Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Hackl, Erich #

* 26. 5. 1954, Steyr, Oberösterreich


Erzähler, Hörspielautor, Übersetzer


Erich Hackl wurde am 26. Mai 1954 in Steyr in Oberösterreich geboren.

Nach einem Studium der Germanistik und Hispanistik in Salzburg, Salamanca und Malaga ging er vorübergehend nach Spanien, wo er von 1977 bis 1979 als Lektor an der Universität Complutense Madrid tätig war. Von 1979 bis 1983 unterrichtete er als Lehrer für Deutsch und Spanisch in Wien, von 1981 bis 1990 am Institut für Romanistik der Universität Wien tätig war.

Seit 1983 arbeitet er als Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber; er lebt in Wien und Madrid und hat zahlreiche Reisen in verschiedene Länder Lateinamerikas absolviert.


Erich Hackl beschäftigt sich mit dem Spanischen Bürgerkrieg, Widerstand und Verfolgung im Austrofaschismus und Nationalsozialismus, mit der Verfolgung der Roma und Sinti, dem Mut der Widerständigen unter den Regimen und sogar im KZ, mit Handlungsspielräumen und Mittäterschaft.
Seinen Erzählungen, die mittlerweile in 25 Sprachen übersetzt wurden, liegen authentische Fälle zugrunde. ( Allein von "Auroras Anlaß" gibt es 14 Übersetzungen, darunter ins Albanische, Hebräische und Japanische.) Seine Portraits lateinamerikanischer Schriftsteller sind in vielen Zeitungen und Zeitschriften - "Die Zeit", "Die Presse", "Die Wochen Zeitung" - sowie im Hörfunk erschienen. Darüber hinaus ist Erich Hackl Herausgeber der 1994 ins Leben gerufenen internationalen Lyrik-Reihe "Aurora Bücherei" im Otto Müller Verlag Salzburg und Herausgeber von Werken unbekannter oder an den Rand gedrängter Autoren.

Er übersetzte Werke von spanischen und lateinamerikanischen Autoren und war Herausgeber von Werken, die sich mit dem Exil, dem Widerstand und dem Spanischen Bürgerkrieg beschäftigen. So machte er als Editor auf das Werk des nach Argentinien emigrierten Alfredo Bauer aufmerksam, veröffentliche fotografische Zeugnisse von Internierten in Frankreich (Album Gurs, 2000) und gab mit dem Veteranen Hans Landauer gemeinsam das "Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer 1936–1939" (2003) heraus. Hackls letzte Anthologie erschien 2014 unter dem Titel "Im Kältefieber". Gemeinsam mit Evelyn Polt-Heinzl hat er Geschichten aus dem Februar 1934 zusammengetragen, die sich zu einem vielfältigen Panorama des Bürgerkrieges zusammenfügen.

2002 erhielt Erich Hackl den Solothurner Literaturpreis für sein Gesamtwerk; 2014 wurde er für sein Lebenswerk als Übersetzer von spanischer und insbesondere lateinamerikanischer Literatur ausgezeichnet, als deren Kenner er gilt und um deren Bekanntmachung er sich besonders verdient gemacht hat.
(Seine Übersetzungsliste enthält u.a. Werke von Rodrigo Rey Rosa (Guatemala), Luis Fayad (Kolumbien), Carilda Oliver Labra (Kuba), Eduardo Galeano (Uruguay) und Rodolfo Walsh (Argentinien)).

