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220 SäulenfUfse.
Säulenfüfse. (Tafel 123—124.)
Es ist zweifellos schöner, wenn zwischen dem Säulenschafl und
dem Unterbau, auf welchem er aufsteht, eine Vermittelung in Form
eines Fufses erfolgt, als wenn die Säule, wie im griechisch-dorischen
Stile, ohne eine solche Basis sich aufbaut. In den orientalischen
Stilen finden sich häufig Fufsbildungen, welche die Wurzelblätter von
Pflanzenstengeln zum Vorbild nehmen. Tafel 124. Fig. i giebt ein
ägyptisches Beispiel dieser Art. Doch erstrecken sich derartige Ver-
zierungen mehr auf das Unter-Ende des Schaftes als auf die eigent-
liche Basis. Dieses naturgemäfse Ornamentationsprinzip findet sich
auch in Anwendung an reichen Beispielen römischen Stils, an denen
aufstrebende Akanthusblätter den Schaft umkleiden (Taf. 123. Fig. 3).
Die antiken Säulenfüfse setzen sich zusammen aus einer quadratischen
Unterlagplatte, der Plinthe, und einer Reihe von Profilen, die der
Rundung des Schaftes folgen. Gröfsere und kleinere Wulste wechseln
mit Kehlen oder Blattwellen, getrennt durch zylindrische Plättchen.
So besteht z. B. die bekarmte viel verwendete attische Basis von
unten nach oben gerechnet aus der Plinthe, einem grofsen Wulste,
Plättchen, Hohlkehle, Plättchen, kleinem Wulste, Plättchen, Ablauf.
Der letztere bildet als Viertelskehle den Übergang zwischen Plättchen
und Schaft. Wo die Plinthe verziert wird, was nur bei sehr reichen
Beispielen der Fall zu sein pflegt, geschieht es mittelst eines Band-
oder Rankenmotivs. Die Wulste verzieren sich mit Flecht- oder
Blattwerk nach Taf. 99; die Kehlen werden mit aufstiebenden Blättern
geschmückt; kleinere Wulste können als Astragale behandelt sein us. w.
Unsere Taf. 123 bringt drei reiche römische Beispiele. Weitere finden
sich bei Bötticher, Tektonik der Hellenen.
Die byzantinische und romanische Epoche lehnt sich mit ihren
Basisbildungen an die Antike an. Die dreieckigen Zwickel, welche
auf der Oberseite der quadratischen Plinthe entstehen, werden jedoch
hier durch Blattansätze gefüllt (Taf. 124. Fig. 3. 7. 8. 10) oder kleine
Tiergestalten treten an diese Stelle (Taf. 124. 9). In späterer (gotischer)
Zeit überschneidet der Wulst die Seitenmitten der Plinthe, wodurch
die Zwickel verkleinert werden; auch finden die Ecken der Unterlag-
platten eine Lösung nach Taf. 124. 6.
Die gotische Periode verwendet mehr geometrische als organische
Formen und erzielt hauptsächlich an zusammengesetzten Säulenbündeln
durch verschieden hoch angebrachte Profilierungen gute Wirkungen.
Taf. 124. II giebt ein hierhergehöriges Beispiel. Auffallend ist die
Ähnlichkeit mit dem chinesischen Beispiel Fig. 2, welchem ein
Bündel eingerammter Pfähle als Vorbild gedient zu haben scheint.
Die Renaissance und die modernen Stile greifen auf die Antike
in direkter Kopie zurück, verwenden aber meist nicht ornamentierte
Formen.
Handbuch der Ornamentik
Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Titel
- Handbuch der Ornamentik
- Untertitel
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Herausgeber
- Franz Sales Meyer
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 1937
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.6 x 15.7 cm
- Seiten
- 628
- Kategorie
- Kunst und Kultur