteile sind: Nikolsdorf, Laurenzergrund, Magdalenengrund, St. Ulrich, Sievering und Leopoldau. Weiters kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Wappenwesen an sich als eine christlich-abendländische Kulturerscheinung zu betrachten ist.

Beliebtester Heiliger ist Johannes Nepomuk, der Brückenheilige, der als Ganzfigur in den Wappen von Gaudenzdorf (Meidling) und Gersthof (Währing) vorkommt. Um den Heiligen nicht immer wieder nur als ganze Figur darzustellen, wurde er in zwei Fällen auf sein Symbol, die Zunge im Heiligenschrein, reduziert. Das Symbol des Brückenheiligen, taucht in den Wappen der Bezirke Leopoldstadt und Brigittenau auf, da der Bezirksteil Zwischenbrücken anlässlich der Verlegung der Bezirksgrenzen auf beide Bezirke aufgeteilt wurde. Die über 20 Nepomuk-Kirchen und Kapellen und 54 Nepomuk Statuen in Wien weisen nicht nur auf die vielen stattgefundenen Überschwemmungen hin, unter denen die Wiener Bevölkerung zu leiden hatte, sondern auch auf seine große Popularität als Heiliger. Nicht außer Acht gelassen werden darf seine zweite Funktion, nämlich die als sog. Frühjahrsheiligen. Der heilige Nepomuk wurde nämlich zu Beginn des Jahres angerufen, um für ausreichenden Regen für den Weinbau während der stärksten Wachstumsperiode zu sorgen.

  • Lokales Symbol

Die dritte Gruppe der Wappenfiguren, stellt die lokalen Symbole dar, die sich auf die spezifischen örtlichen Gegebenheiten beziehen und die verschiedensten Bedeutungen erlangen können. Darunter versteht man die Erwerbstätigkeit der ansässigen Bevölkerung ebenso, wie die Erinnerung an ein historisches Ereignis, das sich in das Bewusstsein der Bewohner einprägte.

An erster Stelle der lokalen Symbole ist der Weinbau zu nennen, der in der Geschichte Wiens und seiner Umgebung bis auf den heutigen Tag eine beachtliche Bedeutung hat. Die im Weinbau wurzelnde Heurigenkultur ist nicht nur weltweit berühmt, sondern spielte und spielt auch auf dem wirtschaftlichen Sektor eine große Rolle, weshalb nicht weniger als in acht Bezirkswappen Weinbaufiguren vorkommen. Das ausdrucksstärkste Symbol für den Weinbau ist die Weintraube, mit oder ohne Blätter. Sie wird verwendet in den Bezirken, die an den Hängen des Wienerwalds angesiedelt sind, also in Hernals, Reindorf, Weinhaus, Oberdöbling und Grinzing. Eine Ausnahme bildet Inzersdorf, das im Süden von Wien gelegen ist. Einen indirekten Hinweis auf die Weinkultur stellt der Winzerkorb von Liesing dar. Das achte Schildfeld gibt ebenfalls nur einen indirekten Hinweis auf den Weinbau, es handelt sich um das Wappen von Obermeidling (Meidling), wo der aus dem Schildfuß ragende grüne Hügel auf den früher bestandenen Weinbau auf den Hängen des grünen Berges anspielen soll.

Hernals Döbling#

Hernals nach Siegeln von Ströhl ergänzt
Hernals nach Siegeln von Ströhl ergänzt
Hernals mit Erläuterung
Hernals mit Erläuterung
Döbling nach Siegeln von Ströhl ergänzt
Döbling nach Siegeln von Ströhl ergänzt

Die Wiener lebten aber nicht allein vom Wein, sondern gingen auch noch anderen Beschäftigungen nach. Die Auswahl der Schildfiguren richtete sich nach den vorherrschenden ausgeübten Berufen und Handwerken, die über viele Jahrhunderte das öffentliche Leben des Stadtgebietes und seines Umlandes bestimmten und typisch für die Wiener Verhältnisse waren. Dabei sind zu unterscheiden einerseits Figuren der Industrie und des Handwerks (Kammrad, Mühlenrad, Ringofen, Schiffmühlen, Anker und Böcke), andererseits der Landwirtschaft, der Jagd und Fischerei (Ähren, Säcke, Fische, Weintrauben und Hubertushirsch).

Zur zweiten Gruppe der lokalen Symbole sind die historischen Ereignisse zu rechnen, die auf die Wappen bzw. Siegelgestaltung eingewirkt haben. Das für die Geschichte Wiens einprägsamste Ereignis ist einer historischen Begebenheit zuzuordnen, die jahrhundertlang das Stadtgebiet nicht nur bedrohte, sondern bis auf die Innere Stadt auch zweimal verwüstete: die Türkenbelagerungen. Nicht weniger als sechs Bezirke gehen in ihren Schildfiguren direkt oder indirekt auf das türkische Bedrohungsbild ein. Das unmittelbare Erleben von Gefahr, Not und Bedrohung blieb im Bewusstsein der Bevölkerung lange wach, weshalb nicht nur viele Straßennamen und Gedenkzeichen (z.B. Türkenkugeln) in der Stadt und ihrer Umgebung daran erinnerten, sondern auch der Verbreitung von Sagen Vorschub leistete.

Neubau#

Neubau mit Erläuterung
Neubau mit Erläuterung
Wappen der Kaffeesiederinnung
Wappen der Kaffeesiederinnung

Den eindeutigsten Hinweis auf die siegreiche Abwehr der Osmanen ist wohl im Kreuz über dem Halbmond im Wappen von Neubau zu erkennen. Das Wappen der Kaffeesiederinnung hat ein ähnliches Wappen (Dont1910: S. 24, Tafel X, 7) Der Bezirksname Mariahilf verdankt seine Entstehung einem Marienbild, „Mariahilf“ genannt, das in einer vom Barnabitenorden erbauten Kapelle, aufgehängt war, und sich großen Zuspruchs erfreute. 1683 konnte dieses Bild im letzten Augenblick vor den Türken in die Stadt gerettet werden, wo es sich in den folgenden Jahren in St. Michael befand. Im Triumphzug wurde daher 1689 das Gnadenbild in die sich entwickelnde Vorstadt zurückgebracht, die bald den Namen der künftigen Wall-fahrtskirche übernommen hatte. (Bandion 1988: 152f) Die intensive Verehrung Marias in Österreich ist typisch für die Zeit der Glaubens- und Türkenkriege, Maria wurde als Patronin der christlichen, katholischen Heere erwählt. (Coreth 1982, 45f.) Sichtbarer Ausdruck sind auch die unzähligen Mariensäulen in den Dörfern von Vorarlberg bis ins Burgenland. Im militärischen Bereich wies seit dieser Zeit bis 1915 die Regimentsfahne der kaiserlichen Regimenter auf der einen Seite immer das Madonnenbild auf.(Mell 1962: 29) Dies kann bis zum heutigen Tag bei den Auftritten des Garderegiments bei den offiziellen Anlässen (Angelobungen, Kranzniederlegungen, Nationalfeiertag etc.) beobachtet werden, wenn das österreichische Bundesheer mit seiner Traditionsfahne ausrückt.

Mariahilf Hietzing#

Mariahilf nach Siegeln von Ströhl ergänzt
Mariahilf nach Siegeln von Ströhl ergänzt
Mariahilf mit Erläuterungen
Mariahilf mit Erläuterungen
Hietzing mit Erläuterung
Hietzing mit Erläuterung

Die Gegend um die Mariahilferstraße hieß zuvor „Im Schöff“ (Schiff), nach dem Schild eines Gasthauses. In diesem Gasthaus sollen nach einer Sage Schiffsleute aus Schwaben, Bayern und Oberösterreich eingekehrt sein. Sie wollten, nachdem sie ihre Schiffe als Nutzholz nach Wien gebracht und verkauft hatten, dann auf dem Landweg wieder in ihre Heimat zurückreisen.(Blaschek 1926: 40f und 150f. Tatsächlich geht der Name nicht auf ein „Schiff“ zurück, wie man lange Zeit meinte, sondern auf „schephen“ (schöpfen). Gemeint ist, dass die Bergherrn von den Weinbauern an Ort und Stelle, also im Weingarten selbst, die Maischabgabe einhoben. Es gab nämlich auf dem Boden der späteren Vorstadt drei Riede, von denen das Kernstück jenes „im Schöff“ war. Als sich die Vorstadt Mariahilf im 18. Jahrhundert ein Siegel schuf, nahm man zwar den alten Riednamen als Grundlage, deutete ihn jedoch falsch und machte daraus ein Schiff mit Segeln. Gleichzeitig entstand die Sage vom Einkehrgasthaus der nach dem Westen zurückkehrenden Donauschiffer.(Pertlik 1982: 48ff; Czeike 1997: 5, 121) Das Siegel der Vorstadt zeigt deshalb auch ein Schiff mit vollen Segeln und der Figur des Don Juan d’Austria, der seinen Seesieg bei Lepanto (1571) gegen eine türkische Armada der Hilfe der hl. Maria verdankt haben soll. Womit eine heroische Tat, der Sieg gegen das Osmanische Reich, in Verbindung mit der Anrufung der Gottesmutter um Hilfe, in volksetymologischer Kombination ihre heraldische-symbolische Umsetzung gefunden hatte.

Zwei Sagen aus den beiden osmanischen Bedrohung standen ebenfalls Pate bei der Schaffung der Bezirkswappen von Hietzing und Liesing. Eine Sage berichtet, dass es 1529 gerade noch gelungen sei, das Gnadenbild aus der Hietzinger Kirche vor den anrückenden Türken zu flüchten und in einem dicht belaubten Baum zu verbergen. An eben diesen Baum ketteten die Türken vier Hietzinger Bauern, die in ihre Hände gefallen waren. Sie aber wurden auf wunderbare Weise gerettet: Sie sahen plötzlich in der Nacht das Bild leuchtend im Baum, die Ketten fielen ab und eine Stimme rief: „Hiat’s enk!“ (mundartlich für „Hütet euch!“). Noch viel augenfälliger wird im Wappen von Liesing an die Not, Elend und Zerstörungen erinnert, die der zweite osmanische Ansturm mit sich brachte. In den Wappenschild hatte man die Jahreszahl „1683“ über lodernden Flammen und einem Haselzweig aufgenommen, um derart die Sage zu illustrieren, die sich im Schlosspark von Liesing zugetragen hätte. Dabei wäre von den Türken einen Haselbaum nur deshalb verschont worden, weil er sie an ihre Heimat erinnert hätte.(Csendes 1983:S. 48, S. 36)

Nicht ganz so auf der Hand liegt der türkische Bezug im Bezirksteil von Wieden, der Schaumburgergrund. Der Name der Vorstadt geht zurück auf die zu einem Freigut erhobenen Gründe der Grafen Starhemberg, die diese Schaumburgergrund nannten, wohl in Erinnerung an die Grafen Schaunberg (verballhornt zu Schaumburg), nach deren Aussterben sie deren Besitzungen geerbt hatten. Später versteigerte das Haus Starhemberg die Gründe teilweise als Bauparzellen und übte über sie die Grundherrschaft bis 1848 aus. Ein Mitglied der Familie, Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg, spielte als Stadtkommandant von Wien während des türkischen Ansturms eine bedeutende Rolle. Für seine erfolgreiche Verteidigung war ihm 1686 eine Wappenbesserung gewährt worden, die auf seine Tätigkeit Bezug nahm. Als Wappenfigur wählte er den Südturm des Stephandoms, den höchsten Punkt der Stadt, der ihm als Beobachtungsposten gedient hatte.(Czeike 1997:5, S.68)

  • Grundherrschaft

Die vierte Bedeutung der Bezirkswappen bezieht sich auf die Übernahme von Symbolen der ehemaligen Grundherrschaft. Außer dem Landesfürsten konnten grundherrschaftliche Rechte sowohl von weltlichen Personen, meist von Adeligen, als auch von geistlichen Institutionen ausgeübt werden.

Eine für die soziale Geschichte Wiens wichtige Institution war das Bürgerspital, das in verschiedenen heutigen Bezirken Grundbesitz hatte und sich dadurch teilweise finanzierte. Deshalb weisen heute drei Bezirkswappen auf die Grundherrschaft des Bürgerspitals hin. Als erstes das Wappen von Reinprechtsdorf im Bezirk Margareten: In Rot ein blauer Reichsapfel mit goldenem Kreuz. Der Vorort Reinprechtsdorf war im 17. Jahrhundert im Besitz des Wiener Bürgerspitals und wurde 1786 an die Gemeinde Wien verkauft. Der Bezirksteil Spittelberg im Bezirk Neubau lässt sogar in seinem Namen den Bezug zum Bürgerspital erkennen. Im Wappen führt er in Rot ein mit einem blauen Reichsapfel mit goldenem Kreuz belegten Felsenberg, überhöht vom hl. Geist in Gestalt einer silbernen Taube in einem goldenen Strahlenkranz. Den dritten Hinweis gibt das Wappen von Penzing: In Rot ein blauer Reichsapfel mit goldenem Kreuz, beseitet von den silbernen Buchstaben D und P. Der Reichsapfel und die Initialen sind dem Siegel des Wiener Bürgerspitals entnommen. Die Buchstaben D und P bedeuten: Dorf Penzing.

Penzing Margareten#

Penzing mit Erläuterung
Penzing mit Erläuterung
Margareten nach Siegeln von Ströhl ergänzt
Margareten nach Siegeln von Ströhl ergänzt
Margareten mit Erläuterung
Margareten mit Erläuterung

Auch geistliche Grundherrschaften beeinflussten die Gestaltung der Bezirkswappen. Eine für Wien besondere Bedeutung erlangten die irischen Benediktiner, die im 12. Jahrhundert aus Regensburg nach Wien berufen und mit Grundbesitz ausgestattet worden waren. Da Irland damals Klein-Schottland genannt wurde (Scotia minoris, im Gegensatz zu Scotia maioris), bürgerte sich im Volksmund die Bezeichnung „Schotten“ ein, die sich bis heute erhalten hat. Vor allem drei Bezirke sind dabei zu nennen. 1. Im Bezirk Neubau entstand Anfang des 19. Jahrhunderts durch Verbauung auf ausgedehnten Äckern und Gärten, die bis dahin dem Schottenstift gehört hatten eine neue Siedlung, die Schottenfeld genannt wurde. Das Wappen: In Silber auf grünem Boden ein wandernder Priester (Benediktiner) im braunen Mönchsgewand, in der Rechten einen Stab haltend. 2. Im Bezirk Josefstadt entstand Anfang des 19. Jahrhunderts auf einem breiten Getreidefeld, das dem Schottenkloster gehört hatte, eine Siedlung, die danach Breitenfeld genannt wurde. Die Wappenfigur wurde dem Wappen des Schottenklosters entnommen: In Blau über grünem Boden die hl. Maria als Himmelskönigin in goldenem Gewand und rotem Mantel, das nimbierte Haupt mit einer Krone bedeckt, in der Rechten einen goldenen Reichsapfel und in der Linken ein goldenes Szepter haltend, auf Wolken schwebend. 3. Der dritte Hinweis auf die schottische Grundherrschaft ist im Bezirk Donaustadt, und zwar im Bezirksteil Breitenlee, zu sehen. Breitenlee ist ein ehemaliges Dorf, das vom Schottenstift nach der Verwüstung infolge der zweiten Türkenbelagerung wiederbesiedelt worden war. Das Schottenstift unterhält dort auch heute noch einen Gutshof und betreibt Landwirtschaft. Im Wappen ist in Rot ein silberner Balken (Bindenschild) mit einem pfahlweise gestellten goldenen Krummstab, gekreuzt mit einem roten Buch mit goldenen Schnallen, ein sog. Beutelbuch zu sehen. Das war ein Buch das in einen Beutel eingenäht war, um es am Gürtel tragen zu können. Ein Vorläufer unseres heutigen Taschenbuchs.

Josefstadt Donaustadt#

Josefstadt nach Ströhl und heute
Josefstadt nach Ströhl und heute
Donaustadt mit Erläuterung
Donaustadt mit Erläuterung

  • Das Wappen von Liesing als besonderer Fall

Als in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Bezirkswappen neu gestaltet wurden, mit der Intention alle Bezirksteile heraldisch in den Schild aufzunehmen, wurde auch für Liesing ein neues Wappen entworfen. Der Bezirk besteht aus den acht Bezirksteilen: Atzgersdorf, Erlaa, Inzersdorf, Kalksburg, Liesing, Mauer, Rodaun und Siebenhirten. Von den acht ehemaligen niederösterreichischen Gemeinden führte die Hälfte davon, bereits vor der Eingemeindung ein Wappen.

Liesing#

Atzgersdorf Siegel 1850
Atzgersdorf Siegel 1850
Inzersdorf 18. Jh.
Inzersdorf 18. Jh.
Mauer 1927
Mauer 1927
Liesing 1905
Liesing 1905

Eine eigene Wappenverleihung an Atzgersdorf ist zwar nicht nachweisbar, gleichwohl führte diese Gemeinde ein Siegel mit der Legende: „Siegel der Gemeinde Atzgersdorf“ und darin einen Schild mit dem Buchstaben A, beseitet von drei kleinen Rosetten, über dem Schild die Jahreszahl 1850.(Ströhl 1904: 10)

Die Gemeinde Inzersdorf hatte seit dem 18. Jahrhundert ein Siegel mit der Umschrift „Sigilum Gemein Inserstorf“. Nach diesem Siegelbild wurde ein Wappen gestaltet und 1931 bewilligt: In Blau ein rotes Herz, aus dem drei goldene Ähren wachsen, beseitet von einem goldenen Löwen und Pferd, die einwärts gekehrt und aufrecht auf einer mit zwei schräggekreuzten silbernen Sensenklingen belegten goldenen Arabeske stehen.(Jäger-Sunstenau 1956-1958: 94)

Der Gemeinde Mauer wurde von der niederösterreichischen Landesregierung am 10. Nov. 1927 anlässlich ihrer Markterhebung auch ein Wappen, ebenfalls nach einem Siegel gestaltet, bewilligt. Das Wappen zeigte einen hinter einer Ziegelmauer mit fünf Zinnen hervorwachsenden Maurer, die linke Hand in der Hüfte, den rechten Ellbogen auf den oberen Schildrand gestützt und in der Hand einen Hammer haltend.(Wiesinger 1932: 3)

Kaiser Franz Joseph I. hatte 1905 Liesing Liesing zur Stadt erhoben und 1906 die Führung eines Wappens gewährt: In Blau eine silberne aufgebogene Spitze, in den beiden Oberwinkeln rechts ein goldener Korb (Winzerkorb), links ein goldenes Kammrad. In der Spitze ein Haselnusszweig mit drei grünen Blättern und vier Früchten über lodernden Flammen und der Jahreszahl 1683. Über dem Schild eine silberne Mauerkrone mit fünf Zinnen, um den Schild ein natürlicher, rechts von Ähren, links von einem befruchteten Hopfenzweig gebildeter Kranz, welcher unten von einer, mit vier gleichmäßig verteilten blauen Trauben befruchteter, beblätterter Rebe und einem blauweißen Bande durchflochten ist.

Der vom Wiener Stadt- und Landesarchiv in Zusammenarbeit mit einer Graphikerin Ende des 20. Jahrhunderts gestaltete Entwurf sah ein Wappen mit acht Feldern vor, unter Einbeziehung aller heutigen acht Bezirksteile. (Abb. 6) (Wiener Stadt-, u. Landesarchiv, Bezirkswappenentwürfe) Der Schild, zweimal gespalten und einmal geteilt über gespaltenem Schildfuß, ist mit einem Herzschild belegt, der den namengebenden Bezirk Liesing enthält. Von rechts oben bis links unten die Wappen der Bezirksteile:

Mauer und Inzersdorf in Anlehung an ihre alten Wappen. Mauer: In Blau hinter einer roten Zinnenmauer ein Mann mit breitkrempigem Hut in altertümlicher Tracht, einen Maurerhammer in der Rechten. Inzersdorf: In Blau drei aus einem gold-umrandeten roten Herz wachsende beblätterte goldene Ähren, beseitet von einem goldenen Löwen und einem goldenen Pferd, die einwärtsgekehrt und aufrecht auf einer mit zwei schräggekreuzten silbernen Sensenklingen belegten Arabeske stehen.

Kalksburg: In Blau ein offenes Burgtor mit teilweise herabgelassenem Fallgitter in einer roten zinnenbekrönten Mauer.

Siebenhirten: Auf grünem Boden ein Hirte mit blauem Mantel sich auf einen Stab stützend, beseitet von einem Schaf vor der Zahl 7.

Atzgersdorf: Auf grünem Boden die hl. Katharina in rotem Gewand, in der Rechten einen grünen Palmzweig, mit der Linken sich auf ein goldenes Schwert stützend. Die Patronin der Ortskirche. Die Kirche St. Katharina aus der Zeit um 1300 war zugleich die bedeutendste Altpfarre des gesamten Raumes und der kirchliche Zentralort für die Umgebung bis in das späte 18. Jahrhundert.

Erlaa: In Blau ein Erlenblatt mit Balken. Redendes Wappen.

Rodaun: In Blau ein rot bedachtes mit Mauer und Türmen bewehrtes Schloss mit Kirche auf grünem baumbestandenem Berg. Soll das Rodauner Schloss symbolisieren, von dem noch bis Anfang des 20. Jh. ein Rundturm erhalten war.

Die Liesinger Bezirksvertretung lehnte jedoch den neuen Entwurf ab und bestand auf dem 1906 verliehenen Stadtwappen, jedoch in stilistisch modifizierter Form.

Wappenentwurf der abgelehnt wurde
Wappenentwurf der abgelehnt wurde
Liesing heute
Liesing heute

Zusammenfassend darf noch bemerkt werden, dass die Einführung der Wiener Bezirkswappen auf Grund einer Privatinitiative erfolgte, da eine Verordnung „von Oben“ wohl nie zustande gekommen wäre, man sah dort einfach kein Regelungsbedarf. Die Überhäufung von Figuren und Teilungen ist heraldisch sicher schwer argumentierbar und entspricht nicht den klassischen Vorstellung von einfachen Wappenabbildungen. Zieht man jedoch die Überlegung in Betracht, dass alle Teile der Bezirke entsprechend vertreten sein sollen, so kann man der Grundkonzeption doch eine gewisse Berechtigung nicht absprechen. Das Bezirkswappen hat eben auch eine gewisse lokalpolitische Funktion. Ohne das repräsentative Vorkommen aller einstmals bestandener Siedlungen hätte es keinen Wappenkonsens gegeben. Die Bezirke der deutschen Hauptstadt Berlin haben übrigens eine ähnliche Wappengeschichte.

Literatur:

  • Wolfgang J. Bandion (1988): Steinerne Zeugen des Glaubens. Die heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien.
  • Ernest Blaschek (1926): Mariahilf einst und jetzt. Wien u. Leipzig.
  • Anna Coreth (1982): Pietas Austriaca. Österreichische Frömmigkeit im Barock. Wien.
  • Peter Csendes u. Wolfgang Mayer (1986): Wappen und Siegel der Stadt Wien. (In: Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1).
  • Peter Csendes (1983): Erinnerungen an Wiens Türkenjahre (= Wiener Bezirkskulturführer 299). Wien (S. 48, S. 36).
  • Felix Czeike (1997): Historisches Lexikon Wien, Band 5. Wien.
  • Peter Diem/ Michael Göbl/ Eva Saibel (2002): Die Wiener Bezirke. Ihre Geschichte – Ihre Persönlichkeiten – Ihre Wappen. Wien.
  • Jakob Dont (1910): Der heraldische Schmuck der Kirche des Wiener Versorgungsheims. Wien.
  • Rudolf Geyer (1946): Siegel und Wappen der Stadt Wien. (In: Wiener Geschichtsblätter 1) Wien (S. 1-14).
  • Michael Göbl (2003): Die Wiener Bezirkswappen – Eine Nachlese. (In: Adler – Zeitschrift für Genealogie und Heraldik 22.Bd.) Wien (S. 107-118).
  • Michael Göbl (2021): Wappenreiches Wien. Schleinbach.
  • Hanns Jäger-Sunstenau: Das Wappen der ehemaligen Gemeinde Inzersdorf bei Wien (1956-1958). (In: Adler – Zeitschrift für Genealogie und Heraldik, 4(XVIII)- Wien.
  • Karl Lind (1975): Beiträge zur Kunde der älteren Gemeinde-Siegel und Wappen in Nieder-Österreich. (In: Berichte und Mitteilungen des Altertumsvereins zu Wien, XV) Wien (S. 24-29).
  • Alfred Mell (1962): Die Fahnen des österreichischen Soldaten im Wandel der Zeiten. Wien.
  • Wilhelm Pertlik (1982): Besiedlungsgeschichte von Mariahilf. (In: Das Wiener Heimatbuch Mariahilf (Hgg. Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums) Wien.
  • Hugo Gerard Ströhl (1904): Städtewappen von Österreich-Ungarn. Wien.
  • Karl Wiesinger: Das Sigel der Gmain Maur 1584, in: Gemeinde-Nachrichten für den Berichtsbezirk Liesing vom 10. März 1932.

-->Text und Abbildungen: Michael Göbl