Auszeichnungen, Preise (Auswahl)#

  • Preis des Literaturwettbewerbs der Kulturinitiative "Junges Steyr", 1980
  • Nachwuchsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur, 1981
  • Halbjahresstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für dramatische Autoren, 1982
  • Zweiter Preis des Förderungspreises für "Literatur zur Arbeitswelt" der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, 1984
  • Literaturpreis des ZDF-Kulturmagazins "Aspekte", 1987
  • Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur, 1987
  • Erster Preis des Drehbuchwettbewerbs "Genf-Europa" der Union der europäischen Rundfunkorganisationen EBU, 1988
  • Fernsehpreis der Österreichischen Volksbildung (gemeinsam mit Karin Brandauer), 1990
  • Zweiter Preis des Südtiroler Leserpreises der Stadt Bozen, 1990
  • Förderungspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur, 1991
  • Literaturpreis des Verbandes evangelischer Büchereien, 1991
  • Prix de Littérature étrangère Ecureuil, 1991
  • Übersetzerprämie des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, 1992
  • Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Literatur, 1994
  • Solothurner Literaturpreis, 2002
  • Preis der Stadt Wien für Publizistik und Literatur, 2003
  • Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln, 2004
  • Ehrendoktorat der Universität Salzburg, 2010
  • Großer Kulturpreis des Landes Oberösterreich, 2013
  • Staatspreise für literarische Übersetzung, 2014
  • Willy und Helga Verkauf-Verlon-Preis für österreichische antifaschistische Publizistik, 2015
  • Anton Wildgans-Preis, Literaturpreis der Österreichischen Industrie, 2016

Werke (Auswahl)#

Bücher
  • Auroras Anlaß. Erzählung, 1987
  • Abschied von Sidonie. Erzählung, 1989
  • Sara und Simón. Eine endlose Geschichte, 1995
  • Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick, 1999
  • Der Träumer Krivanek. Eine Geschichte zu Bildern von Gertrude Engelsberger, 2000
  • Die Hochzeit von Auschwitz. Eine Begebenheit, 2000
  • Anprobieren eines Vaters. Geschichten und Erwägungen, 2004
  • Als ob ein Engel. Erzählung nach dem Leben, 2007
  • Familie Salzmann. Erzählung aus unserer Mitte, 2010
  • Dieses Buch gehört meiner Mutter, 2013
  • Drei tränenlose Geschichten, 2014

Kinder- und Jugendbuch

  • König Wamba. Ein Märchen (Illustrationen von Paul Flora), 1991
Hörspiele
  • Tode. Regie: Klaus Mehrländer. WDR, 1982
  • Durch die Wüste. Regie: Helmuth Froschauer. ORF Wien, 1983
  • Erinnerungen an einen Aufstand. Steyr - Februar 1934. Mit Walter Wippersberg. ORF, 1984
  • Blauer Winkel. ORF, 1985
  • Tod einer Wunschmaschine. Regie: Hans-Gerd Krogmann, Uwe Schareck. ORF, WDR, 1986
  • Kinderexil. Nach einer Erzählung des guatemaltekischen Autors Mario Monteforte Toledo. Regie: Götz Frisch. ORF, 1987
  • Unser Amerika. Fünfteilige Sendereihe. [Mit Franz Fluch]. ORF, 1992

Filme

  • Sidonie. TV-Film. Drehbuch (nach der Erzählung "Abschied von Sidonie"): Erich Hackl. Regie: Karin Brandauer. BR, ORF, 1991
  • Kurzgefaßter Brief von der Entdeckung, Besichtigung und freiwilligen Preisgabe der Stadt "Schleich-di". TV-Film. Regie: E. A. Grandits. ORF, 1993
  • Der Heimwehträger. Neunzig Minuten mit Fritz Kalmar (Ein Film von Erich Hackl und Libertad Hackl; Deutsch und Spanisch). Wien: Dokumentationsstelle für neuere österr. Literatur, 2012

Übersetzungen

  • Bücher
    • Hier ist niemand gestorben. Nachgelassene Gedichte aus Lateinamerika. (Hrsg., Übers. a. d. Span., Vorw.: Erich Hackl, Ill.: Siqueiros), 1985
    • Luis Fayad: Auskunft über Esters Verwandte. Roman. (Übers. a. d. Span.: Erich Hackl, Peter Schultze-Kraft), 1987
    • Eduardo Galeano: Das Buch der Umarmungen. Ill.: Eduardo Galeano. Übers. a. d. Span.: Erich Hackl. Wuppertal: Hammer, 1991
    • Juan José Saer: Die Gelegenheit. Roman. (Übers. a. d. argent. Span.: Erich Hackl), 1992
    • Idea Vilarino: An Liebe. Gedichte. Spanisch / Deutsch (Hrsg., Nachw.: Erich Hackl, Übers. a. d. Span.: Erich Hackl, Peter Schultze-Kraft), 1994
    • Ana María Rodas: Gedichte der erotischen Linken. (Übers. a. d. Span.: Erich Hackl, Peter Schultze-Kraft, Nachw.: Erich Hackl), 1995
    • Mauricio Rosencof: Die Briefe, die nie angekommen sind, Salzburg [u. a.], 1997
    • Rodolfo Walsh: Das Massaker von San Martín, 2010
  • Hörspiele
    • Alvaro Cepeda Samudio: Der Streik. Übers. a. d. Span.: Erich Hackl. Regie: Walter Adler. WDR, 1983


Leseprobe#

aus Erich Hackl - "Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick"

Karls ungewöhnlicher Nachname läßt sich bis ins vierzehnte Jahrhundert zurückverfolgen. Der Luxemburger Kaiser Karl IV. hatte um 1360 deutsche Handwerker dazu aufgerufen, Böhmen zu besiedeln. Die Einwanderer, die diesem Wunsch entsprachen, trugen ihren Gehorsam fortan im lateinischen Namen Sequens (von sequi "folgen, nachfolgen") zur Schau. Karls Vorfahren ließen sich in Chotebor nieder, wo sie über Generationen das Tuchmachergewerbe ausübten und zu einigem Wohlstand kamen. Aber Mitte des vergangenen Jahrhunderts verarmte die Familie infolge der übermächtigen Konkurrenz britischer und niederländischer Manufakturen. Karls Großvater mußte sich bereits als Spengler in einer Brünner Fabrik verdingen. Auch sein Sohn, Karls Vater, ergriff diesen Beruf. Er leistete den dreijährigen Militärdienst als Artillerist in Bosnien ab, übersiedelte nach Wien und trat in den handwerklichen Dienst der k. u. k. Staatsbahnen, wo er es zum Adjunkt brachte. 1904 ehelichte er Rosa Maria Kolibal, Tochter eines Berufskollegen im mährischen Tischnowitz. Im Jahr darauf kam Karl zur Welt, 1906 Rosemarie. Die beiden Geschwister wuchsen in Wien-Floridsdorf auf, in einem Wohnhaus für Eisenbahnerfamilien in der Angererstraße 18, Zimmer Kabinett, Wasser und Klo auf dem Gang.
(S. 8f.)

Noch hoffte sie auf späte Heimkehr. Wer weiß, sagten die Nachbarn, vielleicht haben ihn die Russen verschleppt. Sie sagten das in der festen Überzeugung, mit der sie für alles, was ihresgleichen widerfuhr, einen Schuldigen fanden; so lange sagten sie es, bis Herminia geneigt war, sich an diese Möglichkeit zu klammern. Stalin und die Seinen, hatten sie nicht schon in Spanien ihre eigenen Leute verfolgt.
Doch eines Tages, Wochen nach dem Fräulein Berger, tauchte ein Fremder in Zielheim auf. Egon Steiner, Spanienkämpfer aus Wien. Er sagte, Karl und er hätten versprochen, einander den letzten Liebesdienst zu erweisen. Deshalb sei er hier. Er sei dabeigewesen, beim Transport von Auschwitz nach Dora Mittelbau, im offenen Waggon. Er sei dabeigewesen, als sie den höllischen Durst mit Schnee zu löschen versuchten, als Karl fiebernd auf fauligem Stroh lag, als ein SS-Mann die Pistole hob und auf Karl richtete. Der dünne Blutfaden auf Karls Mund, davon sagte er nichts. Er sagte (und schämte sich dafür, es zu sagen), der letzte Gedanke seines Gefährten habe ihr und dem Kind gegolten.
Herminia nickte, dankte, weinte, wollte ihn wegschicken und nicht gehen lassen.
Als ihre Tochter von der Schule nach Hause kam, sagte sie: Gloria, dein Vater ist tot.
Und Gloria dachte, jetzt muß ich sehr stark sein.
Ja Mama, das ist sehr traurig.
Da ich meinen Vater nicht gekannt habe, sagt sie, hat es mir nicht so sehr weh getan.
(S. 60f.)

© 1999, Diogenes, Zürich.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
LITERATURHAUS

Weiterführendes#

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl