24. Dezember - Heiliger Abend: Weihnachtsnostalgie#
© Dr. Helga Maria Wolf
Eine Generation zuvor war von dieser Art Weihnachtsstimmung noch nichts
zu merken. "Der Weihnachtsabend ... nicht ein Fest der fröhlichen
Kinderwelt mit flimmernden Bäumen und schimmernden Lichtern, sondern ein
Tag der Vorbereitung zur morgigen Feier an dem man in sinnreicher
Vermischung Enthaltsamkeit und Genuß, Andacht und Lustbarkeiten zu
vereinen wußte. Streng wurde das Fasten beobachtet. Es versteht sich,
dass in religiösen Häusern nicht allein kein Fleisch auf den Tisch kam, sondern auch oft nur
eine Mahlzeit, gegen Abend, gehalten wurde...", erinnert sich die
Schriftstellerin Karoline Pichler. Sie schildert dann, wie man sich beim
"Sabbathindel" mit Orakelspielen vergnügte, in gelöster Stimmung die
Mette besuchte, um nach dem Gottesdienst daheim, "wo jetzt bereits der
Weihnachtstag angebrochen und somit der Genuß der Fleischspeisen erlaubt
war, ein recht reichliches und fröhliches Souper mit seinen
Freunden zu verzehren." Einerseits war Weihnachten in Wien Ende des 18.
Jahrhunderts ein kirchliches Fest, an dem die Theater geschlossen waren
und nur Wohltätigkeitskonzerte gegeben wurden. Andererseits verstanden
die Bürger im Freundeskreis recht "fröhliche Weihnachten" zu feiern.
Dabei machte auch die Mette um Mitternacht keine Ausnahme. Ihre
Bezeichnung leitet sich vom morgendlichen
Stundengebet, der Matutin, ab. Die Mette unterschied sich nicht nur
durch die ungewöhnliche Beginnzeit, sondern
auch in der Gestaltung von der gewohnten Liturgie. Von
den Reformatoren verpönt, in der Gegenreformation gefördert, war die
Ausgestaltung in populärer Art den Aufklärern nur Spott wert. 1781
kritisierte die Schrift "Über die Abschaffung der Weihnachtsmetten"
die Messgestaltung in der Wiener Michaelerkirche und in anderen Pfarren:
"Diese weiche und weltliche Art die heilige Weihnachtsmette zu
feiern, ist in Wien schon ganz allgemein". Ein anderer Autor meinte:
"Die im Provinzialtone abgesungenen Hirtenlieder, der nachgeahmte Gesang
der Vögel, das Ausrufen eines Nachtwächters hatte für den Pöbel ungleich
mehr Anziehendes als ein feierlicher, einfacher Gottesdienst." In der
St. Marxer Kirche in Wien, die für ihre "wunderbare Hirtenmusik"
bekannt war, dauerte die Mette zweieinhalb Stunden. "Da sang jede Minute
ein anderes Vögelchen, der Zeisig, die Lerche, der Kuckuck, es schlug der
blinde Fink und selbst die Nachtigall ließ im Winter ihr Preislied hören.
Eine Reihe Hirten fängt an, das neugeborene Jesuskind einzusingen,
der Lipperl mit dem Dudelsack läßt
sich sogar unter der Wandlung hören, um das Kindlein allerzärtlichst
nach Hirtenart einzuwiegen... der Thomerl mit der Leyer, der Hiesel mit
der Querpfeife und noch alle übrigen Hirten mit derlei ländlichen
Instrumenten, kurz, was nur Ton von sich gibt, muß sich zu Ehren des
anheut neugeborenen Jesukindes hören lassen, damit die andächtigen
Zuhörer weihnachtsmäßig unterhalten werden." Glaubt man der
zeitgenössischen Kritik, so kam es bei diesen Gottesdiensten zu groben
Störungen, die 1805 zur Verlegung der Mette auf 5 Uhr früh, 1806 auf 4
Uhr führten, seit 1823 begann die Liturgie wieder um Mitternacht.
Die schönen Geschenke waren freilich den "braven" Kindern vorbehalten
und die Geschenkvergabe ein pädagogisches Mittel. Beim Spielzeug wurde
streng unterschieden, was für Mädchen und was für Buben angemessen
erschien. Puppen kontra Reiter, Trommeln und Trompeten. Marie von
Ebner-Eschenbach schrieb über ihre Kinderjahre in den 1840er Jahren:
"Das Weihnachtsfest war nahe, wir konnten die Tage bis zum 24. Dezember
schon an den Fingern abzählen, als sich etwas begab, das uns in die größte
Aufregung versetzte. Vor unsern Nasen gleichsam verschwanden unsere Puppen.
Auf einmal waren alle fort. Eine vollständige Puppenauswanderung hatte
stattgefunden... Wir liefen ins Kinderzimmer und klagten die armen
kleinen Brüder des Raubes unserer Puppen an. Daß wir auch im vorigen
Jahre kurze Zeit den selben Jammer erlebt und dann unter dem Christbaum
ebenso viele Puppen, als wir vermisst hatten, mit glänzend lackierten
Gesichtern, reichem Gelock und schön bekleidet sitzen sahen, fiel uns
nicht ein. O, wir waren dumme Kinder!"
Ein halbes Jahrhundert jünger war der Jurist und Schriftsteller Anton
Wildgans. Er erinnerte sich an Bubenträume von einer Eskadron Dragoner
oder einer Kompagnie bosnischer Infanterie, die sich für ihn kaum
erfüllten. Zu den üblichen Geschenken zählte Kleidung, die man ohnehin
bekommen musste wie Anzüge oder neue Schuhe: "Ein Hosenträger! Die
ersten Taschentücher! Das ließ sich schon eher hören; denn das waren
doch wenigstens Embleme des Erwachsenseins!" Und dann kam die große
Überraschung, "... wenn die Zauberglocke endlich geläutet hatte, wenn
die geheimnisvolle Tür aufging und der Märchenbaum mit den stillen,
harzduftenden Lichtern, überflittert von Flimmerfäden und Silbersternen,
über alle Träume schön vor einem stand... "
Zum Abschluß:#
„Stille Nacht“ in vier Sprachen, interpretiert vom Allround-Musiker Klaus E. Kofler und aufgenommen in der Grazer Altstadt: