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vom 16.04.2013, aktuelle Version,

Wünschelrute (Eichendorff)

Joseph Freiherr von Eichendorff fand in seinem Gedicht Wünschelrute von 1835 eine neue Metapher für die Leistung der Dichtung. Es entstammt der Zeit der deutschen Spätromantik und erschien 1838 im Deutschen Musenalmanach[1].

Inhalt

Erzählt wird in einem Vierzeiler über verborgene Poesie der Welt:

„Schläft ein Lied in allen Dingen,


Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.“

Interpretation

Das Dichterwort befreit die äußere Welt aus ihrem verträumten Zustand zu ihrem wahren Wesen, zum Singen. Doch greift die Metapher rekursiv wieder auf sich selbst zurück. Denn Lied und Gesang sind ja auch Bezeichnungen für Dichtung.

Das Gedicht lebt aber nicht allein von der Metapher vom Wort als zauberkräftiger Wünschelrute, sondern verdichtet auch andere romantische Vorstellungen: Das Lied „schläft“ in den Dingen, die ihrerseits träumen. Die Vorstellung vom Schlaf wird also zunächst auf das Lied konzentriert, dann aber sofort auf das Ding übertragen, das seinerseits träumt. Wenn das Ding geweckt wird, wird damit auch das Lied geweckt, aber weder Ding noch Lied singen, sondern die gesamte Welt. Damit gewinnt das dichterische Zauberwort sogleich kosmische Bedeutung, es sprengt alle Grenzen, öffnet den Raum zur Unendlichkeit.

Entgrenzung ist aber bereits das Charakteristikum des Traumes, insofern er die Grenzen zwischen Realität, Phantasie und Unbewusstem auflöst. Andererseits sind die Dinge in romantischer Vorstellung ihrerseits imstande, den Menschen zu verzaubern, so wie er hier die Dinge durch Zauber verändert.

Literarische Einordnung

Das Bild vom schlafenden Lied findet sich bereits bei Theodor Körner in seinem Gedicht Nach der Aufführung von Händels Alexanderfest in Wien von 1812. Die Vorstellung, durch Befreiung der Dinge könne das Eigentliche der Welt erfasst werden, ist aber weit älter und dem Pantheismus zuzuordnen. Das Gedicht insgesamt gehört seit langem zum literarischen Kanon.

Biografische Einordnung

Paul Stöcklein sieht in diesem Gedicht „die Geburt von Eichendorffs Persönlichkeit”. Dabei nimmt es innerhalb seines literarischen Schaffens eine relativ späte Stellung ein, nach den Romanen, nach seinen Theaterstücken und nach der Meistererzählung Aus dem Leben eines Taugenichts. So wird es eher als gelungene Quintessenz seiner dichterischen Arbeit gelten können.

Wirkung

Dass das zentrale Bild „Schläft ein Lied in allen Dingen“ häufig aufgegriffen wurde, liegt nahe. Beispiele dafür sind Vertonungen (z. B. durch Karl Marx) und die Verwendung als Buchtitel (z. B. Günter Bauch: Schläft ein Lied in allen Dingen. Jugenderinnerungen mit Konstantin, Bremen 2001) und ungezählte Veranstaltungen unter diesem Motto sowie eine große Zahl von Abwandlungen der Anfangsworte.

Literatur

  • Hinck, Walter (Herausgeber): Schläft ein Lied in allen Dingen. Poetische Manifeste von Walther von der Vogelweide bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main 1985
  • Wünschelrute. S. 328 und S. 1038 in Hartwig Schultz (Hrsg.): Gedichte. Versepen. in Wolfgang Frühwald (Hrsg.), Brigitte Schillbach (Hrsg.), Hartwig Schultz (Hrsg.): Joseph von Eichendorff. Werke in sechs Bänden. Band 1. 1292 Seiten. Leinen. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 1987 (1. Aufl.), ISBN 3-618-60110-7
  • Hotz, Karl: Drei Sprüche. S. 12-14 in: Gedichte aus sieben Jahrhunderten. Interpretationen. 311 Seiten. C. C. Buchner, Bamberg 1990 (2. Aufl.), ISBN 3-7661-4311-5
  Wikisource: Wünschelrute  – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Schultz, S. 1038, 15. Z.v.u.