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Konsolen, 269
eine Erweiterung der Zahnschnittbildung vorstellen dürfte. Die Sinnig
gekrümmte Doppelvolute mit einer grofsen und einer kleinem Spirale
erscheint als eine stilistisch mustergültige Form. Die konstruktive
Linie und der Raum zur eigentlichen Ornamentik ist bei dieser Konsole
in der Seitenansicht gegeben, während die Vorderseite als die unter-
geordnete auftritt und ihre Verziemng durch Profiliemng, durch
Schuppenmotive, Perlschnüre und durch Akanthusblätter erhält, welche
der Grundform sich in hübscher Linie anschmiegen.
Wird die Konsole zur Bildung des Konsolengesimses oder als
Balkonträger benutzt, so erhält dieselbe die liegende Form; stehend,
die grofse Volute nach oben gerichtet, stützt sie die Verdachungen
der Fenster und Thüren. Eine anderweitige Verwendung kennt die
Antike kaum. Ein hervorragend schönes Beispiel mustergültiger Lösung
ist die Thürkonsole des Erechtheion in Athen (Taf. 145. i—2).
Hervorragende römische Beispiele liegender Konsolen zeigen die Fig.
3—8 der nämlichen Tafel. Das der spätrömischen Epoche angehörige
Beisfxel 3—4 zeigt die Zuthat figürlicher Ausschmückung. Die Biegung
der Volutenkurve weicht hier vom Normalschema ab und nähert sich
der Parabelkurve, welche die statische Berechnung für diese Träger
verlangt.
Die altchristliche und romanische Kunst verwendet zum Teil antike
Formen in vergröberter Weise, zum Teil schafft sie neue Bildungen,
wie sie den neuen Anfordenmgen entsprechen. Es finden sich hier
bereits sparrenkopfartige Bildungen, wie sie in der Holzarchitektur des
Mittelalters häufig sind und wie sie hauptsächlich zu Gesimsanlagen
und als Vermittlung in den Ecken zwischen dem Gewändpfosten und
dem Sturz der Thüren und Fenster angewendet werden. Als Ver-
treter dieser Art von Stützen mag das Beispiel Taf. 146. 11 gelten.
Eine andere Art von mittelalterlichen Konsolen wählt die zentrale
Entwicklung bei rechteckiger, vieleckiger oder runder Grundrissform.
Derartige Konsolen spitzen sich nach imten zu und gewinnen die
Gestalt der Hängezapfen, wie sie als Unter-Enden von Bogenfriesen
und Wanddiensten (Halb- und Dreiviertelsäulen) passend erscheinen.
(Taf, 147. I u. 2.) Die letztere Form benutzt die Gotik auch als
Träger für die figuralen Heiligengestalten, die sie an den Pfeilern und
in den Portalleibungen anbringt.
Die Renaissance gestaltet die letztgenannten Konsolen in ihrer
Weise um, benutzt aber mit Vorliebe wieder die antiken Formen
(146. 3), wobei sie dann und wann die Voluten umgekehrt (146. i—2)
und die Vorderseite reicher rmd selbständiger ornamentiert (146. 6).
N e u ist die Kombination verschiedener kleinerer Konsolen zu einem
Konsolensystem nach Fig. 5 Taf. 146. Wie schon die gotische Hänge-
zapfenkonsole das Kelchkapitäl nachahmt, so werden in der Renaissance
das dorische, ionische und korinthische Kapital in einfacher Weise
zu Konsolen umgewandelt (Taf. 147.4—6). In der Holzarchitektur be-
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Handbuch der Ornamentik
Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Titel
- Handbuch der Ornamentik
- Untertitel
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Herausgeber
- Franz Sales Meyer
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 1937
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.6 x 15.7 cm
- Seiten
- 628
- Kategorie
- Kunst und Kultur