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228 Säulenkapitäle.
dass die Seiten bogenförmig eingezogen werden und an den Ecken
eine Abstutzung erfahren, so dass der Grundriss als halbregelmäfsiges
Achteck erscheint. Die Mitten der Abakusseiten werden mit Palmetten
oder Rosetten geziert. (Taf. 128. 8—9.)
Durch die Verschmelzung des ionischen und korinthischen Kapi-
tJils zu einer neuen Form ist das Kompositkapitäl entstanden, dessen
Erscheinung mehr interessant als schön zu nennen ist (Taf. 128. 10).
Die altchristliche und teilweise auch die byzantinische und roma-
nische Kunst lehnen sich in der Kapitälbildung an die Antike an.
Hauptsächlich ist es das korinthische Kapital, welches zum Vorbilde
dient. Die Einzelformen werden dabei entsprechend vereinfacht und
vergröbert. (Taf. 129. 6—11.) Neben diesen antiken Reminiscenzen
treten aber auch selbständige neue Bildungen auf. Der Gegensatz des
kreisrunden Unterteils zu dem quadratischen Ober-Ende wird auf
geometrischem Wege ausgeglichen. So entstehen das Würfel-
kapitäl und das Trapezkapitäl. Das Würfelkapitäl ist spezifisch
romanisch. Eine Art Halbkugel wird von unten und von den 4 Seiten
her durch Ebenen angeschnitten. In seiner nackten Gestalt zeigt es
sich Taf. 129. i. Seine Verzierung hat teils geometrischen (129. 2
u. 12), teils organischen und figuralen Charakter (129. 5). Eine
Variante des Würfelkapitäls ist das DoppelwürfeIkapitäl (129. 4).
Spezifisch byzantinisch ist das Trapezkapitäl. Hier wird der kreis-
runde Schaft durch direkte Ausgleichung in die quadratische Platte
übergeführt, wobei die Stirnseiten des Kapitals trapezartige Gestalt an-
nehmen (129. 3). Diese Trapezkapitäle werden häufig reich figural
verziert (B ilderkapitäle).
Die im Mittelalter beliebte Anordnung gekuppelter dünner Säulen-
schäfte führt zur Bildung der Doppelkapitäle, die teils als selb-
ständige Kompositionen (129. 10), teils als Nebeneinanderschiebung
zweier gewöhnlicher Kapitale mit gemeinsamer Platte auftreten.
Im gotischen, speziell im spätgotischen Stile wird die Abdeckplatte
achteckig. An den kelchförmigen Kern werden krabbenartige Blattknäufe
lose und unverbunden angeheftet. Die starken Ausladungen dieser
Blattverzierungen geben dem Kapital die Form einer umgestürzten
Glocke (Glockenkapitäle), Taf. 129. 13—14.
Die Renaissanceperiode verwendet neben dem dorischen und
ionischen hauptsächlich das korinthische Kapital mit direkter An-
lehnung an die Antike. Die Formen werden jedoch freier und mannig-
faltiger und den teils überladenen römischen Beispielen gegenüber
natürlicher und einfacher. Die Eckvoluten entwickeln sich als selb-
ständige Formen und werden häufig durch Delphine, Füllhörner, Tier-
und Phantasiegestalten ersetzt, für welchen Vorgang übrigens die
Antike auch vereinzelte Vorbilder stellt. Die moderne Architektur
hält sich gleich der Renaissance ebenfalls an diese Traditionen.
Handbuch der Ornamentik
Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Titel
- Handbuch der Ornamentik
- Untertitel
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Herausgeber
- Franz Sales Meyer
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 1937
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.6 x 15.7 cm
- Seiten
- 628
- Kategorie
- Kunst und Kultur