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vom 08.07.2020, aktuelle Version,

Walter Arlen

Walter Arlen (* 31. Juli 1920 in Wien) ist österreichischer und US-amerikanischer Musikkritiker und Komponist.

Leben

Walter Arlen wurde am 31. Juli 1920 als Walter Aptowitzer in Wien-Ottakring geboren und wuchs im Kaufhaus seiner Großeltern Leopold und Regine Dichter („Kaufhaus Dichter“, Brunnengasse 40, gegründet 1890)[1] auf, wo er ein eigenes Zimmer mit einem Klavier hatte. Sein Großvater hatte das musikalische Talent Walters entdeckt und auf Anraten des Musikwissenschaftlers Otto Erich Deutsch (1883–1976) dem Knaben Klavierunterricht erteilen lassen. Walter befreundete sich mit seinem gleichaltrigen Schulkollegen Paul Hamburger, dessen Musikkenntnisse und gemeinsame Opeenbesuche ihn stark beeinflussten.

Nach dem sogenannten „Anschluss“ 1938 drangen SA-Männer in das Kaufhaus und die Wohnung ein und brachten den Vater in ein Sammellager in der Karajangasse. Walter Arlen beobachtete, wie Juden mit Zahnbürsten Wiener Straßen putzen mussten. Im Zuge der „Arisierung“ wurden sowohl das Kaufhaus als auch die Wohnung und das Vermögen der Familie (rund 450.000 Reichsmark) enteignet und gingen in den Besitz der Nazis über. Die Familie lebte fortan in einer Pension, die Mutter auch zeitweise in einem Sanatorium, da sie suizidal war. Der Vater wurde vorübergehend freigelassen, dann aber erst nach Dachau und dann nach Buchenwald deportiert. Am 14. März 1939 verließ Walter Arlen Wien, die Bürgschaft einer in Chicago lebenden Tante ermöglichte ihm die Einreise in die USA.

Während seine Eltern und seine Schwester Edith Arlen Wachtel nach London flüchten konnten (Walters Vater war nach zweimonatiger Lagerhaft im KZ Buchenwald freigelassen worden und die Familie mit von Walter vor dessen Ausreise besorgten Visa emigriert), gelangte Walter 1939 zu Verwandten in Chicago, wo er die meiste Zeit des Zweiten Weltkriegs verbrachte. Er arbeitete erst in einem Pelzhandel, dann in einer Chemiefabrik. Da ihm das Komponieren nicht möglich war, verfiel er in Depressionen; auf Anraten eines Psychoanalytikers suchte er einen Lehrer und studierte bei Leo Sowerby, gewann in der Folge einen Studienaufenthalt als „Composer in residence“ bei Roy Harris und blieb vier Jahre bei diesem.

Nach dem Krieg zog er nach Santa Monica, um an der University of California, Los Angeles zu studieren. Schon bald wurde ihm empfohlen, für die Los Angeles Times als Musikkritiker zu arbeiten; daneben studierte er weiter bei Lukas Foss. Da er das Dasein als Musikkritiker unvereinbar fand mit der Tätigkeit als Komponist, unterrichtete er an diversen lokalen Colleges und Universitäten, bis er eingeladen wurde, an der Loyola Marymount University ein Music Department einzurichten und diesem selbst vorzustehen. 1986 vertonte er spontan einige Gedichte des hl. Johannes vom Kreuz; ab da komponierte er wieder bis zu seiner Erblindung durch Macula-Degeneration um 2000.[2]

Er übernahm die künstlerische Leitung der Amerikanischen Akademie der Künste in Verona in Italien. Er war musikalischer Berater für den Internationalen José-Iturbi-Klavierwettbewerb in Valencia in Spanien.

Arlen übergab der Musiksammlung der Wienbibliothek im Rathaus seinen Vorlass, mit eigenhändigen Kompositionen vorwiegend für Gesang und Klavier, Korrespondenzen von Jean Sibelius und Charles Haubiel, sowie eine Fotosammlung, die seine Familie betrifft.[3][4]

Anerkennungen

Literatur

  • Alfred Lang, Barbara Tobler, Gert Tschögl (Hrsg.): Vertrieben. Erinnerungen burgenländischer Juden und Jüdinnen. Mit einem Vorwort von Fred Sinowatz. Mandelbaum Verlag, Wien 2004, ISBN 3-85476-115-5, S. 419–439.
  • Moritz Aisslinger, Stephan Lebert: Walter Arlen: „Ach, der Thomas Mann!“ Der Komponist und Kritiker Walter Arlen ist einer der letzten lebenden Zeitzeugen einer großen Epoche. Die Manns, die Feuchtwangers, die Mahlers – er kannte all die Exilanten in Los Angeles. Jetzt, mit fast hundert, blickt er zurück auf seine Jugend unter den Nazis und sein Leben im freien Amerika. In: Die Zeit. Nr. 28/2020, 2. Juli 2020, S. 13 bis 15 (zeit.de – Bezahlschranke, 1. Juli 2020); mit Lageskizze Kalifornisches Künstlerdorf

Einzelnachweise

  1. Zu den biographischen Angaben siehe auch Adonka Evelyn und Anderl Gabriele: Jüdisches Leben in der Wiener Vorstadt. Ottakring und Hernals. Mandelbaum, Wien 2013, ISBN 978-3-85476-389-5, S. 102–106.
  2. Zum Vorstehenden siehe das Begleitheft zur CD „Walter Arlen: Es geht wohl anders“, erschienen in der Serie „exilarte“ bei Gramola 98946/47.
  3. Gedenkmatinee zur Erinnerung an das Novemberpogrom 1938 im Volkstheater mit Walter Arlen 6. November 2011. Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 4. November 2011. In: wien.gv.at, abgerufen am 1. Juli 2020.
  4. Musik als Gedächtnis. Martin Arlen. Ein Gesprächskonzept. Walter Arlen im Gespräch mit: Michael Kerbler. (PDF; 890 kB) Volkstheater. Konzertmatinee, 6. November 2011, 11 Uhr; zugleich Ö1-Sendereihe Im Gespräch. 10. November 2011, abgerufen am 1. Juli 2020 (Veranstaltungsankündigung mit Informationen zu Arlen).